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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.05.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-05-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980504025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898050402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898050402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-05
- Tag1898-05-04
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Zn die Freude mischt sich nur, besonders in New Jork, Be- sorgniß wegen der Verluste an Menschenleben. Auch darüber liegt noch keine amtliche Meldung vor, ob Manila, die Hauptstadt der Philippinen, bereits den Amerikanern in die Hände gefallen ist. Private Nachrichten allerdings wollen schon von dem unmittelbar bevorstehenden oder dem schon erfolgten Fall der, wenigstens nach der Landseile zu, stark befestigten Stadt wissen. Sie besagen: * Madrid, 3. Mai. Dem „Jmparcial" zufolge wurde der größte Theil von Manila zerstört. Wie verlautet, sind mehrere Hundert Häuser in Brand gesteckt. Da die Bevölkerung vorher flüchtete, dürste die Zahl der Todten unbedeutend sein. Man erwartet heute den Einzug der Amerikaner in Manila. * Nctv?)ork, 3. Mai. Ein Telegramm aus Hongkong, das von der „Wallstreet News Ngency" verbreitet wird, theilt mit, das; Manila gefallen sei. Die amerikanische Flagge wehe auf den Philippinen. (Wiederholt.) Damit stimmt die gestern schon »ntgetheilte Meldung des Bostoner „Journal" überein. Immerhin kann man den Fall von Manila noch nicht geschichtlich registriren. Die einzige Kabelvcrbiudung, die von Bolinao auf Luzon (der großen nördlichen Philippinen-Insel) nach Hongkong geht, ist vorläufig unterbrochen und so können nicht wohl authentische Nachrichten vorliegen. Daß Manila freilich capituliren wird und zwar bald, ist nicht zu bezweifeln, und so wird jetzt schon allenthalben die Frage lebhaft erörtert: Was soll aus den Philippinen werden? Zunächst wird nach einer Depesche des „New Jork Journal" aus Washington Mac Kinley die Mobilisirung und Eoncentrirung aller regulären und freiwilligen Truppen der Wcststaaten in San Francisco anordnen, um dieselben als Occupationsarmee für die Philippinen zu ver wenden. Amerika werde die Philippinen bis zur Beendigung des Krieges besetzt halten; sodann würden die Inseln einen Theil der Kriegsentschädigung zahlen müssen. Was aber dann? Werden die Bereinigten Staaten die Philippinen behalten? Die Philippinen liegen nicht in Amerika, es kann also auf sie die Monroe-Doctrin nicht angewendet werden, und die europäischen Großmächte, wenigstens so weit sie an den Geschicken Ostasicns betheiligt sind, werden sich den Anspruch, ein Wort mitzureden, schwerlich nehmen lassen. Einen Unionsstaat können die Amerikaner aus den Philippinen nicht machen; eine Colonie daraus zu machen, hätte als Neuerung für die Vereinigten Staaten auch viel Bedenk liches. Ob die Philippinen, zwischen Japan, dem englischen Borneo und den an der chinesischen Küste befehligenden Mächten Frankreich, England, Deutschland und Rußland eingeklemmt und mit einer zur Verwaltung noch nicht er zogenen Bevölkerung unabhängig sein können, ist auch eine heikle Frage. Nun soll der amerikanische Gesandte in Paris dem Minister des Auswärtigen Hanotaux erklärt haben, Mac Kinley wolle die Philippinen Amerika nicht einverleiben,! sondern Spanien zurückgeben, falls es sofort auf Euba ver-1 sichte. Hanotaux habe hiervon den spanischen Botschafter I verständigt. In Madrid scheint man indessen an eine sofortige Aufgabe Cubas noch nicht zu denken. Aber wenn man auch schließlich auf den Handel ein ginge, die Philippinen wären doch für Spanien verloren, da die Eingeborenen, nachdem sie die Schwäche des „Mutter landes" erkannt, sich sicher losreißen werden. Auf alle Fälle dürften die Philippinen ihren Herrn wechseln, und schon stellt sich ein „Prätendent" ein, der die Hand nach der Inselgruppe ausstreckt. Natürlich ist es —England! Seit einigen Tagen ist die Londoner Presse mit größtem Eifer dabei, für die englische Anwartschaft Stimmung zu machen, um — Deutschland, dessen Concurrenz man fürchtet, zu vorzukommen. Man prüfe darauf hin die folgenden offenbar in London fabricirten Nachrichten: * London, 3. Mai. Aus Washington wird dem „Daily Telegraph" gemeldet: Ein Mitglied des Cabinets sagte, Deutsch land hat gegen ein Bombardement Manilas Protest erhoben (be kanntlich eine Falschmeldung. D. Red. d. „L. T.") und beschäftigt sich mit dieser Frage deshalb, weil verbreitet worden ist, die Regie- rung der Bereinigten Staaten würde, wenn sie die Beschlagnahme der Philippinen für rathsam hielten, bei der endgiltigen Regelung der Frage Mittel finden, diesen werthvollen Besitz an Großbritannien oder Japan abzutreten. Hier ist durchaus kein Anzeichen dafür zu finde», daß die Vereinigten Staaten den Wunsch hegen, diese Inseln sich selbst zu sichern, und obgleich die Ansicht dahin geht, daß Cuba und Hawaii schließlich Theile der Vereinigten Staaten werden sollen, hat man doch nicht den Plan, weiter zu gehen. * London, 3. Mai. Nach einer Meldung des „Daily Thronicle" aus Washington denkt man ernstlich daran, die Philippinen England zu geben und dafür Jamaica, die Bermudas- und die Bahamas-Inseln einzutauschen. Amerika wolle die Philippinen nicht, aber unter keinen Umständen dürfe sie Spanien be halten. (Franks. Ztg.) * London, 4. Mai. (Telegramm.) Den „Times" wird aus New Park berichtet, Präsident Mac Kinley habe die Absicht kundgegeben, die Philippinen bis zum Abschlüsse des Friedens zu behalten. Er habe dazu bemerkt, die Regierung be absichtige nicht, dieselben zu einem bleibenden Besitze der ?sc.einigten Staaten zu machen; wenn Spanien die Kriegsentschädigung nicht zahlen werde, so würden die Philippinen an eine europäische Macht, am liebsten England, verkauft werden. Auch läßt man die Verhältnisse auf den Philippinen schon so erscheinen, daß eine Selbstverwaltung derselben auf die Dauer unmöglich und eine Schutzherrschaft, natürlich die Englands, infolgedessen unumgänglich sei. Man berichtet uns: * London, 3. Mai. Wie dem „Reuter'schen Bureau" aus Hongkong gemeldet wird, verlaute dort, die in Hongkong an wesenden Führer der Aufständischen auf den Philppinen hofften, aufgefordert zu werde», provisorisch die Verwaltung der Inseln unter dem Schutze der Vereinigten Staaten zu übernehmen. Unter den Mitgliedern der Aufständischen-Juntas fänden fortdauernd Zwistigkeiten statt. Das Beste aber kommt noch: * Madrid, 3. Mai. In dem gestrigen Ministerrathe wurde I eine Drahtnachricht des Gouverneurs der Philippinen ver lesen, in der derselbe meldet, der englische Eons ul habe ihm gegenüber den Wunsch ausgedrückt, die Chinesen auf dem Archipele unter seinen Schutz zu nehmen. Ter Colonial minister hat hierauf im Drahtwege ablehnend Bescheid ertheilt. Von dem Anerbieten des englischen Consuls wurde den Mächten Mittheilung gemacht. Also jetzt schon Einmischung Englands in die Angelegen heiten der Philippinen! Das Weitere ergiebt sich dann von selbst. Hier gilt es, auf der Hut sein, besonders für Deutschland, das mindestens ebenso viel Anrecht auf vie Philippinen hat wie England, zumal da seine Handelsinteressen dort keine geringen sind. Wie es in Madrid nach dem Schlage von Cavite auS- sieht, läßt sich mit voller Bestimmtheit nicht sagen, da in Folge des Belagerungszustandes die Depeschencensur eingeführt ist. Aber aus dem, was dnrchgelassen oder ofsiciös verbreitet wird, ergiebt sich schon, daß eine innere Kris^ bevorsleht, die sich voraussichtlich nicht blos auf das liberale Cabinet Sagafta beschränken wird. Man meldet uns: * Madrid, 3. Mai, 10 Uhr 50 Min. Vorm. „Jmparcial" und „Liberal" behaupten, es bestehe bereits eine Ministerkrisis; die- selbe werde in einigen Stunden auch offen zum Ausbruch komme». In der heutigen CorteSsitzung werde die Regierung auf Fragen der Opposition bezüglich Manilas antworten. * Madrid, 3. Mai. Die Deputirtenkammer nahm ein stimmig den Ausdruck der ehrenden Anerkennung und Trauer für die bei Cavite Gefallenen an. Darauf begann die Adreß- debatte. Robledo und die Carlisten erklärten, sie würden sich an der Debatte nicht betheiligen. Die Adresse wurde angenommen. Die Republikaner und die Carlisten, sowie die dissidenten Con- servativen stimmten dagegen. Die Conservativen der silvelistischen Richtung stimmten mit der Mehrheit. Ter Republikaner Salmeron richtete eine Interpellation, betr. die Ereignisse vor Manila, an die Regierung. Nachdem er den Todten von Cavite seine Hochachtung gezollt hatte, wendete er sich heftig gegen alle Regierungen, die er als verantwortlich für die gegenwärtige Lage Spaniens bezeichnete. Er verlangte Aufklärung über die Ursachen der gestrigen Niederlage. Er fragt, warum man Manila ver- theidigurgsunfäbig gelassen habe. Redner giebt dem Bedauern Ausdruck, daß die Liberalen Mitschuldige an der Vaterlands sein blichen Schwäche der Conservativen seien. Er beklagt, daß man Millionen für Repräsentationskosten ausgegcbcn habe, anstatt Panzerschiffe zu kaufen. Die für das ver gossene Blut Verantwortlichen sollten zur Rechenschaft gezogen werden, vom Geringsten an bis zu der Person auf dem Throne. (Widerspruch. Salmeron wird zur Ordnung gerufen.) Wer ein solches Regime mit dem Schwerte vernichte, werde ein großer Patriot sein. (Widerspruch der Monarchisten.) — Ministerpräsident Sagafta giebt dem Bedauern Ausdruck, daß nicht alle Spanier geeint seien. Wenn ein Anschlag gegen das Vaterland allezeit ein Verbrechen sei, um wie viel mehr unter Len jetzigen Umständen! Redner betont, daß er immer Anhänger des Friedens gewesen sei, aber der Krieg sei allen Anstrengungen zum Trotze unvermeid lich geworden; denn Spanien sei zum Kriege herausgesordert worden. Auch Sagafta widmet den Gefallenen des gestrigen Tages einlehrendes Gedenken. Erfährt fort, noch aber sei weitere Energie nöthig. Im Namen der Soldaten und im Namen Les Vaterlandes fordere er die Bewilligung der Kriegscredite. Clerens (Carlist) verliest ein Schreiben aus Manila, in dem versichc't wird, daß in Manila keinerlei unterseeische Lertheidigungs- maß regeln getroffen seien. Der K r ie g s m i n i st e r be» merkt, es seien genug Landtruppen vorhanden, uni riiicu Angriff auf Manila zurückzuschlageu. Der Marineminister erklärt, warum es unmöglich gewesen sei, eine unterseeische Vertheidigung dort einzurichten. Canelejas macht die Conscr- vativen als Schuldige und die Liberalen, weil sie es an Vor aussicht hätten mangeln lassen, für die Niederlage veraut- wörtlich; denn die Vereinigten Staaten seien von jeher Gegner Spaniens gewesen. Ministerpräsident Sagafta erklärt, in den letzten 25 Jahren seien 350 Mill, für Befestigungswerke ausgegeben worden. Er wirft den Bereinigten Staaten vor, gegenüber Spanien eine Politik niederen Ranges zu treiben, die nicht Krieg von Angesicht zu Angesicht führe, sondern auf Umwegen Mittel suche, Spanien Schaden anzuthun, und drückt die Ueberzeugung aus, Li- Vereinigten Staaten wären zufrieden, wenn in Spanien durch kie Republikaner verursachte Wirren entständen. Er glaube nicht, das; der Zustand der Marine unter einem republikanischen Regime besser wäre. (Beifall.) * Madrid, 3. Mai. (Senat.) Admiral Böranger widmet den auf den Philippinen Gefallenen einen ehrenden Nachrust Sanchez Toca protestirt gegen die von den Amerikanern vor Lcr Kriegserklärung begangene Verletzung des Völkerrechts, so wie gegen die Versorgung der Eingeborenen auf den Philippinen mit Waffen. In; weiteren Verlaufe der Sitzung erklärt der Minister des Innern, der Belagerungszustand sei verhängt, weil gewisse Elemente aus den» Unglück des Vaterlands Nutzen zögen, nm die politischen Leiden schaften zn erregen. Marschall Martinez Campos bietet seine Dienste an. Cardinal de Werrera erklärt, obgleich er ein Diener des Friedens sei, spreche er für den Krieg, nm die Bc- völkerung anzuspornen gegenüber den Feigen, die Spanien ohne Grnnd angegriffen hätten. Die Senatoren seien gewillt, der ganzen Welt zu zeigen, daß Spanien sich nicht unter die Füße treten lasse. Der Minister des Aeußeren dankt für diese patriotischen Kundgebungen. Man ersieht aus diesen Mittheilungen, daß die Regierung - und die Krone „weitere Energie auswenden", also den Krieg fortsctzen müssen, wenn sie nicht der mächtig im Wachsen begriffenen carlistischen und republikanischen Bewegung zum Opfer fallen wollen. Wenn noch etwas geschehen soll, so muß cs auf dem cuba nischen Kriegsschauplatz« sein, da die Philippinen enr- giltig verloren sind. In dieser Voraussicht rüsten die Ameri kaner mit fieberhafter Eile. So wird uns u. A. aus New Jork gemeldet: Zweihundert Cubaner, welche sich in New Dort hatten anwerben lassen, sind in Tampa eingetrofsen; dieselben werden mit anderen Cubanern, welche sich unter Führung von Julio Sanguily zur Zeit hier aufhalten, in ein Ca- vallcrie-Regimenl eingereiht werden. Für den Trans port von Truppen sind bereits Dampfer gechartert. Dl- erste Expedition wird voraussichtlich aus 3000 Mann Infanterie, 1000 Mann Cavallerie und in Batterien bestehen. — Man erwartet schon in den nächsten ! Tagen die Entscheidungsschlacht auf Cuba, zumal da die Aus- F-irrlletsn» Die Herrin von Echtersloh. 7j Roman von Toni Krüger. Nachdruck verboten. Sie hatte den Hut abgenommen und trug ihn, einem Korbe gleich mit Blumen gefüllt, am Arm. Ihr Gesicht mit dem feinen Näschen, den rothen Lippen und dem zarten Teint war aufwärts gerichtet und ihre lebhaften Augen folgten den schnellen Sprüngen eines Eichkätzchens. „Guten Morgen, gnädigste Comteß!" tönte da eine Stimme dicht vor ihr. Der junge Hartmann war aus dem Gebüsch getreten und stand mit strahlendem Gesicht vor ihr. Er hatte eine große, kraftvolle und doch geschmeidige Gestalt, die grüne Jägertracht mit den hohen Gamaschen stand ihm prächtig, und als er so, den Hut in der erhobenen Hand, die Flinte lässig über die Schulter gehängt, mit seinem offenen, frischen Gesicht vor ihr stand, machte Margot die Bemerkung, daß er doch ein hübscher Mann sei und so recht zu ihrer Gertrud paffe. „Waidmanns Heil, Ludwig!" erwiderte sie seinen Gruß, ihm freundlich die Hand bietend, „ich bin auf dem Wege zur Mühle, soll ich vielleicht etwas ausrichten?" „Wenn Comteß so freundlich sein wollen, meinem Bräutchen herzliche Grüße von mir zu bestellen; ich kann erst heute Abend zu ihr kommen." „Gut, soll bestens besorgt werden, Herr Förster!" sagte Margot, stramm stehend in neckischem Ton, „und nun adieu, ich muß mich eilen!" Sie nickte ihm freundlich zu und verschwand leichtfüßig hinter der nächsten Wegbiegung. Bald lag die Mühle vor ihr, von blühenden Kletterrosen dicht berankt, nur das rothe Ziegeldach lugte aus den Bäumen hervor. Ein lauschiger Garten umgab das freundliche Haus, das durch den rauschenden Mühlbach von der Straße getrennt war. Mit leichten Schritten sprang Margot über den Mühlsteg und stand gleich darauf in dem blühenden Garten. Vorsichtig hielt sie Umschau und bemerkte auch bald unter einer schattigen Blutbuche, das Gesicht halb abgewandt, ein Mädchen, eifrig über eine Näharbeit gebeugt. Dieser reizende Kopf mit dem welligen, röthlich braunen Haar und den schelmischen Augen hätte einem Defregger zum Modell dienen können. Vorsichtig näherte sich ihr Margot und hielt ihr neckend die Hand vor die Augen. „Ludwig!" rieth die kleine Braut sofort, „doch nein, was rede ich für Zeug, solche Fingerchen hat mein Jägersmann nicht. Das kann nur Margot sein!" „Richtig errathen!" rief Margot lachend, und nachdem sie die Freundin herzlich geküßt hatte, setzte sie sich neben sie auf die Bank. „So, nun wollen wir ein gemüthliches Plauderstündchen halten und kein Mensch soll uns dabei stören! Gelt, Gertrud, Du warst doch schön überrascht, als Du von Deinem Schatz gestern hörtest, daß er Dich so bald schon als junge Förstersfrau heimführen wird?" fragte Margot erwartungsvoll. „Ach, Margot, wie glücklich Ihr uns gemacht habt! Ihr seid doch zu liebe, liebe Menschen!" betheuerte Gertrud und küßte Margot in überströmendem Dankgefühl die Hand. Hastig entzog die Comteß ihr dieselbe: „Was fällt Dir ein, Trude, wenn Du mir einen Kuß geben willst, so küsse mich auf den Mund! Ich mag keine Handküsse und am allerwenigsten von Dir!" „Wir haben gestern eine selige Stunde verlebt, mein Ludwig und ich!" erzählte die glückliche Braut, „wir haben uns so nett ausgemalt, wie wir zusammen in dem lieben Forsthause wohnen wollen!" „Der alte Vellmer kommt nach Domnitz", berichtete Margot, „und Joachim will morgen nach der Stadt fahren, um Hand werker zu bestellen, die Euer neues Heim ordentlich renoviren sollen. Ihr sollt ein recht behagliches Nestchen finden, hat er gesagt. Weißt Du, Achim ist doch eigentlich ein prächtiger Mann!" plauderte Margot weiter. Forschend blickte Gertrud die Freundin an, konnte jedoch in ihren Augen nichts weiter entdecken als herzliche Freundschaft. „O", rief sie aus, „wie schön wird die Zukunft sein! Sie liegt wie ein sonniger Rosengarten vor mir, und nun nur noch vier Wochen, dann bin ich seine kleine Frau!" „Der liebe Gott erhalte Dir Dein Glück, meine Gertrud", sagte Margot bewegt, den Arm um der Freundin Nacken schlingend. „Nur noch so kurze Zeit, und ich habe noch so sehr viel zu thun!" rief Gertrud, schnell die Arbeit wieder ausnehmend, an der sie gestichelt hatte. Margot zog ihr dieselbe fort: „Diese Stunde gehört mir, und überdies hat er gesagt " Gertrud sah sie erstaunt an. „Ich habe ja ganz vergessen, die Bestellung auszurichten", unterbrach sich Margot, „ich traf Deinen Schatz im Walde. Er trug mir herzliche Grüße für sein Bräutchen auf, er könne erst heute gegen Abend zu Dir kommen, sagte er, und Du solltest nicht zu fleißig sein. Deshalb lege nur Deine Arbeit für ein Weilchen hin und laß uns lieber auf- und abspazieren." Unter heiterem Geplauder wandelten die beiden Mädchen gestalten eng umschlungen durch die schattigen Gartenwege. „Weißt Du, daß mir Tante Mariette heut eine Predigt ge halten hat?" sagte Gertrud lachend, „sie sagte, es schicke sich nun nicht mehr, daß ich Dich „Du" und „Margot" nenne, ich müsse Dich „Sie" und „Comteß" anreden! Was meinst Du dazu?" Margot lachte hell auf: „Das wäre noch schöner! Ich werde der Tante mal den Standpunct klar machen. Es will mir schon gar nicht gefallen, daß sie das trauliche „Du" mir gegenüber abgeschafft hat, und nun will sie gar Dich mit ihren wunder lichen Ideen anstecken! Komm, wir wollen ihr gleich den Kopf zurechtsetzen", sagte sie, die Freundin mit sich ziehend. „Noch nicht, wir wollen uns erst noch ein paar Rosen pflücken. Schau, diese hier muß Dir gut stehen", sagte Gertrud, eine voll erblühte In franco brechend und sie Margot in den blonden Locken befestigend, „und diese hier soll für mich sein." Und sie steckte sich eine dunkelrothe, süß duftende Rose in die schweren Flechten. In diesem Moment kam Florian, der Müllerknecht, auf die Mädchen zu. Er war ein blasser Jüngling und hinkte stark auf dem rechten Fuße. „Die Frau Müllerin läßt Comteß bitten, doch herein zukommen und ein Frühstück einzunehmen", meldete er. „Schön, Florian, wir kommen schon!" rief ihm Margot freundlich zu. Der blasse Müllerknecht warf den beiden reizenden Mädchen gestalten einen bewundernden Blick zu und verschwand dann wieder langsam. Die Thür zur großen Müllerstube flog auf, zwei lachende, rosige Mädchen standen auf der Schwelle und „Guten Tag, Groß mutter!" riefen zwei Helle Stimmen der alten Frau zu, die in einem mächtigen Großvaterstuhl am Fenster saß. Freudig streckte die Greisin den Mädchen beide Hände ent gegen und sagte fröhlich: „Guten Tag, guten Tag, Kinderchen! Man meint ja, der junge Frühling zöge ein, wenn man Euch kommen sieht!" Margot hatte sich auf die Lehne des Sessels gekauert, ihren Arm liebevoll um der alten Frau weißes Haupt geschlungen und das Spinnrad mit energischem Griff bei Seite geschoben. „Ihr sollt nicht so viel spinnen, Großmutter, seid schon fleißig genug in Eurem Leben gewesen", sagte sie scheltend. „Ich freue mich aber recht sehr, daß ich Euch so munter finde!" setzte sie freundlich hinzu. „Comteßchen, ich muß aber noch für die Trudel spinnen, so ein junges Hausfrauchen braucht viel! — Aber was für eine Freude, daß das Comteßchen einmal nach der alten Müllerin sieht." Sie war eine recht hinfällige Gestalt, die alte Mutter Burk hart. Durch ihr kleines Gesicht zogen sich unzählige Fältchen und unter schneeweißen Brauen blickten ein paar Helle, freund liche Aeuglein. Schneeweiß war auch das Haar, das unter der großen, schwarzen Haube hervorsah. Den zitternden Händen sah man es an, daß sie nicht viel geruht hatten in dem langen Leben. Sie war die Mutter des jetzigen Müllers und ließ sich noch gern, wie ehemals: „Frau Müllerin" nennen. Margot war von jeher oft hier in der alten Mühle, ihrem Lieblingsaufenthalte, zu finden gewesen. Freilich zog ihr das die Mißbilligung der Tante Excellenz zu, die den Verkehr mit den einfachen Müllersleuten sehr unpassend fand, aber um keinen Preis der Welt hätte Margot den freundschaftlichen Umgang mit Gertrud aufgegeben. Auch ihr Vater billigte diese Gewohnheil vollständig, denn Gertrud hatte dieselbe sorgfältige Erziehung und Bildung genossen wie seine Tochter, ja, sie war ihr im Französischen sogar stets überlegen gewesen durch den steten Verkehr mit Tante Mariette, welche die geliebte Heimath, die französische Schweiz, nie ganz vergessen konnte. „Guten Tag, Comteß!" rief die eben eintretende, etwas corpulente Müllerin, „es ist sehr freundlich von Ihnen, daß Sie wieder einmal nach uns schauen, und ich bitt recht schön, daß Sie. ein einfaches Frühstück mit uns theilen", setzte sie, auf den sauber gedeckten Tisch zeigend, hinzu. Bereitwillig folgte Margot und setzte sich mit den freund lichen Miillersleuten nieder. Auch der Hausherr kam nun mit weißbestäubtem Haar herbei und bot der Comteß in seiner biederen Weise die Hand. „Meint man nicht, mein Mann hätte graue Haare", sagte Mariette scherzend, „und doch ist er noch ein ganz schmucker, an sehnlicher Kerl." „Wenn man aber so unvorhergesehen am Werktage in die Mühle fällt", bemerkte Margot, „muß man mit einem grau haarigen Müller vorlieb nehmen, gelt Burkhart? Uebrigens ge fallt Ihr mir so auch viel besser als im Sonntagsstaat!" Nach beendetem Frühstück öffnete Gertrud eine riesige, dunkel braune Holztruhe und entfaltete vor Margot's erstaunten Augen den schneeigen Inhalt. „Schaut, was ich gesammelt habe", sagte sie mit stolzem Blick, „diese Handtücher hat die alte Großmutter alle selbst gesponnen, und wie gefällt Dir der große Namenszug im Tischzeug? Er hat mir viel Mühe gemacht!"
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