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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.05.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-05-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980509026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898050902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898050902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-05
- Tag1898-05-09
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Die ersten Meldungen besagten, der Admiral habe die spanischen Batterien vollständigzum Schweigen gebracht, habe die ganze Bucht und „alles Andere" in seiner Gewalt, habe jedoch die Stadt Manila wegen Mangels an Leuten nicht besetzen können. Weiter hieß es, Dewey sei Herr der Befestigungen, habe die Truppen in Cavite (südlich von Manila) lauden können und habe gegenwärtig keinen Bedarf (an Truppen?). Zn dem letzten Telegramm meldet der Sieger von Cavite, „in Manila herrsche große Aufregung; er schütze die Vertreter der fremden Staaten", eine Meldung, die möglicher weise den Einzug der Amerikaner in Manila vorauSsetzt. Sicher aber ist derselbe, wie gesagt, noch nicht. lieber den Verlauf der Seeschlacht vor Manila und die Blockade der Stadt hat Dewey ausführlich berichtet. ES sind unS darüber noch folgende Nachrichten zugegangen: * Paris, 8. Mai. Die hiesige Ausgabe deS „New Aork Herold" veröffentlicht den ersten Theil des Berichtes über das Seegefecht bei Manila. Fünfmal pajsirte Admiral Dewey die spanischen Schiffe. Die Verluste der Amerikaner waren nicht nennenswerth, aber die Zahl der Schüsse, welche die amerikanischen Schiffe er- hielten, beweist, wie tapfer und niuthig die Vertheidigung derSpanierwar. Nichts hinderte di «Einfahrt de rAmerikan er in die Bai. Die „Olympia", welche an der Spitze fuhr, hatte die Insel Corregidor eine Meile hinter sich, als der erste Schuß fiel. Die Schiffe „Ralcigh", „Concord" und „Boston" erwiderten schnell da- Feuer. Ein Geschoß der „Concord" platzte über einer Batterie und brachte dieselbe zum Schweigen. Ta- Geschwader verlangsamte feine Fahrt, cS kam bis auf fünf Meilen an Manila heran. Als der Tag anbrach, sah man da- spanische Geschwader sich in Fahrt setzen. DaS Ge- schwader fuhr zunächst an Manila vorüber, wo drei Batterien in Thätigkeit traten. Die mächtigen Kanonen der „Concord" erwiderten das Feuer. Bei Cavite explodirten zwei starke Torpedos an dem Bug des Admiralschiffes; man glaubt, daß dies die einzigen (!) Torpedos der Spanier waren. Hierauf begann die Batterie an der Landspitze von Cavite das Feuer. Tie Geschosse kamen sehr nahe an die amerikanischen Schiffe heran. Die amerikanischen Mannschaften riesen: Denkt an die „Maine"! Ter Commandant, welcher sich mit dem Stabe auf der Kommando brücke befand, ordnete an, die einzelnen Schiffe sollten das Feuer beginnen, wenn sie es für nöthig erachteten. * Paris, 8. Mai. In dem durch die hiesige Ausgabe des „New Volk Hcrald" veröffentlichten Bericht über die Seeschlacht der Bai von Manila heißt es weiter: Der an General Dewey ergangene Be fehl besagte, er solle das spanische Geschwader nehmen oder zer stören. Niemals wurden Instructionen vollständiger ausgeführt; denn nach Verlaus von sieben Stunden blieb nichts mehr zu thun übrig. Dewey hatte am Abend vor der Schlacht die Einzelheiten deS Actionsplanes festgestellt; der Plan wurde genau durchgeführt. Am Abend der Schlacht ließ der Commodore auf der Höhe von Manila Anker werfen und schickte an den Gouverneur die Botschaft, daß er Manila blockire; er fügte hinzu, wenn aus die amerikanischen Schiffe geschossen werden sollte, würden die Batterien von Manila zerstört werden. Die Amerikaner hatten keinen einzigen Tobten. Der Bericht schließt: Wenn es den Amerikanern gelang, ohne schweren Verlust an Menschenleben aus der Schlacht hervorzugehen, so ist dies ihrem Glück und dem mangelhaften Schießen der Spanier zu verdanken. Von anderer Seite wird uns gemeldet: * Hongkong, 8. Mai. Der spanische Admiral theilte dem Generalgouverneur mit, daß es unmöglich sei, mit Aussicht auf Erfolg Widerstand zu leisten, und daß er sich im Interesse der Menschlichkeit lieber ergeben werde, obwohl er sich bereit erkläre, zu kämpfen und zu sterben. — Nach dem Gefechte übersandte Admiral Dewey ein Ultimatum mit der Drohung, die Stadt zu beschießen, falls die Batterien das Feuer nicht einstellten. Er schlug den spanischen Behörden vor, sie möchten unter amerikanischer Flagge bis zum Ende des Krieges ihres Amtes weiter walten. Die in Madrid eingetroffenen Berichte ves General- capitains der Philippinen, General Augusti, bestätigen die Blockade Manilas, reichen aber noch nicht bis zum Bom bardement der Stadt, das sicher stattgefunden hat, da die spanischen Batterien das Feuer begannen. Wir entnehmen dem Bericht noch Folgendes: * Madrid, 7. Mai. Der Feind bemächtigte sich durch die Zer störung des Geschwaders Cavites und des Arsenals und fährt fort, Manila streng zu blockiren. Es verlautet, infolge einer Petition der Consuln werden die Amerikaner jetzt M anila nicht bom- bardiren, so lange wir nicht auf die Schiffe zu feuern beginnen. Der Feind befindet sich außerhalb der Tragweite unserer Ge schütze; das Feuer kann daher erst eröffnet werden, wenn er sich mehr genähert hat. Gestern Abend trafen 1000 Matrosen von unserem zerstörten Geschwader ein, welches 6l8 Mann ver loren hat. In einer Versammlung der Behörden wurde beschlossen, einflußreiche Agenten in die Provinz zu senden, um den Geist der Bevölkerung zu heben und besonders die Soldaten vom Anschluß an die Aufständischen zurückzuhalten. Agenten der Aufständischen befinden sich an Bord der amerikanischen Flotte vor Manila. Sie wurden von Admiral Dewey gebeten, sich an Land zu begeben, um über die Stärke und die Stellung der Aufständischen Bericht einzuholen. Der Admiral wünschte ferner, daß die Agenten die Aufständischen darüber unterrichten sollten, daß er nicht die Absicht habe, eine sofortige Aenderung der Regierung auf den Philippinen berbeizuführen; seine einzige Sorge sei, die Bevölke rung zu verhindern, Ausschreitungen zu begehen. Die Agenten weigerten sich jedoch, an Land zu gehen, offenbar aus Furcht, von den Spaniern auf gegriffen uud standrechtlich erschossen zu werden. Zm Innern der PhilippinischenJnseln wird ohnehin noch eben- soheftigweitergekämpst,wieum dieHafenplätze, wie die Einnahme von Panay (Ort auf der gleichnamigen südlich von Luzon liegenden Insel) zeigt. Voraussichtlich wird sich noch ein erbitterter Kampf um die Insel-Gruppe entspinnen. Der Secretair des MarineamtS in Washington, Long, kündigt an, die Regierung werde sofort Truppen zur Unterstützung des Admirals Dewey absenden. 5000 Mann seien zur Einschiffung bereit, und der amerikanische Aviso „Mc Culloch", der gestern nach lebhaftem Austausch von Depeschen mit Washington nach der MirS-Bucht (unmittelbar nördlich von Hongkong) in See gegangen ist, erwartet dort endgiltige Instructionen. Auch in Madrid beschäftigt die Lage auf den Philippinen vorwiegend den Ministerrath, und es soll ja bereits beschlossen sein, sämmtliche verfügbaren Kräfte zur Vertheidigung der Inseln abzusenden. Hinsichtlich eines englisch-nordamerikanischen Abkommens über die Philippinen vertritt man auf spanischer Seite folgende Ansicht: Würde der spanische Befehlshaber General Augusti das durch den englischen Consul übermittelte „Ultimatum" deS Admirals Dewey angenommen haben, nach welchem sämmtliche Schiffe, Waffen und Schießbedarf ausgeliefert werden sollten, so würde sofort auch ein englisches BesatzungScorpS gelandet worden sein. Die Vereinigten Staaten hatten für diesen Fall das Schutzrecht Englands über die Chinesen in Manila anerkannt, zu dessen Ausübung die Landung britischer Mann schaften gerechtfertigt gewesen wäre. Alsdann sollte unter dem gemeinsamen Schutz der nordamerikanischen und eng lischen Truppen eine „autonome Regierung" aus Eingeborenen eingesetzt werden, wodurch die Philippinen tatsächlich unter die gemeinsame Verwaltung beider Mächte gelangt wären. Unterdessen erhalten sich die Gerüchte von einem Zusammenstoß des spanischen Geschwaders mit der Flotte AdiniralSampson's in den westindischen Gewässern, die für die spanischen Schiffe, die wenn sie wirklich bei den großen Antillen bereits erschienen sein sollten, mit bedeutender Ge schwindigkeit gefahren sein mußten, günstig ausgefallen wäre. Man berichtet uns darüber noch in anscheinender Bestätigung unserer Madrider Meldung: * New Uork, 8. Mai. Die „World" veröffentlicht nachfolgendes Telegramm aus Puerto Plata (San Domingo) vom heutigen Tage; Beamte von Domingo berichten, daß eine scharfe Kan onade bei Monte Christi gehört wurde. Man glaubt, das Geschwader des Admirals Eampson sei mit der spanischen Flotte, die von den Cap Verdischen Inseln kam, in ein Gefecht verwickelt worden; die Kanonade habe gegen 9 Uhr Vormittags begonnen. Monte Christi liegt an der Südküste der Insel Haiti. Von dem AuSgang dieser Kämpfe wird sehr viel abhängen, denn, falls er vernichtend für die spanische Flotte ist, dürfte er das Ende des ganzen Krieges bedeuten. Andernfalls muß noch um Cuba selber gerungen werden. Die Amerikaner scheinen sich denn auch auf alle Fälle vorzubereiten und eine Invasion der Insel großen Stils vorzubereiten, die aber- sicher nicht eher vollständig ins Werk gesetzt werden kann, als bis die beiden feindlichen Geschwader sich in entscheidendem Kampfe gemessen haben. Ist doch die Blockade CubaS gegenwärtig nichts weniger mehr als effektiv, da, wie amt lich nach Madrid gemeldet wird, die hauptsächlichsten ameri kanischen Schiffe nach Puerto Rico abgegangen sind. Viel leicht macht auch noch das gelbe Fieber einen Strich durch die amerikanische Rechnung. Man berichtet uns: * New Bork, 8. Mai. Nach einer Depesche der „World" aus Key West sind unter den an Bord des aufgebrachten Schiffes „Argonauta" commandirten amerikanischen Seeleuten 4 Fälle von Erkrankung am gelben Fieber vorgekommen, doch wird das Auftreten der Krankheit von den Aerzten sür nur sporadisch erklärt. Die „Argonauta" liegt jetzt in Ouorantaine. Im Uebrigen sorgen die vor Cuba zurückgebliebenen ameri kanischen Schiffe dafür, daß die Spanier in Athem erhalten werden. Nach Madrider Meldungen aus Havannah vom 7. Mai 8 Uhr Vormittags wechselten die Batterien mit zwei amerikanischen Kreuzern, die eine Goölette verfolgten, Kanonenschüsse, und nach einer weiteren amtlichen Depesche aus Havannah wagte sich am Abend desselben TageS ein feindliches Schiff bis in die Schußweite einer Batterie von Havannah, wurde jedoch gezwungen, sich mit leichten Havarien eiligst zurückzuziehen. Uni 3 Uhr feuerte ein- anderes Schiff auf die Batterien am Eingänge von Matanzas; 65 Schüsse waren auf ein kleines Block haus gerichtet, von denen 19 dasselbe trafen. Außer einem Civil-Ingenieur, der leicht verletzt wurde, kamen Menschen nicht zu Schaden. In Madrid ist zu dem Krieg mit den Vereinigten Staaten noch der Krieg der Parteien unter sich gekommen. Man berichtet unS darüber: * Madrid, 7. Mai. Depntirtenkammer. Mella tadelte im weiteren Verlause seiner Rede, daß keine Allianz mit Frank reich und Rußland geschloffen worden sei, verurtheilte die cuba nische Autonomie, welche, weit davon entfernt, den Krieg zu vermeiden, denselben vielmehr hervorgerufen habe, kritisirte die Botschaften Mac Kinley's, die Beleidigungen enthalten hätten, welche die spanische Regierung nicht abgewiesen habe, und sagte, Moret habe Schiffbruch erlitten und sollte eigentlich unter Polizeibegleitung den Saal verlassen müssen, während General Weyler den Ovationen sich entziehen müsse. Er erinnerte an das Wort des Propheten: Wehe den Völkern, die von Frauen und Kindern regiert werden; Gottes Fluch lastet auf ihnen. (Wider spruch.) Sag asta erwiderte, derartige Worte spreche man nicht in der Kammer aus, sondern außerhalb des Parlaments. Mella antwortete, seine Worte seien mißverstanden worden und erklärte, falls der Friede der Vermittelung der Mächte verdankt werden müsse, sei er entehrend sür Spanien. Der Präsident forderte Mella auf, seine Morte über das Provhetenwort näher zu erklären; Mella weigerte sich. Auf daS Verlangen deS Präsidenten sprach sich die Kammer hierauf mit 190 gegen 19 Stimmen dafür auS, daß Mella das Wort ent zogen werde. Ter Deputirte Suarez Jncla verthridigte die Politik des Generals Weyler. Silvela erklärte, die Regierung, nicht das Parlament habe die Kriegssrage zu lösen, wenn die- nicht geschehe, so werde die Verfassung verletzt, Moret wolle der Verantwortlichkeit auSweichen. Die cuba nische Autonomie sei die Verzichtleistung auf die spanische Souverainität. Man müsse Bündnisse anzuknüpfen suchen. Canalejas meinte, die Regierung müsse sicherlich die Führung haben, aber in geistigem Einklang mit der öffentlichen Meinung. Auch er glaube, daß Moret der Verantwortlichkeit sich zu entziehen suche. Hieraus wird die Debatte vertagt und die Sitzung ausgehoben. Wie versichert wird, soll die cartistische Minorität aus dem Parlament au-° scheiden wollen. Daß unter diesen Umständen die Möglichkeit einer Ministerkrise wieder in de > Vordergrund tritt, ist begreiflich. Dazu kommt, daß die Unruhe im Lande eher zu als abnimmt. In den Bergwerksdistrict von Bilbao ist eine bedrohliche Arbeiterbewegung auSgebrochen und in mehreren Städten haben sich dre Meutereien wiederholt, so daß über Badajoz und Alicante der Belagerungszustand verhängt werden mußte. Politische Tagesschau. * Leipzig, 9. Mai. Angesichts der häßlichen und abschreckenden Bilder, die bei der Wahlagitation für den künftigen Reichstag schon jetzt sich entrollen, darf in Deutfchland die große I Heuchelei nicht unbeachtet bleiben, deren die Stimmführer der Ferrrlletsn. Die Herrin von Echtersloh. 11) Roman von Toni Krüger. . Nachdruck vkcdotrn. Ohne das auffahrende Wesen Herbert's zu beachten, fuhr Joachim mit voller Ruhe fort: „Margot ist ein Kind noch von Gemüth, sie ist rein und unschuldig; nie hat sie einen Blick in die Abgründe des Lebens geworfen. Sie hält alle Menschen für gut, wie sie selbst gut ist. Ist es wirklich Dein Wille, dies heitere Gemüth zu trüben? Ist es Dein Ernst, dem süßen Ge schöpf die reizende Harmlosigkeit zu rauben? Könntest Du es verantworten, in dies reine Herz den Keim des Argwohns zu legen? Denn sie hält Dich für gut und würde, einmal getäuscht, überall mißtrauen. Und wenn das Alles Dich nicht überzeugen kann, so bedenke, daß Du Dir nur ins eigene Fleisch schneiden würdest. Ich zweifle nicht daran, daß sie sofort bereit sein würde, Dir zu helfen, aber ihre Achtung, ihr Vertrauen hättest Du verscherzt." Mit tiefem Athemzug hielt Joachim inne. Die Ueber- zeugung einer edlen Absicht hatte sein Gesicht verklärt. Er hatte die strenge Haltung aufgegeben und seine Augen waren bittend auf den Vetter gerichtet. „Du redest Dich ja in ein wahres Feuer der Begeisterung, wenn eS sich um Margot handelt", sprach Herbert mit leisem Spott, indem er seinen Gegner argwöhnisch maß, „wahrhaftig, das nenne ich eine Lanze brechen!" „Margot ist mir als Schutzbefohlene hinterlassen worden, und ich werde sie, wo und gegen wen es sei, zu schützen wissen, verlaß Dich darauf. Das Vermächtniß ist mir heilig, und ich habe mir gelobt, sie rein und unversehrt in die Arme ihres dereinstigen Gatten zu legen." Noch immer spielte ein ironisches Lächeln um Herbert'- Lippen; dennoch lenkte er ein: „Gut, ich werde Margot nichts sagen, aber gieb mir einen anderen Ausweg an; das Messer sitzt mir an der Kehle!" „Mit meinem Rathe bin ich gern bereit, Dir zu helfen", sprach der Baron, und ein Strahl der Befriedigung zuckte über seine Züge, „vor Allem mußt Du einschen, an welchen Abgrund Du Dich gebracht hast, und daß Du nicht zu retten bist, wenn Du nicht ein vollkommen anderes Leben beginnst. Da Dir dies bei Deinem Regiment schwerlich gelingen wird, so bleibt nur «ine Versetzung zur Infanterie oder di« Wahl eine» ganz neuen Lebensberufes, etwa der des Landwirthes, übrig. Nur wenn Du durch solchen Entschluß dem festen Vorsatz der Besserung Ausdruck giebst, will ich einen Accord mit Deinen gewiß wucherischen Gläubigern herbeizuführen suchen und Dir zu ihrer Befriedigung behilflich sein. Ueberlege Dir meinen Vorschlag bis zu Deiner Abreise. Jndeß, ich will Dir meinen Rath gewiß nicht aufdrängen." Und Hut und Reitpeitsche ergreifend, verließ der Baron leicht grüßend das Zimmer. Es war keineswegs ein Segenswunsch, den ihm sein Vetter nachsandte. Er warf sich aufgeregt in den Sessel zurück und starrte an die Decke. Wenn er auch dem Baron nicht Unrecht geben und ja unmöglich fortfahren konnte, wie bisher über seine Verhältnisse zu leben, — aber seinen Beruf oder sein Regiment aufzugeben, dazu sah er vorläufig keinen zwingenden Grund. Ein Mann von seiner Persönlichkeit und Familie brauchte mit 25 Jahren nicht an seiner Zukunft zu verzweifeln. — Eine Viertelstunde fpäter saß Herbert, die Damen erwartend, auf dem Balcon. Seme Aufregung war einem ernsten Nach denken gewichen. Der herrliche Herbstmorgen hatte das seinige gethan, die aufgeregten Nerven des jungen Grafen zu beruhigen. Er ließ seine Augen nachdenklich über die schöne Landschaft schweifen und blies mechanisch den Dampf der Cigarette in die Luft. Die Sonne lachte ihn freundlich an und schien ihm sagen zu wollen: „Wozu die finsteren Wolken auf der Stirn! Sieh um Dich und freue Dich der herrlichen Natur!" Herbert war nur zu geneigt, dieser Aufforderung zu folgen. Wirklich verklärte ein Lächeln seine hübschen Züge, als er seine Cousine Margot durch die Parkbäume auftauchen sah. Sie hatte offenbar eine Promenade gemacht, denn sie hielt einen großen Strauß von Feldblumen in den Händen. Wie bereits gestern, so überraschte auch heute wieder ihre reizende Gestalt den Beobachter. Sie sah ihn noch nicht, und er hatte Muße, sie so recht zu betrachten. Unwillkürlich tauchte in seinem Geiste neben Margot'S Erscheinung seine kleine Louison auf, und er mußte die beiden Frauengestaltrn mit einander vergleichen. Eine war so liebreizend wir die andere, und doch gab e» wohl keine größeren Gegensätze: die größere Margot war so recht die Verkörperung eines deutschen Grethchens. Das Köpfchen war unter der Last der goldglänzenden Flechten krone ein wenig nach vorn geneigt, die großen unschuldigen Blau augen schweiften sinnend in die Ferne, und um den frischen rosigen Mund lagerte ein Zug reinster, harmloser Kindlichkeit. Louison hingegen sah man es auf den ersten Blick an, daß leichtes Franzosenblut in ihren Adern floß. Ihre reizende, kleine, biegsame Figur, sowie ihre Bewegungen waren von vollendeter Grazie. Die Art, wie sie ihre braunen Locken trug, hatte etwas Keckes, aus den reizenden Augen lachte der Schalk, und die Grübchen in den rosigen Wangen erhöhten noch den Eindruck des Schelmischen. Sie war weltgewandter wie Margot, besaß eine Jedermann bestrickende Liebenswürdigkeit und konnte mit ihrem drolligen Wesen und ihren geistsprühenden Einfällen eine ganze Ge sellschaft unterhalten. Wohl strahlte aus ihren Augen milde Herzensgüte, wohl wohnte in ihrem Herzen eine tiefe Frömmig keit und ein kindliches Gottvertrauen, jedoch hatte sie die un befangene Harmlosigkeit in den Stürmen des Lebens bereit- eingebüßt. Seit der frühesten Jugend verwaist und unter fremden Menschen lebend, kannte sie die Schlechtigkeiten der Welt, und der Argwohn war früh in ihr Herz gezogen, wie ihre letzte Unterrdung mit dem Grafen gezeigt hatte. Louison ver band mit bestrickender Naivetät auch die den Französinnen eigene reizende Koketterie, während noch kein Hauch den reinen Spiegel von Margot'S Seele getrübt hatte. — „Nun, Vetter Langschläfer", rief ihm die Helle Stimme Margot'S jetzt zu, „heute kann ich Dir Deine Neckerei von gestern zurückgeben! Ich bin schon lange auf, habe einen herr lichen Morgenspaziergang hinter mir und bringe nun großen Kaffeedurst mit." Sie drückte auf die Klingel und gebot Friedrich, daS Frühstück zu bringen. Inzwischen beschäftigte sie sich damit, die langen Stiele ihres Bouquets abzuschneiden und die Blumen in einer Vase auf dem Kaffeetisch zu ordnen. „Sieht es nicht aus, als wenn Jemand Geburtstag hätte?" fragte sie, ihr Werk wohl gefällig betrachtend. „Apropos, Margot, Deine kleine Freundin Gertrud ist nun verheirathet?" „Ja, und Du sollst sehen, was für eine entzückende kleine Förstersfrau sie ist. Ludwig Hartmann, ihr Mann, ist vor Glück gar nicht mehr er selbst und sagt immer, er habe nie geglaubt, daß die Welt so schön sein könne." „Wenn es Dir recht ist, wollen wir nachher an das Forsthaus heranreiten, damit ich Frau Gertrud begrüßen kann", schlug der Lieutenant vor. „Gewiß! Und nach Domnitz müssen wir auch nächstens. Bei Buchmanns ist inzwischen eine ganze Schaar kleiner Semmel köpfe eingekehrt. Die mußt Du olle kennen lernen; es sind meine besonderen Lieblinge. Und wie wird sich der alte Vollmer freuen. Dich wiederzusehen! Er ist jetzt in Domnitz ein quartiert!" Gegen neun Uhr waren die Pferde gesattelt. Margot stand, das Reitkleid über dem Arm, neben Hertha und gab Fred ver schiedene Anweisungen. „Du hast die Sarah für den Herrn Grafen gesattelt? Das ist recht, sie wird ihm gut stehen", und sie streichelte sanft das goldig glänzende Haar der Fuchsstute. „Du willst den Helios reiten, Fred? Das will mir nicht gefallen; Sarah und Helios gehen schlecht zusammen. Sattle Dir schnell den Hannibal, Du hast noch gerade so viel Zeit, bis der Herr Graf kommt." Bald darauf erschien Herbert. Er hatte zu dem Ritt Uni form angelegt, und Margot, die ihn noch nicht darin gesehen, betrachtete ihn mit bewundernden Blicken. „Nun, Cousinchen, was hast Du mir denn für eine Rofinante zugedacht?" fragte er lachend und prüfte Sarah mit kritischem Blick. „Ein gutes Pferd, wir wollen es mal miteinander ver suchen. Der Marstall ist mir ganz fremd geworden", setzte er hinzu. „Ja, unser Stall ist in den letzten zwei Jahren fast ganz erneuert worden", erwiderte Margot, „ich muß Dir erst alle Pferde Vorführern Fred wird den Hannibal reiten, und hier stelle ich Dir meine Hertha vor", sagte sie in drolligem Tone. Die schöne Rappstute neigte, der Komtesse Hand suchend, graziös das Haupt. Sie gingen in den Stall. „Was ist denn das für ein brillantes Thier?!" rief Herbert begeistert, vor dem prächtigen Rappen Joachim's stehen bleibend „Kennst Du ihn nicht? Du hast ihn schon in der Koppel gesehen, es ist der Asra. Er ist das beste und werthvollste Thier unseres Stalles. Joachim hat ihn selbst mit großer Sorgfalt zugeritten." „Ja, ich entsinne mich. Asra hat in hohem Grads gehalten, was er schon im vorigen Jahre als Remonte versprach. Fred!" ries er, „sattle mir schnell den Asra, ich will ihn reiten!" Der Groom zögerte und Margot wehrte ab: „Unmöglich, Herbert, Niemand besteigt Asra außer Joachim, er duldet es nicht!" Ein spöttisches Lächeln flog über Herbert'S Züge: „Der Herr Baron scheint hier eine unbeschränkte Herrschaft zu führen; er verfügt mit merkwürdiger Sicherheit über Alles, obwohl er doch nur der Verwalter ist und nicht der Besitzer!" „Du irrst, Herbert", sprach die Comtrß unwillig, und eine kleine Zornfalte legte sich ihr zwischen die Brauen, „Joachim hat das Recht, über Alles zu verfügen, und benimmt sich ganz, wie es seiner Stellung zukommt. Was nun Asra anbetrifft, so ist er Joachim's unbestrittenes Eigenthum; er erhielt ihn bereits von meinem Vater zum Geschenk, als er noch al» Fohlen in der
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