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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.05.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-05-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980510020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898051002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898051002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-05
- Tag1898-05-10
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Anzeigen'PretA die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pf-, Aeelamrn unter dem Redaction-strich (4 g» walten) 50/L. vor den KamilienuachriLtrn ^(6gespaltru) 40 Gröbere Schriften laut unserem Preis« verzrichniß. Tabellarischer und ZiffernsaH uach höherem Tarif. Extra »Beilagen (gefalzt), nur mit dm Morgen - Ausgabe, ohne Postbesörderuaz? ^l 60.—, mit Postbesördrrung 70.—^ Äunahmeschluß fSr Änzeizen: Ab end »Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. vtorge«»Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. vei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Tpreirr» sind stets an die Erpepfttp» zu nchtru. und Verla, von S. V»l» in Lei-tich 82. Jahrgang. Der spanisch-amerikanische Krieg. —k>. Abermals stehen die beiden um Cuba kämpfenden Mächte unmittelbar vor einer Entscheidung, und vielleicht ist sie schon zum Theil gefallen. Das Gerücht, daß die spanische und die amerikanische Flotte in den Gewässern der Antillen zusammengetroffen seien, tauchte vorgestern auf und hat sich bis heute erhalten. Man wollte an der Küste von Haiti eine scharfe Kanonade und von Key West aus Kanonen donner gehört haben, und man ist in Madrid sowohl wie in Washington in fieberhafter Aufregung über den AuSgang deS Entscheidungskampfes. Eine volle Bestätigung, daß derselbe stattgefunden, liegt noch nicht vor; nur die folgenden Mel dungen sind an uns gelangt: * Madrid, 9. Mai. Hier gehl das Gerücht von einem hef. Ligen Kampfe zwischen dem spanischen und dem amerikanischen Geschwader bei den Antillen. Einzelheiten fehlen noch. * Key West» 9. Mai. Zwei amerikanische Krie gsschiffe kommen in Sicht. Sie fahren langsam auf Key West zu und sind anscheinend schwer beschädigt. Die Landung der amerikanischen Truppen auf Cuba ist um eine Woche verschoben worden, weil man erst das Ende des Duells der beiden Geschwader abwarten will. Fällt dasselbe für die Vereinigten Staaten ebenfalls günstig aus, dann sollen Truppen auf den Philippinen und Cuba gelandet werden. Wenn beide durch amerikanische Truppen besetzt werden, dann, so meint man in Amerika, würde Spanien um Gnade bitten, die Feindseligkeiten einstellen und Cuba preisgeben. Stellt sich das spanische Geschwader unter Admiral Cervera der amerikanischen Flotte zum offenen Kampfe, so lange sich diese in geschlossener Masse befindet, dann endigt voraussichtlich die Begegnung, so groß auch der Schaden der Amerikaner sein mag, mit einer Vernichtung des Geschwaders Cervera's, daS nicht mehr als fünf stärkere Schiffe zählen kann. Einen Theil der Stärke der Spanier machen die Torpedoboote aus, die vom Cap Verde nach Cuba hinüber sein solle». Ein Angriff dieser Schiffe aber am Hellen Tage ist kaum zu er warten und müßte verhängnißvoll verlaufen. Auf einen Erfolg werden demnach die Spanier nur dann hoffen können, wenn cs ihnen gelingt, die Amerikaner bei Nacht mit Hilfe der Torpedoboote zu überraschen. Eine Ueberraschung eines solchen großen Geschwaders, daS der Gefahr sich bewußt sein muß und mit allen modernen Hilfsmitteln ausgerüstet in See gegangen ist, bietet übrigens auch seine Schwierigkeit, da unter den verfügbaren Schiffen sich etwa acht Kreuzer mit großer Geschwindigkeit befinden. Die größte Schwäche der Spanier liegt in dem Umstande, daß sie bei der Rolle der Entsatzflotte, die sie der Sachlage nach spielen, Niemand haben, der ihnen von Cuba oder Portorico ausfallend die Hand bieten kann. Die dort befind lichen spanischen Schiffe sind nicht mehr Werth, als die Flotille auf den Philippinen eS war, und den größeren Schiffen, wenn sie auch Kreuzer erster Classe genannt werden, ist kein großer GefechtSwerth beizumessen. Günstiger wären die Aussichten für die spanische Flotte, wenn sie die Hauptmacht der Gegner trennen könnte, und eS ist nicht unmöglich, daß diese Taktik gelingt. Das amerika nische Kriegsschiff „Oregon" ist von Rio de Janeiro aus unterwegs und noch nicht in Key West eingetroffen; man glaubt deshalb, daß Admirgl Saippson ihm mit einem Theil seiner Flotte entgeMgeAhren sei, um eS nicht von dem spanischen Geschwader abfangen zu lasten. Auch die Schiffe „Marietta" und „Nictheroi" bedürfen des gleichen Schutzes auf hoher See. Sollte es sich außerdem bestätigen, daß an verschiedenen Stellen der atlantischen Küste Kanonenschüsse gehört worden sind, so wäre es immerhin möglich, daß es den Spaniern gelungen ist, die amerikanische Flotte zu theilen und an verschiedenen Puncten zu stellen. Zudem verfügt Spanien anscheinend noch über eine ziemliche Flottenreserve. Wenigstens kam, wie uns aus Lissabon berichtet wird, dortigen Blättern zufolge am Sonntag Nach mittag eine auS 9 Schiffen bestehende spanische Flotte in Sicht von Cap Espichel, südlich von Lissabon. Die Fahrt ging in südlicher Richtung. Ob diese Schiffe nach Cuba gehen werden, ist allerdings nicht ganz sicher, möglich auch, daß sie nach den Philippinen beordert sind. Da ein Angriff der Amerikaner auf die Canarischen Inseln nicht auszesckloffen ist, haben sich drei spanische Torpedoboote von den Cap Vertuschen Inseln dorthin begeben müssen und sind bereits eingetrvffen. In England hat diese Möglichkeit ein gewisses Unbehagen erzeugt, da dieses große Handelsinteressen auf den Canarien hat. Die Inseln werden keinesfalls ohne Vertheidigung sein. Unter dem Commando des Generals Sugaras stehen 12 000 Mann, die über die ganze Insel verbreitet und meist mit Mauser- Nepetirgewehren bewaffnet sind. Jeder einheimische Spanier oder Canarier wird in die Armee gepreßt; die Folge davon ist, daß die Verschiffer von Früchten nur noch Frauen zum Verpacken in Dienst haben. Die Fortificationen werden so schnell als möglich gebaut und ein neues Fort auf dem Hügel gegen über dem Hotel Metropole, von dem man den Hasen und die Consital-Bay übersieht, errichtet. Dasselbe soll mit schwerem Geschütz bewaffnet werden. Die Militairbehörden nehmen von Gebäuden Besitz, welche britischen Firmen gehören, ohne sie angeblich dafür zu entschädigen. Obwohl die wichtigsten Geschäftshäuser nämlich englisch sind, sind sie doch unter spanischer Firma registrirt, da die Regierung andere Häuser und anderen Grundbesitz als spanischen nicht anerkennt. Die spanische Regierung legt gegenwärtig Steuern auf alles nur Bersteuerbare. So hat sie das Monopol auf Schießpulver, Waffen und Munition an ein Syndicat für einen fabelhaften Preis verkauft. Ein anderes Syndicat bat daS Monopol auf Oel und Anstrichfarben gekauft. Eine Steuer wird von den Silberminen erhoben, und nun sollen auch die wichtigen Kupferminen, welche bisher der Steuer entgangen waren, besteuert werden. Der amerikanische Consul in Las PalmaS, ein naturalisirter Spanier, ist plötzlich ver schwunden, und zwar, wie man dem „B. T." zufolge in London vermuthet, mit Plänen des Hafens von LaS Palmas. Von Cuba selber ist nicht viel Neues zu berichten. Aus Key West wird vom Sonntag gemeldet, daß eS Nachts einen schweren Nordsturm gegeben habe und daß damit die Noth- wendigkeit, einen Zufluchtshafen für die amerikanischen Schiffe zu gewinnen, noch dringender geworden sei. Zu diesem Zwecke versuchten gestern zwei amerikanische Schiffe den Canal von Cardenas (Bucht östlich von MatanzaS) zu forciren, mußten sich aber, wie uns aus Havannah berichtet wird, vor drei spanischen Kanonenbooten zurückziehen. Sonst wäre nur noch zu erwähnen, daß die cubanische Kammer neuerdings in einer Adresse gegen den Angriff der Vereinigten Staaten Wider spruch erhebt und den Entschluß mittheilt, die Souve- rainität deS Mutterlandes nachdrücklichst zu vertheidigen. Gomez hat im Namen der Aufständischen die Vereinigten Staaten ewiger Freundschaft und Solidarität versichert und spricht von der Allianz beider Völker, eine Ausdrucksweise, die in Washington nicht eben angenehm berühren wird, da sie zeigt, daß die Cubaner nicht beabsichtigen, sich mit den Hankees zu einem Volke zu verschmelzen. Ueber den Eindruck, welchen der Sieg Dewey's bei Cavite auf die amtlichen Stellen in Washington ge macht hat, liegt unS folgende Meldung vor: * Washington, 9. Mai. Präsident Mac Kinley sandte dem Congreß eine Botschaft, in welcher er in nahezu denselben Aus drücken, wie die Depesche des Admirals Dewey abgefaßt ist, von dem erfochtenen Siege Mittheilung macht und hinzufügt: „Der materielle Vortheil dieses ersten Erfolges wird übertroffen durch den starken moralischen Eindruck auf das Herz der Nation, das erregt ist nicht durch Eitelkeit oder Erobe» rungsgier, (?) sondern durch das Gefühl tiefer Dankbar keit, daß wir gesiegt haben, in Folge der Gerechtigkeit unserer Sache und daß durch die Gnade Gottes ein wichtiger Schritt geschehen ist zur Erreichung des ersehnten Friedens." Die Botschaft schließt mit der Bitte an den Congreß, eine Dankes- bezeugung für den Admiral Dewey, die Osficiere und die Mann schaften zu votiren. Beide Kammern nahmen infolge dessen unver züglich eine Resolution an, in welcher die Dankesbezeugung zum Ausdruck gelaugt und die Ernennung Dewey'S zum Contreadmiral genehmigt wird. An der Hand der von uns mitgetheilten Hongkonger Telegramme der „Frkf. Ztg."»und deS Berichts eines „Herald"- Correspondenten, der sich an Bord des amerikanischen Flagg schiffes befand, giebt daS erstgenannte Blatt folgende zusammen hängende Darstellung des Kampfes: Am 30. April Abends kam Commodore Dewey mit seinem auS 0 Schiffen (Olympia, Balti more, Raleigh, Petrel, Concord und Boston) bestehenden Ge schwader vor derBucht vonManila an und beschloß.sofort in die selbe hineinzufahren. Alle Lichter wurden gelöscht und sämmtliche Mannschaften an die Geschütze beordert. Der Mond schien bell» allein erst nachdem die führende „Olympia" 1*/, km über die Corregidor-Insel hinauSgefahren war, wurde der erste Schuß von der Insel abgegeben. „Raleigh", „Coucord" und „Boston" antworteten, und nachdem eine Bombe deS „Concord" in der Strandbatterie geplatzt war, schossen die Spanier nicht mehr. DaS amerikanische Geschwader dampfte langsam in die Bucht, wobei den Mannschaften gestattet wurde, neben ihren Ge schützen zu schlafen. Bei Tagesanbruch erblickte man die spanischen Schiffe unter dem Befehl des Contre-Admirals Montogo auf der Höhe von Cavite. Dort hatten die Spanier ein angeblich gut ausgerüstetes Marine-Arsenal. Auf dem geschützten Kreuzer „Reina Cristina" wehte die Admiralsflagge, der geschützte Kreuzer „Castilla" ankerte an der Hafenbatterie, während das Flagg schiff und die Kreuzer „Don Juan de Austria", „Don Antonio de Ulloa", „Isla de Cuba", „Isla de Luzon", „Marques del Duero" und „General Lezo" in Bewegung waren. Die amerikanische Flotte fuhr zunächst mit 8 Knoten Geschwindigkeit an Manila vorbei, von wo drei Batterien auf eine Entfernung von 8 km die Amerikaner beschossen. Nur der „Concord" antwortete mit 2 Schüssen, da ein hef tiges Feuer die Stadt zerstört hätte. Um 0 Minuten vor 5 Uhr Morgens explodrrten zwei starke submarine Minen vor dem amerikanischen Flaggschiff, ohne jedoch Schaden zu verursachen. Nun begannen die Batterien an der Cavite- Spitze ihre Geschütze spielen zu lassen, und manche Geschosse explodirten in der Nähe der amerikanischen Schiffe. Gerade als ein solches über der „Olympia" explodirte, rief ein Mann an den Geschützen: „Gedenket der „Maine!"" und sofort brachen die 500 Mann in denselben Ruf aus. Um 5 Uhr 11 Min. gab Dewey die Erlaubniß zum Be ginn der Kanonade, und sofort schleuderten die „Baltimore" und die „Boston" ihre 250psündigen Bomben gegen die „Castilla" und „Reina Cristina", jedoch ohne Erfolg, da d .: Entfernung 5500 Hards (1 Hard gleich 93 em) betrug. Verschiedene Geschosse der Spanier streiften daS ameri kanische Flaggschiff. Die Leute lachten meist und nur wenige „nervöse Burschen" duckten sich, sobald eine Kugel geflogen kam. Geschützt durch die Strandbatterien und daS seichte Wasser, befanden sich die Spanier in Cavite in einer starken Stellung, und ihre Geschütze machten den Amerikanern viel zu schaffen. Auf der „Olympia" wurde au zwei Stellen durch das Bersten von Bomben Feuer hervorgerufen, doch konnte dasselbe jedesmal schnell gelöscht werden. Nun näherte sich die „Olympia" den spanischen Schissen auf 2000 Hards, und in dieser Ent fernung waren selbst die SechSpfünder wirksam. Das heftige, gegen die Spanier gerichtete Feuer that seine Wirkung, denn man sah drei spanische Schiffe brennen und deren Geschützfeuer ließ nach. Da die amerikanischen Mannschaften zwei Stunden lang an den Geschützen gewesen waren und nichts als eine Tasse Kaffee zu sich genom men hatten, so beschloß der Commodore, eine Früb- stückspause zu machen. Die übrigen Schiffe passirtcu unter Jubel der Mannschaften das Flaggschiff. Diese Frist'- stückspause dauerte von 7 Ubr 35 Min. bis 10 Uhr 50 Mim, worauf der Angriff aufs Neue begann. Die „Baltimore" übernahm nun die Leitung und begann um 11 Uhr 16 Min. die Kanonade gegen die spanischen Schift.' und Batterien. Die Spanier antworteten schwach und der Com- modore signalisirte dem „Raleigh", „Boston", „Concord" unr „Petrel", in den inneren Hafen zu fahren und alle spanische,: Schiffe zu zerstören. Der slachgehende „Petrel" konnte bis auf 1000 DardS hcrankommen. Bon den spanischen Schiffen ging als letztes der „Don Antonio de Ulloa" unter. Um 12 Ubr 30 Min. Nachmittags senkte sich die spanische Fahne am Flaggenstocke des Arsenals und eine weiße Fahne wurde gehißt. Dem „Petrel" wurde signatisirt, alle Kriegsschiffe im innern Hafen zu zerstören, und Lieutenant Hughes führte mit einer bewaffneten BootSmannfchast den Auftrag aus, indem er an die spanischen Schiffe „Don Juan de Austria", „Marques del Duero", „Isla de Cuba" und „Correo" Feuer anlegte. DaS große Transportschiff „Manila" und viele Schleppdampfer und kleinere Fahrzeuge fielen den Amerikanern in die Hände. Am Abend des 1. Mai ankerte die amerikanische Flotte auf der Höhe von Manila. Auf der „Baltimore" waren acht Mann durch das Bersten einer Bombe sehr leicht verwundet worden. Der „Herald"-Corresp. schätzt den Be rlust de r Span ier auf 1200 Todte und Verwundete, den Werth des zerstörten und mit Beschlag belegten EigenthumS auf fünf Millionen Dollars. Der Schaden an den amerikanischen Schiffen betrage 5000 Dollars. Der amerikanische Zollkutter „Mac Culloch", der die Depeschen Dewey's nach Hongkong brachte, fuhr am 5. Mai von Manila ab. Bis dahin reichen also die Nachrichten. Nahrungsmittel waren in Manila knapp, doch konnte man sonst Näheres über die Verhältnisse in der Stadt nicht erfahren, da ein Verkehr zwischen der Flotte und den, Lande unmöglich war. Tas britische Kanonenboot „Linnct" fuhr am 2. Mai in die Bucht ein, blieb aber von den anderen Schissen fern, da es Pestkranke an Bord hatte. Der „Mac Culloch" begegnete bei seiner Fettilletsn. Die Herrin von Echtersloh. 12) Roman von Toni Krüger. Nachdruck vkrbotrn. „Ich bin anderer Meinung. Joachim fühlt sich als Cavalier und ist überzeugt von seiner Vortrefflichkeit; jedenfalls würde er eine Verbindung zwischen mir und Margot zu verhindern suchen; er ist mir nichts weniger als freundlich gesinnt und würde Margot warnen." „Auch das hast Du nicht zu fürchten, mein Sohn. Er würde sich dadurch dem Mißtrauen Margot's aussetzen, denn sie würde mit Recht annehmcn, daß er mit unlauteren Mitteln nach dem Besitz ihrer Hand strebe." „Du hast eine famose Gabe, alle Besorgnisse zu widerlegen, Mamachen. Hab' Dank für Deine Fürsorge. Ich werde mir die Sache beschlafen. Auf Wiedersehen und gute Nacht!" Er küßte seiner Mutter artig die Hand und begab sich zur Ruhe. Aber lange konnte er keinen Schlaf finden; die quälendsten Gedanken beschäftigten seinen Geist. Die Mutter hatte ja Richt; wie die Sachen lagen, tonnte ihn nur eine reiche Heirath retten, und Margot war die beste Partie, die er finden konnte. Ab gesehen von ihrem Reichthum, war sie wie dazu geschaffen, einen Mann glücklich zu machen. Sie war schön und vornehm, dabei gut und freundlich. Ihre Erscheinung entzückte ihn fast täglich, und er mußte gestehen, daß sein Herz durch ihre Freundschaft lebhaft berührt wurde. Neben ihr aber stieg der süßen Louison Bild vor seinem Geiste auf. Sollte er sie den Verhältnissen opfern? Würde er im Stande sein, von ihr zu lassen, ihrer Liebe zu entsagen? Schon tauchte diese grausame Frage in Herbert's Phantasie auf, doch Louison's Bild blieb siegreich und beruhigte seine erregten Nerven. Im Traume aber erschien ihm eine blondgelockte Circe, deren Verführung er sich vergeblich zu entziehen suchte. 12. Capitel. Es war ein Sonntagmorgen. Die Comtesse trat, zum Kirchgang gerüstet, das Gesangbuch in der Hand, auf den Balcon, wo die Tante und Herbert noch am Kaffeetisch saßen. „Kommst Du mit zur Kirche?" fragte Margot ihren Vetter freundlich. . „Ich, zur Kirche?" war die verwunderte .Gegenfrage, „ich gehe nur zur Kirche, wenn ich muß." „Wie meinst Du das?" fragte Margot erstaunt. „Wenn ich zur Kirche commandirt bin." „Nun, wie Du willst. Auf Wiedersehen!" Sie ging mit leichten Schritten durch den Park davon. Die Kirchenglocken klangen hell zu ihr herauf, und sie mußte eilen, wollte sie zurecht kommen. Es berührte sie angenehm, als sie beim Betreten des Gottes hauses Vetter Joachim bereits im gräflichen Stuhl fand. Die Sonne fiel hell durch die bunten Fenster und verlieh der einfachen Kirche einen überaus freundlichen Anstrich. Noch nie war Margot der Gesang der Gemeinde so hell und melodisch, noch nie eine Predigt des verehrten Seelsorgers so feierlich und erhebend vorgekommen wie am heutigen Tage. An der Seite Joachim's verließ sie den Gottesdienst. „War es heute nicht köstlich in unserer lieben, kleinen Kirche?" fragte sie, mit lächelndem Munde zu ihm aufblickend, „mich haben die schönen Worte Pastor Wieland's wahrhaft erquickt." „Du hast Recht, sie paßten so gut zu der Stimmung in der Natur. Pastor Wieland hat ein prächtiges Gemiith, ein frommes, gottergebenes Herz und versteht es so gut, den Leuten das Wort Gottes klar auszulegen." „Ich begreife gar nicht", meinte die Comtesse, „daß Herbert nicht das Bedürfniß hat, in die Kirche zu gehen. Mir ist ein Sonntag ohne Gottesdienst gar kein Feiertag. Solch ein Sichvertiefen in die ewigen Wahrheiten, ein Sichhineindenken in die Gemeinschaft mit Gott kommt mir vor wie ein reinigendes Bad der Seele. Wie man am Sonnabend das Haus scheuert und putzt, so wird am Sonntagmorgen in der Kirche das Herz befreit von allen Fehlern, die es in der Woche begangen hat." „Das ist ein schöner Vergleich, Margot; Gott erhalte Dir Dein frommes Gemüth!" sprach Joachim innig und betrachtete mit Entzücken ihr gedankenvoll gesenktes Köpfchen. „Du bist so gut, Achim, ich danke Dir! ich wünschte nur " sie stockte. „Nun?" „Daß Herbert auch so gut wäre", setzte sie zögernd hinzu. „Und wer sagt, daß er schlechter sei?" „Mein Gefühl", antwortete sie einfach. „Ah, da kommen ja die frommen Kirchgänger", unterbrach sie eine fröhliche Stimme, und Herbert trat ihnen mit Ben entgegen, „apropos, Cousinchen, ich habe Dir einen Vorschlag zu machen: Du äußertest gestern. Du hättest keine Ahnung vom Schießen. Darf ich Dein Lehrmeister sein?" „Ich weiß nicht", entgegnete sie nachdenklich, „es erscheint mir so unweiblich." Herbert lachte belustigt: „Reiten ist auch unweiblich." „Was würdest Du sagen, Achim, wenn Deine kleine Cousine mit auf die Jagd ginge?" fragte sie diesen. Ein ernster Blick aus den Augen des Grafen traf den Baron. „Das würde ich entschieden unweiblich finden", war die ruhige Antwort, „das Scheibenschießen dagegen ist im Grunde genommen ein harmloses Vergnügen und für Dein einförmiges Leben wohl eine erwünschte Abwechselung." „Also Du hast wirklich nichts einzuwenden?" fragte der Graf mit spitzem Hohn, „es ist zu gütig, daß Du der Herrin von Echtersloh das Scheibenschießen gestattest." „Ich verstehe Dich nicht", entgegnete Joachim frostig, wandte sich und ging dem Schlosse zu. Margot war eifrig mit Ben bechäftigt gewesen, der seine Freude über den Anblick der Herrin durch gewaltige Sprünge zu bethätigen suchte, doch war ihr die tactlose Bemerkung Herbert's nicht entgangen. „Ich werde mit Fred darangehen", wandte sich Letzterer wieder zu seiner Cousine, „hinten am Hügel einen kleinen Scheibenstand zu errichten." Kopfnickend gab Margot ihre Zustimmung, und geschäftig eilte der junge Graf nach dem Wirthschaftshofe. Die Comteß setzte sich indessen mit einer Handarbeit zu ihrer Tante auf den Balcon. „Was ich sagen wollte, liebe Margot", begann diese, „ich fühle mich verpflichtet, als die Stellvertreterin Deiner ver storbenen Eltern, Dich auf Einiges aufmerksam zu machen, was mir in Deinem Wesen nicht gefällt. Du bist nun ein erwachsenes Mädchen und mußt mit Deinen Aeußerungen doppelt vorsichtig sein. Namentlich Herren gegenüber, die sich durch ein unbedachtes Wort leicht ermuthigt fühlen, sich Vertraulichkeiten zu erlauben und sich womöglich Hoffnungen machen, die man später nicht erfüllen kann. Der langen Rede kurzer Sinn ist also, daß Du das vertrauliche „Du" mit dem Baron fallen lassen mußt, auch scheint mir der Name „Achim" aus Deinem Munde zu familiär. Du würdest ihn besser überhaupt nicht mit dem Vornamen anreden." Margot sah sie mit großen, erstaunten Kinderaugen an. „Ich verstehe Dich nicht, Tantchen. Du meinst doch nicht, daß ich Achim mit „Sie" anreden soll?" „Allerdings, das meine ich." „Aber wie sonderbar, Tante Adele, ich kenne ihn doch schon so lange ich denken kann. Er ist mir wie ein Bruder. Ueberdies nenne ich Herbert doch auch „Du"l" »Ja, Herbert, das ist etwas ganz Anderes", belehrte die Gräfin, „ihn hast Du als Kind schon gekannt. Ihr habt miteinander gespielt; der Baron dagegen war ein erwachsener Mensch, als Du ihn kennen lerntest." Margot stützte das Köpfchen in die Hand und sah sinnend vor sich hin. Was meinte nur die Tante? Wie sonderbar das klang! Sie schwieg trotzig, wie sie immer that, wenn sie ihren Willen durchsetzen wollte, und das wußte sie genau: sie würde sich nie dazu verstehen, die gewohnte vertrauliche Art ihrem Freunde gegenüber aufzugeben. ' » Plötzlich überflog heiße Röthc ihr Gesicht, sie glaubte mit einem Male die Tante verstanden zu haben! Arme, kleine Margot! Ihre Unbefangenheit war dahin; sie war von diesem Augenblicke an kein Kind mehr. Als Joachim später auf den Balcon trat, beugte sie be fangen den Kopf tief auf die Arbeit und antwortete einsilbig auf seine freundlichen Reden. Es fiel ihm weiter nicht auf, da er glaubte, sie sei durch Herbert's tactlose Redensart vorhin verstimmt. Endlich erhob sie sich, um ihre gleichmäßige Gemüths- stimmung in den Zimmern der »erblichenen Mutter wieder- zufindcn. Die dort herrschende Ruhe, der Geist der geliebten Mutter, der noch jetzt die Räume zu durchwehen schien, verfehlten ihre Wirkung nicht. Nach langem Ueberlegen kam Margot zu dem Entschluß, in ihrem Verkehr mit Joachim nichts zu ändern, in Bezug auf Vertraulichkeiten irgend welcher Art jedoch vorsichtiger zu sein und ihm ernst und würdevoll zu begegnen. Ungestört begab sie sich nun an ihre Lieblingsbeschäftigung, durch das Lesen der Briefe und Blätter im Schreibtisch der theuren Tobten geistig immer näher zu treten. Dabei fiel ihr ein Kästchen in die Hand mit der Aufschrift: „Ansichten und Erinnerungen aus der Schweiz". Entzückt betrachtete sie die schönen Landschaften und versetzte sich im Geiste in Gemeinschaft mit den theuren Eltern in die herrlichen, schneebedeckten Berge und an die blauen, romantischen Alpenseen. Auf dem Grund des Cartons schimmerte ihr etwas Weißes entgegen. Sie zog es hervor und hielt einen Brief mit der Adresse: „An Freiin Lori von Haldin" in der Hand. Er war mit den verschiedensten Poststempeln versehen, mußte also weit umhergeirrt sein, bis er an seinem Bestimmungsort an gekommen war. Aufmerksam betrachtete Margot die zierlichen Schriftzuge.
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