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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.05.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-05-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980511022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898051102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898051102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-05
- Tag1898-05-11
- Monat1898-05
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VezrrgS'PreiS . Mir««» tä-ltch« -reutbaadirndu»» tzO «„liuch l moa«tttch 74k Dt, «scheint M '/«7 Uh«. R» D«h-«>-«iib« v»che»t»g« »»HUH«. Lr>ac1i»u u»L -rpe-Mo«: --tz«»ues,«fie ». Die Eiveditio» ist Wochentag« ,»»»t«chr»ch« W-sfitl »M ftüh 8 bi« Abend« 7 Utz« Filiale«: iktt» Mem» « Porti«. Olfted HaßtK «»iversitlltSstratz« 3 lPaultao«), Kochortootzr. 1ch*p«^ »<d Ko»i««pktz 7. 236. Abend-Ausgabe. Mxzigcr.TaMaü Anzeiger. Amtsblatt -es Königliche» Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. «ttzeigenPreiS '-Ae -gespsUene Petitzeit« »tt Plitz Serio««» „t«s ho»W^ottioosstM t4ß» »roh«, Schrtst« Mut »Merem P«i» «rt«ich»ih. rubellonschrr und M«r»ftß »och hoy«ttu» r»rtf. Htra-Veilase» l^f-kzl), »u«, »Nt »» plorgra-Vu-aab«, ob», Poftbesörberuaz' SO.—, mit Postbesürderuog 70.—. Antznhmschlu- ftr Auzkigeu: Lbe»d-AnSgab«: Lormtttag- 10 Uhr. Store«»»loSgab«: Nachmittag« 4UHL Bet den Filiale» u»d Annahmestelle« je rioa halb« Stunde früher. Anteile» Pud stet« aa di« SrpetzttM* z» richte». Lr«k n»d »erlag »v» E. Pol» d» Leipzig Mittrvoch den 11. Mai 1898. 92. Jahrgang. Der spanisch-amerikanische Krieg. —- Wir beginnen unsere heutige Uebersickt über die Kriegsereignisse mit folgender m hohem Grade überraschenden Nachricht: * London, 10. Rai. Wie die „Times" aus New Bork melde«, erhielt das Rarincdepartement in Washington die Nachricht, daß 4 Kreuzer und 3 Torpedoboote des spanischen C«» Verde - Geschwaders gestern in Cadiz angekommen find. Die Nachricht wnrde in Washington Nachmittags officiell bekannt gegeben. Die amerikanische Actio« gegen Euba uud Puerto Nico wird nunmehr beschleunigt. Wir waren zunächst versucht, an eine Verwechselung zu glauben, da «S ja auch auf einer der kleinen Antillen, Eubagna, ein Cadiz giebt und der Zeit nach eS Wohl möglich sein konnte, daß das spanische Geschwader im Caraibischen Meere an der Nordküste Südamerikas angekommcn war. Allein kurz darauf ging unS folgende Nachricht zu: * London, 10. Mai. Alle Morgentclcgramme aus Amerika stimmen darin überein, -atz die Rückkehr des Cap Verde-Geschwaders nach Cadiz der Lage ein ganz neue» Ansehen giebt nnd die amerikanische Action auf Cuba und Puerto Rico beschleunigen dürfte. Sonach handelt eS sich doch um eine Rückkehr der spanischen Kriegsflotte und zwar nach der Süvküste des Königreichs, vorausgesetzt, daß man es nicht mit einer auf Täuschung der Amerikaner berechneten Falschmeldung zu thun hat, waS nicht ausgeschlossen erscheint, da die Nachricht nur nach Washington gekabelt worden ist, eine Bestätigung auS spanischer Quelle aber sonst nirgends vorliegt. Man sollte meinen, daß die Nachricht, in Madrid angelangt, gestern sofort in der Deputirtenkammer zur Sprache gebracht worden wäre und zu den leidenschaftlichsten Auftritten geführt hätte. Gestern wußte man in der Kammer aber noch nichts da von. Beruht die Nachricht doch auf Wahrheit, so ist nicht recht er findlich, weshalb das spanische Geschwader, das jetzt am Ziel sein konnte, nachdem es die Hälfte der Reise »ach West indien zurückgelegt, plötzlich wieder umgewandt ist. Die äußerst bedenkliche politische Lage in Spanien kann der Grund nicht gewesen sein, denn die Verschlimmerung ist erst seit einigen Tagen eingetreten und außerdem konnte der spanische Geschwadercommandant auf hoher See weit von der Heimath entfernt, keine Nachricht erhalten habe». Denkbar wäre, daß das Geschwader infolge eines Sturmes einen erheblichen Tbeil seiner Kohlenvorräthe, die in Begleitschiffen mitgeführt worben, verloren, oder sonst Havarien erlitten hätte. Absolut unmöglich wäre wohl auch die Annahme nicht, daß Admiral Sampson, von dem es hieß, daß er dem von Rio de Janeiro kommenden amerikanischen Dampfer „Oregon" entgegen gefabren sei, mit seiner Flotte dem spanischen Geschwader in den Weg gefahren ist, daß eS einen Kampf auf hoher See gegeben hat und die Umkehr der Spanier ihre Flucht bedeutet. Zu dieser Annahme konnte auch die folgende Nachricht führen: * Madrid» 11. Mai. Amtlich wird auS Havannah gemeldet, man wisse nicht, wo sich da- Gro« de« amerikanischen Geschwaders befinde. Jedenfalls können bestimmtere Nachrichten nicht lange auf sich warten lassen. Eine Beschleunigung der amerikanischen Action gegen Cuba und Portorico war ohnehin schon im Werk,. In Bezug auf Cuba sind die Vereinigten Staaten durch die feierliche Versicherung, die sie der Welt gegeben haben, vorläufig gebunden, es nickt anzugliedern. Portorico indeß könnte eine gute Beute werden, da die Vereinigten Staaten einer Kvhlenstation io Westiudieu bedürfen. Man meldet unS über die Landungsvorbereitungen: * Tampa, 10. Mai. Das Transportschiff „Gussi" ging heute Nachmittag mit zwei Compagnien amerikanischer Soldaten an Bord nach Cuba in See. * Land»», 10. Mai. Die „Daily News" melden unter dem gestrigen Tage aus Key West: Das an Bord des Transport dampfers „Gussie" verladene Kriegsmaterial uinfaht 7000 Gc- wehre, 200 000 Patronen und verschiedene Grätling-Geschütze, sowie Nahrungs- und Arzneimittel für die Aufständischen. * Washington» 10. Mai. General Mi les und sein Stab gehen wahrscheinlich heute Nacht von Tampa ab, um an der ersten cubaaischen Expedition theilzunehmen. Alle Truppen in Chikamauga haben Befehl erhalten, heute Nacht sich in Be wegung zu setzen und zwar die gesammte Infanterie und das dritte und sechste Cavallerie«Regiment nach Tampa, das 1. und 10. Cavallerie-Regiment nach New Orleans und das 2. Cavallerie-Regiment nach Mobile. Die katholischen Erz bischöfe der Bereinigten Staaten haben einen Brief verfaßt, der am kommenden Sonntag in allen Kirchen verlesen werden soll und Gebete anordnet für den Erfolg der amerikanischen Waffen und für di« Ruhe dec Seelen der im Gefecht Gefallenen. In Madrid zeigt die Volksvertretung weiter das klägliche Bild der Parteizerklüstung und des mangelnden Patriotismus. Ueber die gestrige Sitzung der Deputirtenkammer wird uns berichtet: * Madrid, 10. Mai. (Telegramm.) Die Deputirten- kammer nahm gestern die Debatte über die politische Lage wieder auf. Der Autonomist Labra, Deputirter für Puerto Rico, erklärte im Namen der Autonomisten, sie alle würden für die Souverainetät Spaniens uud die territoriale Integrität eintreten. Redner verthridigt die Autonomie, von der er sagt, sie sei der Friede» und bekämpft die Ansicht Moret'S, daß die Autonomie am Kriege scheitere. Ein Beweis für das Gegentheil sei, daß die Bereinigten Staaten Kriegsvorbereitungen getroffen hätten, als sie gesehen hätten, daß die Autonomie hergestellt sei» sie hätten geglaubt, wir würden weichen, sie hätten sich aber getäuscht. (Beifall.) Redner thut dar, daß die Intervention der Vereinigten Staaten gegen das Völkerrecht verstoße; er sei dafür» die Intervention der Mächte nachzusuchen. Redner schließt, die Autonomisten, Re publikaner und Monarchisten seien geeint, um Spanien zu vertheidlgen. Colonialmlnister Morrt wünscht dem Vorredner Glück zu seiner Gesinnung und kündigt die Vorlegung eines Roth« bUchS mit diplomatischen Schriftstücken an, die demnächst erfolgen werde. Der Minister geht sodann auf die letzte Rede Mel la'S rin und protestirt gegen die von demselben citirten prophetischen Worte über die von Fraue» und Kindern regierten Völker. In Erwiderung aus die Ausführungen Silvela's erklärt der Minister, er wolle da- Parlament nicht in einen Convent verwandeln, und führt das Beispiel Thiers' an, der in der Kammer gegen den deutsch - französischen Krieg protestirt habe,' sowie da- Beispiel des italienischen Parlaments, welches Maßnahmen für Erythräa vorgeschriebcn hätte. Der Minister schloß, die Negierung suche keine Polemik, sie suche allein die Einigung, deren das Vaterland bedürfe. Salmeron greift die monarchischen Parteien, die Colonial politik im Allgemeinen und die gegenwärtige Regierungssorm heftig an. (Redner erhält einen Ordnungsruf.) Die einzige Lösung wäre die Bildung eines Nationalconvents, die- sei aber unter dem gegenwärtigen Regime unmöglich. Redner wird durch energische Proteslruse unterbrochen und erwidert hierauf, indem er ein Wiener Telegramm zu verlesen versucht, das in der europäischen Presse in Umlauf gewesen ist. Der Lärm wird größer, und der Redner wird zum zweiten Male zur Ordnung gerufen. Der Ministerpräsident Sagasta erklärt, Keiner, der Salmeron höre, könne glauben, daß S planten in zwei coloniale Aufstände und in einen Krieg verwickelt sei, Keiner werde diesen Deputirten für einen Spanier halte». Salmeron ruft: „Ich bin ebenso Spanier, wie der Ministerpräsident." (Rufe: Hinaus, hinaus!) Sagasta wendet sich sodann gegen Diejenigen, die aus dem Unglücke des Vaterlands im persönlichen Interesse Nutzen ziehen wollten, und fordert die dringliche Abstimmung über die Vorlage betr. die Kriegscredite. Die Vorlage wird hierauf endgiltig angenommen, desgleichen das Amendement, das besagt, daß in Spanien wohnhafte Besitzer von Titres in Pesetas bezahlt werden sollen. — Die katalanischen Deputirten protestiren gegen die Verhängung des Belagerungszustandes iu Barce lona, wo die Ordnung nicht gestört worden sei. Der Minister des Inner» erwidert, die Behörden hätten einen Grund hierfür gehabt. In Erwiderung auf eine Anfrage erklärt derselbe Minister, er schenke den Gerüchten keinen Glauben, nach denen der General- Capitain von Valencia die Unterdrückung derjenigen Blätter an geordnet habe, welche die Regierung angreisen würden. Die Unruhen im Lande dauern an. Daß die blutigen Vorgänge in LinareS auf anarchistische Umtriebe zurück- zusühren sind, ist zweifellos; nächst Barcelona, wo es in der letzten Zeit unausgesetzt zu anarchistischen Demonstrationen (l2. Februar wegen der angeblichen gegen die Anarchisten in Montjüich begangenen Grausamkeiten, 18. März Jahrestag der Commune) gekommen, ist LinareS der Hauplherd der anarchistischen Bewegung geworden; die Arbeiter in den Bergwerken (silberhaltige Bleierze) und Blei- und Eisengießereien sind zum großen Theil von anarchistischen Lehren erfüllt; namentlich die Schriften von Joh. Most gegen den Gottesglauben sind massenhaft von den spanischen anarchistischen Agitatoren verbreitet worden. Während die Socialisten, namentlich ihr Führer Pablo Iglesias, beim Ausbruch des spanisch-amerikanischen Krieges eine gewisse Zurückhaltung beobachteten, die sie aber jetzt vollständig aufgegebeu haben, glaubten die Anarchisten, daß der Tag der Ernte für sie heranrückte, und entfalteten deshalb eine fieberhafte Agitation. Die in England lebenden spanischen Anarchisten hetzten ebenfalls, und Michele Angiolillo'S Tod an den Bourgeois zu rächen, ist in den anarchistischen Pamphleten in Spanien unausgesetzt gepredigt worden. In den Berliner anarchistischen Blättern ist ja mehrfach behauptet worden, daß der Anarchismus in Spanien große Fortschritte mache, und vom anarchistischen Standpunkt immerhin beträcht liche Summen deutschen Geldes sind nach Spanien gekommen, um die kämpfenden Brüder in ihrem Kampfe zu stärken und ihnen aufruhelfen. Der Anarchismus war zwar eine Zeit von der Oberfläche verschwunden, aber desto stärker haben im Verborgenen die anarchistischen Agitatoren gewühlt; und bei allen diesen Eruptionen in Spanien und Italien muß man zunächst zu ermitteln suchen, wie weit die Anarchisten ihre Hände im Spiele gehabt haben. Politische Tagesschau. * Leipzig, 11. Mai. Um die Klagen, die in mehreren einzelstaatlichen Land tagen über den Rückgang ScS Kleinhandels infolge der Aus breitung großer Waaren Häuser erhoben worden sind, als unberechtigt erscheinen zu lasten, weist die „Nat.-Zlg." auf die Ergebnisse ter Gewerbezählung von 1895 hin, aus denen sich durch eine Vergleichung mit der entsprechenden Zählung von 1882 eine sehr bedeutende Zunahme deö Kleinhandels in diesem dreizehnjährigen Zeit räume ergebe. „Zunächst" — so führt daS genannte Blatt aus — „ist anzuführen, daß die Zahl der Betriebe im Handelsgewerbe von 452 725 im Jahre 1882 auf 635 209 im Jahre 1895 gestiegen ist; in dieser Zeit hat sich also die Zahl der Betriebe um 182 484 oder um 40,3 Proc. erhöht. Aber auch in allen Größenclassen der Betriebe, über welche die bisher vorliegenden Veröffentlichungen Auskunft geben, ist ausnahmslos die gleiche Entwickelung zu verfolgen. Die Ergebnisse von 1895, verglichen mit denen von 1882, liefern dafür folgende Zahlen: Zahl der Betriebe 1882 1895 Alleinbetriebe 293 399 350572 mit 1— 5 Gehilseu 141386 252 637 - 6- 10 12 637 21467 - 11— 50 5 073 10023 - 51— 200 224 475 - 201—1000 6 35 ES läßt sich darnach nicht bestreiten, daß in allen Größen classen eine erhebliche Vermehrung in der Zahl der Betriebe eingetreten ist. Wenn man nur die Verhältnißzahlen ins Auge faßt, so mag die Steigerung in den beiden größten Betriebs elasten außerordentlich hoch erscheinen. Aber gegenüber der Gesammtheit der kleineren Betriebe fallen diese Elasten doch gar nicht inS Gewicht. Man blicke nur einmal auf die Zahl der Betriebe mit 1—5 Gehilfen; sie hat sich von 141386 auf 252 637 gehoben. Abgesehen von den allerkleinsten Be trieben, in denen der Handelsmann ganz allein, ohne Gehilfen, das Geschäft versieht, stellt diese Elaste recht eigentlich den Kleinhandel dar, der Lehrlinge ausbildet und in den Gehilfen auch angehende selbstständige Handeltreibende beschäftigt. Die Zahl dieser Betriebe hat sich in 13 Jahren um 91251 oder um 64,5 Proc. gehoben. Die Zahl der Kleinhändler ist demnach in einem außerordentlich stärkeren Maße als die Bevölkerung selbst während dieses Zeitraumes gestiegen. Man würde vielleicht sogar von einer nacktheiliaeit Ileber- setzunz dieses Gewerbes sprechen können, jedenfalls lassen diese Zahlen, anstatt eines erschreckenden Rückganges, viel mehr eine sehr bemerkensmerthe Zunahme des Kleinbetriebes im Handelsgewerbe erkennen." Jedenfalls sind diese Angaben sehr lehrreich, aber sie beweisen keineswegs, daß kein „Rück gang" des Kleinhandels stattzefunoen habe, sofern man unter „Rückgang" auch die Verminderung des Ertrages versteht. Gerade weil sich die Zahl der Kleinhändler in weil stärkerem Maße vermehrt hat, als die Bevölkerungsziffer giftiegen ist, darf man schließen, daß der Ertrag des Klein handels im Ganzen nicht unwesentlich zurückgegangen sei. Und soweit dieser Rückgang auf die über das Bedürfniß hinausgehende Zunahme des Kleinbetriebes im Handels gewerbe zurückzuführen ist, wird kein Act der Gesetzgebung Die Herrin von Lchtersloh» 13) Roman Von Totti Krüget. Nachdruck derbetkk. „Du hast die Perle des Schlaffes zu Deiner Wohnung er wählt, Margot", sagte Herbert bewundernd, „ich sah Noch nie ein so liebliches Plätzchen, wie diesen Ausguck. Man glaubt sich verzaubert im Banne des Elfchens Goldhaar!" Die Worte wurden in schwärmerischem Tone gesprochen, und Herbert's Augen waren mit aufrichtiger Bewunderung auf die schlanke Mädchengestalt gerichtet. Margot schien die Bemerkung des Bettels überhört zu haben; sie hatte sich über das Gitter gelehnt und blickte aufmerksam hinunter. „Dort geht Joachim", sagte sie freudig und zeigte mit dem Finger in den Schlohhof hiUab. Del Zauber war gebrochen. Ein Schatten flog über des Grafen Gesicht, und seine Zähne gruben sich eine« Moment in die Unterlippe. „Ich habe die Veranlassung zu meinem Kommen ganz ver gessen", sagte er in verändertem Tone, ^der Schießstand ist fertiggestellt, und wir wollen nun gehen, um uns aus dem Schloßarsenal die geeigneten Pistolen zu wählen. Höflich bot er seiner Cousine den Arm und führte sie in dkS verstorbenen Vaters Zimmer. Vor deM Waffenschrank gab es nun ein längeres Ueberlegen und Prüfen, bis sie schließlich ein paar leichte, gezogene Pistolen ausgesucht hatten. Dann ging es an die erste Lehrstunde. Gräfin StockbauseN Machte UNterdeß einen kleinen Spaziet- gung im Part uno ließ sich recht behaglich von der Mittagssonne bescheinen. Sie dachte an ihren Sohn, erfreute sich im Stillen feinet erfolgreichen Bewerbung um Margot's Gunst und schwelgte in schönen ZukunsisträuMen. 13. Tapittl. Die goldenen Herbsttage schwanden wie im Traum; die Blätter begannen massenhaft zu fallen; die ddrtge Nacht hakte den ersten Reif gebracht. Für Herbert und Margot waren drei Wochen wie im Fluge Verronnen. Ihr Vrrhältntß war «in ideal«», weil Margot in ihrer Natürlichkeit sich ganz unbesorgt der Freude des Umganges hingab, und Herbert, in aufrichtiger Bewunderung ihrer Reize, ganz nach ihren Wünschen lebte, ohne ihr den Hof zu machen. Während so ihre Vertraulichkeit wuchs, glaubte Herbert zu be merken, daß Margot sich etwas zurückhaltender gegen den Baron beNahM. — „Aber CousincheN, wo steckst Du denn nur heute?" rief er ihr zu, als sie mit einer großen Weißen Schürze, das Schlüssel körbchen am Atm, nickend an ihm vorüber wollte, „man sieht Dich ja güt Nicht." „O, laß mich, Herbert", rief sie, sich hastig von seiner Hand losmachend, „es giebt heute gar viel zu thun! Wir sind beim Einmachen und ich will das Geschäft gründlich erlernen." „Es ist schrecklich! Nun wird wieder nichts aus unserem Ausflug nach DüMNitz", seufzte der Graf ärgerlich, „wie oft haben wir unS den NUN schon vorgenomMen!" „Schade, ja! aber heut und morgen ist Wohl kaum daran zu denken", erwiderte ste, „jedenfalls aber machen wir ihn noch vor Deiner Abreift." „Schöner Trost das! Und so lange willst Du Früchte ein- kochtn? Bedenkt, liebe Margot, datz mein Urlaub in acht Tagen zu Ende ist, und daß Wit unS dann lange nicht mehr Wieder sehen!" Aus seiner Stimme klang ernste Trauer und in den schönen AügeN leuchtete es wehmüthig. „Ich habe für Dich auch eine nützliche Beschäftigung: Der alte Köhler ist ktank und jetzt so hinfällig, oatz er daS Bett hüten mutz. Bitte, sei so gut, nach seinem Befinden zu sehen. Bringe ihm eint Flasche Wein Und Vertröste ihn auf meinen Besuch in nächster Woche. Willst Du?" „Wenn Du es befiehlst — gern" antwortete et stockend, „doch könntest Du wohl auch eitlen StakljNNgtn schicken." Dabei senkte er vor dem klaren Blick ihrer Aüaen die Lider. „Ich danke", sagte fit kühl, und war in der nächsten Sekunde verschwunden. Auf der Treppe zum Erdgeschoß begegnete ste Joachim. „Guten Morgen, Margot", sagte er ernst und bot ihr die Hano. Auch ihm war ihre Zurückhaltung nicht entgangen, und er suchte die Ursache davon in ihrer Neigung für Herbert. „Du stehst traurig aus, willst Du mir nicht sagen, waS Dich betrübt?" fragte er theiknehmend. Die Comteffe erröthete und Versuchte ihm auszuweichen. Der Baron ttat zur Seite und sagte in bitterem ToNe: „Verzeih, Wenn ich Dich Mit meiner unzeitigen ThtilnahkNt belästigte!" Sie blickte auf und begegnete seinen dunkelglänzenden Augen, di« ernst-traurig auf sie gerichtet waren. O, Achim, vergieb mir, ich war ärgerlich, weil Herbert wenig Lust zeigte, dem armen kranken Köhler an meiner Statt eine Flasche Wein zu bringen. Ich selbst habe heute keine Zeit dazu." „Gieb mir den Wein, ich werde ihn Deinem Kranken bringen", sprach er einfach. „Achim! Du wolltest? Ich danke Dir herzlich!" Sie sprang davon, um den Wein zu holen. Der Baron holte sich noch eine Cigarre aus seinem Zimmer und Nahm seinen Weg durch den Park. Auf der ersten Terrasse begegnete er dem Grafen, der müßig auf und ab wandelte. „Wohin des Weges?" rief ihm dieser zu. „Zum alten Tagelöhner Köhler, der krank ist", war die ruhige Antwort. Ein Zornesblitz drang aus den Augen des Grafen, um gleich darauf einem ironischen Lächeln Platz zu machen. „Ich bewundere Deine Vielseitigkeit", sprach er höhnisch. „Nimm dir ein Beispiel daran", gab Joachim zurück und setzte seinen Weg fort. Die beiden Vettern hatten keine Ahnung, daß sie von zwei blauen Mädchenaugen aus dem Fenster beob achtet wurden. „Wie stattlich schön Achim ist!" Diese Bemerkung drängte sich Margot unwillkürlich auf, „sehr hübsch ist Herbert zwar auch, aber wie klein sieht tr neben Achim aus!^' — AlS der Baron von seinem Krankenbesuch zurücktehrte, tönten ihm üus dem MusttzimMer zwei schöne, glockenreine Stimmen entgegen. „Ueber allen Wipfeln ist Ruh'", hörte et deutlich. Leise öffnete er die Thür und trat, unbemerkt von den Sängern, ein. Welch ein schöne? Paar! Das junge Mädchen saß vor dem Flügel, «Nd die zatken Finget glitten gleichmäßig über die Tasten. Der Kopf war etwas in den Nacken geworfen, und durch die leicht geöffneten rosigen Lippen schimmetktN die Matten Verlenrtihen ihrer Zähne. Neben ihr stand die elegante Gestalt des Grafen. Seine AugeN leUchteteN begeistert, UNd seine tieft Stimme Mischte sich harmonisch Mit den weichen Klängen Margot's. Jetzt faßte er das Notenblatt, um eS zU wenden. Er beugte sich dabet tief zu der jungen Sängerin hinab, zu tief, daß ihre lichteU Locken seine Stirn streiften. Joachim hatte genug gesehen, keift, wie er gekommen, schlich er zurück. In seinem Zimmer angelangt, warf er sich auf den DivaN. Seme Schläfe hämmerten, daS Blot wallte ihm heiß zum HerzeN. „Was thun, um sie zu retten?" Dieser Gedanke wälzte sich unaufhörlich hinter seiner glühenden Stirn. Schon längst hatte er die Verehrung Herbert's für seine Cousine und ihre zunehmende Vertraulichkeit bemerkt. Alles deutete darauf hin, daß Herbert sich um ihre Hand bewarb, und daß nicht nur ihre Persönlichkeit, sondern namentlich ihr Vermögen das Ziel seiner Wünsche war. Arme, kleine Margot, gewiß würde sie ihm unbedenklich ihr Jawort geben, ihm in die Ehe folgen, um unglücklich zu werden. Er kannte ja seinen leichtsinnigen Vetter: Im ersten Rausch der Leidenschaft wird er sie vergöttern, gewiß aber nicht fähig sein, seinen Charakter zu verleugnen; bald, wenn der erste Reiz vorbei, sie gleichgiltig behandeln, sie nur noch als eine lästige Zugabe zu dem großen Vermögen betrachten! Ein wie viel besseres Loos verdiente das herrliche Mädchen! Wie war sie geschaffen, zu beglücken und glücklich zu werden! Die Eifersucht brachte ihn erst zur vollen Erkenntniß ihres Werthes und feiner Gefühle für sie. Ja, jetzt fühlte er es, ein jeder Pulsschlag, ein jeder Athemzug sagte es ihm, daß er sie liebe, mehr als sonst Alles auf der Welt. Wie freudig, wie gern hätte er sein Leben für sie hingegeben! O, diese hoffnungslose Liebe, wie sie ihm im Herzen brannte! Wie es schmerzte, sich sagen zu müssen: „Es ist vergebens!" Selbst wenn der Graf nicht um sie warb, wie durfte er, der arme Edelmann, der nichts fein Eigen nannte als seinen guten, ehrlichen Namen, es wagen, seine Augen zu der Erbin von Echterskoh zu erheben! Würde sie, würde die Welt glauben, daß nur heiße, tiefe Liebe ihn leitete? Verzweiflnngsvoll sprang er auf. War Margot für ihn unerreichbar, so war es doch seine Pflicht, Alles 'aufzubieten, um sie vor leichtsinnigen Bewerbern, wie Herbert, zu bewahren. Aber wie sollte ihm dies gelingen, waS berechtigte ihn, ste zu warnen? Würde sie nicht glauben, daß er aus eigennützigen Absichten den Vetter zu verdrängen suche, zumal ihr Vormund ebenso gut Zeuge ihres verkrauten Ilmganges war, und die Gräfin Stockhausen gewiß ihren ganzen Einfluß zu Gunsten ihres Sohnes auswendete. „O Gott! Schafft Rath", betete er mit stummen Lippen und nahm sich vor, fürs Erste wenigstens eilt scharfes Auge auf Herbert's ThuN zu richten. Am anderen Morgen trank Man den Kaffee wie gewöhnlich auf der Veranda. Friedrich brachte die Postmapp'e und die Comtesse öffnete dieselbe, um die Briefe zu vertheilen. Sie ent dielt aber heute nur tikieN, «M Margot selbst gerichtet. Hoch klopfenden Herzens erkannt« ste darauf eine französische Frei marke UNd den Poststempel von Breieuil. Sie nahm ihn rasch zu sich, um ihn nachher ungestört zu lesen. „Onkel Philipp", sagt« sie zu diesem, der, behaglich eine kurz»
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