Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.05.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-05-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980521011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898052101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898052101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-05
- Tag1898-05-21
- Monat1898-05
- Jahr1898
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-PreiS fn der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus» oabestrllen abgeholt: vierteljährlich ^l 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen "für Deutschland und Oesterreich: vierteliädrlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandirndung inS Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-AuSgab« erscheint «m V,7 Uhr. dir Abend-Ausgabe Wochentag» um 5 Uhr. Re-action und Lrpe-itlon: JohanneSgaffe 8. Di»Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhp, Filialen: . Ltto Klemm'» Tartim. (Alfred Hahn>, Universitätsslraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katbarinenstr. 14, Part, und Kvnigsplatz 7. Morgen - Ausgabe. KiWM Tageblatt Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petttzeile SO Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich l4ge- spalirn) 50/H, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40/H. Größere Schritten laut unserem Prris- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Ertr«-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen»Ausgabe, ohne Postbesärdcrung SO.—, mit Postbesörderung 70.—. Anzeiger. Amts blatt des königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Polizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Ännahmeschluß für Anzeigen: Ab end »Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine Halde Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Srprditian zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 253. Sonnabend den 21. Mai 1898. , 92. Jahrgang. Rückblick auf -ie abgelausene Session des , sächsischen Landtags. i. Der am 9. November vorigen JahreS einberufene, am 1l. November durch Se. Majestät den König feierlich er öffnete Landtag hat am 18. d. MtS. seine letzte Sitzung gehalten und ist am folgenden Tage feierlich geschloffen worden. Er hat also mit kurzen Unterbrechungen zu Weihnachten und Ostern 6 Monate 10 Tage getagt. War auch ange sichts der den Ständen vorgeleaten wichtigen Gesetzentwürfe eine längere Session vorauSzusehen, in dieser Ausdehnung hat sie wohl Niemand erwartet und wird sie heute kaum Jemand für gerechtfertigt ansehen, wenn man das praktische Endergebniß überblickt. Es ist durchaus zutreffend, wenn der Abg. vr. Schill in der Sitzungtz vom 17. Mai den Landtag dahin charakteristrte, daß er „reich an Ueber- raschungen" gewesen sei. Daß diese Ueberraschungen weder für das Land noch für die Regierung besonders an genehme gewesen sind, bedarf kaum eines besonderen Beweise«. Wichtige, auf Grund wiederholter Anregung aus der Mitte der Landesvertretung vorgelegte Gesetzentwürfe, wie die Steuerreform und das Gesetz über dieVerwaltungS- rechtSpflege sind abgelehnt bez. hinausgeschoben, andere nicht minder wichtige Gesetze Aenderungen unterzogen worden, die den Widerspruch weitester Kreise im Lande erweckten. Alles in Allem, den hohen Anforderungen, die dem Land tage durch eine Anzahl wichtiger, für die staatliche Ent wickelung des Landes bedeutungsvoller Aufgaben gestellt waren, hat derselbe nicht entsprochen. Wir unterlassen eS, den Gründen nachzugehen und halten uns lediglich an die Thatsachen. In letzter Sitzung W. der Staatshaushalts-Etat und da« Finanzgesetz auf die Jahre 1898/99 ge nehmigt worden. Der vorgelegte ordentliche Etat schloß in Einnahme und Ausgabe (Voranschlag für ein Jahr) mit 235 485415 -6 Hierzu sind folgende Erhöhungen der Au-gaben beschlossen worden: Zu Cap. 11 (FiScalische Hüttenwerke bei Freiberg) 40 000 -6, höhere Dispositions summe für Neuanlagen; zu Cap. 16 (StaatSeisenbahnen) 1 568 800 -6 für Vermehrung der Beamtenstellen, sowie Ver besserung der Besoldungsverhältnisse einzelner Beamten- categorien; zu Cap. 44 (Amtshauptmannschaften und Dele gation Sayda) 5000-6 für Beibehaltung der Delegation Sayda; zu Cap. 45 d (technische Staatslehranstalten zu Chemnitz) 22 000 -6 für höhere Besoldung der Lehrer daselbst; zu Cap. 45s (landwirthschaftliche, gewerbliche und Handelsschulen) 12 000-6, Erhöhung der Unterhaltungsbeiträge für Handels schulen; zu Cap. 47 (Botanischer Garten und Versuchsstationen zu Dresden und Tharandt) 100 -6 Besoldungserhöhung eines Bureauassistenten bei Cap. 60; zu Cap. 47 a (landwirthschaft liche Versuchsstation zu Möckern) 1200 -6 höhere Besoldung für den Director; zu Cap. 49 (Berichtigung von Wasserläufen, Wege- rc. Unterstützungen) 100 000 -6 für Wegebauunter- stützungrn; zu Cap. 53 (Gcndarmerieanstalt) 400 -6 für höhere Zahl der Secretaire und Bureauassistenten; zuCap. 59o (LandeS- medicinalcollegium) 1500 -6 für Neueinstellung eines Bureau assistenten; zu Cap. 60 (Veterinairwesen, Thierärztliche Kochschule rc.) 100 -6 für Besoldungserhöhung; zu Cap. 63 (Beiträge für einige in anderen Capiteln nicht aufgeführte Anstalten rc.) 65 000 -6 als Beihilfen an den Verein für die evangelisch, lutherische Diakonifsenanstalt zu Dresden (10 000), an den Verband für kirchliche Gemeinde pflege in Leipzig (50 000) und an daS MartinSstift in Sohland (5000 -6); zu Cap. 73 (Finanzministerium) 9300 -6 für eine neue NathSstelle. In Summa 1 825400 -6 Herabgesetzt wurden die Ausgaben bei Cap. 12 (FiScalische Erzbergwerke Freiberg) um 15 000 -6, Abminderung der Dispositionssumme für Neuanlagen; bei Cap. 80 (Kohlenverwaltung) um 25 000 -6, Wegfall des Bauschbetrages für den Betrieb des Fernheiz- und ElektricitätS- werkeS und um 216 600 -6 zur Balancirung deS Etats, mithin in Summa um 256 600 -6 Eine Erhöhung der Einnahmen wurde vorgenommen zu Cap. 16 (StaatSeisen bahnen) um 1568 000 -6, durch schätzungsweise höhere Einstellung der Einnahmen aus dem Güterverkehr?, ein Vorgang, den die Flnanzdeputation -l. zwar befürwortete, den sie aber im Hinblick auf die „Bedenken wegen der künftigen Rentabilität deS Staatseisenbahnbetriebes" als „sehr unerfreulich" bezeichnete. Der außerordentliche Etat forderte 106495 114 -6 Hierzu wurden folgenoe Erhöhungen der Ausgaben bewilligt: zu Tit. 5 (Anstalt Hoch weitzschen) 80 000 -6 zur Erbauung von zwei Wohnhäusern und eines Krankenhauses für Verpflegte rc.; zu Tit. 7. 43 080 -6 zu Baulichkeiten und Einrichtungen, sowie Grund stückserwerbungen bei dem Elsterbade und zu Tit. 101 258 000 -6 mehr zur Herstellung einer elektrischen Straßen bahn von Dresden nach Kötzschenbroda; ferner infolge nachträg licher Bezifferung in der Etatsvorlaae zu Tit. 58 1 500 000 -6 zur Erbauung von Wohnungen für Beamte und Arbeiter der StaatSeisenbahnen (die unter Tit. 58 ursprünglich ein gestellten 344 000 -6 zur Beseitigung des Lessingstraßenüber ganges am Ostende deS Bahnhofs Zittau wurden von der Regierung zurückgezogen); zu Tit. 103 4 755 000 -6 zur Herstellung einer normalspurigen Nebenbahn von Altenburg nach Langenleuba; zu Tit. 104 1 254 000 -6 zur Herstellung einer normalspurigen Nebenbahn von Frohburg nach Kohren und zu Tit. 105 4 430 600 -6 zur Herstellung einer normal spurigen Nebenbahn von Mylau nach Lengenfeld. Herab gesetzt wurden die Ausgaben zu Tit. 6 (Neubauten und Grundstückserwerbungen bei den Amtshauptmannschaften Grimma, Großenhain und Rochlitz) um 167 050 -6; zu Tit. 8 (Grundstückserwerbungen zum Neubau der Kunstgewerbeschule Dresden rc.) um 1642 000 -6; zu Tit. 9 (Erbauung einer neuen Frauenklinik Dresden) um 1 144 000 -6; zu Tit. 13 (Ausstattung der Gymnasien zu Annaberg, Bautzen, Döbeln rc.) um 35 000 -6; zu Tit. 19 (Erbauung eines Fernbeiz- und ElektricitätSwerkes in Dresden rc.) um 860 000 -6; zu Tit. 74 (Grunderwerb zur Erweiterung deS Bahnhofs Greiz) uni 652 000 -6 und zu Tit. 20 (Neubau deS StändehauseS rc.) um 418000 -6 Der vorgelegte außerordentliche Etat von 106 495 114 -6 ist sohin nach Mehrbewilligung von 12 320 780-6 und nach Abstrichen von 5 262 050.6 in Höhe von 113 553 844 -6 genehmigt worden. Mit der Annahme des Finanzgesetzes tritt auch der Ausgleichsfonds mit zunächst 883 000 .6 inS Leben, um bei den schwankenden finanziellen Beziehungen zum Reiche regulirend einzugreifen, wobei allerdings dringend zu wünschen ist, daß dieser Fonds in Zeiten der Ueberweisungen des Reiches an die Einzelstaaten planmäßig verstärkt und für magere oder Zuschußjahre gekräftigt wird, da er andernfalls nur einem neuen, schönen Geldschrank gliche, in den nie etwas hineinkäme. Die für die Finanzgestaltung und die Etatsperiode 1900/1 einflußreiche Wetterführung der Reform der direkten Steuern ist in der Hauptsache gescheitert. Nack Ablehnung der Vermögenssteuer (Höherbesteuerung des fundirten Einkommens) zog die Regierung den Entwurf eines Gesetzes über die direkten Steuern (Ausscheidung der Grundsteuer auS dem Staatssteuersystem) zurück. Diese Ablehnung war inso fern nicht überraschend, als der mehrfach, besonders von konservativer Seite, bei der Vorberathung des 6-Millionen- Credits für die Ueberschwemmten und der ersten Lesung deS Etats betonte landwirthschaftliche Nothstand neuen Steuern bei der Zusammensetzung der Kammern von vornherein keine gerade günstigen Aussichten eröffnete, sie muß aber ob des völligen Wandels der Anschauung an führender konser vativer Stelle mit einem großen Fragezeichen versehen werden, wenn man sich erinnert, daß der Abg. Vr. Mebnert nnterm 23. November v. I. bei der Etatsberathung ausführte: „Selbst die neuen Steuern werden, wenn man nicht Rücksicht auf die etwaigen Etatsüberschüsse nimmt, noch nicht die Hälfte des eigentlich vorhandenen Deficits decken. Ich will schon jetzt betonen, daß eine Steuerreform unbedingt nöthig ist, um zu geordneten Zuständen zu gelangen. (Sehr richtig!) Ich hebe das hervor, weil im Lande vielfach die Frage auf geworfen wird: „Warum neue Steuern? Wir haben sie nicht nöihig." DaS können aber nur Solche fragen, dir unsere finanziellen Verhältnisse nicht kennen. Also eine Steuerergänzung nach der einen oder anderen Seite muß absolut eintreten." Diese Steuerergänzung ist in nennens- werther Weise nicht geschaffen worden, denn man wird das unter Ausscheidung der Besteuerung der Anfälle an Ab kömmlinge, Eltern und Ehegatten angenommene Gesetz über die Erbschaft«- und Schenkungssteuer als eine solche nennenswerthe Ergänzung nicht bezeichnen können. Daß damit die stärkere Heranziehung des fundirten Einkommens nicht aufgehoben, sondern nur auf geschoben ist und daß dieselbe in der Form einer Vermögenssteuer wiederkehrt, darüber dürfte em Zweifel nicht obwalten. Wir glauben aber, daß die Regierung sowohl mit dieser, wie auch mir anderen Vorlagen schon jetzt mehr Glück gehabt haben würde, wenn sie, nicht lediglich auf den Mehrheitsbeschlüssen früherer Landtage fußend, ihren sorgfältig durchgearbeitelen Entwurf viel früher der öffentlichen Meinung zur Kenntniß- nahme und Beurtheilung unterbreitet hatte, als das geschehen ist. Angesichts einer mit Gesetzentwürfen ohnehin stark belasteten Session wäre die Vorbereitung und Inan spruchnahme weitester Bevölkerungskreise für diejenigen Dinge, die der Regierung in erster Linie am Herzen lagen, durch die Presse zweifelsohne von Vortheil gewesen. Mit der Eröff nung der Kammern und der alödann von den Verhandlungen direct in Anspruch genommenen Aufmerksamkeit schwindet die Möglichkeit einer Einwirkung in dem Maße, als die Be- rathungen deS Reichstags und unter Umständen auch des preußiscken Abgeordnetenhauses da« öffentliche Interesse leb haft anziehen und die Presse durch dreifache Berichterstattung stark belastet wird. Es kommt hinzu, daß die Deputations- berathunzen der Ständekammern nicht öffentliche sind und daher die gründlichen Erörterungen eines Gesetzes, seine Aus gestaltung, daS Für und Wider der Freunde und Gegner einer Vor lage sich der allgemeineren Beurtheilung so lange entzieht, bi« ein gedruckter Bericht vorliegt, der dann auch nur auszugsweise durch die Presse zur Kenntniß weiterer Kreise gebracht werden kann. Es dürfte von der Regierung doch wohl zu erwägen sein, ob hier nicht unter Umständen anders zu ver, fahren ist, wie eS der Gesetzgebung deS Landes nur von Vortheil wäre, wenn auch über wichtige Deputations verhandlungen öffentlich berichtet und in dieser Richtung ein« eventuelle Aenderung der Geschäftsordnung vor genommen würde. Allerdings verbietet sich eine solche Aenderung so lange, als den Ständen nicht andere Räume zur Ver fügung stehen. Die Deputationszimmer des jetzigen Landhauses in ihrer völligen Unzulänglichkeit schließen eine Berichterstattung von selbst aus. Um so mehr ist es zu bedauern, daß durch die Beschlüsse, betreffend den Neubau eines StändehauseS, die abermalige Ver zögerung eines unabweisbaren Bedürfnisses um wenigstens zwei Jahre herbeigeführt worden ist. Wenn man die ganze Entwickelung dieser Frage unbefangen an sich vorüber gleiten läßt, so wird man eS aufrichtig bedauern müssen, daß der bochgehenden, von mehr wie einer Seite als maßlos bezeichneten Agitation gegen die vorgelegten Projekte nicht der entschlossenste Wille der Regierung und einer Stände mehrbeit entgegengetretcn und daS Wort deS Abgeordneten vr. Uh lem an n-Görlitz verwirklicht worden ist: „Wir sind die Baumeister!" WaS jetzt im Vereinigungsverfahren unter großer Selbstbeschränkung der Zweiten Kammer festgelegt ist, wird Niemanden befriedigen: Dresden nicht, da die heiß umstrittene Terrasse, wenn auch nicht um circa 60 Meter gekürzt, so doch nicht unwesentlich verändert wird, und alle diejenigen nicht, deren einfacher Menschen verstand sich sagt, daß es ein Schildbürgerstück ersten Ranges ist, einen Monumentalbau, für den ein in jeder Be gebung erstklassiger Bauplatz zur Verfügung steht, hinter Festungswall und Mauer zu setzen. " Deutsche» Reich. * Leipzig, 20. Mai. Wie wir schon mehrfach hervor gehoben haben, hat der Reichstag mit der Ablehnung der Erhöhung der RcvisionSsumme einen abschüssigen Weg betreten. Die allseitig erkannte Nothwendigkeit, das jetzt schon überbürdete Reichs gericht zu entlasten, und die Unmöglichkeit, zwei Tage vor Schließung des Reichstages sich über ein anderes geeignetes Abhilfemittel schlüssig zu machen, hätten, nachdem durch Concessionen der verbündeten Re gierungen die ursprüngliche Tragweite deS Vorschlags er- Feuilleton. Fritz von Rhde. Von Theodor Lamprecht. ... Nachdruck »»toten. Es war im Jahre 1884, als Fritz von Uhde sein erstes religiöses Bild zur Ausstellung brachte, und damit nicht nur in den Kreisen der Kunstfreunde, sondern auch in denen des großen Publicums eine lebhafte Erregung hecvorrief. Es war damals eine kritische Zeit für die Kunst. Das Gefühl, daß die Gedankenwelt und der Stoffkreis der älteren Malerei allmählich erstarre, machte sich mehr und mehr geltend; die Versuche aber, in die Malerei neue Principien und Gedanken einzuführen, waren außerhalb der Künstlerkreise noch kaum bekannt geworden. So hatte man damals für die Kunst nur ein laues Interesse und eine keineswegs sehr hoffnungsvolle Stimmung übrig. In dies Stillleben schlug Uhde's „Lasset die Kindlein zu mir kommen" wie eine Bombe ein. Denn da war wieder ein Bild, das mit starker Stimme zu den Herzen sprach, das die Gedanken und Empfindungen tief aufwiihlte, und das zugleich durch feine, konsequent moderne Malweise die allgemeine Aufmerksamkeit auf den sich bildenden neuen malerischen Stil mit Gewalt hinlenkte. Anerkennung und Achtung wurde dem Bilde eigentlich von keiner Seite versagt, über sein Wesen und seine Berechtigung aber entspannen sich heftige, ja leidenschaftliche Erörterungen. Man blickte da in eine geräumige holländische Bauern stube mit kahlen Wänden und hohen Fenstern, mit ziegel gepflastertem Boden und großer Feuerstelle. Auf einem Stuhle hat ein bleicher, in schlichte, wallende Gewänder gekleideter Mann mit einem träumerischen, innigen, gütigen Gesichts ausdrucke Platz genommen. „Lasset die Kindlein zu mir kommen", so hat er gesprochen, und die Kindlein sind zu ihm gekommen. Die Jüngsten haben mit der instinktiven Menschen- kenntniß, die Kindern eigen ist, schon vertrauen zu dem hohen Manne gewonnen, schmiegen sich an ihn und geben ihm eine Patschhand. Und wie sie di» zögernden älteren Geschwister nach sich ziehen, so folgen denen wieder die mißtrauischen Erwachsenen, die noch verlegen und ungewiß an der Thüre zaudern. So ist die magnetische Gewalt, die von dem großen Kinderfreunde auSgeht, trefflich geschildert. Und wenn auch der Vorgang sich in einem modernen Bauernhause unter dürftigen Menschen unserer Zeit abspielt, so fehlt der Dar stellung doch eine gewisse Verklärung nicht. Da» macht das Licht, da» silberne Licht, da» Uber die rothen Fliesen rieselt, da» Blondhaar der Kinder umfließt und den Herrn mit einer stillen Glorie umgiebt. Das Licht war e» ja auch gewesen, durch da» Meister Rembrandt die niedrigen Lütten und Menschen, die den Schauplatz und die Persönlichkeiten seiner religiösen Darstellungen bildeten, geadelt und geweiht hatte. Verkehrte aber Jesus hier mit Menschen im Gewände unserer Zeit, so mußte man sich daran erinnern, daß auch die großen Meister der Renaissance sich die heiligen Figuren stets im Kleide ihrer Epoche gedacht und sie so dargestellt hatten, und daß es bei Dürer in Mariens Wochenstube nicht um ein Haar anders zuging, als es bei solcher Gelegenheit in einem ehrsamen Nürnberger Bürgerhause zuzugehen Pflegte. Das Alles wurde in der Discussion über das Bild mit Nach druck geltend gemacht. Aber auch an Einwänden fehlte es nicht. In den Tagen des Lionardo und Dürer wurzelte die Kunst so fest in der Religion, daß beide von einander ganz untrennbar waren. Dazumal waren die heiligen Gestalten dem Maler lebendige Wesen, die ihn von Kind auf begleitet hatten. Na türlich, daß er sich sie als seines Gleichen dachte. Heute aber hat sich das Verhältniß zwischen Kunst und Religion verschoben, hat sich die Interessensphäre der Menschen über das Religiöse hinaus mächtig erweitert, und wenn der moderne Maler dasselbe thut, wie die alten Meister, so thut er, der zu den heiligen Geschichten von Hause aus eine andere Stellung einnimmt, eben nicht dasselbe. Dürer war naiv, Uhde ist bewußt; ja, man kann noch mehr sagen: Uhde ist ein Prediger, ein Proselytenmacher, ein Apostel. Daß aber darum sein Werk nicht etwa als der Ausfluß kalter Ueberlegung, raffinirten Suchens und Grübelns angesehen werden darf, das lehrt ein Blick auf seine Entwickelung. Es war für Uhde bedeutsam, daß er als der Sohn eine« höheren geistlichen Verwaltungsbeamten geboren wurde (22. Mai 1848 zu Wolkenburg in Sachsen). Die Eindrücke der Kindheit sind ja immer die mächtigsten, und Uhde gewann so von Kind auf mit dem religiösen Leben und Denken innige Fühlung. Seine Liebe und Begabung zur Kunst äußerten sich frühzeitig, aber die Dresdner Akademie, die er besuchte, bot ihm so wenig Genugthuung, daß er den Pinsel mit dem Degen vertauschte und bei den sächsischen Gardereitern als Officier eintrat. Als ein schneidiger Officier ritt er 1870 die Patrouillen und Attacken der Gardereiter mit. Wenn aber das alte Wort sagt, daß zwischen den Waffen die Künste schweigen, so traf dies auf Uhde nicht zu. Vielmehr regte sich schon damals und später immer mächtiger die alte Liebe zur Kunst neu in ihm, und 1877 entschloß sich der damalige Rittmeister von Uhde, zum zweiten Male um sie zu werben. Es begann etne Zeit ernsten, künstlerischen Ringen». Zu nächst warf er sich mit Eifer auf da« Studium der Alten, und einige damals entstandene Btlder zeigen den Einfluß des Fran» Hals und deS Jan Steen. Als Uhde aber merkte, daß er Ge fahr lief, über den Alten sich selbst zu verlieren, wandte er sich ab und schloß sich Munkacsy an, dessen Gestirn damals auf der Höhe stand. Ihm folgte er dann auch nach Pari». Und wie er hier zurrst die neue Malwrtse kennen lernte, die da» künstlerische Licht des Ateliers verschmähte und Sonne und Licht in ihrem ganzen Reichthum in der freien Natur selbst aufsuchte, so öffnete ihm sein LandSmann Max Liebermann di« Lugen über di« malerischen Reize Hollands. Jetzt zeigten ihn seine Bilder als einen Anhänger Ker neuen Malweise und einen Künstler von wachsendem Können. Bilder aus dieser Epoche, wie „Der Leierkastenmann kommt!", haben durch die Sorgfalt und Feinheit der malerischen Behandlung, durch die Treue und Liebens würdigkeit der Beobachtung noch heute ihren Werth. Aber zu einer Persönlichkeit, zu einem Künstler von Be deutung wurde er doch erst, als er sich den religiösen Darstellungen zuwandte. Wie er dazu gekommen, das ist das Geheimniß seines Lebens. Leichtfertig gewiß nicht, denn er war ein Mann gegen die Vierzig, als er diese Bahn betrat. Es mögen wohl die Beobachtungen und Erfahrungen, die er im Leben machte, in seinem rastlosen und hochsinnigen Geiste zuerst ein tiefes Mit gefühl und im engen Anschlüsse daran eine Wiedergeburt der religiösen Empfindungen seiner Kindheit hervorgerufen haben. In dieser Welt der Noth, des Kampfes um das tägliche Brod und um die geistige Nahrung, der schroffen Gegensätze und des Hasses stieg ihm leuchtend, tröstend, rettend die Gestalt des Heilandes auf, der die Armen und Beladenen zu sich ruft, der den Fischern und den Zöllnern predigt. Was einst geschehen war, wurde ihm lebendig, und er führte Jesum unter die Müh seligen und Beladenen unserer Tage, zu den Bauern, die ge bückten Hauptes die Scholle bearbeiten, zu den Fabrikarbeitern, die den Dampf der großen Städte athmen. Da trat er in ihr dürftiges Haus ein, wenn sie ihn nach guter alter Sitte beim Tischgebete zu Gaste luden; da saß er unter ihnen, den Er schrockenen und Erregten, beim Abendmahle; da predigte er auf dem Hügel über dem Dörflein den verwundert aufhorchenden Bäuerinnen und Landleuten die Botschaft des Trostes. Und weiter zog er den Kreis seiner Darstellungen. Er führte uns in die niedrige Hütte, da in kalter Winternacht das Kindlein geboren wird, während draußen durch den Schnee die Hirten beim unsicheren Schein der Laterne dahcrstapfen, das Herrlein zu begrüßen. Er zeigte uns den Engel, der eifervoll mit einer verlegenen Anmuth den erstaunt aufhorchenden Bauern die frohe Kunde mittheilt. Den schweren Gang Mariens nach Bethlehem zeigte er uns und die sorgenreiche Flucht nach Egypten. So hat er den Kreis der heiligen Geschichte fast ganz um schrieben, und immer ist er sich selbst treu geblieben, ist nie in Pose oder Pathos verfallen. Vielmehr wirkt er überall am stärksten durch seine psychologische Wahrheit und Feinheit. Wie in der „Bergpredigt" die Frauen in erwachendem Vertrauen, in steigender Seligkeit des Glaubens an den Lippen des Pre digers hängen; wie bei den schlichten Männern, die auf dem „Abendmahl«" die Jünger darstellen, sich die Wirkung der Worte „Einer unter Euch wird mich verrathen!" äußert; wie die bäuerliche Maria in Mutterhoheit, Muttergliick und Mutter- demuth auf da» Kindlein in ihrem Schooße blickt, und wie der Arbeiter den zu Gaste kommenden Herrn halb erstaunt, halb erfreut, und demuthsvoll begrüßt, — das Alle« ist so einfach, so überzeugend und wahr geschildert, daß es auf uns rein mensch lich wirkt. Wir leben mit, wir glauben; und insofern erreicht Uhde allerdings die Absicht, uns das Vergangene zu ver lebendigen, uns zu überzeugen, daß das Ewige auch heute lebt und wirkt. So kommt man bei einer genaueren Versenkung in den Gehalt der Bilder Uhde's zu dem Ergebnisse, daß die viel erörterte Costümfrage im Grunde durchaus nicht die Hauptsache ist; hat doch auch der Maler das Costüm keineswegs stets und streng modern behandelt, sondern oft und bei der Gestalt des Christus immer gemodelt! Nein die Hauptsache ist, ob der Künstler uns von dem Vorgänge, den er uns zeigt, überzeugt, un, willig oder nicht, in ihn und seinen Geist hineinreiht. Und das gelingt Uhde. Nicht wenig trägt dazu der glückliche und wohlthuende Typus bei, den er für Christus sich gebildet hat: der Typus des großen Menschenfreundes, von dem die Güte und Hoheit ausstrahlt, wie ein großes Licht, das Alles erhellt. Wer Uhde's Bilder auf diese ihre innere Wahrheit hin be trachtet, der wird auch nicht finden können, daß Uhde eine ge wisse Vorliebe für das Häßliche habe. Denn was thuts auck ob dieser oder jener von den Jüngern oder Zuhörern Christi eine Physiognomie habe, die uns weniger gefällt! Predigt nicht auch ihm der Heiland, ladet er nicht auch ihn zu sich und kündet ihm das Heil? Und dann: wie viele köstliche Schönheit ist in den Bildern Uhde's enthalten, die derartigen Elementen reichlich die Waage hält. Da sind die Frauen, deren innige Gläubigkeit, deren gesundes Empfinden Uhde wundersam rührend und lieblich zugleich darzustellen versteht. Da ist der große Himmelsbote, das Licht, das überall Schönheiten entzündet, die mystische Scene des Abendmahls in unsicheren Dämmer hüllt, den Pre diger auf dem Berge in ein Strahlengewand kleidet, Marien mit ihrem Neugeborenen mit hundert Reizen umhüpft. Und da sind endlich — der beste Beweis von der Güte und Gesundheit, die unserem Maler zu eigen sein muß, — die Kinder auf Uhde's Bildern. Wer Kinder gern, gut und wahr malt, der muß selbst gut sein; und Wenige haben in das holdselige Gemüth des Kindes, in seinen unbewußten Zauber und in sein reines Seelenleben so tief hineingeblickt, wie Uhde. Man betrachte sie nur, wie sie schamhaft und zögernd Jesu gegenübertreten, wie sie als Englein im Gebälk der heiligen Hütte singen und jubi- liren. wie sie trotzig auf die Suppe warten, ohne sich um den fremden Gast im langen Gewände und Haare zu kümmern. Auch in Einzeldarstellungen hat Uhde gern immer und immer wieder daS Kind portraitirt, wie denn überhaupt seine Thätigkeit auch außerhalb der religiösen Malerei eine umfangreiche, be deutende und immer freier sich entwickelnde ist. Doch bleiben seine religiösen Bilder das Hauptwerk seines Lebens, das denn auch im Auslande, in Skanoinavien und Frankreich besonders, viel Beachtung und Nachahmung gefunden hat, und sie bleiben seine Hauptgabe an das deutsche Volk. Und sie dankt ihm sein Volk heute, wo er mit Dante zu reden, in rnerro ctvll' oamnnn cki nontr« rita, in unseres Leb«n»wege» Mitte angelangt ist.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite