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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.06.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-06-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980601019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898060101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898060101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-06
- Tag1898-06-01
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«»Wgs-Vrei- K d« Hauptexpedltiou oder d«a tm Stadt- bezirk und dm Vororte» errichteten Aus- oabestevrn abgeholt: vierteljährlich^ 4.LO, bei zweimaliger täglicher Zustellung tn« Hau« ^l 5^0. Lurch die Pust bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^il S—. Direkt« täglich« Kreuchandsrno»»» in« «utland: monatlich » 7.50. Dl« Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uh«, bl« tzkbrnd-Au-gabe Wochentag» um 5 Uhr. Maction und Lr-e-Mo«: Johanne«,aff« S. Di« Expedition ist Wochentag« ununt«rbrochm geöffnet do, früh 8 bi« Abend« ? Uhr. Filialen: vtt« Klemm'» Gortt«. (Alfred Hahn), UntversitLtSstrahe 3 (Paulinum), LoniS Lösche. Katharinmstr. 14, pari. und Königsplatz 7- Morgen-Ausgabe. MiMM TagMM Anzeiger. AmtMatt des Königlichen Land- nnd Ättttsgerichtes Leipzig, -es Rattzes nnd Nolizei-Ämles der Llabt Leipzig. AozeigertPreis dir 6 gespaltene Petitzelle SO Psg. Reclam»« unter dem Rrdaction-strich t4 ge spalten) 50/^, vor d«n Familiennachrichten (Sgespaltm) 40^. Grötzrre Schriften laut unserem Pleis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernfatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbrsSrderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. AnnahMschluß für Anzügen: Abenb»Au-gabe: Vormittag« 10 Uhr. Marge n-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei dm Filialen und Annahmestellen j« eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Druck uad Verlag von L. Polz tn Leipzig. 271. Mittwoch den 1. Juni 1898. S2. Jahrgang. Die Darmstadter Hauptversammlung des Vereins deutscher Strafanstatts-Leamten. In der vergangenen Woche, den 24.-27. Mai tagte in Darmstadt der Verein der deutschen Strafanstaltsbeamten unter dem Vorsitz des Geh. Raths Professors vr. Wach. Das Reichsjustizamt, die preußischen Ministerien deS Innern und der Justiz, die Regierungen von Sachsen, Hessen, Württem berg, Baden, Elsaß-Lotbringen waren durch ihre Abgesandten vertreten. Zahlreiche Mitglieder auS den Kreisen der Straf anstaltsbeamten aller deutschen Staaten, der Staatsanwalt schaft, deS Richter- und Gelehrtenstandes waren erschienen. Die Versammlung entsprach der Wichtigkeit deS Gegenstandes, mit dem sie sich zu beschäftigen hatte. ES handelte sich um die „Grundsätze" de- Vollzugs gerichtlich erkannter Freiheitsstrafen vom 6.November 1897, welche die Bundes regierungen vereinbart haben und welche bestimmt sind, zu gelten bi» zur Emanation eines deutschen Strafvollzugsgesetzes. Diese „Grundsätze" sind kein Gesetz und keine Verordnung, sie haben keine völkerrechtliche oder staatsrechtliche Bedeutung, sie sind vielmehr nur der Niederschlag einer Verständigung, welcher zu folgen sich allerdings jede Bundesregierung ge bunden fühlen muß. Diese Anbahnung eines gleichmäßigeren Strafvollzugs ist ein Nothbehelf, aber in hohem Grade er freulich. Sie ist der Vorläufer des zukünftigen, unentbehr lichen Strafvollzugsgesetzes. Da» hat die Darmstädter Ver sammlung ausgesprochen. Obschon eS sich nur um „Grund- züge" handelt und es den Anschein erwecken möchte, als enthielten sie wenig Neues, wird man sich bei näherem Zu sehen ihrer großen Bedeutung um so weniger verschließen können, als Ausführungs-Verordnungen zu erwarten stehen, in denen die ost nur als Directiven ausgesprochenen Grund gedanken im Geiste der vertieften und geklärten Erkenntniß des richtigen Strafvollzuges vollends inS Leben übergeführl werden sollen. Bei dieser Sachlage gestaltete sich die Darm städter Verhandlung zu einer vielseitigen und höchst bedeut samen. Sie verhalf zur Aufklärung über die vielfach nicht glücklich gefaßten „Grundsätze* durch den Mund der Herren RegierungS-Deputirten, insbesondere deS Geheimen Nathes von Tischendorf, welcher das Reichs-Iustizamt vertrat; sie brachte eine Zahl wichtiger, durch die . Erfahrung und die richtige Erkenntniß zweckentsprechenden Strafvollzugs begrün deter Verbesserungs-Vorschläge; sie führte zur Aussprache über einige klärungsbedürftige Fragen. Der Stoff war fo groß, daß man von vornherein jeder vervollständigenden An regung gegenüber den »Grundsätzen* entsagte und sich weitere wichtige Fragen für die demnächstige Versammlung Vor behalten mußte. Auf ein eingehendes Referat der sehr reichhaltigen und lebhaften Debatten muß hier Verzicht geleistet werden. Nur Folgendes sei hervorgehoben. Zunächst beschäftigte man sich mit Anträgen deS Vereins- AusschusseS. Es wurde u. A. für geboten erachtet, daß die Festung-gefangenen künftighin in besonderen Anstalten, also nicht unter demselben Dach mit anderen Kategorien von Sträflingen gehalten werden (8 6); ferner baß nicht, wie die Grundzüge wollen, die Einzelhaft Jugendlicher, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, an sich auf drei Monate beschränkt und davon Abweichung nur mit Ge nehmigung der Aufsichtsbehörde gestattet werde. Gegenüber dem Abs. 2 27 der Grundsätze, welcher bei erkrankten Gefangenen die Trennung der eben erwähnten Ivtzendlichen von Zuchthäuslern und anderen Gefangenen für nicht erforderlich erklärt, wird beschlossen, daß wenigstens in allen größeren Strafanstalten (Zuchthäusern und Gefängnissen) Einrichtungen zu erstreben seien, welche die Grundsätze über die Trennung auch bei Erkrankten durchzuführen gestatten — und daS besonders im Hinblick darauf, wie überaus gefähr lich die Gemeinschaft im Lazareth der Zucht und Besserung sei. Zum tz 29 wünscht man den Unterricht der Zuchthäusler und Gefangenen nicht auf die Zeit bi« zum 30. Lebensjahr und nicht auf die Lehrgegenstände der Volksschule beschrankt. Die tägliche Bewegung der Gefangenen im Freien soll im Gegensatz zu 8 31 Abs. 1 kategorisch gefordert werden. Eine besonders lebhafte Debatte veranlaßte 8 3«, welcher von den DiSciplinarmitteln handelt. Man wurde einig darüber, daß zu den „hau-ordnung-mäßigrn Vergünstigungen", deren Ent ziehung 8 34 Abs. 2 gestattet, auch die Arbeitsbelohnungen zu zählen sind, nnd zwar sowohl die zukünftigen wie die gut geschriebenen. Bekanntlich ist dieses Zuchtmittel ein ebenso einfaches wie wirksames. Sodann dehnte man die DiSciplinar- mittel der Volksschule — also die in ihnen eingeschloffene körperliche Züchtigung — bei Jugendlichen, die das acht zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, entgegen den Grundzügen, über die Zeit deS Volksschulunterrichts aus. Dabei war vorzüglich leitend, daß die AnstaltSdiSciplin nicht der des Lehrer», sondern der deS Vater» zu vergleichen sei, da dessen Zucht durch die Anstalt ausgeschlossen und übernommen werde. Von nebensächlicher Bedeutung ist der Vorschlag, die dem Vollzug der Disciplinarstrafe voran gehende obligatorische Benachrichtigung de» ArzteS auS ver waltungstechnischen Gründen nicht über daS Maß noth- wendiger Rücksicht auf die Gesundheit deS Sträflings hinaus vorzuschreiben. ES ergab sich hieraus eine Einschränkung des 8 35 Absatz 2. Im Interesse der Controle des Vollzugs und der Information der Aufsichtsbehörden fordert der Verein mindestens alljährlich eine Visitation der Gefängnisse (8 38), während sich die Grundzüge mit zweijähriger Periode be gnügen wollten. Man hatte dabei insbesondere die kleinen Gerichtsgefängnisse im Auge, wennschon selbstverständlich auch für die größeren Anstalten eine häufigere Besichtigung als unumgänglich angesehen wurde. — Mit vollem Recht erklärt sich der Verein mit dem Antrag seines Ausschusses einverstanden, die „Grundsätze* auf die nicht gerichtlich er kannten Strafen, insbesondere die Polizeistrafen und die correctionelle Nachhaft analog anzuwenden. Die Debatte gab Geh. Rath Kröhne Anlaß zu scharfer Beleuchtung der Uebelstände, welche in großstädtischen polizeilichen Haftlocalen herrschen. Doch nahm man davon Abstand, Beschlüsse über die Grenzen der Strafhaft hinaus zu beantragen. Hingegen wurde mit Einstimmigkeit auf den Antrag des Geh. Raths Wach beschlossen, im 81 der Grundzüge die nur „nach Möglichkeit" vorgeschriebene Trennung der Strafgefangenen von anderen Gefangenen, als da sind Untersuchungsgefangene, Civilhäst- linge, ausnahmslos zu fordern, also die Worte „nach Mög lichkeit* zu streichen. Endlich beschäftigte man sich zu 8 3 der Grundzüge eingehend mit der Frage, inwiefern in Weiber strafanstalten die Stellen der Aufseher, Oberaufseher, Werk führer, Bureaubeamten, des Directors mit weiblichen Per sonen zu besetzen seien. Ohne zu bestimmten Anträgen und zu einer Abstimmung zu verschreiten, sprach man sich allge mein dafür auS, daß die Oberleitung in Männerhänden bleiben müsse, wogegen die überwiegende Meinung für weit gehende Anstellung weiblichen Unterpersonals sich kundgab. Zur Vorbereitung der Versammlung waren über wichtige Fragen Gutachten ausgearbeitet worden, die angesichts deS großen durch die „Grundzüge* gebotenen Stoffes nicht zur Verhandlung gelangen konnten. Man beschloß, auf sie in der nächsten Versammlung zurückzukommen. Sie soll im Jahre 1900 stattfinden. Als Ort der Versammlung wurde Leipzig gewählt. Bei der großen Bedeutung, welche dem Strafvollzug für die Strafrechtspflege zukommt, und der Fülle aktueller Fragen, welche auf diesem Gebiete der Lösung bedürfen, darf darauf gehofft werden, daß dieser in zwei Jahren bevorstehenden Versammlung in unserer guten Stadt daS lebhafteste Interesse wird entgegengebracht werden. Es mag noch erwähnt werden, daß die hessische StaatS- regierung dem Verein ein Fest in Jugenheim und anläßlich deS den Schluß der Tagung bildenden Besuches der großen Butzbacher Zuchthaus- und Gefängnißanstalt ein solennes Frühstück daselbst gastfreundlichst veranstaltete. Professor Hans Delbrück gegen Maximilian Harden. Zwischen dem Herausgeber der „Preußischen Jahr bücher*, Prof. Hans Delbrück, und dem Herausgeber der „Zukunft", Maximilian Harden, ist eS bekanntlich zur Klage und Widerklage gekommen, nachdem die beiden Herren in ihren Zeitschriften einander eine Reihe nichts weniger als schmeichelhafter Dinge gesagt hatten. Endlich hatte Delbrück erklärt: „Wa- den Charakter des Herrn Harden betrifft, so ist die öffentliche Meinung über ihn wohl allmählich klar geworden; ich will aber auch nicht verhehlen, daß ich für seine Infamie, ich meine damit eine ehrenrührige Handlungs weise, einen urkundlichen Beweis in Händen habe." Darauf strengte Harden gegen Delbrück eine Beleidigungsklage an, die Delbrück'S Rechtsbeistand, den Rechtsanwalt vr. Sello in Berlin, zu einer Klagebeantwortung veranlaßte, die zugleich die Erhebung der Widerklage in sich schließt. AuS dieser Klagebeantwortung geht nun hervor, daß Delbrück zu dem oben erwähnten Vorwurfe sich berechtigt glaubte 1) durch die gegen ihn selbst von Harden geübte Doppelzüngigkeit. Diese wird gekennzeichnet durch zwei an Delbrück gerichtete Briefe und eine später in der „Zukunft* veröffentlichte Notiz. Die beiden Briefe lauten: Berlin IV. 9, den 7. September 1892. 27 Köthenerstraße. Hochgeehrter Herr, in einer hastigen Zeit, die Frage der Weltausstellung bewies es wieder, genügt ein monatlich erscheinendes Blatt nicht immer dem Anspruch eines um die Aufhellung der Wahrheit bemühten Publi- cisten. Ein unabhängiges, nicht im Dienst einer Partei oder Ge nossenschaft stehendes Wochenblatt kann auch Ihnen dann vielleicht willkommen sein; und ich brauche Ihnen, hochverehrter Herr, eigent lich nicht zu sagen, wie groß meine Freude wäre, wenn ich an meiner Tafel einen Mann sähe, den ich für den bei nahe einzigen Publicisten großen Stils in Deutsch land halte und dessen Ansehen zur Klärung verworrener Meinungen so viel beitragen könnte. Ihren Beistand zu gutem Werke erbitte ich, das nur gelingen kann, wenn die Besten zusammenstehen. Gern hätte ich meine Wünsche persönlich vorgebracht, doch fürchte ich zu stören. In Verehrung ergebenst gez. Harden. Berlin XV. 9, den 2. März 1895. 27 Köthenerstraße. Hochgeehrter Herr, zu meiner Freude sehe ich Ihren Namen unter einer Petition gegen das bekannte Gesetz mit dem unaussprechlichen Namen und Inhalt. Aber ist wirklich 8 130 II der eigentliche Sitz des Uebels? Mir scheint 8 111a erheblich schlimmer und, weil er von der Commission angenommen ist, auch ernster Bekämpfung weither. In Dem, was da verboten wird, steckt doch recht eigentlich der Lebensnerv der tragischen und satirischen Dichtung. Der Zweck dieser Zeilen ist, Ihnen zu sagen, daß ich mich sehr freuen ward.-, wenn Sie für solch. Fälle, wo die Jahrbücher zu spät für Das, was Sie anssprechen mvchlen, erscheinen, sich der „Zukunst" bedienen wollten. (Entschuldigen Sie diesen mißlungenen Satz; die Influenza, merke ich, wirkt unheilvoll aus den Stil.) In ausgezeichneter Hochachtung ergebenst gez. Harden. Trotz dieser Versicherung der Verehrung und der Freude, die eS ihm gewähren würde, „einen Mann an seiner Tafel zu sehen, den er für den beinahe einzigen Publicisten großen Stils in Deutschland halte und dessen Ansehen zur Klärung verworrener Meinungen so viel beitragen könne", und trotz der am 2. März 1895 wiederholten Versicherung „aus gezeichneter Hochachtung" hat Harden am 5. März 1898 in der „Zukunft" geschrieben: „Ich hatte schon früher Herrn Delbrück, obgleich ich ihn als Politiker damals bereits für eine kläglich komische Figur hielt, zur Mitarbeit aufgefordert, weil ich meinen persön- lichen Geschmack nicht zur Norm dessen mache, was ich einem großen Leserkreise zu bieten oder zu versagen habe, und weil man, wie mir scheint, bekannten Persönlichkeiten nicht die Gelegenheit nehmen darf, sich auch einmal im hellsten Lichte zu blamiren." Zweitens erblickt Prof. Delbrück eine ehrenrührige Hand lung in Harden's Verhalten zu dem Münchener Professor Quid de. Die Klagebeantwortung sagt darüber: Nachdem Professor Quidde in München im Frühjahre 1894 seine Schrift „Caligula" veröffentlicht Katt, die, wie bekannt, außer- gewöhnliches Aufsehen erregte, hat ihn der Privatkläger gleich falls zweimal brieflich gebeten, an der „Zukunft" mit zuarbeiten, und dabei besonders darauf hingewiesen, daß der „Caligula" in der„Zukunst" eine„außerordentlich wette Wirkung" gehabt haben würde. Dies wird Professor Quidde in München, Leopoldstraße 34, bezeugen. Als diese Auf forderung erfolglos blieb und dann ein allgemeiner Sturm der Entrüstung gegen die Quidde'sche Schrift losbrach, erschien auch der Privatkläger auf dem Plane, um in einem Artikel in Nr. 88 der „Zukunft" von 1894 dieselbe Schrift, der er in seinem Privatbriese an den Verfasser die „außerordentlich weite Wirkung" einer Vcr- öffentlichung tn der „Zukunft" gewünscht hatte, vor seinen Lesern öffentlich als eine „flüchtige Compilation", als ein „un kritische-, werthlojes und langweiliges" Machwerk zu brandmarken und den Verfasser, dessen Mitarbeiterschaft er kurz zuvor so dringend erbeten hatte, mit den höhnenden Worten zu verunglimpfen, daß ein deutscherProfessor nicht verpflichtet sei, Talent zu besitzen. Drittens gründet Delbrück den gegen Harden erhobenen Vorwurf einer ehrenrührigen Handlungsweise darauf, daß Harden, der in der „Zukunft" eine schrankenlose Begeisterung für den Fürsten Biömarck zur Schau trägt, den vr. Franz Mehring, einen erklärten Anhänger der Social demokratie und wüthenden Gegner des Fürsten Bismarck, aufgefordert habe, sich mit ihm zur gemeinsamen Herausgabe der „Zukunft" zu verbinden. Dieses Verhalten Harden's erfahre noch eine charakteristische Be- leuchtung durch folgende Thatsachen: Am 10. August 1890 veröffentlichte die „Volkszeitung", deren grundsätzliche Gegnerschaft gegen die Politik und die Person des Fürsten Reichskanzlers bekannt ist, unter der Ueberschrift „Ein Kleiner von den Seinen" einen Leitartikel, der mit Len Worten beginnt: „Den Bismarck sind wir los, aber noch längst nicht die Bismärckerei." Am 20. August erschien in dem Feuilleton derselben Zeitung ein Aussatz, der sich auf das Engste an diesen gegen den Fürsten Bismarck und sein System gerichteten Leitartikel anschließt, die gleiche Ueberschrift wie dieser trägt und deren Verfasser sich so vollständig mit dem Standpunkt der „Volkszeitung" indentificirte, daß er von ihrer Redaction ausdrücklich als von „unserer Redaction" sprach. In diesem Feuilleton artikel wird der Schriftsteller Paul Lindau aus das Schärfste angegriffen und ihm u. A. wörtlich vorgeworsen, daß er „die Stellung eines Leibjournalisten und Nachrichten-Unter händlers der Familie Bismarck geschickt mit seiner kritischen Thätigkeit in einem freisinnigen Blatte zu verbinden verstanden habe"^ Herr vr. Franz Mehring wird bezeugen, daß dieser Artikel wörtlich aus der Feder deS Privatklägers stammt. Um endlich nachzuweiseu, daß die von Delbrück gegen Harden erhobenen Vorwürfe in der Form noch gemäßigt seien gegenüber den Vorwürfen, die Harden für geringere als seine eigenen Verstöße gegen Andere erhoben hat, führt die Klagebeantwortung an, daß Harden den Chefredakteur der „Franks. Zt." Mamroth, der an Harden „beweih räuchernde Briefe" geschrieben und ihn trotzdem darauf öffentlich angegriffen habe', in der „Zukunft" einen Ehrlosen, einen journalistischen Wegelagerer, einen feilen Schuft genannt hat, und erklärt, daß Harden kein Recht habe, sich zu beklagen, wenn Andere sein Thun mit dem gleichen sitt lichen Maßstabe messen, mit dem er selbst die Thate» Anderer gemessen habe. Diese Klagebeantwortung lernt man kennen — durch Harden's „Zukunft". Harden selbst veröffentlicht und bespricht sie in seiner Zeitschrift. Warum, das geht auS seiner 14 Seiten langen Besprechung des Schriftstückes klar hervor. Er hat sich offenbar selbst gesagt: Wenn auch Delbrück wegen der beleidigenden Form seines Vorwurfs be straft und wenn auch vielleicht auaenommeu wird, daß ich am 5. März 1898 entweder den am 7. September 1892 an Delbrück gerichteten Brief vergessen hatte oder aber mein vor 5'/« fahren geäußertes schmeichelhastes Urtheil geändert haben konnte, so bleibt doch, wenn Du nicht vorbeugst, an Dir hängen, daß Du am 5. März 1898 selbst zugestanden hast, Delbrück mit hoch achtungsvollen Versicherungen zu täuschen versucht zu haben; es bleibt ferner etwas kleben von der Quidde-Geschichte, in der Du, wenn Du nicht verbeugst, mindestens als ein Herausgeber erscheinst, der etwas lobte und begehrte, was er nicht kannte, und die Bismarck-Asfaire fügt, wenn Du nicht vorbeugst, zu den Vielen, die längst infolge der üblen Dienste, die Du durch Deine Veröffentlichungen in der „Zukunft" dem Alten im Sachsenwalde erwiesen hast, ernste Zweifel an der Lauterkeit Deiner zur Schau getragenen Bismarckschwärmerei geschöpft haben, noch eine Anzahl neuer Zweifler. Beuge also vor. Veröffentliche die Klagebeantwortung selbst; das macht sich gut und erweckt hier und da den Anschein, als wärest Du die personificirte Unparteilichkeit und überdies hoch erhaben über Deinen Gegner und seine Gründe. Und von dem hohen Standpunkte der Erhabenheit behandelt Harden denn auch die gegnerische Klagebeantwortung. Sie ist ein vollkommenes Nichts — nicht nur für ihn selbst, sondern auch für jeden „unbefangenen" Leser. „Wenn ich jedes Wort der Erwiderung sparte, auch dann würde im Sinne unbefangener Leser (!) die Frage rntstehra: „Das also ist Alles (!), was Delbrück gegen Harden vorzubriugen hat?" Nun weiß es jeder Leser und jeder — Richter, daß er „befangen* ist, wenn er aus der Klagebeantwortung eine Be lastung für Maximilian Harden herausliest. Dann wird als Feuilleton» Um -ie Er-e. Reisebritf« van Paul Lindenberg. Nachdruck verboten. Li-Hung-Chang. — Wa« «r geleistet. — Seine Wohnung. — Empfang bei ihm. — Seine Persönlichkeit. — Frag- und Antwortspiel. — Sein» Ansichten über Deutschland. — Er zählt vom Kaiser und von BiSmarck. Peking, 19. März. Don allen chinesischen Staatsmännern neuerer Zeit ist wohl der Name keine« in Europa so bekannt geworden als derjenige Li-Hung-Cbang'»; von der Moskauer Kaiserkrönung kommend, besuchte er die größeren europäischen Staaten und sand überall die erlesenste Aufnahme, sowie eine vielfach Übertriebene Würdi gung seiner Stellung und Verdienste. Al» der „Bismarck deS Osten»*, so wurde der Dicekönig von Tschili häufig gepriesen, und wenn auch di«se» Lob ein lächerliche- ist und sich zumal in den letzten Jahren die Staattkunst Li'S wenig bewährt«, ja manch« tüchtigen Schlappen erhielt, so darf man trotzdem Li zu den tüchtigsten Diplomaten de« himmlischen Reiches zählen. In den 60er Jahren warf er energisch zwei der blutigsten Aufstände, die China erlebt, nieder und machte einige Jahre später der autgedehnten mohamedanischen Rebellion em Ende, virlfach« kaiserlich« Lulzeichnungen und Stande»erhöhung«n waren sein Lohn, und als Vicekönig von Pe-tschili, der „nörd lichen Kaiserprovinz", zu der auch Peking gehört, erhielt er ausgedehnte Machtbefugnisse. Der europäischen Cultur sym pathisch gegenüberstehend, unterstützte er den Handel und Verkehr des Auslände- mit China, ließ zur Ausbildung der Truppen fremde Officiere, vor Allem deutsche, kommen, schuf eine aus gedehnte Kriegsflotte (die sich ebenso wenig wie die Armee infolge der elenden Führung und des zusammengewürfelten Menschenmaterials tm letzten Kriege bewährte), erschloß zahl reiche Kohlenminen, legte Fabriken an und trat mit seinem ganzen Einflüsse für den Bau von Telegraphenlinien und Eisen bahnen ein. Daß er überall seinen „Squeeze" machte, d. h. gehörig für seine eigene Tasche arbeitete und sich ein sehr großes Vermögen erwarb, war nach hiesigen Begriffen ganz natürlich. Aber es zog ihm noch mehr, wie eS bereit» der Fall war, den Neid der übrigen hohen Mandarine zu, die selbst gern die f«tten Bissen geschluckt hätten, und sie brachten denn auch Li nach dem unglücklichen Ausgange de» Krieges mit Japan zu Fall. Der geriebene Staatsmann wußte sich aber das Vertrauen de« Kaiser» und noch mehr da» der Kaiserin- Ex-Regentin, die von seinen Nebeneinnahmen stets einen ge wissen Antheil erhalten haben soll, wieder zu gewinnen — es war ihm, wie ich schon in einem früheren Bericht erwähnt, recht „theuer" zu stehen gekommen — und lebt seit zwei Jahren in Peking, al» Mitglied de» Tsung-li-Uamen (Auiwättigen Amtes) und Großsecretair de» Reiche». Es war für mich von besonderem Interesse, Li-Hung-Chang persönlich kennen zu lernen, nachdem ich ihn, von fürstlichen Ehren umgeben, häufig während der Moskauer KrönungStage und später auch in Berlin gesehen, und, von meinem Wunsche unterrichtet, th«ilt« dieser unser Gesandter in seiner lieben«- würdig-entgegenkommenden Weise Li-Hung-Chang schriftlich mit, und nach wenigen Stunden bereit» kam die Nachricht, daß meinen Begleiter und mich Li am nächsten, dem heutigen Tage, Vormittags zehn Uhr gern empfangen wolle. Von einem der Dolmetscher unserer Gesandtschaft, vr. Forcke, begleitet, begaben wir uns zur festgesetzten Zeit in zweiräderigen Karren, die von einem berittenen Diener escortirt wurden, zum Damen des ehemaligen Vicekönigs, einem sich äußerlich in nichts von den Wohnstätten der wohlhabenderen Chinesen unterscheiden den Gebäude. Wir traten zunächst in ein Gemach der eben erdigen Vorhalle, das einen wenig wohnlichen Eindruck machte; die kleinen Fensterscheiben waren blind, der steinerne Fußboden nicht sauber, die hohen chinesischen, aus schwarzem Holz ge fertigten Stühle bildeten einen Gegensatz zu zwei an den un tapezierten Wänden hängenden goldgerahmten europäischen Ge mälden, einem Blumenstück und der Darstellung eines Probe schießens mit neuen Geschützen vor Li-Hung-Chang auf einem belgischen Schießplätze. An der einen schmalen Wand, der niedrigen Thur gegenüber, stand ein etwas erhöhter Ehrensessel, dahinter hingen zwei der chinesischen rothen Tapetenstreifen, deren schwarze Buchstaben „Glück" und „Langes Leben" bedeuteten. Nach wniaen Minuten erschien ein Secretair Li's und be grüßte uns in geläufigstem Französisch im Namen „Seiner Excellenll", der uns erwarte; dann führte er uns über einen kleinen Hof in ein zweites, ebenerdiges Häuschen, und zwar gelangte man, direkt vom Hof aus, in ein mäßig grosie» Zimmer, nach den mit vielen Schriftstücken gefüllten Regalen zu schließen, eine Art Kanzlei. An den Wänden einige Photographien, da runter diejenige des Zaren mit seiner eigenhändigen Unter schrift und eine unseres Kaisers mit der kleinen 'Prinzessin auf dem Arm: „Vilüolrv Imperator lisn" und „Victoria vuiss" wie „Lisi, 22. Vl. 1896", so sagte die markige Hand schrift des Kaiser». Kaum hatten wir Zeit, uns umzusehen, als schon in der Thürfüllung de» nächsten Zimmers die Hobe Figur Li-Hung- Chang's erschien, der uns die Hand zum Willkommen bot und uns durch eine freundliche Geberde einlud, näher zu treten. Wir gelangten in ein zweite» kleines Zimmer mit einem von Büchern und Acten bedeckten wurmstichigen Schreibpult, einem Tischchen, auf welchem neben chinesischen Schriften auch einige europäische lagen, einem Sopha und ein paar Stühlen, auf dem Fußboden ein sehr verbrauchter, billiger Brüsseler Teppich, an den Wänden wieder allerhand gerahmte Photographien, u. A. eine, den Vicekönig neben Bismarck auf der Friedrichsruher Schloßterrasse, und eine zweite, ihn neben Gladstone zeigend, ferner den mittel» Röntgenstrahlen aufgenommenen Kopf Li's mit der deutlich zu sehenden, unterhalb des einen Auges sitzenden Kugel, die, zur Zeit der Jriedensverhandlungen in ShimonosekI, ein fanatischer Japaner auf den Vertreter China» abgesandt. Der ganze Eindruck der Persönlichkeit Li-Hung-Chang's ist ein würdiger und sympathischer. Die sehr hohe sehnige Figur des jetzt 76 jährigen Staatsmannes ist etwas gebeugt, sein von scharfen Falten durchzogene» Gesicht hat nicht viel Chinesisches an sich, die großen braunen Augen blicken klug und freundlich, sein Haar und der „Ziegenbart" sind weiß. Der Viceköniy war in einen kostbaren Pelz gehüllt,der fast bi» zu den Füßen reichte, die sich in den gewohnten weichen Schuhen befanden, auf dem Kopfe trug er die bekannte chinesische Kappe, auffallend zart und wohlgebildet sind seine Hände. Der Dolmetsechr stellte uns vor, und da unser Gesandter in seinem Einführungsbriefe er wähnt hatte, daß ich Li bereits in Moskau und Nishni-Nowgorod getroffen, so begrüßt« er mich sofort mit riner der chinesischen
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