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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.06.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980602023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898060202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898060202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-06
- Tag1898-06-02
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Gröbere Schriften laut unserem Ptti«- verzeichnih. Labevarischer und Ziffernlatz nach höherem Tarif. Extra-Vkllckgen (gefalzt), nnr mit der Morgen-Att-gabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbesörderung u« 70.-. Annahmeschiuß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgr n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die ErpedtttoN zu richten. Druck Und Verlag von E. P»lz in Leipzig, Donnerstag den 2. Juni 1898. 92. Jahrgang. Der spanisch-amerikanische Krieg. *-»« In Washington sind von Commodore Schley noch immer I«ine Nachrichten über die Vorgänge vor Santiago eingegangen. Diese Verzögerung ossicieller amerikanischer Bericht« bezeichneten Wit gestern als auffallend: sie wird es beute noch mehr und verstärkt den Verdacht, daß Comtnodvtt Schley nicht» Rühmliche» über das Gefecht von Santiago zu melden hat. Dagegen hat der amtliche spanische Telegraph nicht nur sofort die Nachricht von einer Niederlage der Amerikaner, sondern auch Einzelheiten Uber den Kampf ver breitet, die glaubwürdiger erschien, al» die au» amerikanischer Quelle gemeldeten. Wir erhalten folgende Nachrichten: * Madrt», 1. Juni. Der Minister für Sie Vola nt e« erwiderte im Senat auf eine Anfrage, öte Nachricht von dem Kampfe bet Santiago fei eine amtliche, und bemerkt« weiter, diese Nachricht gebe einen Ausblick auf wettere glückliche Erfolge Dank dem Muthe der spanischen Seeleute. Der Senat nahm hierauf einstimmig etnen Antrag an, welcher der Befriedigung über den Er folg der spanischen Waffen Au»druck verleiht. * New York, 1. Juni. Ein Telegramm au» Havanna vom heutigen Tage besagt: Hier ist folgende amtliche Mttthetlung über den Kampf bet Santiago ver öffentlicht worden: Die amerikanische Flotte, be stehend aus den Schiffen „Iowa", „Massachusetts", „Brooklyn". „Texas", „New Orleans", „Marblehaad", „Minneapolis", einem anderen Kreuzer und sechs kleinen Schiffen, nahm gestern westlich von dem Ausgange des Hafens von Santiago Aufstellung Zunächst eröffneten 5 Schiffe das Feuer. Der spanische Kreuzer „Volon" lag gegenüber Punta vorda (nicht Pnnta Äanda, wie erst gemeldet) vor Anter und konnte von der See ans gesehen werden. Die Batterien von Fort Morro, Socapa nnd Punta (itorda und der Krenzer „Volon" erwiderten das Feuer. Die amerikanischen Kriegsschiffe gaben 70 Schüsse ab, meisten» Geschosse schwere» Kalibers, weiche indessen gar keinen Schaden anrichtctrn. Tas Bombardement dauerte L>/, Stunden. Dann zogen sich die Amerikaner zurück. Einer ihrer Hilfs kreuzer war beschädigt, zwei Granaten sah man am Deck Ser „Iowa" explodtren, während an Bord eines andern Schlachtschiffes Feuer ansbrach. Einige Geschosse fielen im Inner» des Hasen» in -er Nähe der spanischen Kriegsschiffe nieder. In Santiago herrscht grohe Begeisterung. Eine weitere spanische Depesche aus Santiago meldet, man habe bemerkt, daß drei amerikanische Schiffe Havarien erlitten haben, und bestätigt, daß ein amerika nische» Schiff Feuer gefangen bat. Auf spanischer Seite, sagt die Meldung, sei ein Mann gefallen. Nach einer Nachricht aus amerikanischer Quelle, die von Port au Prince nach New Aork übermittelt worden ist, wäre das Fort Morro vollständig zerstört, allein wenn man sich der Nachricht aus gleicherOuelle:s„SanIuan ausPurrtoRico liegt in Trümmern, die Insel ist in den Händen derAmcrikaner" erinnert, von der nur wahr war, daß einige noch unfertigeStranbbefestigungen geringen Schaden erlitten batten, wird man um so mißtrauischer sein, als selbst von amerikanischer Seite zugegeben wird, daß der Kampf bei Santiago nicht ohne Verlust für die Angreifer gewesen ist. Auch dem New Aorker „Evening Journal" wird aus Cap Haitien gemelvkt, nach dem Berichte eines der eingetroffenen amerikanischen Torpedoboote sei ein ameri kanischer Hilfskreuzer schwer beschädigt. Es ist also zweifellos, daß vor Santiago nicht blos eine belanglose NecognoScirung Schley'», wir man jetzt in Washington glauben machen will, sondern eine Beschießung der Hasenfort» durch die Amerikaner — ob Admiral Tampson dabei war, mag noch dahingestellt bleiben — stattgefunben hat, offenbar zu dem Zwecke, in den Hafen einzudringen und den Spaniern ein zweites Cavite zu bereiten, daß der Angriff aber von den Spaniern erfolgreich zurück geschlagen worden ist. Gleichzeitig scheint nach den amtlichen spanischen Berichten festzustehen, daß die SchiffeCervera's sich nicht außerhalb des Hafen» begeben haben. Damit entfällt die von uns gleich als unglaubhaft bezeichnete Meldung, Schley habe durch eine Kriegslist Cervera auf offene See herauSgelockt und dieser sei auf das plumpe Manöver eingegattgen. Dem „Evening Journal" wird weiter auS Cap Haitien von Mittwoch Vormittag gemeldet, die amerikanische Flotte sei neuerdings vor Santiago erschienen und man erwarte ein nochmaliges Bombardement. Diese Meldung möchten wir ebenso bezweifeln, wie die andere dir römischen „Tribuna" auS Kingston (Jamaica) vom 31. Mai, nach welcher Admiral Cervera mit seiner Flotte nach vorgenommener Verprovian- tirung Santiago mit östlichem Curs verlassen haben soll. In Washington hat man sich, da die amerikanische Flotte bisher so gut wie untbatig hat bleiben müssen, bezw. nicht» hat auSrichten können, dazu entschlossen, allen Abmachungen zum Trotz eine kleine Armee nach Cuba zu werfen. Man berichtet un»: * Washington, 1. Juni. Der Kriegssecretair Alger richtete ein Schreiben an das Repräsentantenhaus, worin «r einen Nach- tragScredit fordert und vorschlügt, sofort 15 — 20 000 Mann nach Cuba zu schicken und diesen schnellstens 50 000 Mann folgen zu lassen. In Guantanamo sind, wie wir berichteten, angeblich schon 400 cubanische Expeditionstruppen gelandet; dort sollen auch die weiteren Nachschübe ausgeschifft werden, und dann soll der Angriff auf Santiago gleichzeitig zu Land und zur See erfolgen. Nur für den Fall, daß Schley Santiago genommen hätte, wollte man von einer Landung auf Cuba vorläufig absehrn und zurrst die Insel Puerto Rico zu vccupirrn suchen. Im gegentheiiigen Falle, das heißt, wenn es Schley nicht gelingen würde, in die Bucht von Santiago ein- zudringeu und die Escadre Cervera'S zu vernichten, soll die Transportflotte das Cap Maisi doubliren, westlich steuernd die Bucht von Guantanamo zu gewinnen trachten und das Corps Shaster's dort ans Land setzen. Die Bucht von Guantanamo liegt etwa sechzig Kilo meter östlich von Santiago de Cuba und würde sich vermöge ihres im Westen ziemlich flach verlausenden Strandes vor züglich für die Ausführung einer Landung eignen. Hier beginnen auch die Communicationen nach dem Innern der Insel, einige Wege und eine kurze, nach der 15 Kilometer entfernten Stadt Santa Catalina de Guantanamo führende Eisenbahnlinie. Für große Fahrzeuge ist aber die Einfahrt in die Bai, besonders in die nördlichste Einbuchtung von Ioa, sehr schwierig, da das Fahrwasser sich bis auf eine Viertel-Seemeile (1,8 km) verengt und die Tiefe stellenweise nur 2 Faden (3,0 m) beträgt. An Befestigungen ist nur ein kleines Fort in der Mitte der Bucht und an der schmälsten Stelle derselben vorhanden. Di« Landung könnte aber schon vor dein Fort stattfinden, ohne daß Dasselbe sie zu verhindern im Stande wäre. Mehr als das kleine, gewiß ganz verfallene Und mangelhaft armirte Fort wären aber Torpedos zu fürchten, die überall leicht angebracht werden können. Mit den 20 000 Mann deS LandunzScorp« des Generals Shafter und 3000 Insurgenten unter Garcia hofft man dem spanischen General Pando mit Erfolg entgegentreten zu können. General Pando soll mit 14 000 Mann zwischen Santiago de Cuba und dem Cautoflusse stehen. Der Cauto- fluß entspringt nördlich von dieser Stadt in der Sierra Morena, deren Uebergänge General Pando wahrscheinlich zu dertheidigen hat. Um die Landung der Amerikaner zu verhindern, müßte sich aber der spanische General östlich gegen Santa Catalina de Guantanamo wenden und Shafter wieder in das Meer zu werfen trachten. Eine Landung größerer Truppenkörper an einer feindlichen Küste ist immer mit großen Schwierigkeiten verbunden und kann von einem wachsamen und energischen Vertheibiger leicht zurückgewiesen weiden. Ganz unverständlich ist eS daher, daß die Amerikaner das Geheimniß der beabsichtigten Landung nicht bewahrt, sondern alle Details derselben in die Welt hinausposaunt haben. Diese unbegreifliche Offenherzigkeit muß den Verdacht Hervorrufen, daß die Landung an einem ganz ankern Puncte als bei Guantanamo geplant wird. Andererseits müßte aber die Vernichtung der Flotte Cervera'S das einzig richtige Operationsziel aller kriegerischen Unternehmungen der Amerikaner bilden, denn sie ist der einzige lebende Kampf factor, den die Spanirr hiut« in d«n westindischen Gewässern besitzen. — Wir verzeichnen noch folgende uns zugegangene Nachrichten: * New York, 1. Juni. Aus Key West verlautet, der ameri kanische Hilfskreuzer Saint Paul habe do« spanische Transport schiff Alfonso XIII. mit 1300 Soldaten und vielen Vorräthen an Bord aufgebracht. * Madrid, 1. Juni. Nach einem Telegramm auS Gibraltar wurden auS einer Volksmenge gegen den englischen General Richardson, den Oberbefehlshaber der Garnison von Gibraltar, Steine geschleudert, als er mit einem andern Manne in San Roque spazieren ging. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2. Juni. Unter der Ueberschrist „Ei» RcichSgerichtSrath al» Abgeordneter?" erörtert die „Köln. Ztg." die Frage, ob der zum ReichsgerichtSrath ernannte Centrumsabgeordnete vr. Spahn aus weitere parlamentarische Thätigkeit frei willig oder unfreiwillig Verzicht leisten werde. „Selbstverständlich" — so silhrt das rheinische Blatt aus — „prüfen wir die Frage mit völliger Unbefangenheit, losgelöst von jeder Parteirückficht. Da ist nun zunächst sestzustellen, daß bi-her noch in keinemFallr ein ReichSgerichtsrath als Abgeordneter einer gesetzgebenden Körperschaft angehört und alS solcher Betheiligung am politischen Leben gesucht hat, obwohl nach der Reichsverfassung dem nichts entgegenstände und richterliche Beamte anderer Grade dem Reichs tage gleichwie den Landtagen der verbündeten Cinzelstaaten unge hindert und nicht selten mit einem Erfolge angehören, den man an maßgebender Stell« au» sachlichen Gründen nur ungern vermissen würde. Im Allgemeinen läßt sich schwerlich behaupten, dem Eintritt oder Verbleiben von Richtern in Volksvertretungen würden von den Vorgesetzten Behörden oder sagen wir von Amts wegen Hindernisse be reitet. Wohl aberhaben innerdienstliche Gründe unseres Wissens mehrfach dazu geführt, bei in Aussicht genommenen Beförderungen dem Betreffenden einen Verzicht auf fernere politische Thätigkeit nahezu legen, in einzelnen Fällen sogar in der Form eines bindenden Versprechens abzuverlangen. Ganz abgesehen von den Jahren des sogenannten Culturkampfes, wo leichtverständliche andere Gründe mitgespielt, aber auch zuweilen vollständig versagt haben sollen. An geschulten oder überhaupt nur nach jeder Richtung hin geeigneten Parlameittariern haben wir in Deutschland wahrhaftig keinen Uebecsluß. Da ist wohl keine Partei, die nicht ihre liebe Noth Hütte, ihren Bestand aufrecht zu erhalten und Lücken an gemessen auszufüllen. Die nahe bevorstehenden Reichstagswahlen lehren Las, alte Namen verschwinden unter Bedauern, und viele Neue Namen erscheinen auf der Bildfläche des öffentlichen Lebens, die sich erst noch zu bewähren haben werden. Nun bietet sich aber hinsichtlich der Vertretung der Reichsgerichts- räthe, wenn sie, gleichviel aus welchem Anlaß, den Pflichten des Amte» aus länger» Zeit entzogen werden, eine ganz besondere Schwierigkeit dar, da bekanntlich nach 8 134 des deutschen GerichtsverfassungSgesetze» die Zuziehung von Hilfs- richtern beim RetchSgellcht unzulässig ist, durch die alle anderen Stricht« sich zu helfen pflegen, um Mitglieder, die «Is Abgeordnete während der Tagungen fehlen, zu ersehen. Ist nun aber einmal dieses Hilfsmittel für den höchsten deutschen Gerichtshof aus tiefer liegenden Gründen überhaupt anSgeschloffen, so muß der Geschäftsgang Unter jeder längeren Ab wesenheit auch nur eines Mitgliedes empfindlich leiden, muß ein« Lücke entstehen, wie sie nur bei reichlich bemessenen Arbeitskräften ohne dienstliche Unzuträglichkeiten denkbar ist. Daß sich nun aber das Reichsgericht genau in der entgegengesetzten Lage befindet, haben ja die letzten Verhandlungen des Reichstags über den Negierungsvorjchlag, die Revisionssumme zu erhöhen, gelehrt. Unter diesen Umständen darf man gewiß einigermaßen darauf ge spannt sein, wie sich Herr Spahn im Hinblick auf seinen Eintritt in da« Reichsgericht gegenüber seinen Rechten und Pflichten al» Ab geordneter entscheid«» und wählt, wie sich insbesondere auch das RelchSjustizamt zur vorliegenden Fragt stellt, die ganz unab- hängig von diesem Einzelfallt ihre große Bedeutung hat." Die „Köln. Ztg." fügt dann hinzu, von wohlunterrichteter Seite werde behauptet, Herr vr. Spahn denke nicht daran, von seiner parlamentarischen Wirksamkeit sich zurückzuzied«», und leitet au» dieser Behauptung di« besondere Berechtigung der aufgeworfenen Frage her. Ihre baldige Lösung ist in der Thal schon deshalb sehr wünschenswerth, weil ein Ab gehen von der bisherigen Praxis, die Mitglieder de» höchsten deutschen Gerichtshöfe» vom parlamentarischen Leben fern zu halten, das Gewicht per im Reichstage bei den Verhandlungen über die Erhöhung der Revisionssumme von maßgebender Stelle abgegebenen Erklärungen betreff» der Ueber- lastung des Reichsgericht« abschwächen und den Gegnern dieser Maßregel Anlaß zu der Behauptung geben ! würde, jene Erklärungen hätten weniger den Thatsachen, l als dem Wunsche entsprochen, dir Erhöhung der Revistons- I summe durchzudrücken. Wir bedauern, daß gerade die Er- FsrriHetsn. Sanitätsraths Türkin. 11s Eine Kleinstadt-Geschichte von Klaus Rittland. Nachdruck verboten. 9. Capitel. Ostern nahte. In den Gärten steckten Schneeglöckchen, Veilchen und Crocus ihre Köpfchen muthig aus den struppigen, verwitterten, winterlichen Beeten hervor, im Verschönerungs verein erkämpfte der Herr Lieutenant eine neue Bank, die dicht am Seeufer, auf dem Wege nach der Badeanstalt, aufgestellt werden sollte; im Gesangverein übten sie eine Ostercantate, eigene Komposition des Musikdirektors, ein, die Pastor Düsterling leider nicht, wie der Musikdirector gehofft, am ersten Feierlstg in der Kirche singen lasten wollte — sie erinnere ihn an den Brautmarsch aus Lohengrin, hatte das Verdammungsurtheil des Kliitzower Papstes gelautet, dazu gebe er die Kirche nicht her! —, die Schulkinder zitterten vor den Zeugnissen und freuten sich auf das Eiersuchen, und die Hausfrauen feierten große Frühlingsscheuerfeste. Zwei Tage vor Palmsonntag war es. Da schritt Jndschi Körting durch die „lange Gaffe" auf das Haus des Tischler meisters Olfers zu. Ihr Herz klopfte — aber nicht vom raschen Gehen; wie lange schon hatte sie sich gewünscht, einmal dieses kleine, närrisch« Häuschen betreten zu dürfen, welches sich so sonderbar nach links neigte, als ob e» die eine Schulter herunterzöge fast täglich war sie daran vorübergegangen und halt verstohlen heraufgeblickt nach dem Fenster — seine» Stübchens, aber nur von weitem; sobald sie in die Nähe kam, war ihr, als müßte Jedermann ihr die Empfindungen an sehen, mit welchen sie dort hinauf blickte — sie schämte sich und beschleunigte ihre Schritte. Heute aber hatte sie einen guten Grund. Dörte, da» Dienst mädchen, wollte nach Ostern heirathen, und der Sanitätsrath hatte gemeint, man muffe dem braven Mädchen ein ordentliches- Hochzeittgeschenk machen; Jndschi solle sich noch einem Wunsch von ihr erkundigen. Nach langem Hin- und Herfragen war denn Jndschi endlich dahinter gekommen, daß ein „Schazz (Schrank) mit 'ne Schub- lade drin" der bräutlichen Dörte höchste» Sehnsuchtsziel bildete, „aber eins von Meister Olfersen sin; die SchazzS von,dat nige Möbrlgeschäft sün man so'n klapprigen Kram! " Hätte Dörte gewußt, was für eine Freude sie ihrer jungen Herrin mit dieser Klausel bereitete! Jndschi trat über die beiden abgelaufenen Steinstufen in den Hausflur. Meister Olfers kam ihr entgegen und führte sie in eine große Vorderstube, die zu einer Art Lagerraum her gerichtet war, in Ermangelung eines Ladens. Jndschi sprach ihren Wunsch aus und er zeigte ihr die fertigen Schränke. Sie betrachtete aufmerksam von der Seite sein breites, gutes Gesicht mit den kleinen freundlichen Augen; er glich doch sehr dem Sohne! Nur war seine Stirn nicht so hoch gewölbt. Während er ihr in seiner ruhig-bedächtigen Weise die Vorzüge der ver schiedenen Holzarten auseinandersetzte, traten zwei neue Kun dinnen ein: Frau Gutsbesitzer Dräsel, in Begleitung der Frau Pastor Düsterling. Frau Dräsel verlangte, Kommoden zu sehen, die Frau Pastorin wollte ihr beim Aussuchen helfen. Letztere hielt es für ihre Pflicht als Seelsorgersgattin, ihren Mit menschen, auch wenn sie nur geschäftlich zu ihnen kam, immer durch ein paar freundliche Worte ihr Wohlwollen zu beweisen. So fragte sie denn Meister Olfers mit wehmüthiger Miene, ob ihn denn sein böses Reißen im Bein noch recht arg quäle. „O nein, Frau Pastorin, das ist schon seit Monaten vorbei, Gott sei Dank." „Aber es kommt wieder, lieber Meister, es kommt wieder", versicherte sie ihn, mitleidig seufzend; „Tie gehen ja auch noch so steif; ach, und weg bleibt das nie ganz, wo es einmal angeklopft hat. Ich kenne das. Mein armer Bruder hat es auch gehabt, ganz wie Sie, lieber OlferS; und nachher wurde eine fürchterliche Krankheit daraus, ich habe den lateinischen Namen behalten: otrickis ckittorrnans, ver unstaltende Gicht; alle Glieder wurden zusammengekrllmmt, ach Gott, was hat er gelitten, bis der Herr ihn erlöste!" Meister Olfers hatte sich vorher ganz wohl gefühlt; jetzt war ihm plötzlich, als zwickte es mit glühenden Zangen in all seinen Gelenken. Frau Dräsel hatte unterdessen etwas nach ihrem Geschmack gefunden; aber als sie den Preis erfuhr, war sie entrüstet. „Dreißig Mark? Genau dasselbe kriegt man ja drüben bei Rosenthal für achtzehn." „Das wird wohl andere Arbeit sein", meinte der Alte achselzuckend. „Und die?" Frau Dräsel deutete auf ein Möbel, welche» durch seine elegante Form auffallend gegen die anderen abstach. „Die habe ich nur zum Aufpoliren hier, die gehört der Frau Baronin auf Ströbenhagen; warten Sie, ich hole noch was von draußen." Und er entfernte sich, während Frau Dräsel ehrerbietig die barönliche Kommode streichelte. „So Helle» Eichenholz sieht man doch selten", meinte sie. „DaS ist nicht Eichenholz, sondern Ahorn", sagte Jndschi herantretend. „Liebe» Fräulein, auf so etwas verstehe ich mich ganz genau". entgegnete die Andere herablassend;„wer schon drei Ausstattungen besorgt hat (für meine älteste Tochter und zwei Nichten!) und überhaupt — Eichen ist es, nur sehr hell gebeizt. Von Ahorn macht man überhaupt keine Möbel." Lächerlich, dieses junge Ding wollte sie in einer praktischen Angelegenheit Lügen strafen! Jetzt kam der Tischler zurück. „Was ist das für eine Holzart, Herr Olfers?" fragte Jndschi. „Ahorn", war die Antwort. „Da haben Sie sich also doch geirrt, liebe Dräsel", sagte die Pastorin und ein Lächeln zuckte um ihre für gewöhnlich so traurig abwärts gezogenen Mundwinkel. Frau Dräsel war beleidigt. «Nun, ich sehe schon, hier finde ich doch nichts Geeignetes", sagte sie und verabschiedete sich mit einem übellaunigen kurzen Nicken, gefolgt von der Pastorin. Jndschi hatte vorhin bemerkt, wie bei der Erwähnung des Rosenthal'schen Geschäftes ein Schatten über des Alten Gesicht geflogen war. Sie wollte ihm gern etwas Angenehmes sagen und so bemerkte sie: „Mir kommen die Möbel dort drüben immer so unsolide vor, so flüchtig zusammengeleimt — nur fürs Auge." „Ja, ja, Fräulein, das muß wohl wahr sein", nickte er lächelnd, „nur fürs Auge, aber das versteht eben nicht Jeder, das muß man kennen." Ach, dieses großprotzige Schaufenster dort drüben mit den Hellen Spiegelscheiben und der weit sichtbaren Ueberschrist, was hatten die dem alten braven Handwerker schon für Aerger be reitet, diese letzten zwei Jahre lang! Frech und hämisch wie das Auge des bösen Feindes lachten die glänzenden Scheiben zu ihm herüber. Er wußte wohl, daß das Zeug dort meistens elende Ramschwaare war, aus allerlei Konkursen zusammen gekauft, nicht halb so gut wie seine sorgfältig gearbeiteten Möbel, aber so elegant sahen die Sachen aus, so modern und vor Allem so billig waren sie, so gesetzwidrig billig! „Ja, seh'» Sie Wohl, Fräulein", fuhr er fort und öffnete eine Schrankthiir, „gucken Sie sich das 'mal innewendig an, allens gut ausgetrocknetes Holz — das wirft sich nicht! Und hören Sie 'mal, wie die Thür schließt —", ein leise pfeifender Ton, wie von gepreßter Luft. „Ja, so muß es sein", gab Jndschi zu, „leicht und doch fest. Und wie sauber das gefügt ist. auch die Rückwand so hübsch solide. Ja, den nehme ich. Bitte, schicken Sie ihn zu." „Weiß schon", unterbrach er sie, wohlgefällig lächelnd, „werde doch wohl Fräulein Körting kennen!" Jndschi hätte gern noch eine Weile mit dem Alten geplaudert. Gar zu gern hätte sie von ihm gehört, ob er seinen Sohn zu Ostern erwarte. Aber sie genirte sich, zu fragen. Fast wollte es ihr scheinen, als ob der Alte ihre Gedanken erriethe. Er schmunzelte so stillvergnügt. So wandte sie sich zum Gehen. Da trat die Mutter Olfers ein. „Ach, Fräulein Körting, ich muß doch 'mal fragen, wie's dem Herrn Onkel geht" — und bald war ein gemüthliches Schwätzchen in Gang. Es dauerte auch keine fünf Minuten, da hatte Jndschi erfahren, was sie zu wissen verlangte: „Uns' Fritzing war derartig mit Arbeiten überhäuft, daß er unmöglich zu Ostern Heimkommen konnte; aber wenn der Flieder blüht, hält hei schrewen, dann wär dot zu schön bei uns, dann würd' hei ganz bestimmt 'mal wedder auf an paar Tage kommen!" So lange Zeit habe ich noch zu keinem Einkauf gebraucht! dachte Jndschi, als sie sich endlich verabschiedet hatte, sich fflbst aus. „Also, wenn der Flieder blüht!" „Du, Vadding", fragte Mutter Olfers, ihren Mann mit dem Ellbogen anstoßend, während sie Jndschi nachblickte, „hast wohl seihn, wie sie sich roth anstickte, wie ich von Fritzing sprach?" „Nee, dat hew lck nich seihn!" „Un Fritzing — weißt noch, wie er von Kaisers Geburtstag taurück kam, wo ich ihn so neckte?" „Dat hätt'st lewer bleiben lassen sollen", brummte er, „nehmen duht sei ehm doch nich —" „Nanu — uns' Fritzing? worum denn nich?" fuhr die stolze Mutter auf. „Uber schön is sei", fuhr er nachdenklich fort, „au klauk. sehr klauk — sehr verstännig." Wie kann nur ein Monat so entsetzlich lang sein? Dieser April wollte absolut nicht endigen. Täglich wanderte Jndschi die S-epromenade entlang und prüfte sehnsüchtig die Flieder büsche, ob die Knöspchen der zierlichen Dolden sich noch nW lila färben wollten; aber sie waren unglaublich zurückhaltend in diesem nordischen Klima. Der Mai brachte endlich ein paar brütend feuchtwarme Lenz tage, die mit liebesbrünstigem Hauch diese ganze schlummernde Natur zu seligem Frühlingsleben wachküßten. Der Flieder blühte. Anfang Juni sollte in Heidelberg ein Mediciner-Congreß tagen, und Jndschi redete ihrem Onkel zu, denselben zu be suchen. Er hatte wohl Lust, aber er war schwerfällig geworden. „Ach, Kind, ich bin so selten herausgekommen, ich würde mich fremd fühlen unter den Kollegen." „Du erzähltest doch neulich von so einem interessanten Fall — weißt Du, die Nierengeschichte, und sagtest, der sollt« «igent«
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