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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.06.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-06-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980610021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898061002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898061002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-06
- Tag1898-06-10
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Zwar ist noch keine Be stätigung der Nachricht eingetroffen, daß Manila bereits capitulirt habe, aber in politischen Kreisen Madrids hält man den ganzen Philippinen-Archipel bereits für verloren; man glaubt an den völligen Abfall der eingeborenen Freiwilligen und die Ermordung aller Spanier in den Pro vinzen. Es ist schwer zu sagen, wie vieles wabr ist, aber ein Minister äußerte, die Lage sei so ernst, daß die in Manila ansässigen Spanier nur durch das Eingreisen de- — ameri kanischen Admirals Dewey gerettet werden könnten. Die Bevölkerung der spanischen Hauptstadt ist in höchster Sorge und Aufregung, die sich auch nicht legen wird, nachdem im gestrigen Ministerratbe der Kriegsminister Correa in Abrede gestellt hat, daß die Lage des Generalcapitains der Philippinen, des Generals Augustin, eine verzweifelte sei, wie behauptet wird. Der Minister präsident Sagasta fügte hinzu, Manila habe genug Lebens mittel, um die Verstärkungen abzuwarten; dem Marine minister sei jede Befugniß gegeben, hinsichtlich der bezüglich der Philippinen ru ergreifenden Maßregeln. Sagasta er klärte ferner, die Negierung beabsichtige nicht, die Initiative zur Herbeiführung des Friedens zu ergreifen, und sie wisse nicht, ob irgend eine Macht beabsichtige, dies zu thun. DaS ist sehr stolz gesprochen, aber man weiß zu viel von dem wirklichen Stand der Dinge, als daß man sich noch täuschen ließe. Die Presse führt eine sehr erregte Sprache. Zn den militairischen Kreisen und Blättern wird hervor- geboben, daß General Polavieja, seiner Zeit Oberbefehlshaber und Generalgouverneur auf den Philippinen, bei seinem Scheiden von Manila die Absendung von 20 000 Mann und die Verstärkung des Geschwaders empfahl. Sein Nachfolger, Primo de Rivera, legte kein Gewicht auf diesen Rath, sondern zog es vor, mit Aguinaldo und den andern Führern der Aufständischen zu unterhandeln, die sich gegenwärtig mit den Amerikanern verbündet haben. Alle Parteien, sowie die Regierung, deren mangelnde Voraussicht und Zögern die Lage auf denPhilippinen verursachte, werden getadelt. ES waren keine vorbeugende Maß regeln selbst dann getroffen, als man die Absichten der Amerikaner erkannt batte. Nichts geschah zur Fürsorge für dieses wichtige Znsclreich, wohin man sofort hätte Cervera oder Camara mit Verstärkungen senden sollen, da eS offenkundig war, daß die spanischen Streitkräfte nicht aus reichten. Soll jetzt vielleicht das Versäumte nachgeholt werden? Nach der Besprechung, die gestern der KriezSminister im Anschluß an den Ministerrath mit der Königin-Regentin hatte, ist der Marineminister nach Cadiz abgereist, wo er einige Tage verweilen wird. Das ans 15 Schiffen, darunter „Peligo", „Carlo Quinto", „Alfonso XIII.", „Victoria" u. s. w., bestehende zweiteGeschwader wird in seiner Gesammtheit in See gehen. Die Richtung, die daS Geschwader ein zuschlagen hat, wird dem Admiral Camara auf offener See mitgetheilt werden. So berichtet uns ein Telegramm aus Madrid, dem aber das andere aus Gibraltar auf dem Fuße folgt: „Man glaubt hier, die Abfahrt des zweiten spanischen Geschwaders aus Cadiz sei verschoben worden, weil die Ausrüstung eines Hilfskreuzers noch nicht beendet sei. Der spanische Marineminister wird morgen Abend in Cadiz eintreffen, um daS Geschwader zu besichtigen und dann wird die Ent scheidung getroffen werden". Also soweit hat man binnen sechs Wochen noch nicht gelangen können, daß das Reserve geschwader, von dem es schon einmal hieß, eS sei längst ab gefahren, seefertig ist! , _, Bei einer solchen Art der Kriegführung braucht man sich nicht zu wundern, wenn aus Washington verlautet, man wolle ein Ende machen. Präsident Mac Kinley sei ent schlossen, Sampson anzuweisen, spanische Häsen an zu- greifen, wenn Spanien nach der in aller Kürze zu er wartenden erfolgreichen Beendigung der gegenwärtigen Operationen in Westindien nickt um Friedensschluß nachsuche. Ueber die Kämpfe, welche die jetzt plötzlich mit erschreckender Deutlichkeit beleuchtete Lage auf den Philippinen geschaffen haben, bringt der „New Jork Herald" ausführliche Mit theilungen. Zuerst meldet der Berichterstatter des gut infor- mirten Blattes vom 30. Mai: Aguinaldo hat bereits die Spanier in mehreren Scharmützeln und einem bedeutenden Treffen geschlagen. Er setzte in der Nacht zum 29. Mai mit 600 Mann über die Bai von Bakor und nahm zwischen Ca vite und Bakor Ausstellung, in der Nähe der Pulvermagazine, welche die Spanier am Strande besetzt halten. Die spanische Marine-Infanterie griff die Aufständischen an, wurde aber zurückgeschlagen. Die Aufständischen nahmen 224 Spanier gefangen uud in der Nacht zum 30. Mai noch 125, darunter 15 Officiere. DaS Gelände war mit dichtem, tropischem Gebüsch bestanden und von Morästen durchzogen, so daß die militairische Ordnung nicht aufrechterhalten werden konnte. Bevor der Tag dämmerte, verstärkte Aguinaldo seine Truppen vom Festlande her mit 1000 Mann, die er auf Booten über die Bai von Bakor setzte. Vom 3. Juni: Am Mittwoch (1. Zuni) Nachmittag wurde am Wege zwischen Manila und Cavite deftig gefochten. Die Spanier hatten zur Ver stärkung ihrer Streitkräfte 400 Mann gesandt. Ein Engpaß am Wege wurde von den Aufständischen durch 400 Mann und 4 Feldgeschütze behauptet. Am Donnerstag (2. Juni) früh griffe» die Aufständischen ZmuS, die wichtigste Stadt im Innern der Provinz Cavite, a» und nahmen sie ein; sie machten 250 Gefangene und eroberten vier Krupp'sche 8-om- Geschütze und eine große Menge Munition. Der Bericht erstatter besuchte das Feldlager der Aufständischen auf der Rückseite von Alt-Cavite, wohin ihn der General Thomas Macado begleitete. Er sah, wie die Aufständischen die spa nische Besatzung eingeschlossen halten und aushungern. Zn der Nacht zum 3. nahmen die Aufständischen San Francisco de Malabos, südwestlich von Cavite. 500 Gefangene, worunter der Gouverneur der Provinz Oberst MargS und eine Anzabl anderer Officiere, fielen in ihre Hände. Die Stadt Batahan auf der entgegengesetzten Seite der Bai von Manila wurde eingenommen und 100 Gefangene gemacht. Der Bericht erstatter faßt die Erfolge Aguinaldos dahin zusammen: Seit drei Wochen hat er 3000 bewaffnete Mannschaften zusammengezogen, eine Reibe von Scharmützeln und drei bedeutsame Kämpfe gefochten, die ganze Provinz Cavite erobert, zahlreiche Spanier zu Gefangenen gemacht, seine Truppen durch 2000 Mann von außen verstärkt und den Spaniern 2000 Gewehre und 6 Feldgeschütze abgenommen. Am 1. Zuni telegraphirt der Berichterstatter: Der Ein fluß Aguinaldo'S ist vollständig wieder hergestellt. Aus den Provinzen stellen sich Tausende in seine Reihen ein. Aguinaldo hat den Marsch von Manila nach Cavite an getreten und ist an den Außenposten der Spanier angelangt. Die Spanier griffen die Stellung der Aufständischen bei Zapote am 30. Mai gegen 10 Uhr an, wurden aber nach einem zähen, hitzigen Kampfe gezwungen, sich zurückzuziehen. 500 Spanier wurden getödtet oder verwundet. Die Auf ständischen rückten aus und besetzten die Werke bei Zapote. Sie sind stark verschanzt, gut bewaffnet und wissen die Waffen mit tödtlicher Wirkung zu handhaben. 5000 Mann griffen die spanischen Streitkräfte an, die aus den 6. und 11. Jägern be standen, mit mehreren Compagnien des 67. und 74. Regiments Infanterie. Während der Schlacht desertirten die 74 er, tödteten ihre Officiere und vernichteten eine Compagnie der spanischen Marine-Znfanterie, wovon nur 12 Mann am Leben blieben. Am 4. Zuni griffen darauf die Spanier mit 3000 Mann Verstärkungen die Aufständischen abermals an. Zn den beiden letzten Stunden wurde heftig gekämpft. Die Eisen bahn von Manila nach Malabon hat man an allen Stellen aufgerissen, um die Zufuhr nach Manila abzuschneiden. Der Berichterstatter war Zeuge eines aufregenden Schauspiels an der Station Aguivinto. Die Aufständiscken machten dort drei Priester undeinigeSpanier nieder, verwundeten eineDame, ein einjähriges Kind wurde von ibnen zu Tode getreten. Die Station Tarnac ist in die Hände der Aufständischen gefallen. Admiral Dewey gestattete den Ausländern, sich auf die in der Bai liegenden Dampfer zu flüchten. Zn der Provinz Bulacan, nördlich von Manila, haben ebenfalls einige Kämpfe stattgefunden. Die Spanier wurden geschlagen. Sämmtiiche Spanier in der Provinz sind in unmittelbarer Lebensgefahr. Die spanischen Verluste während der letzten drei Tage sind sebr groß gewesen. Es wird gemeldet, daß der Generalcapitain Befebl erhalten bat, die Aufständischen nickt anzugreifen, sondern sich auf die Vertheidigung der Außenposten zu beschränken und, falls sie unhaltbar seien, sich auf Manila zurückzuziehen. Vom 3. Zuni: Der den Seebezirk (hinter Manila liegt die Laguna de Bay) anlaufende Dampfer wurde von den Aufständischen auf dem Pabigflusse angeschossen. Die Auf ständischen haben dessen Ufer besetzt und unterbinden die Zufuhr. Die Eisenbahn- und Telegraphen-Verbindungen von Manila mit der Provinz sind abgeschnitten, weshalb die Nachrichten aus den Provinzen ausbleiben. Die Truppen in Manila umfassen 8000 Eingeborene ohne die Freiwilligen, welche letztere 2000 Mann stark sind. Ihre Gesundheit und Verfassung ist gut. Der Verkehr auf dem gestrigen Wochen markte war sehr gering. Am 2. Zuni kam ich nach Zapote, wo seit gestern gefeuert wird. Wie es scheint, feuern die Aufständischen, uni die Aufmerksamkeit der Spanier abzulenken, während eine starke Truppe von Aufständischen über den Fluß setzt, um auf den Manila umgebenden Höhen Stellung zu nehmen. Zch glaube, daß die Ausländer in Manila nichts von den Aufständiscken zu befürchten haben, ausgenommen im Falle von Straßenkämpfen. Die französischen Nonnen haben sich eingeschifft; andere Ausländer sind noch auf dem Lande. Am 24. Mai erließ Aguinaldo drei Aufrufe. In der ersten Proclamation rechtfertigt er seine frühere Unterwerfung und den neuen Aufstand. Er habe, heißt es darin, sichergeben, weil er geglaubt habe, es sei besser so für das Land, als wenn er den Kamps mit ärmlichen Mitteln fartsetze. Da nun aber in den verflossenen fünf Monaten keine der von den Spaniern versprochenen Reformen verwirklicht wurde und die Spanier auch gar nicht in der Lage seien, Reformen durchzusühren, da sie in der Gewalt der Mönche sich befänden, die sich jedem Fortschritte hartnäckig und beständig widersetzten, und da die großen und mächtigen Vereinigten Staaten den Eingeborenen zu Hilfe kämen und ibnen ihren uneigennützigen Schutz gewährten, damit sie ibre Freiheit gewinnen können, sei er zurückgekehrt und wieder an die Spitze seines Heeres getreten. Er schlage vor, eine Dictatur zu errichten mit einem Berathungskörper, bis zur vollständigen Befreiung der Znseln. Dann könnte eine verfassunggebende republikanische Volksvertretung sich ver sammeln, und, wenn ein Präsident und ein Ministerrath gewählt wäre, würde er seinen Oberbesehl nicderlegen. Zn der zweiten Proclamation verbietet Aguinaldo alle Ver suche zu Friedens-Verhandlungen zwischen den Spaniern und den Eingeborenen, da sie doch nichts nützen würden. Jeder Spanier, der ohne bestimmten Ausweis solche Verhandlungen zu eröffnen versuche, würde als Spion er schossen; ein Philippiner aber, der einen solche» Auftrag an nehme, werde als Berrätber betrachtet, er werde gehenkt mit einem Placate auf der Brust, das die Worte trage: „Vcr- rälher seines Vaterlandes". Die dritte Proclamation ist an die Philippiner gerichtet und lautet wie folgt: „Philippiner! Tie große amerikanische Nation, welche die wahre Freiheit liebt und darum wünscht, daß unser Land frei werde von der despotischen Tyrannei, der seine Herrscher es unterworfen haben, leibt uns ihren entschlossenen und uneigennützigen Schutz, da sie unS für genügend fähig und cultivirt hält, dieses bisher so unglückliche Land selbst zu regieren. Zn der Absicht, diese Hobe Meinung der mit Neckt gepriesenen amerikanischen Nation zu rechtfertigen, müssen wir alle verbrecherischen Thaten wie Raub, Plün derung und Gewalttbat gegen Personen oder Eigenthum ver abscheuen. Um internationale Verwicklungen während unseres Feldzuges zu vermeiden, verordne ich wie folgt: 1 > Daß Leben und Eigenthum aller Fremden geachtet wird, einschließlich der Chinesen und jener Spanier, die weder direct noch indirect die Waffen gegen uns geführt haben; 2) daß Leben und Eigentbum unserer Feinde ebenfalls geachtet werden, wenn sie die Waffen niedergelegt haben; 3) daß alle Spitäler und Ambulanzen, desgleichen deren Personal und Ausrüstung ebenso wie daS Sanitätscorps, wenn es sich nicht feindselig zeigt, geachtet werden; 4) daß Diejenigen, welche die vorstehenden drei Artikel verletzen, in summarischem Ver fahren kriegsgerichtlich behandelt und erschossen werden, wenn ihr Zuwiderbandeln die Veranlassung von Mord, Brand, Raub oder Gewalttbat gewesen ist." Diese letztere Proclamation zeigt, daß Aguinaldo eine möglichst humane Kriegführung anzuwenden sucht. Ob er seinen Grundsätzen bei der Wildheit der nur halb civilisirten Eingeborenen auch vollständig Geltung verschaffen kann, ist freilich eine andere Frage. Die Amerikaner zweifeln wohl nicht an seinem guten Willen, aber einstweilen an seiner Macht, sonst hätten sic nicht den Aufständischen den Eintritt in Manila verboten. Gegenwärtig ist die Lage auf den Philippinen die, daß der ganze Archipel im Aufstande ist. Namentlich auf der Hauptinsel Luzon mit der Hauptstadt Manila siebt es sehr bedenklich aus. Zur See von den amerikanischen Kriegsschiffen, zu Lande von den Aufständischen eingescklossen, die bis auf geringe Entfernung an Manila herangerückt sind und die Zufuhr von Lebensmitteln abgeschnitten haben, wird die Stadt Wohl bald, wahrscheinlich nach einem ebenso heftigen wie nutzlosen Kampfe, in die Gewalt des einen Feindes fallen. Man weiß freilich nicht, wie weit die Auf ständischen, denen die Unabhängigkeit und die Selbstverwaltung vorschwebt, mit dem amerikanischen Geschwader zusammen zuwirken bereit sind, da letzteres den Ereignissen der letzten Ferrillrtoir. Lauernblut. L) Roman in drei Büchern. Bon Gerhard von Amyntor. (Dagobert von Gerhardt.) Nachdruck verbot«,. Der Fremde wandte sich jetzt an Herrn Lampert, und auf ein Stehpult hinter dem Ladentische deutend, das mit Tinte, Papier und Federn versehen war, fragte er kurz: „Sie gestatten doch?" „Ich bitte gehorsamst, Herr Baron", versetzte der Juwelier; er hatte durch die Worte des Dieners erfahren, daß der Fremde ein Baron war, und gab ihm nun auch seinerseits diese Anrede; es steht Alles zu ihren Diensten, Herr Baron." Der Fremde begab sich an das Pult, legte mit der Linken einen Briefbogen zurecht, lachte dann aber verdrießlich auf und kehrte sich wieder nach Herrn Lampert um. „Ich vergaß ganz, daß es mir unmöglich ist, mit der Linken zu schreiben; ich habe mir neulich drei Finger der Rechten an einer meiner Dresch maschinen verletzt. Doch dem ist leicht abzuhelfen — gewiß haben Sie die Güte, nach meinem Dictat ein paar Worte zu schreiben?" „Mit dem größten Bergnügen, Herr Baron; bitte, ganz über mich zu verfügen." Schon stand Herr Lampert am Pult, tauchte die Feder ein und wartete auf Das, was er niederschreiben sollte. „Liebe Frau", begann der Baron zu dictiren, „übergieb dem Ueberbringer dieses sofort 3500 Mark von dem Gelde, das Du für mich verwahrst; ich kann zufällig sehr schöne Perlen kaufen. Besten Gruß von Deinem Wilhelm." — „So, haben Sie es?" — „Schön, daS genügt vollkommen." Der Baron nahm den Zettel, den Lampert geschrieben und mit einem Löschblatt getrocknet hatte, durchflog seinen Inhalt, faltete ihn zusammen und gab ihn dem Diener. Hier. Aber schnell, daß ich nicht zu lange warten muh!" Der Diener entfernte sich mit eiligen Schritten. Sein Herr hatte dir schwere goldene Taschenuhr gezogen, um sich die Zeit d«S Abganges des Boten zu merken; jetzt langte er eine kostbare Schildpatttasche hervor, entnahm ihr eine Cigarette und fragte höflich: „Sie gestatten, daß ich rauche?" „Bitte sehr, Herr Baron; hier ist Feuer und hier rin Aschen becher." Während dieser Vorganges im Laden saß Friedrich Just im Contor und suchte in dem umfangreichen Wohnungsanzeiger die Namen der beiden Brüder Dechner. Aber während er las und das endlich Gefundene in sein Notizbuch eintrug, hörte er un willkürlich mit seinem scharfen Ohre die Unterhaltung der beiden im Laden befindlichen Herren. Plötzlich hielt er im Schreiben inne, wandte sein Antlitz der Glasthür zu und lauschte gespannt auf jede Silbe, die nebenan gewechselt wurde. Er legte die Feder auf das mit grünem Tuch überzogene Pult, stand geräuschlos auf, schlich an die Thür und lugte durch die Scheibe derselben nach dem Fremden. Da es im Contor ziemlich dunkel war, so konnte man den Späher aus dem vom Sonnenlicht erhellten Laden durch die überdies theilweise matt geschliffene Scheibe unmöglich sehen. Mit vorgestrecktem Kopfe und angehaltenem Athem, die Augen starr auf den Fremden gerichtet, stand er und überlegte, wo er diese Gestalt schon einmal gesehen, diese Stimme schon einmal gehört hatte. Eben war der Diener des Barons mit dem Zettel aus dem Laden geeilt, als über Friedrich Just's Antlitz ein Ausdruck flog, den man als Schreck, aber auch als freudige Genugthuung über das endlich in der Erinnerung Aufgetauchte hätte deuten können. Ohne sich erst lange zu besinnen, eilte der entschlossene Mann auf den Zehenspitzen zu der zweiten Thür des Contors, die unmittelbar nach dem Flur führte, öffnete sie geräuschlos und verschwand unbemerkt durch dieselbe. Auf der Straße sah er n»ch den Diener, der vorläufig keine Droschke gefunden hatte und zu Fuß die Richtung nach der Hornstraße einschlug. Bor dem Nachbarhause des Juweliers rollte in diesem Augenblick eine Droschke erster Clasie vor, aus der eine Dame ausstieg, die den Kutscher entlohnte. Friedrich Just stürzte auf den frei gewordenen Wagen zu und sagte zum Führer desselben: „Wenn Sie mich so schnell wie möglich nach der Hornstraße 200 fahren, erhalten Sie einen Thaler Trinkgeld." Der Kutscher schmunzelte. „Das wollen wir schon machen. Man schnell 'rin, mein Herr!" Nach zehn Minuten hielt das verschnaufende Pferd vor dem bezeichneten Hause und Friedrich Just flog, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppen bis zum zweiten Stockwerk empor. „Wilhelm Lampert" stand auf dem blanken Messingschild neben dem Knopf der elektrischen Klingel eingravirt. Gott sei Dank! Er hatte da- Ziel richtig gefunden und war dem Diener mit dem Zettel hoffentlich zuvorgekommen. Er drückte auf den Knopf und sagte zu dem Mädchen, dar die Corridor- thür geöffnet hatte: »Ist Frau Lampert allein? Sehr gut! Dann melden Sie ihr, daß ein Abgesandter ihre« Mannes sie in einer dringenden Sache zu sprechen hat." Die würdige Dame, die bald darauf den ungestümen Besucher in ihrem geschmackvoll eingerichteten Salon empfing, war von kleiner, zur Fettleibigkeit hinneigender Gestalt. Aus ihrem glatten, vollen und blühenden Angesicht funkelten zwei lebhafte freundliche Augen den Kämmling erwartungsvoll an; doch ehe sie noch fragen konnte, um was es sich handle und was ihr „lieber Mann" denn von ihr wolle, stieß Just, noch halb athemlos, hervor: „Sie haben noch keinen Zettel von Herrn Lampert erhalten?" „Nein, mein Herr, es ist Niemand hier gewesen." „Das freut mich, Frau Lampert; so bin ich gerade noch zu rechter Zeit gekommen." „Mein Gott! Sie erschrecken mich. Was ist denn vor gefallen? Doch kein Unglück?" „Beruhigen Sie sich, verehrte Frau; Ihr Herr Gemahl ist frisch und munter. Aber vielleicht bin ich in der Lage, ihn vor einem empfindlichen Verluste zu bewahren — das heißt, ich kann mich auch irren und meine Combination kann falsch sein. Wenn ich mich aber nicht irre, dann dürfte hier sehr bald ein Diener mit einem schriftlichen Auftrage Ihres Gatten erscheinen, um eine größere Geldsumme von Ihnen abzuholen. Hören Sie? Da klingelt es schon! Das wird er sein! Geben Sie dem Boten keinen Pfennig; ich warne Sie! Es handelt sich um einen raffinirten Betrug. Ich werde Ihnen nachher Alles auseinander setzen." „Ein Diener möchte Sie gern sprechen, Frau Lampert", meldete das jetzt eintretende Dienstmädchen. „Was soll ich ihm denn aber sagen?" flüsterte die Gold schmiedsfrau dem Warner zu. „Suchen Sie ihn hinzuhalten! Ich werde inzwischen über die Hintertreppe zur Polizei gehen . . ." „Um Gottes Willen! Verlassen Sie mich jetzt nicht! Ich mag mit dem schrecklichen Menschen nicht allein bleiben", erklärte die an allen Gliedern Bebende, indem sie Friedrich Just ängstlich am Arme festhielt. „Wie Sie wünschen", flüsterte Just zurück; „ich bleibe hier; es ist nur schade, daß der Vogel entwiscken soll. ' „Ich werde ihm sagen, daß ick eben im Begriffe sei, in das Geschäft meines Mannes zu gehen, und daß ich daher das Geld selber überbringen werde", entschied Frau Lampert, der es in diesem kritischen Augenblicke nur darauf ankam, den unheim lichen Boten auf gute Art los zu werden. „Sehr gut; bitte aber, bleiben Sie fest, lassen Sie sich nichl etwa umstimmen." Frau Lampert stand schon in der geöffneten Corridorthür und hielt den Zettel in der Hand, den ihr der Livröebediente übergeben hatte. Sie prüfte die Schrift — kein Zweifel, es war die ihres Mannes. Nachdem sie gelesen hatte, sagte sie ebenso freundlich wie bestimmt: Ich komme gleich selbst in den Laden und werde das Gewünschte mitbringen." „Herr Lampert hat mir aber eingeschärft", wandte der Diener höflich ein, „daß ich nicht ohne das Geld zurückkehren darf; er schien es sehr eilig zu haben; es weilt ein Fremder bei ihm, mit dem er wohl ein Geschäft abschließen will." „Also ist der sogenannte Baron ein Schwindler und Sie sind sein Helfershelfer!" tönte die scharfe, hohe Stimme Friedrich Just's, der hinter Frau Lampert in den dunklen Korridor ge treten und dort für das Auge des draußen stehenden Boten unerkennbar geblieben war. Die Wirkung dieser Worte war die von Just erwartete. Der überraschte Diener prallte einen Sckritt zurück, dann, ohne sich zu besinnen, machte er Kehrt und jagte die Treppe in wildem Laufe hinab, als ob die Hölle hinter ihm ber wäre. „Ha, ha, ha!" lachte ihm Just höhnisch nach; „um ehrliche Leute zu begaunern, müßt Ihr es schlauer anfangen." Man hörte noch die Tritte des unten durch den Hausflur nach der Straße flüchtenden Schwindlers, dann wurde es still im Hause. „Nun lassen Sie uns, verehrte Frau Lampert, wieder hinein gehen", sagte Just, dem die Genugthuung über sein erfolgreiches Dazwischentreten die Wangen tiefer geröthet hatte, „ich muß Ihnen doch noch berichten, wie das alles zusammenhängt." Und er kehrte mit der dicken Dame in deren Empfangszimmer zurück. Im Laden des Herrn Wilhelm Lampert war inzwischen der Herr Baron, seine Cigarette rauchend, unruhig auf und ab gegangen Bon Zeit zu Zeit hatte er nach seiner Uhr gesehen. Als eine bestimmte Frist vergangen war und der Diener sich nock nicht blicken ließ, nahm er seinen Hut zur Hand und sagte zum Juwelier: „Meine Frau ist vielleicht schon ausgegangen und mein Diener wartet nun auf ihre Rückkehr. Es ist doch besser, wenn ich mich persönlich nach dem Gasthofe begebe." „Darf ich aber nicht gleich das Halsband mitsenden, Herr Baron?" fragte der dienstbeflissene Juwelier. „Ich danke Ihnen sehr. Ich komme im Laufe des Tages noch einmal wieder und mache unser kleines Geschäft perfect." „ES wird mir eine Ehre sein, Herr Baron; ich lege die Perlen sofort für Sie zurück." Herr Lampert begleitete den Fremden, der es plötzlich sehr eilig zu haben schien, unter wiederholten Verbeugungen bis zur Ladenthür, deren Klinke er erfaßte, um dem Scheidenden die Mühe des Schliessens zu ersparen. Er sah, wie der vornehme
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