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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.05.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-05-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980524017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898052401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898052401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-05
- Tag1898-05-24
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BezugS.PreiS I» d« Hauptexpedittou oder den km Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus- aavestellen ab geholt: vierteljährlich ^l4.b0, bei zweimaliger täglicher Zustellung inS Haus ,4i 5.bO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestährltch 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandsendung inS Ausland: monatlich ^l 7.bO. Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,7 Uhr. die Abend-AuSgabe Wochentag» um 5 Uhr. Nedaction und Erpe-itton: JohanneSgaffe 8. Die Expeditton ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend» 7 Uhr. Filialen: . Ltt» Klemm's Lortim. (Alfred Hahn), UniversitätSstratze 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7/ Morgen-Ausgabe. E——E—, >———— > chMer Tageblalt Anzeiger. AmlsvLatt -es Königlichen Land- nnd Änüsgerichtes Leipzig, -es Rathes un- Nolizei-Äintes -er Stadt Leipzig. HttizeigeriPrei- Vie 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Neclamrn unter dem RedactionSstrich ^ge spalten) 50>H, vor den Familiennachrichtea (»gespalten) 40 <L- Größere Schriften laut unserem PreiS- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernlatz nach höherem Tarif. 1-xtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Pvslbeförderung 60.—, mit Postbcförderung 70.—. Annahmeschtuß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen- Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. — «o—o— - Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 258. Dienstag den 24. Mai 1898. Uatiouattiberale Partei und Mittelstand. — In der einsehenden Wahlbewegung wird die sogenannte „Mittelstandspolitik" einen so breiten Raum einnehmen, daß es angesichts der vielfachen Angriffe, die in dieser Beziehung gegen die nationalliberale Partei gerichtet werden, nothwendig er scheint, weiten Kreisen die ebenso nutzbringende wie* bereitwillige Mitwirkung der Nationalliberalen an der im Interesse des Mittelstandes unternommenen Gesetzgebung an der Hand acten- mäßigen Materials in die Erinnerung zurückzurufen. Es werden dazu mehrere Artikel nothwendig sein. Wir beginnen heute mit der Gesetzgebung gegen den Wucher. Bis 1867 war nach den Bestimmungen des bürgerlichen und des Strafrechts in den einzelnen Staaten Deutschlands der That- bestand des Wuchers in der Überschreitung eines gesetzlichen Höchstbetrages von Zinsen und sonstiger Bergütung erkannt worden. AlS wirksam, den Wucher zu bekämpfen, hatten sich diese Bestimmungen nirgends erwiesen. Im Jahre 1867 schuf der Norddeutsche Reichstag auch auf diesem Gebiete einheitliches und zeitgemäßes Recht: die Höhe der Zinsen, sowie die Höhe und Art der Vergütung für Darlehen und andere creditirte Forderungen wurde der freien Vereinbarung überlassen. (Gesetz vom 14. November 1867.) Die Rechte widerstrebte damals dieser vom damaligen Bundeskanzler Grafen Bismarck in der Plenarberathung vom 10. October 1867 be fürworteten Neu-Ordnung, weil sie die Z i n s t a x e nicht preis geben wollte, stimmte aber, ebenso wie die Ultramontanen, dafür, so daß die Annahme mit „einer an Einstimmigkeit grenzenden Majorität" erfolgte, wie es im stenographischen Berichte heißt. Hatte nun diese Zinstaxe nur für nützliche Unternehmungen hinderlich gewirkt, ohne den Wucher thatsächlich zu treffen, so führte jetzt die Vertragsfreiheit zu mancherlei Mißbrauch. Die Klagen darüber häuften sich namentlich gegen Ende der siebenziger Jahre. Das Verlangen der rechten Seite, die Zinstaxe wieder ein zuführen und auch die Wechselfreiheit einzuschränken, wurde von der Regierung als unpraktisch abgewiesen. Wohl aber wurde im Winter 1879/80 versucht, den Begriff des Wuchers im Strafrecht fcstzulegen. Hierüber fand eine Verständigung der Regierung mit den Nationalliberalen und den konservativen statt, und der Reichstag beschloß nahezu ein stimmig das Gesetz vom 24. Mai 1880, welches den Thatbestand des Wuchers in der eigennützigen Ausbeutung fremden Leicht sinns oder Nothstandes erkennt. Die Strafe dafür lautete auf Gefängniß bis zu 6 Monaten und zugleich Geldstrafe bis zu 3000 <?/(. Daran war die civilrechtliche Folge geknüpft, daß die gegen das Gesetz verstoßenden Verträge ungiltig und die wucherlichen Vermögensvortheile zurückzugewähren sein sollten. Das Gesetz wurde gegen die Stimmen des Fortschritts und der Socialdemokratie beschlossen. Nun sprach aber das Gesetz von 1880 nur von Darlehen und Geldforderungen, richtete sich also nur gegen den Creditwucher, ohne einen Weg zu be zeichnen, wie den sonstigen Formen wucherischer Ausbeutung ent- gegenzutretcn wäre. Und gerade letztere hatten sich namentlich in den Kreisen der ländlichen Bevölkerung in einer Weise ent wickelt, daß hiergegen einzuschreiten ein dringliches Gebot für die gesetzgeberischen Gewalten war. Auf Anregung des Rechts schutzvereins gegen den Wucher im Saargebiet und auf Grund der Verhandlungen des Reichstages vom 8. März 1888, bei denen Abg. von Cuny Namens der National liberalen Partei eine sorgfältige Berücksichtigung der Vorschläge des Vereins gegen den Wucher im Saargebiet empfahl, ließ der Bundesrath eine Novelle zum Wuchergesetz ausarbeiten, die unterm 23. December 1892 dem Reichstage zu ging und von demselben am 28. April 1893 mit allen gegen die Stimmen der Freisinnigen, der Demokraten und der Social demokraten angenommen wurde. Das Gesetz trifft, indem es jedes zweiseitige Rechtsgeschäft erfaßt, welches denselben wirthschaft- lichen Zwecken dient wie der Creditwucher, auch die sogenannten Zweckges chäfte. Es wird jetzt kein Wucherer mehr durch die Maschen des Gesetzes schlüpfen, der, um seinem Schuldner zu Geld zu verhelfen, ihm um einen Spottpreis eine Forderung abkauft, die dieser an einen Dritten geltend zu machen hat. Das Gesetz trifft ferner den Sach- und Waaren w u cher, den im Einzelfalle festzustellen dem Strafrichter anheimgegeben bleibt. Es schreibt ferner unter Ausschluß gewisser öffentlicher Banken und des Geschäftsverkehrs zwischen Kaufleuten, deren Firmen in das Handelsregister eingetragen sind, für alle die jenigen, welche aus dem Betriebe von Geld- und Kreditgeschäften ein Gewerbe machen, vor, dem Creditnehmer binnen drei Mo naten nach Jahresschluss einen Rechnungsauszug mit- zutheilen. Unerfüllt liess das Gesetz das Verlangen nach einer Beschränkung des gewerbsmässigen Handels mit ländlichen Grund st ücken überhaupt und weiterhin das Verlangen, dem Wucher auch auf gewerbepolizei lichem Gebiete entgegenzutreten, d. h. die obrigkeit liche Erlaubnih als Erforderniss zum Gewerbebetrieb für diejenigen Personen festzusetzen, die im Kreise der ländlichen und kleinbürgerlichen Bevölkerung Geld- und Kreditgeschäfte machen wollen. Namens der National liberalen Partei sprach der Abg. Schneider-Hamm die Bereit willigkeit aus, dieses Gesetz mit zu beschließen. Er gab dem Freisinn zu, dass nach wie vor die Vereine (besonders Credit- vereine) und die aufklärende Belehrung des Volkes dem Uebel entgegenwirken müßten. Aber man müsse das Eine thun und das Andere nicht lassen, und offenbaren Schäden gegenüber fest zufassen, gleichviel, ob damit für diesen oder jenen Erwerbszweig Unbequemlichkeiten verbunden wären. In diesem Sinne hat die nationalliberale Partei an der Aus gestaltung des Gesetzes mitgewirkt und ihm ihre Zustimmung ertheilt. Sie hat sich dabei pflichtmäßig nicht nur in den Dienst der Allgemeinheit, sondern ganz insbesondere auch des Mittelstandes gestellt. Zur Wahlbewegung im 9. Neichstagsmahlkreise. Freiberg, 22. Mai. Auch in unserem Kreise ist die Wahl bewegung nunmehr in Fluß gekommen, nachdem zunächst am lO. d. M. ein von der Oertel'schen Partei eingesetztes Wahlcomit« — an der Spitze desselben steht ein Herr In genieur Fuchs, von sonstigen bekannten Namen findet sich unter den Mitgliedern etwa noch der des Herrn Oberdirectors Fischer — mit einem Wahlaufruf an die Oeffcntlichkeit getreten ist. Am Abend des vorigen Freitags bat sodann Herr Or. Oertel selbst vor einer zahlreich besuchten Versammlung den Wählern sich vorgestellt und seinen politischen Standpunct ihnen dar gelegt. Ueber den Inhalt seiner Rede Ihnen zu berichten, unterlasse ich — Sie finden ausführliche Berichte über dieselbe in der hiesigen Presse — nur über den persönlichen Eindruck, den die Rede und daS ganze Auftreten des Redners aus Ihren Berichterstatter gemacht, so viel, daß die Rednergabe unv besonders die Schlagfertigkeit Oertel's, wie sie vor Allem in der Debatte mit den erschienenen Vertretern der social demokratischen Partei zu Tage trat, allerdings eine hervor ragende ist, wie ihm denn auch von Seiten der zahlreich ver tretenen Anhänger seiner Partei der lebhafteste Beifall zu Tbeil ward; ob eS ihm freilich gelungen, auch die seiner Candidatur bisher abgeneigten Kreise der Ordnungsparteien an diesem Abend zu gewinnen und von der Zweckmäßigkeit der Aufstellung seiner Canditatur zu überzeugen, möchten wir bezweifeln. Sehr zu wünschen wäre jedenfalls bei der so nahen Wahl, daß der Erbitterung, mit der mit Recht die ganze Aufstellung Ocrtel'S als Neichstagscandidat in liberalen Kreisen ausgenommen worden ist, nicht immer neuer Stoff noch zugeführt würde. Gern erkennen wir hier an, daß man vielfach auch Conservative nunmehr über diese ganze Candidatur und die damit vom Bunde der Landwirthe ins Werk gesetzte Ueberrumpelung des Wahlkreises ebenso, wie das die Liberalen von Anfang an gethan, sich aussprechen hört; leider nur ist das auch jetzt nicht die Taktik des hiesigen Organs der Oertel'schen Candidatur, des „Freiberger Anzeigers". Wir wollen hier nicht sprechen von dem Abdruck gehässiger Artikel gegen die liberale Partei aus dem „Vaterland" noch in letzter Zeit; nur einen Fall möchten wir erwähnen, um diese ganze Art zu charakterisiren. Es ist ein Artikel, in dem das Blatt zwei hiesige Fabriksirmen beschuldigt, ihre langjährigen Geschäftsverbindungen mit der Druckerei, in welcher der „Anzeiger" hergestellt wird, Knall und Fall abgebrochen zu haben, um so sich an dem „Anzeiger" als dem Vertreter Oertel's zu rächen, und daS, während thatsächlich, wie Sie auS beiliegender Erklärung der einen der Firmen ersehen, der Abbruch dieser Beziehungen zu einer Zeit erfolgt ist, wo der betreffenden Firma von einer Candidatur Oertel überhaupt noch nichts bekannt war. Und wäre der Vorwurf begründet gewesen, so sollte doch am wenigsten der, der selbst in einem Glashause sitzt, mit Steinen Wersen. Oder wäre dem „Anzeiger" der wirklich in unserer Stabt vorgekommene Fall von Bohcott unbekannt, der doch in den weitesten Kreisen in nicht gerade freundlicher Weise besprochen worden ist, über den er aber kein Wort gebracht hat? Wir meinen den Fall gleich beim Beginn der ganzen Wahl agitation. Noch war die liberale Partei nicht an die Oeffent- lichkeit getreten, in einem nicht veröffentlichten Schreiben nur war den Vereinen, die Oertel ausgestellt, der Wunsch ausgesprochen worden, zu weiterer Verhandlung über Auf stellung eines anderen Candidaten ihre Zustimmung zu er klären, und ein angesebencr hiesiger Kaufmann hatte bei diesem Schritte sich mitbctheiligt. Die Folge war, dass un mittelbar darauf mehrere Gutsbesitzer der Umgegend bei demselben erschienen, um ihm zu erklären, daß er ihrer Kundschaft verlustig sei! Aber freilich, der Bohcott ging ja nicht von der liberalen Partei aus! Deutsches Reich. * Leipzig, 23. Mai. Der Deutsche Verband Kauf männischer Vereine hielt in diesen Tagen hier seine Vorstands-Sitzung ab, in welcher der Geschäftsbericht für das Jahr 1897/98 festgestellt und der Verbandstag au^ den 6. und 7. Juni 1898 in Hamburg anberaumt wurde. Der Verband umfaßt zur Zeit 91 Vereine mit 121 218 Mit gliedern, darunter 25 311 Principale, 89 373 Gehilfen, 4718 Lehrlinge und 1810 Nichtkaufleute gegen 116 626 Mit glieder im Vorjahre. Der Geschäftsbericht hebt die lebhaften Bemühungen des Vorsitzenden und des GeneralsccrctairS hervor, die Vorbereitung der Gesetzentwürfe, betreffend die Regelung der Arbeitsverhältnisse im Handclsgcwerbe und die Schaffung von Schiedsgerichten zur Schlichtung von Streitig keiten aus dem kaufmännischen AnstellungSverhältniß, in rascheren Fluß zu bringen. Mit Bezug hierauf enthält der Geschäftsbericht folgende bezeichnende Bemerkungen: „Es waltet kein Zweifel darüber ob, daß die socialpolitischen Reformbestrebungen, welche sich früher auch an den maß gebenden Stellen in der Rcichsverwaltung in sehr erfreulicher Weife bemerlbac machten, wesentlich nachgelassen haben. Durch die seiner Zeit in den Kreisen des Handlungsgehiisenstandes mit großer Freude begrüßten Erhebungen der Reichs-Commiision für Arbeitcr-Statisuk über die Arbeitsverhältnisse im Handelsgewerbe nnd mehr noch durch die Schlußfolgerungen, zu welchen die Commission auf Grund des Ergebnisses der Erhebungen gelangt ist, sind in den Kreisen der Handlungsgehilfen Hoffnungen erweckt worden, welche ohne Schädi gung des harmonischen Verhältnisses zwischen Principal und An gestellten im Handelsgewerbe nicht unerfüllt bleiben dürfen. Die Berechtigung der Forderungen des Handlungsgehilfenstandes, welche wir nicht nur in seinem Interesse, sondern zum Besten des ge- ammten deutschen tzandelsgewerbes ausstellen und vertreten, wird von allen einsichtigen Politikern, was u. A. auch durch einstimmige Beschlüsse des Reichstages bekundet worden ist, durchaus anerkannt." Der Vorstand des Verbandes hat die Regelung der Arbeits verhältnisse im Handelsgewerbe und die Schaffung von Schiedsgerichten zur Schlichtung von Streitigkeiten anö dem kaufmännischen AnstellungSverhältniß erneut aus die Tages ordnung des nächsten VerbandStages gesetzt. Außerdem sollen in Hamburg unter Anderem folgende Fragen berathen werden: „Die praktische Ausbildung der Handlungslchrlinge nnd die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Gesetzgebung", „Versicherung gegen Stellenlosigkeit oder geregelte Unter stützung für Stellenlose?", „Gesonderte Nachweisung der männlichen und weiblichen Handlungsgehilfen bei der nächsten Gewerbezählung", „Die Bestellung kaufmännischer Concurs- verwalter" u. s. w. (-) Berlin, 23. Mas. Die acht neuen Torpedoboote unserer Marine, welche den jüngsten Zuwachs der deutschen Torpedobootflotte bilden, weichen in Form und Construction von den bisherigen Torpedobooten ab. Die wesentlichen Unter schiede der neuen Boote sind ein grösseres Deplacement und eine erhöhte Fahrgeschwindigkeit. Die großen Fortschritte, die auf dem Gebiete des Torpcdobootbaucs namentlich in England ge macht worden sind, veranlaßten die Marineverwaltung, einen Wettbewerb zwischen zwei deutschen Wersten einzuführen. Bis her war bekanntlich die Schichauwerft in Elbing die alleinige Lieferantin. Die letzten, im Jahre 1896 vom Reichstage be willigten acht Torpedoboote wurden nun an zwei Werften ver geben; 6 sollten von der Schichauwerft und 2 von der Germania werft erbaut werden. Die aus dieser Concurrenz hervor gegangenen Boote sind in der That den früheren Bauten ganz bedeutend überlegen. Bei einem Deplacement, das bei voller Ausrüstung 155 Tonnen beträgt, besitzen die neuen Boote eine Fahrgeschwindigkeit von 25 Seemeilen in der Stunde, während bisher 21—23 Seemeilen als höchste Geschwindigkeit galten. Zum Bau der Boote ist ausschließlich deutsches Material verwendet worden. Der Bootskörper besteht aus Nickel- bezw. Specialstahl, einem bei Marinebauten hier zum ersten Mal ver wendeten Material, das dem früher verwendeten Sicmens- Martin-Stahl an Festigkeit und Dehnbarkeit bedeutend über legen und namentlich auch gänzlich rostsicher ist. Die „Ger manica-Boote sind etwas länger als die „Sch!chau"-Voote, sie sind 49 Meter lang, 5 Meter breit und 2,8 Meter tief. Die Armirung ist bei allen Booten gleich; sie besteht aus einer 5-Centimeter-Schnellladekanone und einem 8-Millimeter- Maschinengewehr, sowie aus einem Ueberwasserbugrohr und zwei auf dem Verdeck eingebauten Breitscitrohren für Torpedos. Die „Germania"-Boote haben Wasserrohrkessel nach dem System Schulz, die „Schichau"-Boote Thornycroftkeffel. Neben der Kohlenfeuerung haben alle Boote Einrichtungen für Thceröl- heizung. An Feuerungsmaterial können sie 300 Tonnen Kohlen und 7 Tonnen Theeröl mit sich führen. Die Kosten der Tor pedoboote, einschließlich der Ausgaben für Armirung und Probe fahrten, belaufen sich auf 3 472 000 Im kommenden Monat werden alle acht Boote zum activen Flottendienst herangezogen sein. Sechs derselben sind bereits von der Marineverwaltung übernommen worden. FeuUletsn. Um die Erde. Reisebriefe von Paul Lindenberg. Nachdruck verboten. Das Interessante an Peking. — Fremde Völkerschaften. — Strahenleben. — Die Straßen selb st. — Merkwürdige Besprengung. — Sandsturm. — In den Hauptstraßen. — Hochzeits- undTodtenzüge. — Auf der Mauer. — Die Kaiserstadt. — Rache der Kaiserin- Wit t w e. Peking, 16. März. Es giebt eine interessante Häßlichkeit, bei Menschen und, wie ich es hier so recht kennen gelernt habe, auch bei Städten. Wie abstoßend war der erste Eindruck von Peking, und wie verschwand derselbe durchaus nicht bei einem weiteren Kennen lernen, es ist und bleibt das größte Schmutzloch der ganzen Welt; aber auf wie viel Eigenartiges, noch nie Gesehenes trifft man hier, und in welcher gänzlich fremden Welt befinden wir uns oft, in einer Welt, die ja, weit mehr wie das übrige China, Jahrtausende hindurch nach dem Meere zu und von Allem, was von dorther kam, völlig abgeschlossen war. Desto reger war der Verkehr nach dem Jnnenlande entwickelt, nach den endlosen Gebieten Turkestans, Tibets, der Mongolei und des < heutigen Sibirien, und er ist es, wie man sich auf Schritt und Tritt überzeugen kann, noch immer. Welch interessantes Völkergetriebe findet man hier aller wegen: Mongolen in langen Pelzen, breite Schwerter zur Seite, Kirgisen, in gefütterte Decken vermummt, das Haupt fast völlig unter schweren Pelzkappen verschwindend, Tibetaner, auf den dicken dunklen Gewandungen ausgeblichene Stickereien; zu Pferde, ihre Maulthier- und Kameelskarawanen begleitend, kommen sie nach Peking, bunte Leder- und Wollschabracken liegen auf den Rücken der zottigen Thiere, denen man oft genug die langen, mühseligen Märsche ansieht. Ueberall hört man das dumpfe Klingen der Kameelsglocken und begegnet man den Zügen; sechs, zehn, zwölf Thiere schreiten gleichförmigen Schrittes hintereinander, oft wird auf der Straße oder an einem der die Stadt durchziehenden mannigfachen Canäle und Flußläufe Rast gemacht, und ein malerisches Lagerbild bietet i ich dann dar. Ueberhaupt ist das Fesselndste an ganz Peking das Straßen getriebe. Eigentliche Sehenswürdigkeiten, die in einem chine- ischen Bädeker mit einem Stern bezeichnet sein würden, findet man kaum; die ganz herrlichen, aus dem 17. Jahrhundert stammenden, unter Anleitung der Jesuiten gefertigten astrono mischen Bronze-Instrumente im Observatorium und einige recht verwahrloste Tempel, das ist Alles! So hat man denn genug Zeit zum Umherschlendern auf den Strassen oder besser zum Umherreiten auf einem flinken Eselein, das von einem Escljungen, welcher oft aber schon sich Methusalem's Alter nähert, getrieben wird; uns zur Seite, auch auf einem Grauchen, stets unser Boy, ein von uns aus Tientsin verschriebener, etwas Englisch sprechender chinesischer Diener, da wir — recht bezeichnend für Peking — hier absolut keinen eine fremde Sprache verstehenden Chinesen zur Dienstleistung auftreiben konnten. Immer von Neuem, wenn man seine vier Wände verlässt, fragt man sich: bist Du denn wirklich in Peking, in der chi nesischen Kaiserstadt, denn immer von Neuem kommt es Einem unglaublich vor! Nein, diese Straßen! Sie mögen vor einem halben Jahrtausend ganz manierlich ausgesehen haben, ja, an vielen Stellen bemerkt noch Spuren einer einstigen Wasserleitung, aber wie ewig lange mag es her sein, daß diese im Gange war. Seit Jahrhunderten ist nicht« für diese Straßen gethan worden, wenigstens nicht von der Regierung, desto mehr von der lieben Bevölkerung, die sämmtliche Abfälle — und noch Schlim meres! —, dann Bauschutt, Mörtel und Steine von nieder gebrannten oder niedergerissenen Häusern rc. auf die Gassen wirft. Im Laufe der Zeit ist dadurch häufig der mittlere Theil der Straßen um über einen Meter erhöht worden, und man kann sich vorstellen, wie prächtig eben dieser Damm ist! Was nicht von den Lumpensammlern aufgelesen und von den sich überall wild umhertreibenden Hunden als Nahrung angenommen wird, bleibt liegen, wodurch allmählich In steter Abwechselung Hügel und Thäler entstanden sind; zu Bauzwecken dienende Hölzer, Steine und dergleichen sind oft Monate hin durch vor den Häusern aufgespeichrrt, die Geländer der steinernen Brücken fehlen theilweise oder auch ganz, und da eine Straßen beleuchtung überhaupt nicht existirt, so ist ein abendlicher oder nächtlicher Spaziergang von allerhand lieblichen Ueberraschungen begleitet! Gut, daß e« für die Europäer keine Kneipen giebt, das: „Grad' aus dem Wirthshaus komm' ich heraus, Strasse, wie wunderlich siehst Du mir aus" — könnte für sie recht ge fährlich werden, denn die Papierlaternen, deren sich Jeder be dienen muß, welcher nach Eintritt der Dunkelheit das Haus ver läßt, beleuchten eben nur die nächsten fünf, sechs Schritte! Daß die Chinesen ferner mit größter Ungenirtheit die Straßen dazu benutzen, was bei uns als „schwere Verunreinigung und Verletzung der öffentlichen Sittlichkeit" ganz empfindlich be traft werden würde, erhöht durchaus nicht die Annehmlichkeiten des Zufussgehens! Zumal in den Morgen- und Abendstunden bieten sich allerwege, namentlich aber längs der grossen Mauer, Bilder dar, die einen Hogarth und Teniers zu den größten Meisterwerken begeistert hätten! Glücklicherweise spielen die Hunde und Schweine die Sanitätspolizei! Was sie aber ver schmähen, wird von Kulis gesammelt und im Verein mit dem Inhalt gewisser Tonnen zur — Straßenbesprengung benutzt! Die durch diese zweckmäßige Mischung gewonnene Masse wird aus festgefügten Holzkarren mittels breiter Schippen auf die Strassen geschleudert, und in den heissen Sommermonaten sollen die dadurch entstehenden Düfte geradezu zum Ohnmächtigwerden sein. Daß nach Regengüssen Fuhrwerke und Sänftenträger oft im Schlamin stecken bleiben, dient zur fröhlichen Unterhaltung der lieben Straßenjugend, die dann an besonders gefährdeten Stellen grosse Bambusstangen bereit hält, um für einige kleine Münzen die Karren wieder flott zu machen. Ob diese Moräste bei und nach Regen oder die Sandstürme bei trockenem Wetter schlimmer sind, kann ich bis jetzt nicht entscheiden, da ich vor läufig nur die letzteren kennen gelernt habe. Jedenfalls vermag ich nun, falls einmal nöthig, eine anschauliche Beschreibung eines Samums zu geben! Gestern Vormittag war ich unterwegs, als Peking von diesen Sandstürmen, die den Staub in dichter Menge selbst in die entlegensten und abgesperrtcsten Wohnräume senden, heimgesucht wurde: nicht zehn Schritte weit konnte ich sehen, so dicht waren die grauen Staubwolken, die unS gerade entgegen wehten und die einen binnen wenigen Minuten in einen Neger verwandelten. Häuser nach europäischer Art giebt'S in ganz Peking nicht. Auch die Gesandtschaften sind zum Theil in ehemaligen Tem peln oder in Gebäuden untergebracht, die nach chinesischer Art errichtet sind; hohe Mauern schliessen diese Gesandtschaften und ihre Gärten von der Straße ab. Die chinesischen Häuschen ent halten fast sämmtlich nur Geschosse zur ebenen Erde und kehren, fall» sie nicht mit Laden versehen sind, ihre kahlen, höchstens mit grellen Götzenbildern beklebten Wände der Straße zu. Farbig sehen die wenigen, breit angelegten Hauptverkehrswege aus, in denen man auch auf sehr hohe, buntbemalte hölzerne Thore trifft, dem Andenken berühmter oder tugendhafter Einwohner errichtet; hier reiht sich Laden an Laden, große Schilder und bunte, an langen Stangen befestigte Papierbüschel künden die Verkaufssachen an, die Hauptgeschäfte weisen vorn vielfach neben den schmalen Thllren durchbrochenes, vergoldetes oder buntange- strichcnes Holzgitterwcrk und hohe geschnitzte Pfosten mit aller hand Drachen und anderen Thier-Verzierungen auf, um schon von fern die Aufmerksamkeit zu erregen. Aehnliche Pfähle mit geschmiedeten und vergoldeten Drachen-Ornamenten sind vor den zahlreichen Pfandhäusern errichtet; vor den Theelädcn und den Herbergen, auch vor den Wohnstätten der Mandarinen sieht man Holzblöcke, an denen die Pferde und Esel angebunden werden, gelegentlich fehlt es auch nicht an Krippen für Futter und Wasser. Neben den Kameel- und Maulthicr Karawanen machen Büffel und Schafheerden auf den Straßen Rast, und zuweilen verkündet das jämmerliche Blöken eines Hammels oder furchtbare Ouieken eines Schweines, daß irgendwo „Schlachtfest" stattfindet, natür lich gleichfalls auf der Straße. Einen Gegensatz zu all' dem Schmutz und all' der Verwahr losung bilden die vornehmen, in kostbare Seidengewänder und Pelze gehüllten Chinesen, die jüngeren reiten auf Pferden, die älteren lassen sich in Sänften tragen oder sitzen resp. liegen in den kleinen Karren, fast immer begleitet von berittenen Dienern; die böheren Beamten tragen als Abzeichen ihrer Würde auf der Brust wie auf dem Rücken prächtige viereckige Stickereien, Sol daten und Reiter eröffnen wie beschließen den Zug. Auch manche Frauen sieht man in farbenreichen, auS theurer Seide gefertigten und mit den schönsten Stickereien besäeten Trachten, zumal wenn irgendwo eine Hochzeit stattfindet und sich die Freundinnen der Braut zu dem betreffenden Hause beaebsn oder sich von demselben entfernen. In feierlicher Proressioü wird die Verlobte zur Behausung des Bräutigams geleitet, rothge- kleidete Musikanten eröffnen den Zug, er folgen Diener mit rothen Tafeln, auf denen die Namen der Verlobten, die Tugen den und Aemter ihrer Eltern und Grosseltern verzeichnet stehen, Fahnenträgern schließen sich wieder Musikanten an und dann sieht man auf kleinen Tischen die Geschenke aufgebahrt, dahinter wird in rother Sänfte, von deren andersfarbigem Dache reiche Seidenquasten herniednbaumeln, die Braut getragen, Reiter in Scharlachröcken bilden den Schluß.
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