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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.06.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-06-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980604025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898060402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898060402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-06
- Tag1898-06-04
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Die Morgen-Au»gabe erscheint um '/,? Uhr. die Abend-Au-gabe Wochentage um b Uhr. Redactto« vnd Lrpeditio«; JohanneSgafse 8, DieExvehltson ist Wochentag» ununterbrochen' geöffnet von früh S bi» Abend- 7 Uhr. Filiale«: Vtt» lkltmut's -orttm. (Alfred Hahn). Uuiversität-straße 3 (Paulinum), Loni» Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und KöaigSplotz 7. Bezugs-Preis Id der Hauptexprdition oder den im Stadt« beetrk und den Bororten errichteten Au»- aabestrllen abgeholt: vierteljährlich >S 4.50, bet ^vetmaltaer täglicher Zustellung in« Hau» K.KO. Durch dt« Posl bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierleljäbrlich S.—. Directe tägliche Kreuzbandsendung in» Ausland: monatlich 7.Ü0. Abend-Ausgabe. MiWM TagMalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes nnd Natizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile LV Pfg. Reklamen unter dem Nedartion»strich (4go- ivalten) ÜO-K, vor de» FamtÜrnnachrichten lSgrlpaitn.) 40-4- Größere Schriften laut unserem Preis- vkrzcichniß. Tabellarischer und Ztffernsotz nach höherem Tarif. Extra-Veild-e« t-sfal»t), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postdesörderung 60.—, mit Postbefördrrung ^l 70.—. Annahmeschluß fnr Anzei-e«: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je eia« halbe Stunde frtger. Anreißen find stet« an die Gxpedttian zu richte«. Druck und Verlag von E. Volz in Leipzig. 278. Sonnabend den 4. Juni 1898. 92. Jahrgang. Der spanisch-amerikanische Krieg. —k Ein neuer Erfolg der Spaniers Die Nachrichten haben Recht behalten, welche von einem neuen Angriff Schley's auf Santiago de Cuba berichteten. Zwar bat derselbe nicht, wie es erst hieß, bereits am Donnerstag, sondern erst gestern stattgefunden. Er ist den Amerikanern noch schlechter bekommen als der Borstoß vom Dienstag. UnS wird darüber berichtet: * New vork, 4. Juut. (Telegramm.) Rach einer «der Haiti eingetrosfene« Meldung bombardtrte die amerikanische Flotte gestern Santiago de Cuba von S—4»/, Ubr früh. Der Hilfskreuzer „Mcrrimac" ver suchte den Hafenetngang zu foreircn. Die Spanier Netzen den „Mcrrimac" über die erste Torpedolinie hinausfahreu nnd schossen den Torpedo erst ab, als der „Mcrrimac" 500 Fuß weit in den inneren Hafen hinetngrlangt war. Ter Torpedo zer- ritz da» Vorderthetl des Kreuzers, welcher sofort sank; nur Schornstein und Mastspitzen rage» über die Wasserfläche hervor. Santiago ist begeistert. Die Nachricht ist zu detaillirt, als daß sie erfunden sein könnte und ohnehin ist sie amerikanischer Provenienz, also eher noch zu Gunsten Schley's und seiner Taktik abgeschwächt. Ob die amerikanische Flotte nach dem Verlust des „Merrimac" ihren ForcirungSversuch fortgesetzt hat, wird nicht berichtet, wahrscheinlich ist es nicht. Mag auch der tbatsächliche Erfolg der Spanier kein nennenswerther und der Verlust der Amerikaner kein besonders großer sein, so hat doch ihr in der letzten Zeit ins Wanken gekommenes Prestige dadurch, daß sie sich zweimal bei Santiago blutige Köpfe geholt, einen bedenk lichen Stoß erhalten. Man hätte eS überhaupt nicht für denkbar halten sollen, daß Schley oder Sampson — wahrscheinlich comniandirt der Erstere noch vor Santiago — nach dem Mißerfolg am DienStag sich schon am Freitag noch einmal vorwagen würde, denn er fand dort kein Manila. So wird uns folgendes ge meldet: * Loudon, 3. Juni. Der Corrcspondent des „Neuter'schen Bureaus" an Bord deS Admiralsschiffes „Brooklyn" bei Santiago telegraphirte, daS Ergebniß des „Aufklärungsgefechtes" am Dienstag sei gewesen, daß Santiago geschickt und stark befestigt sei, daß großkalibrige Geschütze, augenscheinlich englische oder französische, in den Forts ausgestellt seien und daß man rauchloses Pulver anwende. Ein sehr starkes Bombardement werde nöthig sein, um die Batterien zu zerstören und die spanische Flotte zu vertreiben. Nach dieser Meldung mußte man schließen, daß, wenn überhaupt der Angriff auf Santiago wiederholt werden sollte, dies mit bedeutend verstärkten Kräften geschehen würde. Bis gestern aber konnte aus Key West Reserve kaum eiugetroffen sein. Dann wurde berichtet, Schley wolle, ehe er das Bom bardement erneuerte, den Dynamitkreuzer „VesuviuS" nach Santiago schicken, wo das Schiff die Minen im Hafen eingang zerstören sollte, und außerdem war in Madrid ein Telegramm CerveraS vom 3. Juni eingetrvfsen, in welchem keine Andeutung in Bezug auf neue kriegerische Vorgänge enthalten war. So kommt die Nachricht von dem zweiten Versuch Schley's, in den Hafen von Santiago einzudringen, eigentlich überraschend. Von Washington wird fortgesetzt verbreitet, Commodore Schley habe nach einem dort ringelangten Briefe mit dem Bombar dement Santiagos am Dienstag keinen anderen Zweck verfolgt, als die Stellung der spanischen Batterien genau zu bestimmen; daS Ergebniß sei ein völlig zufriedenstellendes gewesen, kein amerikanisches Schiff sei getroffen und kein Mann sei ver letzt worden. Besondere Glaubwürdigkeit messen wir dieser Darstellung nicht bei. Es hat sich offenbar beidemal um die Absicht gehandelt, in den Hafen von Santiago einzudringen. Das von Cervera nach Madrid gesandte Telegramm, in welchem er der Negierung für die ihm gesandten Glück wünsche seinen Dank ausspricht, kommt aus Santiago. Cervera muß also noch dort sein, und auch Schley berichtet nach Washington, es sei kein Grund vorhanden, an der An wesenheit Cervera's und seines Geschwaders zu zweifeln. Trotz dem erhält sich auch in Madrid das Gerücht, der Admiral sei gar nicht in Santiago, sondern auf dem Wege nach den Philippinen, während ein anderer Flottenführer mit völlig werthlosen Schiffen nach Santiago gegangen sei, um die amerikanische Flotte dort sestzuhalten. Man darf die abenteuerliche Combination, als ein Product der Unsicherheit des gejammten Nachrichtendienstes vom Kriegsschauplätze und der dadurch hervorgerufenen Verwirrung, wohl auf sich beruhen lassen. Ausfallen muß immerhin, daß Cervera in seinem vom 3. Juni nach Madrid geschickten Telegramm nichts von dem Untergange des „Mcrrimac" erwähnt. Ist er in Santiago, so hatte er ohne allen Zweifel Kenutniß von dem Ereigniß. Am 16. Juni wird ein zweiter amerikanischer Truppen transport von San Francisco aus nach den Philippinen ab geben; ob spanischerseits das neugebildete Geschwader, welches gestern Cadiz verlassen haben soll, dorthin oder nach Cuba fährt, ist völlig ungewiß, doch ist nach einer Mittheilung des spanischen Kriegsministers in der Deputirtenkammer sicher, Laß eine Expedition nach den Philippinen vorbereitet wird. Die Debatte über Reformen für die Philippinen ist in der Deputirtenkammer auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Man scheint sich also in diesen Kreisen nicht allzu großer Besorgniß wegen der dortigen Jnsurgenteu hinzugeben, von denen man weiß, daß sie den Amerikanern nichts weniger als freundschaftlich gesinnt sind. Die Berliner Contore der deutschen Handelshäuser auf den Philippinen waren seit dem Eintreffen de» amerikanischen Geschwaders vor Manila ganz ohne Ver bindung mit ihren dortigen Geschäften. In diesen Tagen sind zum ersten Mal wieder Meldungen von dort über Hongkong eingetroffen. Aus ihnen bekommt man ein ganz anderes Bild von den Zuständen auf Luzon, als nach den Mit tbeilungen auS amerikanischer Quelle. An erster Stelle wird be richtet, daß in Manila von einem Aufstande überhaupt nichts zu bemerken sei und Lebensmittel auS dem Innern reichlich zufließen. Tie Amerikaner könnten daher mit ihrem Geschwader Jahre lang dort bleiben, die Bevölkerung von Manila werde es kaum empfinden. Die Eingeborenen leben fast nur von Reis und die spanischen Soldaten erhalten auch nicht viel mehr, nur die dortigen Fremden beanspruchen vielerlei andere Nahrungsmittel, deren Zufuhr jetzt ganz abgeschnitten ist. Ueberhaupt ist Handel und Industrie vollkommen lahm gelegt. Das Gesammtergebniß ist, daß die Blockade für vie Spanier gar nichts bedeutet, aber die Fremden im höchsten Grade schädigt. Die dort ansässigen Europäer weisen darauf hin, daß eS jetzt angebracht wäre, wenn die betreffenden Mächte zum Schutze ihrer Angehörigen und deren Interessen einschritten. Nach amerikanischen Mel dungen sind von San Francisco 2500 Mann nach den Philippinen abgegangrn; in Manila ist man der Ueber- Das Studium der von un» in einer Fußnote ru dem Leitartikel des gestrigen Morgenblattes („Ist die Social demokratie eine Arbeiterpartei?") empfohlenen Broschüre des Werftarbeiters Theodor Lorentzen „Arbeiterpartei oder Revolutionspartei" wird auch von den „Hamb. Nach richten" auf daS Dringendste Allen anS Herz gelegt, die etwa noch im Zweifel darüber sein sollten, was in jedem von der Socialvemokratie bedrohten Wahlkreise die erste Pflicht jedes Gegners eine» gewaltsamen Umstürze- ist. „Lorentzen", so führt das „BiSmarck-Blatt" aus, „ist noch heute Arbeiter auf der kaiserlichen Werft und kennt die materiellen und geistigen Verhältnisse der Arbeiter schaft aus eigener langjähriger Erfahrung. Er hat die von den socialistischen Führern angepriesenen Heilmittel gegen die „Ausbeutung" der Arbeiter auf ihre Wirksamkeit hin untersucht, die Ziele, welche die Umsturzpartei verfolgt, ins Auge gefaßt und endlich auch die Lehren und Reden der Führer mit deren Thaten verglichen. Da» Ergebniß ist für die Socialdemokratie und ihre Führerschaft vernichtend. Na türlich hat dieser „abtrünnige" Arbeiter den ganzen Zorn der „Genoffen" auf sich geladen; die socialistische Presse ver dächtigt und verleumdet ihn, seine Kameraden haben sich nicht gescheut, ihn und seine Frau auf der Straße zu ver folgen, zu beschimpfen und zu bedrohen, zum warnenden Exempel, wie eS im socialistischen Zukunftsstaate mit der Gedankenfreiheit aussehen wird." Besonder- heben die „Hamb. Nachr." hervor, was Lorentzen über die socialdemokra tischen Gewerkschaften sagt: „Anstatt den eigentlichen Gedanken gegenseitiger Unterstützung und Hilfe bei Krankheit, Arbeitslosigkeit, UnglückSfällen zu verwirk- lichen, werden die socialistischen Gewerkschaften nur al« Organi sationen der Unzufriedenheit ausgebildet. Versuch«, die Unterstützungsetnrichtungen in den Vordergrund zu stellen, werden als „Sassensimpelei" im Keim« unterdrückt; so kommt es, daß die Gewerkschaften circa eine halbe Million jährlich für Verwaltungs zwecke, also für die führenden GrschüftSsociallsten, au«g»ben; das Uebrige geht zuin größten Theil für politische Agitation, für vielfach aussichtslose Lohnkämpfe drauf. Nur zu einem sehr geringen Theile zeugung, daß es diesen Leuten in jeder Hinsicht schlecht gehen wird. Zur Abwechselung taucht wieder das Gerücht auf, die Friedenstaube schwebe bereits über den Kämpfenden. Aus diesem Gerückte auf eine Ermattung Spaniens sckließen zu wollen, wäre verfrüht. In der gestrigen Sitzung der Madrider Deputirtenkammer antwortete, wie uns berichtet wird, der Colonialminister, er glaube, die von einem Blatte dem spanischen Botschafter in London zugeschriebene Erklärung, dieser hoffe, daß der Friede nahe bevorstehe, sei unrichtig. Der Minister fügte hinzu, die Re gierung sei entschlossen, vollständige Reserve zu beobachten. Nach einer andern Version soll der Colonialminister erklärt haben, er würde einen ehrenvollen Frieden nicht zurückweisen, aber Spanien werde einen solchen nur auf der Grundlage des ststus quo acceptiren. Nach den Mißerfolgen der Ame rikaner bei Santiago wird die Stimmung in Madrid keine friedliche werden. Welse, so ist dem Arbeiter viel Verbitterung erspart, die ihn la die Hände der Locialdemokratie treibt. Dean der Arbeitsvertrag ist einmal heute kein freier Vertrag. Der Arbeiter ohne Arbeit ist viel zu sehr geneigt, ohne lange Prüfung jede drückende Bedingung rin- zngehen, wird dann aber durch diese außerordentlich verbittert." Dieser Ausführung ist entgegenzuhalten, daß geradezu die Kerntruppen der Socialdemokratie Gewerkvereine bilden, die zu einer sie in die Hände der Socialdemokratie treibenden Verbitterung den allergeringsten Anlaß haben. Wir denken dabei z. B. an die Berliner Maurer und an die Berliner Brauereiarbeiter, bei denen von einer Ver ¬ bitterung im Sinne der Ausführung Stieda'S doch wahrlich nicht die Rede sein kann. Mit wem aber haben im Jahre 1895 die Vertreter der Berliner „Ring ¬ brauereien", als die Brauerei-Arbeiter den Kampf gegen sie begonnen hatten, verhandelt und Frieden geschloffen? Mit Herrn Singer! Und war eS in Hamburg beim Hafen arbeiterstreik anders? Darum bleibt eS dabei: die gesetzliche Anerkennung der Berufsvereine würde das Rüstzeug der socialdemokratischen Partei erheblich verbessern. Soll der Staat hierzu die Hand bieten? Die Frage stellen heißt sie verneinen. politische Tagesschau. * Leipzig, 4. Juni. Der in Berlin tagende neunte evangelisch-sociale Congretz bat sich nach einem Referat des Herrn Prof. vr. Stieda aus Leipzig dafür ausgesprochen, daß die Gewerkvereine gesetzlich anerkannt werden. Herr Professor Stieda gelangte zu seiner Forderung durch die Feststellung, die Arbeiterausschüsse hätten gar keine Fortschritte gemacht, bei den Unternehmern bestehe Abneigung, bei den Arbeitern Gleichgiltigkeit gegen sie; die Bemühungen der Gewerbe- Aufsichtsbeamten, Neuzründungen von Arbeite raus- schlissen zu veranlassen, seien erfolglos, es sei merk würdig, wie mißtrauisch die Arbeiter trotz aller Gegen erklärungen den Ausschüssen geaenüberständen; sie sähen sie manchmal beinahe wie eine Falle an. — Der Haupt grund, der unseres Erachtens in sehr vielen Fällen die Hal tung der Arbeiter gegenüber den Ausschüssen bestimmt, ist zrrglcich der Hauptgrund gegen die gesetzliche Anerkennung der Berufsvereine: wir meinen die Bevormundung der Arbeiter durch die Socialvemokratie. Hielte die socialdemokratische Partei nicht so eifrig darauf, daß ihre Organisationen, ihre Leute bei jeder Gelegenheit zwischen die Unternehmer und die von ibnen beschäftigten Arbeiter treten, so würden auch Wohl die Arbeiterausschüsse bessere Fortschritte gemacht haben. Doch als ein Organ, das zur friedlichen Auseinandersetzung mit dem Unternehmer geeignet und berufen ist, besitzen die Arbeiterausschüsse nicht die Sympathien der socialdemokratischen Partei, die unter dem Banner des ClasienkampfeS ficht. Werkzeuge in diesem Kampfe sind für die Socialdemoklatie aber die Gewerkvereine; und deshalb ist die Abneigung der Negierung, Organisationen, die in ihren politischen Zielen und in ihrer obersten Leitung der Staats gewalt den Krieg erklärt haben, auf dem Gebiete des öffent lichen Rechts Zugeständnisse zu machen, durchaus begreiflich. Professor Stieda findet zwar, die Furcht, daß die rechtlich anerkannten Gewerkvereine erst recht zu Werkzeugen der Socialvemokratie werden könnten, sei „eigentlich hinfällig", und begründet Liese Aussicht folgendermaßen: „Der Zweck der Arbeitervereine würde doch die gemeinsame Regelung dec Arbeitsbeziehungen sein. Gelingt dirS in befriedigender Feuilleton. Santtätsraths Türkin. 13j Eilte KKlnfladt-Geschichte von Klaus Ritt land. Nachdruck veriote». An Angst dachte sie nicht. Sonderbar, daß gerade in einem Moment, wo das Leben ihr das Beste gewährte was es zu bieten vermag, wo sie am tiefsten und vollsten seinen Werth empfand, daß gerade jetzt der Tod keine Schrecken für sie besaß, daß gerade jetzt der Gedanke» hinübergerusen zu werden in eine andere Welt — oder sich aufzulösen in das Bll — wieder unterzutauchen in das große Meer, aus dem das flüchtige Schaumperlchen ihres Jchs für eine kurze Spanne Zeit auf gestiegen war, daß «ine solche Vernichtung ihrer Persönlichkeit ihr kein Grauen, kein Widerstreben rinslößtel Räthsel der Menschenseele! — — Jetzt ertönte aber eine andere dumpf grollende Stimme zwischen die Donnerschläge hindurch: „Fräulein, Frau—la—in! flink in die Zelle! Wa» soll den« das heißen? Bei so'n Wetter badet doch kein vernünftiger Mensch nich mehr!" S» war die Badefrau, di« also die ihrer Obhut anvertraute wagehalsige Schwimmerin zurück beorderte» Lachend stieg Fudschi in ihre Cabine herauf, warf das krkbs- rothe Schwimmcostüm ab und kleidete sich an. Bis auf die Haut durchnäßt, unter Sturm und Blitzen, kam sie zu Hause an. Das Gewitter hatte ihr nur Freude gemacht. Aber ein andere« Gewitter zog sich bereit« drohend über ihrem Haupte zusammen; ein häßliches, unheilbringendes, so ein Unwetter, welch«» statt lauteren Wolkenwassers Schmutz und Galle auf da» Haupt des Wehrlosen regnetI Vorläufig merkt« Fudschi Noch nichts davon. Den nächsten Tag aber blieb sie zu Hause, schrieb an ihren Fritz, ordnet« alte Papier« und träumte in ihrer Einsamkeit liebliche Zukunft-triiuM». Am folgenden Tag« aber, al« sie einen Weg durch die Stadt macht«, fiel e» ihr auf, daß der Senator Jürgen« und ein anderer Herr, die ihr be gegneten, beim Grüßen so sonderbar spöttisch« Gesichter machten, eigentlich unverschämt« G«sicht«rl Und dann, daß Frau und Fräulein Krehmann, di« in der „Lang«N Gaffe" auf dem jen seitigen Fußsteige an ihr vorübergingen, ihren Gruß vermieden, indem sie consequent wegschauten. Da» frappirte Jndschi einen Augenblick freilich nur; dann dachte sie nicht weiter darüber nach! Al» sich aber im Laufe der nächsten Tage derartige Vorkommnisse mehrten, da wußte sie doch nicht mehr recht, Wal sie darau» machen sollt«. Wa» konnten dir Leut« nur gegen sie haben? Auch Dräsels hatten neulich mit einer anderen Dame so seltsame Blicke gewechselt, als Jndschi sie in einem Laden getroffen. Sie wollte zu Dräsels gehen, ganz einfach fragen: Was habt Ihr? Aber Dräsels ließen sich verleugnen. Da be suchte sie Hedwig Borstewitz. Auch die war ganz anders wie sonst. Aber die mußte ihr reinen Wein einschänken. Zuerst that sie auf Jndschi's Fragen ganz harmlos, aber endlich brachte sie mit einem verlegen sein sollenden Lächeln hervor: „Ja, liebeS Fräulein Körting, das ist, es ist wirklich eine sehr dumme Geschichte, man hat Sie nämlich beobachtet." „Mich? Wann? Wo? Weshalb?" „Mit Romin, am Donnerstag — ach, aber nun fragen Sie mich, bitte, nicht weiter. Ja, wenn Sie's durchaus wissen wollen, hinter Steffrn's Garten hat man Sir gesehen!" „Mit Romin? Ja, aber da bin ich ja gar nicht mit Romin gewesen." „Ach, wirklich nicht?" Ein lauernder Blick tkaf die immer noch ganz unbefangen dreinschauend« Jndschi. „Nun, dann war es eben ein Jrrthum. Ich sagt' es ja gleich. Sprechen wir nicht mehr davon!" Kopfschüttelnd entfernte sich Jndschi. Was sollte da« nur heißen? „Hinter Steffens Gatten!" Das hatte »inen böse« Klang für Klützower Ohren. Jener einsame Weg, der sich an der hohen Mauer der Steffen schen Gärtnerei, zehn Minute« entfrrnt von de« Seeanlagen, hiNzvg und in «inem kleinen Gehölz endete, war kein beliebter Spaziergang für ehrsame Leute, aber ein historischer Ort! Dort passtrten gewöhnlich die Dinge, welch« im Stiidtchrn peinliches Aufsehen erregten. Vor sieben Jahren hatte sich dort ein Senator oufgehängt, und vor zwei Jahren hatt« dort ein betrogen«« Ehegatte seine Frau überrascht und deren Liebhaber todtgeschlagen, und verboten« Rendezvous kamen dort fortwährend vor. Ein böser Ort, wahr haftig! Aber wa» hatten denn nur Jndschi und Romin damit zu thun? Ach Gott, es war ja lächerlich, sich auch nur eine Minute den Kopf darüber zu zerbrechen! So ein dummes, rein auS der Luft gegriffenes Gerücht! Wie konnte das nur ent stehen? Ja, wir e« entstanden war? Wie fo etwa» gewöhnlich ent steht. Wie wird der gute Ruf eines Menschen gemordet? Ganz behaglich, theil« aus Bosheit, theil» — und Vas noch viel mehr — au» Zeitvertreib! In großen Verhältnissen geht e» langsam, allmählich, in kleinen manchmal riesenschnell, Uber Nacht. Durch dte vumpenfrau war'« zuerst gekommen. Die hatte bei Kretzmanns nach alten Kleidern gefragt, und da — so nebenbei —, während sie Frau Justizrath» alten Sammetmantel prüfend gegen da« Licht hielt, ob noch keine Motten drin wären, von einer komischen Geschichte erzählt, die ihr gestern Passirt sei, als sie auf Landkundschaft ausgewesen. Da habe sie hinter Steffens Garten «in Liebespärchen überrascht, in zärtlichster Umarmung; erschrocken seien die Beiden auseinander geprallt und weggelaufen, jedes nach einer anderen Richtung, ein hübsches brünettes Mädchen und ein sehr großer Herr. „Brünett? Was hatte sie an?" fragte Mariechen interessirt. „Was Hellbraunes." Mariechen nickte. „Fräulein Korting hat ja ein hellbraunes Luchkleid, Mama." „Fräulein Körting, en sihr freundliches Mäten", meinte die Lumpenfrau. „Sei hedd mi !m Winter, wie'« so kalt war, 'mal so'n schönen warmen Kaffee un Kauten gewen!" Die Lumpenfrau hatte ein dankbares Gemüth! „Ja, ja, so 'ne ähnliche Statur hedd' die Dame woll, wie Frölen Körting; en beten füllig, aber sihr hübsch. — Un en schönen blonden Mann." „Sie irren sich wohl, er war gewiß braun", warf Vie Justizräthin «in, und zu ihrer Tochter gewandt: „Du bist doch auch überzeugt, daß e« der Baron Romin ---" „Na türlich, Mama," Schließlich ließ sich di« Lumpenfrau willig überreden, daß der Herr braun gewesen war, und gab über haupt Alle« zu, was matt hören wollte — sie bekam ja den schönen SammetmaNtel für 2 Mark! Und nun ging die Justizräthin zür Amtsrichterin. Und die Amtsrichterin söhnte sich eiligst mit ihrer Feindin, der Se natorin Jürgen«, au« und besuchte dieselbe zu einem Plauder stündchen, „nur ganz in der Eile, — aber wissen Sie's schon?" Bereits am selb«n Abend «zählten sich's di« Herren am Scattisch und am nächsten Morgen die Dienstmädchen beim Kaufmann, dt« Gesellen in der Werkstatt — bei „Tanting" versammelte sich ein ganz besonders riesengroßer Damencongreß — und nun stand e» ganz fest, so fest wie die Thatsache, daß fünf mal fünf fünfundzwanzig ist: In» ch! und Baron Romin hatten «in „Verhältntß", «in ganz skandalöse», schon seit Januar. Di« Baronin war auch schon dahinter gekommen. Neulick batte Jndschi sie besuchen wollen, war in Ströbenbaaen vorgefabren, In» Hau» getreten, aber gleich darauf zurückaekebr«. .ganz asch fahl", und weittrgksahren. Natürlich batte die Baronin ihr die Thür gewiesen. Und Gefchrnke nadm .dies, Türkin" auch von ihm an. Erst kürzlich hatte man kie zusammen zum Ju welier gehen sehen. „Aber" — schrie hier Duke Dörstewitz dazwischen, Vie sich mit in den Conqreß eingedräna? batte — „da hat er ja eine Sravattennadel für seine Frau ausgesucht, einen kleinen gol denen Steigbügel!' „Schweig", wurde die Stimme der Unschuld verwiesen, „das war doch natürlich nur ein Dorwand!" Und Jeder wußte seinen Pinselstrich brizutragen, damit da» Doppelportrait der beiden Verbrecher nur immer noch rin bischen abschreckender würde. Alle kleinen, heimlichen Privatgrolle, von denen fast jede Anwesende irgend einen gegen die ahnungs lose, gutmiithige Jndschi in Borrath hielt, fanden bei dieser günstigen Gelegenheit ein angenehmes Ventil. El war ein großes moralisches Schlachtfest! Nur ein Kongreßmitglied saß stillschweigend dazwischen: die GastwirthStochter vom „Ochsenlopf"! Sie hätte es bezeugen können, sie und der schöne blonde Zahnarzt, mit dem sie sen dem KaisergeburtstagSabcnd sehr vertraut war, daß nicht Romin und Fräulein Körting das au»einaNdergeschrecktr Liebespaar gewesen, aber — ach Gott, es that ihr ja so schrecklich leid, sie war eigentlich ein gutherziges Ding, wenn auch etwas leicht sinnig, aber — die Wahrheit sagen konnte sie doch nicht — unmöglich! Und „Sanitätsraths Türkin" wurde in die Acht erklärt! — Ganz angenehm war Jndschi das unbegreifliche Gebühren der Klützower freilich nicht, aber ihr Inneres wurde doch kaum dadurch berührt. Nächsten Dienstag wollte Fritz heimkoMMen und dann, dann würde das Leben wieder aufleuchten in rosigem Glanze! Dann war äll«s Unangenehme überwunden. Eine Andere aber litt schwer unter dem Geflüster Vek bös«n Zungen: Mutter vifer»! Natürlich hatte ihr Fritz vor der Abfahrt sein Herz «»«geschüttet. Er War ganz verklärt gewesen vör lauter Her^nssellgkeit, der lieb« Jungci Wie herzlich hatten sie und der Vater sich mit ihm glsreittl Und nun? Den Vaier ließ die Klatschgeschichte -iimlich ruhig, „Lat sei man fnaken. Dat i» all dumm Tüg!" sagt« er. Aber f«ine Frau nahm die Sache schwerer. „Ach, Vadding, wat wird nur uns' oll l«iwe Jung' segnen?" Sie mochtk ja nicht« Schlimme» von dem jungen Mädchen glauben, aber, gewundert hatt« fit sich selbst sckwn manchmal, daß man Jndschi so häufig in Begleitung des Ltröbenhagener» sah; warum bracht« dir d«nn nicht lieber seine Frau mit, wenn er in Klützow zu thun hatte, sondern lief immer mit riner fremden jungen Dome herum? Ach, wenn ff, nur die „Rechte" für ihren Fritzing war! Al» am Di«n»tag d«r junge Baumeister hrimkehrte, strahlend vor freudiger Erwartung, da traf ihn wie rin Schlag die be klommene Aeußerung der Mutter: „Es sei leider nicht Alles so, wie es sein sollte!" Er verlangte Näheres zu hören. Und st« erzählt« so schonend wie möglich. Er geriet- in di« furcht barste Aufregung. Sinnlose Wuth ergriff ihn gegen diese Menschen, die sich nicht scheuten, sein Liebste-, Heiligste» mit Schmutz zu bewerfen. Am liebsten wäre er sofort au« dem Hause gestürzt, hätte sich irgend einen der schlimmsten männlich«» Klatschbasen hrrau»gesucht und denselben zu Boden geschlagen»
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