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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.02.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960217028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896021702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896021702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-02
- Tag1896-02-17
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Abend-Ausgabe Druck und Verleg von E. P olz in Leipzig. SV. Jahrgang. Montag den 17. Februar 1896. Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/,7 Uhr. die Abend-Aukgabe Wochentag» um 5 Uhr. AnzeigenPreis die 6 gespaltene Petitzeile SO Psg. Neclamen unter dem Redaction-swich <4qe- spalten) ÜO-4, vor den Familiennachrichteii (Sgespalten) 40-H. Größere Schriften laut unserem Prei-j- verzeichniß. Tabellarischer und giffernlaj' nach höherem Tarif. Nedaction und Expedition: JohanneS-affe 8. Die Exvedition ist Wochentag» anunterbrochrn geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: ktt» Klemm'» Torttm. (Alfred Hahn), Universität-straße 1, Louis Lösche, Katharinenstr. 14, part. und KönigSvlatz 7. Extra-Vellage« (gesalzt), nur mit der Morgen »Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. tipziger Tagtlilall Anzeiger. Amtsblatt des Königtichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Vokizei-Änttes der Stadt Leipzig. Bezugs'Preis tu der Hauptexpeditton oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten AuS- i-al estellrn ab geholt: vierteljährlich ^4 4.S0, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau» b-SO. Durch di» Pos« bezogen für Deutschland und Lesse rreich: virrteliährlich >ii S.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendung In» Au-land: monatlich ^ll 7.S0. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabr: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Für die Montag.Morgen-Au-gabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde fruder. Anzeigen sind stet» an die Sx-edittou zu richte«. Für -ie sächsische Wahlreform. i. Man schreibt unS: Herr Geh. Hofrath Prof. vr. Sohm veröffentlicht eine Abhandlung gegen die Vorlage, welche die Aenderung des sächsischen Landtag-Wahlrechts bezweckt. Er ruft „Wehe!" über diese Vorlage und fordert ihre Gegner zum „Vortreten" auf mit der Losung: „Auf zum Kampf für die Gesellschaft ordnung, auf zum Kampfe für König und Vaterland!" Bei der großen Autorität, deren Herr Geh. Hofrath Sohm sich mit Recht erfreut, erscheint eS als Pflicht, ebenso öffentlich der Ueberzeugung Ausdruck zu geben, daß diese große Autorität diesmal sich auf falschem Wege definret und daß die Gründe, die er gegen die sächsische Wablreform anfübrt, durchaus nicht stichhaltig erscheinen. Wir hallen uns natürlich nur an die Hauptsachen und übergehen nebensächliche Ausführungen, die wir gleichfalls für unzutreffend halten. Herr Professor vr. Sohm wirft zunächst die Frage auf, was die „Absicht", der „Kern" der Gesetzesvorlage sei, und er antwortet: der K 9: „Jede Abtheilung wählt besonders, und zwar ein Drittel der Wahlmänner." Daraus werden nachstehende Folgerungen gezogen: „Der Entwurf giebt damit jeder Classe (Urwähler-Abtheilung) das gleiche Wahlrecht. Die beiden ersten Classen haben nothwendig zusammen die Majorität. Es hängt lediglich von dem guien Willen der Wahlmänner erster und zweiter Classe ab, ob rin Vertrauens mann der dritten Classe zum Abgeordneten gewählt werden soll oder nicht. Gewiß, es kann auch die zweite Classe mit der dritten sich ver binden und damit die Männer der ersten Classe „mundtodt" machen. Aber ist das die Voraussetzung der Vorlage? Zweifellos nicht. Dir Meinung ist vielmehr, und sie ist sicher im Allgemeinen zutreffend, daß die Wahlmänner der beiden ersten Classen, wie der Herr Professor Biedermann sich neulich ausgedrückt hat, die „Wahl- männer dec bürgerlichen Parteien" sind, daß nur unter den Wahl männern der dritten Classe die gefürchteten Socialdemokraten sich finden. Darum: diese Wahlmänner sollen durch die Wahlmänner der beiden ersten Classen überstimmt werdenl Dadurch soll dem Anwachsen der socialdemokratischen Abgeordneten ein „Damm" gesetzt werdenl Die socialdemokratischen Wahlstimmen der drillen Elaste sollen durch die Vorlage unschädlich gemacht, dir dritte Classe soll den beiden ersten Classen gegenüber ohn mächtig sein. Das ist es, was man will, und über diese Absicht besteht kein Zweifel." Hier schon ist Richtiges mit Falschem vereinigt. Richtig ist eigentlich nur, daß der Entwurf jeder der drei Urwähler- classen „das gleiche Wahlrecht" giebt. Daraus folgt aber durchaus nicht: „Die beiden ersten Classen Haden nothwendig zusammen die Majorität", sondern ganz mit derselben „Nothwendigkeit", daß auch die vereinigte dritte und zweite Elaste die Mehrheit über die erste, oder die ver einigte dritte und erste Elaste die Mehrheit über die zweite haben oder jederzeit sich schaffen können. Dann stellt zwar Herr Prof. Or. Sohm die Möglichkeit einer solchen Vereinigung, wenigstens der zweiten und dritten Elaste, nicht in Abrede, bezeichnet aber als „Voraussetzung der Vorlage": „daß nur unter den Wahlmännern der dritten Elaste die gefürchteten Social demokraten sich finden. Darum: diese Wahlmänner sollen durch die Wahlmänner der beiden ersten Classen überstimmt werden". Dadurch soll dem Anwachsen der socialbemo- kratischen Abgeordneten ein „Damm" gesetzt werden: die socialdemokratischen Wahlstimmen der dritten Elaste sollen durch die Vorlage unschädlich gemacht werden." Diese Unterstellungen finden an der Vorlage, ihrer Ent stehung, ihrem Inhalt und ihrer Begründung nur insoweit Anhalt, als das sächsische Wahlgesetz in Zukunft die Möglich keit bieten will, „die socialdemokratischen Wahlstimmen der dritten Elaste unschädlich zu machen". Die Absicht des Gesetzes, den staatSerhallenden Kreisen unseres Volkes diese Möglichkeit zu bieten, kann man aber nur dann in die Worte übersetzen: „Die dritte Classe soll den beiden erstengegenüberobnmächiigsein;dasisteS,waSman will,undüberdieseAbsichtbestehtkeinZweisel", — das kann man nur dann sagen, wenn man an nimmt, daß in Sachsen in der dritten Classe immer socialdemo kratische Wahlmänner, mindestens in der Mehr heit der Wahlmänner, gewählt werden würden. Diese Annahme ist aber nur möglich bei völliger Verkennung der thatsäcklichen Verhältnisse, einer Verkennung, die sowei» geht, daß Herr Professor vr. Sobm im weiteren Verlaufe seiner Aobandlung vielfach „Volk" und „Arbeiter" und „Social demokratie" als nahezu gleichbedeutend ansteht, mindestens ganz unbedenklich die socialdemokratischen Führer oder die „ziel bewußten" Genosten als Vertreter der „Volks-" oder Arbeiter- Interessen bezeichnet und Denjenigen, die sich zu dieser Auf fassung nicht bekehren können, das Motiv der „Furcht" unterlegt: „daß nur unter den Wablmännern der dritten Aaste die ge fürchteten Socialdemokraten sich finden", sagt er. „Man kann Vorsicht Furcht und Muth Leichtfertigkeit nennen", antworten wir ihm darauf mit Bismarck. Diese Unterstellung eines Beweggrundes, von dem wir uns wie die Mehrheit unserer Kammer und die königliche Regierung, denen wir diese Vorlage danken, frei wissen, — „der Appell an Vie Furcht findet in deutschen Herzen niemals ein Echo" — ist in unseren Augen ebenso wenig begründet, als wenn Jemand sagen wollte: die Regierung des deutschen Reiches habe seit 25 Jahren die deutsche Wehrkraft auf die jetzige Höbe gebracht aus Furcht vor Frankreich. Nur würde dieser Vorwurf — so ungerechtfertigt er Männern wie unseren drei ersten Kaisern, Bismarck, Noon, Moltke, Bronsart u. s. w. gegenüber erscheint — immer noch eher einen schwachen Schein von Berechtigung für sich gewinnen können, da wir mit Frankreich während dieser 25 Jahre wenigstens nickt im offenen Kriegszustände waren und dennoch dem Spruche folgten: 81 vis puesm, para bellum. Mit der Socialdemokratie aber befinden wir uns im offenen Kriegszustände, mit ihr ist kein Vergleich oder Vertrag möglich, wie mit irgend einer anderen inner halb unserer Staals- und Gesellschaftsordnung wirkenden Partei. Gegen die Socialdemokratie müssen wir also die Mittel und Waffen kriegerischer und vernichtender Abwehr suchen, finden und ge brauchen, wenn wir bestehen, wenn wir unsere Staats und Gesellschaftsordnung erhalten wollen. Wir sind dazu um so mehr verpflichtet, als die Svcialdemokralie durchaus nicht gleichbedeutend ist mit dem Volke, ja noch bei Weitem nicht einmal mit der deutschen Arbeiterschaft, sogar noch nicht einmal mit der Arbeiterschaft unserer Städte, geschweige denn mit unserer ländlichen Arbeiterschaft, deren „anti- collectivistische Bauernschädel", — wie der „Vorwärts" klagt, — von dem socialdemokratischen Heilserum, trotz allen Bauern fanges, bis heutigen Tages gar nichts wissen wollen. Wir sind gerade, weil unS „des Volkes jammert", verpflichtet, die braven Arbeiter der Vorspiegelung zu entziehen, als ob die „zielbewußten" socialdemokratischen Führer jemalSVertreterdesarbeitendenVolkeSundseiner Interessen gewesen wären. Solche Vertreter sind sie nie gewesen, sondern nur bezahlte Volksaufwiegler und Volksverführer. Und zu alledem ist die sächsische Wahlreformvorlage ein gutes, ein wirksames Mittel. Es ermöglicht, die socialdemokratische Wahlmache und Wahlversührung zu vereiteln, indem die beiden oberen Elasten sich gegen s o c i a l d e m o k r a ti sch e männer und Wahlstimmen zusammenschlicßen. Aber das wird eben nur geschehen, wann und wo die Urwähler der dritten Classe socialdemokratische Wahl männer wählen. Unbefangene Arbeiterwahlmänner der drillen Elaste, die für sich und die von ihnen ausgestellten Abgeordnetencandidalen lediglich die wirklichen Clasteninteresten der Arbeirerclaste verfolgen, werden sich bei den „bürger lichen" Wadlclassen — der zweiten und der ersten — immerjener wohlwollenden Unterstützung zu erfreuen haben, die ihnen von den bürgerlichen Kreisen und Parteien in dem politischen Leben, in den Parlamenten und in der Gesetzgebung Deutsch lands seit dreißig Jahren immer bewiesen worden ist. Die Wirkungen, die unser neues Wahlgesetz, wenn es einmal in Kraft tritt, auf die von der Socialdemokratie bisher gegängelten und verführten Arbeilerschaaren ausüben wird, lehrt die fast fünfzigjährige Erfahrung deß preußischen Dreiclassenwahlsystems, obwohl dieses sogar bei weitem pluto- lrausche, ist und also den Arbeitern und sogenannten Arbeiler- üarern wesentlich anstößiger sein muß, als unser zukünftiges sächsisches: die Socialbemokratie bat sich noch niemals an den preußischen Landtagswahlen bet heiligt, und sie wird, nach einigen empfindlichen Lehren, in Zu kunft ihre unreine Hand auch von den säch sischen Landtagswahlen abziehen. Sie hat in Preußen allezeit die Vertretung der „Arbeiterinteresten" im Landtag besseren Händen überlasse», und die Arbeiter haben sich sehr wohl dabei befunden. Die Arbeiter werden bei uns dieselbe Erfahrung macken; namentlich auch die Erfahrung, die in Preußen so oft gemacht wurde: daß die Verbindung der dritten und der zweiten Elaste bei den Wahlen für eine wahrhaft volksthümliche Politik und Gesetz gebung nicht die Ausnahme, sondern die Regel bildet und Großes und Bedeutendes geschaffen bat. Vor Allem aber werden die Arbeiter selbst durch Vas künftige säcksische Wahl gesetz auch bei uns zur Erkenntniß gebracht werden: daß in der Abwendung von den socialdemokratischen Hetzern und Verführern ihr wahres Heil besteht, daß nur so Landtagslitze für wirkliche Arbeiter als Arbeiter vertreter zu erlangen sind. Damit der Arbeiter in der Wahl keiner wirklichen, wohl meinenden Vertreter nicht beschränkt werde, möchten wir unsererseits eine Aenderung an der sächsischen Wahlrechts vortage wünschen: nämlich den Wegfall des Census von 30 (Steuerzahlung) für bas passive Wahlrecht, d. b. für die Befähigung, in die Zweite Kammer gewählt werden zu können. Die sonstigen Erfordernisse, die der Entwurf von dem künftigen sächsischen Abgeordneten verlangt, geben so aus reichende Gewähr für dessen Befähigung, daß auf diesen „passiven EensuS" recht wohl verzichtet werden kann. Politische Tagesschau. * Leipzig, 17. Februar. Im Reichstage, in dem bereits so manches Unerfreuliche und die Nation Beschämende — man denke nur an das chronische Fernbleiben einer starken Mehrheit von den wich tigsten Beratbungen — sich eingebürgert hat, scheint immer mehr des Unerfreulichen und Beschämenden sich einbürgern zu wollen. So hat am Sonnabend bei der Fortsetzung der Debatte über da» Gehalt des Kriegsministers ein Vor gang sich abgespielt, den die „Bert. Börsen-Ztz." mit Recht auf das Schärfste rügt. „Man ist" — schreibt das ge nannte Blatt — „nachgerade daran gewöhnt, daß die socialdemokratischen Redner kein Blatt vor den Munt nebmen. Und ganz besonders vom Abgeordneten Stadt- haczcn erwartet kein Mensch, daß er aus seinem Herzen ein« Mördergrube machen und verschlucken werde, weß das Herz voll ist und wovon ihm der Mund überläuft. Aber was er sich gestern an gegen den Kriegs Minister persönlich zu gespitzte» Ausdrücken erlaubte, daS überschritt alle» bisher Dagewesene. Schauspielvirector, Pistol (der be kannte würdige Genosse Falstaffs), Zigeunerbaron und eine „Figur", die nicht 36 000 Werth ist, alle diese freundlichen Titel wurden von Herrn Stadthagen dem Herrn Bronsart v. Schellendorff mit denkbar größter Unver frorenheit ins Gesicht hinein gesagt, und Herr von Buol- Berenberg, ver Präsiden,! des Hauses, ließ das Alles ruhig geschehen, ohne darum ein Wort der Rüge zu verlieren. Daß dergleichen Ausdrücke einem Redner hingeben dürfen ohne sofortige stärkste Rectification durch den Präsidenten, das ist einfach unerklärlich, selbst dann unerklärlich, wenn man dem mangelhaften Gehörorgan desselben viel zu Gute hält. Sicherlich haben doch die übrigen Herren am Präsidialtisch nicht unterlassen, den Herrn Präsidenten von dem Vorgefallenen zu verständigen. Auch schon die Bewegung im Hause mußte ihm klar machen, daß etwas sich ereignet habe, und nöthigenfallS hätte er sich innerhalb 15 Minuten ans dem Stenogramm davon über zeugen können, was vorlag. Wenn er trotzdem einen Ord nungsruf unterließ, so ist Vas einfach ein Räthsel, und man fragt sich, ob es etwa Gebrauch werden darf, mit solchen persönlichen Anzapfungen schwerster Art um sich zu werfen." Rätselhafter noch als die Langmuth des Präsidenten ist die der Fraktionen, die ihn trotz eines körperlichen Mangels, der gerade bei einem Reichstag-Präsidenten auf daS Nach theiligste sich fühlbar machen muß, aus seinem Posten halten, obwohl dieser Mangel sich wiederholt fühlbar gemacht hat. Jene Fraktionen versichern bei jeder Gelegenheit, eS „gehe auch so", d. b. ohne die Fractionen, denen früher der erste Präsident entnommen zu werden pflegte; gebt es aber „so" weiter, wie es jetzt gebt, so wirb und muß die Nation gar bald empfinden, daß es „so" nicht weiter gehen darf. In Ungarn möchte die äußerste Linke als Präludium zu der Millenniumsfeier durchaus ein „Panama" beraufbeschwören, um das verhaßte ausgleichssreundlicke Ministerium Bansin zu stürzen. Erst mußte ver PulSzky-Scandal herbalten, jetzt nachdem diese Waffe sich eben erst als Pappenstiel erwiesen Hai, kommt ein neuer Vorstoß, weit unerhörter als der erstere. Letzter Tage hatte der „Budapest! Hirlap" die Meldung ge bracht, daß die unter der Geschäftsführung des jetzigen Ministerpräsidenten zu Mitgliedern des Magna len - hauseS ernannten Herren für diese Auszeichnung entweder zur Verfügung der Regierung oder der liberalen Partei oder aber für irgend einen anderen Zweck direct oder indirect vorher oder nachträglich außer der regelmäßig festgesetzten Taxe Beiträge gezahlt hätten. Zn einer weiteren Nummer sagte dasselbe Blatt, es hätte Graf Alexander Vigvazo 400 000, Baron Friedrich Harkanyi 200 000, Baron Karl Harkanyi 200 000, Baron Ladislaus Solymosty 300 000, die Barone Brüder Bohus 200 000 Gulden eingezablt und diese Summen seien für die oben erwähnten Zwecke angenommen worden. In der Sonn abend-Sitzung des Abgeordnetenhauses nahm der Abgeordnete Hortovanyi diese Beschuldigungen zum Anlaß einer Inter pellation. Ministerpräsident Baron Banffy dankte dem Interpellanten, daß er ihm Gelegenheit gegeben habe, diese tendenziösen Nachrichten zu widerlegen, und erklärte unter FsiriHston. Seine „Lumme" kleine Frau. Ls Roman von F. Klinck-LütetSburg. Nachdruck »»Loten. „Ja ganz gewiß, aber nicht wahr, die Sache braucht nicht an die Oeffentlichkeit zu kommen? Ich will ja gerne Alles thun. O, mein Gott!" Wilhelm Herrengrund konnte einer Regung des Mitleids mit dem vollständig gebrochenen Manne nicht sich erwehren. „Sie fassen die ganze Sacke vielleicht zu tragisch auf, Herr von Greifingen. Eine Anklage ist noch lange keine Vernrtheilung, wofür wären wir denn sonst da? Beruhigen Sie sich nur. Wir wollen der Sache einmal kaltblütig inS Gefickt blicken. Nun, erzählen Sie, bitte. Dieser Gustav Biedermann ist dock wahrhaftig ein Erzgauner." Die Worte, mehr noch der joviale, überzeugungsvolle Ton, in welckem sie gesprochen waren, übten wenigstens in so weit einen günstigen Einfluß auf Herrn von Greifingen aus, als er jetzt im Stande zu sein glaubte, einen zusammenhängenden Bericht erstatten zu können. Freilich hätte er vor allen Dingen zunächst eine Beantwortung seiner Frage gewünscht, um Beruhigung in ihr zu finden. Daß Herrenarunv sie um ging, ließ ihn vermuthen, daß seine schlimmsten Befürchtungen begründet waren. „Ich glaube, Herr Rechtsanwalt, ich muß weit auSholen, um Ihnen die ganze für mich so peinliche Angelegenheit über haupt nur begreiflich zu machen. Sie bat, wie Sie Wohl denken können, eine Voraeschichle, die neun Jahre früher be ginnt, wenn auch nicht für mich. Ein Freund von mir — der Name »Hut wohl nichts zur Sacke, war zu jener Zeit in Geldcalamitäten geratben — Spielschulden. BiS zu dem Augen blicke, in welchem er mir eine Mittheilung seiner Lage machte und um meinen Beistand bat, hatte ich ihn einer leichtsinnigen Handlungsweise vollkommen für unfähig gehalten. Er war ein flotter, schneidiger, aber solider Officier, ein liebenswürdiger Kamerad und Mensch Nickt eine rein persönliche Vorliebe läßt mich ihn so beurtheilen. Sie würden seine Feinde, wenn er deren überhaupt gehabt, nicht anders über ibn haben sprechen hören. Abgesehen von jenem unseligen Vorgang, der so ernste Folgen für ihn und noch ernstere —" hier schloß drr Sprecher einen Augenblick di« Augen und fuhr mit seiner Hand über die hohe Stirn, während er tief und schwer athmete — „>ür mich haben sollte, bat er niemals etwas fick zu Schulden kommen lassen. Die Versuchung war an ibn herangetrrten, fröhlich verbrachte Stunden, genossener Wein — wer mag ihn verdammen? Ich habe es nicht gekonnt. Er würde, wenn er gleich an mich sich gewandt, Hilfe ge funden haben. Leider batte Scham ibn zurückgebalten, da er wußte, daß ich leichtsinniges Spiel und Wetten gleich hart verurtheilte." Herr von Greifingen machte abermals eine Pause. Er hatte schlimme Vorstellungen von der gegenwärtigen Unter redung mit einem ibm bis dahin fremden Manne, dem er Alles sagen sollte, was er seit Jahren allein getragen und daS ihn so unendlich schwer belastet, sich gemackt, die Wirk lichkeit erwies sich ungleich niederdrückender. Und als wolle er eine Pein, die ihm daS Geständniß einer Schuld ver ursachte, die nicht einmal die seine war, abkürzen, so fubr er plötzlich mit einer unruhigen Hast in seinen Mit- theilungen fort: „Mein Freund suchte, anstatt bei mir, bei Gustav Bieder mann, den Kameraden ihm empfohlen, Beistand. Er wurde ihm ohne Schwierigkeit gewährt. Sie erlassen mir wohl Einzelheiten, die nicht- zur Sache thun. Wucherer-Mani pulationen dürsten Ihnen auch hinreickend bekannt sein. Zwar könnte ich vielleicht einen neuen Beitrag zu der Ge schichte dieser Menschen liefern, es würde aber nickt von Nutzen sein. Ich möchte Ihnen auch eine möglichst subjektive Darstellung geben, um Ihre Zeit nicht allzusehr in Anspruch zu nehmen. Zum Herbst sind eS neun Jahre, als ich zuerst von meinem Freund den Namen Gustav Biedermann nennen hörte und zugleich in Erfahrung brachte, wa- aus dem sorglosen, lebensfrohen Officier einenbeinahe menschenscheuen Kopfhänger, der uns Allen unverständlich geworden war, gemacht. Seit wenigen Wochen von L. nach R. versetzt, glaubten wir ihn wohlbehalten in seiner Garnison und ich backte an nicht weniger als an sein Kommen. In drr Dämmerstunde trat er bei mir ein, bleich, verstört, am ganzen Leibe zitternd. Zu Tode erschrocken fragte ich nach drr Ursache seiner sicht- lichen Aufregung. „Greifingen — ich bin verloren!" Es war Alles, was er zunächst über seine Lippen brachte, d""" lange Zeit schweigend, starr vor sich nieder blickend, und alle meine beruhigenden Aufmunterungen, sich auSzusprechen, schienen ungebört an seinen Ohren vorüber zugeben. Erst auf längeres freundliches Zureden gelang eS mir, ihn zu Mittbeilungen zu bewegen. Er hatte, um jene bereits erwähnte Spielschuld zu decken, von Gustav Biedermann die Summe von sechshundert Mark als Darlehn empfangen. Am Verfalllage nicht in der Lage, daS Papier einzulösen, erklärte Biedermann zu einer Prolon gation sich bereit und verlangte nur daS Ausfällen eines neuen Acceptformulars, wogegen mein Freund das Verfallene zurllckempfangen sollte. Zinsen und Vergütung waren mit dreiundfünfzig Mark berechnet und als gen ährtes Darlehn bei dem neuen Accept in Anrechnung gebracht worden. In dem Augenblick, als die geschäftliche Angelegen heit erledigt und Biedermann im Begriff gewesen, meinem Freund den zuerst ausgestellten Wechsel aiiSzubändigrn, ist er abberusen worden. Nach einer halben Stunde nock nicht zurückgekehrt, hat mein Freund, nachdem ihm Frau Bieder mann die Versicherung gegeben, daß daS Papier unverzüglich vernicklet werden würde, bas Haus verlassen. Biedermann hat ihm später gesagt, daß der Wechsel verbrannt sei. Drei Monate später ist unter denselben Umständen eine abermalige Prolongation erfolgt. Die Lage ist nur insofern eine andere gewesen, als Biedermann meinem Freund vorher mit Anzeige des Sachverhaltes beim Regimentskommandeur gedroht bat, wenn er nickt zahle. So mag dieser herzlich froh gewesen sein, als er scheinbar mit knapper Roth nock einen Aufschub erlangte, den er dann endlich dazu hat benutzen wollen, daS zu thun, waS er gleich Anfangs hätte thun sollen: mir sich zu entdecken. Auch das zweite Accept ist in Biedermann'- Händen ge blieben, wenigstens gleichfalls nicht verbrannt worden, obwohl er eS vor den Augen meine« Freundes in den Ofen gesteckt bat. Ick vermuthe, eS ist kein Feuer in demselben gewesen, denn nur so läßt der Sachverbalt sich erklären. Als mein Freund zwei Monate später daS Darlehn zurückbezablrn will, fordert Biedermann, unter Vorlegung der beiden Wechsel, auch für diese Deckung, da er sein Geld nicht länger aus- stehen lassen könne." „Unmöglich Herr von Greifingen, so frech kann dock drr Kerl nicht gewesen sein", rief Wilhelm Herrengrund, der bi- jetzt mit gespannter Aufmerksamkeit den Mittheilungen gefolgt war. „Dann muß er ja hinter Schloß und Riegel." Ein bitteres Lächeln umspielte die blaffen Hippen des Er zählers. „Die Tbatsache kann nicht angezweifelt werden. Die Amtsanwaltschaft ist davon unterrichtet gewesen, daß der eine der Wechsel bei dem Spar- und Dorschußvrrein, der zweite bei einem Genossen Biedermann'», der dritte endlich in seinem Besitz sich befunden hat. Es ist nachgewiesen, daß zwei der Wechsel gleichzeitig von Biedermann betrügerische Verwendung gefunden. Die Anwaltschaft hat trotzdem die Anklage gegen ihn fallen lasten. Vielleicht könnten Sie in der Person des Vertreters der Staatsanwaltschaft eine Auf klärung für diesen dunklen Punct finden. Ich möchte lieber über seine Person mich nicht äußern, um mir nicht den Schein einer Gehässigkeit zu geben, die mir vollkommen fern liegt, aber es ist durchaus nothwendig, daß ich Ihnen gewisse Mittheilungen mache, um Ihnen einen freieren Blick z» er möglichen. Der AmtSanwalt lebt in den denkbar schlechteste» Verhältnissen. Es ist ein offenes Geheimniß, daß er zu Biedermann in geschäftlichen Beziehungen steht, und — ick spreche dies offen aus — eS mußte ihm daran liegen, eine gerichtliche Verfolgung Biedermann'S zu Hintertreiben. Nu» aber weiter. Bei drr Versetzung meines Freundes nach R. batte ick demselben auf seine Bitte sechshundert und dreiundfünfzig Mark übersandt. Ich glaubte, er habe kleine Verbindlichkeiten zu lösen und hoffte, daS Geld bald zurück zu empfangen, da ich auch damals schon die kleine Summe schleckt entbehrte. Ich weiß nicht, ob Sic über meine Verhältnisse unter richtet sind, Herr Rechtsanwalt. Sollte dies nicht der Falt sein, so muß ich hier zum besseren Verständniß einsckalten, baß gerade zu jener Zeit gewisse Familienverhältniss« eine ungewohnte Beschränkung aller Ausgaben von mir forderten. Ich war allein auf meine Gage angewiesen. Unter diesen Umständen erschreckten mich die Bekenntnisse meines Freundes nicht wenig. Dabei hatte ich Notb, ihn zu beruhigen, sein verzweiflungsvolles Gebühren ließ mich Schlimmes befürchten. Nachdem ich die erste Aufregung überwunden, schien eS mir aber dock ein Leichtes, die Ange legenheit zu einem vernünftigen Schluß zu bringen. Ick wollte mit Biedermann Rücksprache nebmen — er mußte ja von seiner unrechtmäßigen Forderung Abstand nehmen, uni nicht selbst in die größt« Gefahr sich zu bringen. Mein Freund theilte meine Erwartungen nicht, er glaubte keinen Augenblick an den Erfolg meiner Mission und suchte mick auf alle Weise von der Ausführung meines Vorhabens zurückzuhalten. Er zeigte einen solcken Grad von Erregung, daß sie mir für seine Lage, mochte diese nun auch «ine qualvoll« sein, doch nicht mehr ganz verständlich war.
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