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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.02.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960218029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896021802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896021802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-02
- Tag1896-02-18
- Monat1896-02
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Durch dir Post bezogen für Deutschland uud Oesterreich: viertetiährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbaudiendung int Ausland: monatlich 7.50. Tie Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, dir Abend-AuSgabe Wochentags um 5 Uhr. Nrdaction und Expedition: JohauueSgaffe 8. Tie Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. , Filialen: ktto Klemm'« Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 1, Louis Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und KönigSplatz 7. ^88. Abend-Ausgabe. KiMer TagMM AnzeigemPreiS die 6 gespaltene Petitzelle 20 Pfg. Neelamen unter demRcdactionsstriL (4ge- spalten) 50^, vor den Familiennochnchten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer uud Zisfernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe. ohne Poslbesörderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännalimeschluß für Ämeigen: Anzeiger. Ämtsölatt des königlichen Land- und Ämlsgenchtes Leipzig, des Ralyes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Dienstag den 18. Februar 1896. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. SV. Jahrgang Ab end »Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Für die Montag.Morgen-AuSgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmesielötn je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an dte Expeditio» zu richten. Für die sächsische Wahlreform. ii. Man schreibt uns weiter: Der größte Theil der Abhandlung des Herrn Geh. Hofrath Prof. Vr. Sohm dreht sich um die Frage, ob die angebliche „Ent- werthung" des Wahlrechts der Urwähler dritter Classe gerecht sei. Er hat viele Gründe zur Hand, diese Frage zu verneinen. Nur freilich thut cS die Masse auch hier nicht. Denn diese Gründe sind jeder für sich allein nicht stichhaltig und können daher auch in ihrer Gesammtheit keinen über wältigenden Eindruck machen. Herr Professor vr. Sohin beginnt diese Begründung der angeblichen Ungerechtigkeit unserer sächsischen Wahlreformvorlage mit folgenden Sätzen: „Tic vor Kurzem vollzogene Aenderung des Wahlrechtes in der Stadt Leipzig kann man für zulässig achten. Eine Stadt ist wie jede Gemeinde an erster Stelle ein wirkhschastlicher Körper, der Geld- verwaltung dienend. Ta erscheint es als gerecht und billig, daß Die, welche dos Geld geben, an erster Stelle auch über das Geld verfügen. Aber der Staat! Der Staat, auch der Theil-Staat innerhalb unseres deutschen Reiches ist ein politischer Körper, zur Machtverwaltung be stimmt, die Gesetzgebung über die Machtverhältnisse innerhalb des Gemeinwesens in seinen Händen tragend. Ter Grundgedanke unserer modernen coiistitutionelleu Verfassung ist, daß Die, welche die Macht des Staates bilden, auch einen gewissen Autheil an der Macht dcS Staates besitzen sollen. An erster Stelle ruht die Macht des Staates auf der allgemeinen gleichen Wehrpflicht, sodann auf der allgemeinen gleichen Steuerpslicht. Tarin liegt die grundsätzliche Rechtfertigung Les Bismarck'jchcn allgemeinen gleichen Wahlrechts (der Manner!). Doch, es ist an dieser Stelle gleichgittig, wie man über die Frage etwaiger Einführung des allgemeinen gleichen Wahlrechts denkt." Das sollen Gründe sein für die „Ungerechtigkeit" der sächsischen Wahlrcfonn! In der Stadt Leipzig freilich, sagt Sohm, einer Stadt von 350 000 Einwohnern, da erscheint es als recht uud billig, daß Die, welche das Geld geben, auch an erster Stelle über das Geld verfügen. Denn eine Stadt dient an erster Stelle nur der Geld Verwaltung. Aber der Staat! Der Staat, auch der Theil-Staat innerhalb unseres deutschen Reiches, die beiden Neuß, Bückeburg, das in preußischer Verwaltung befindliche Waldeck u. s. w., auch wenn sie uoch lange nicht 350 000 Einwohner haben, wie Leipzig, sie sind „zur Mach tVerwaltung bestimmt und tragen die Gesetzgebung über M a ch t Verhältnisse in ihren Händen." Wir frage» nicht, wo die Macht und die Macht Verhältnisse der beiden Linien Neuß, Lippes, Schwarzburgs, Waldecks rc. zu finden sind? Wir fragen nur: ob diese Macht und Machtveryältnisse in etwas Anderem bestehen, als in Wahrnehmung und Erfüllung der Pflichten und Rechte, welche diese „Staaten" gegen das Reick, gegen die einheimiscke Dynastie und deren Unterthanen zu erfüllen haben? Dann aber erlauben wir uns weiter die berechtigte Frage, ob diese Rechte und Pflichten der deutschen Einzelstaaten — ganz abgesehen von einer großen Menge unbezahlbarer und unbezahlter Ehrendienste, die auch jede Stadt von ihren Bürgern fordert, etwa in anderer Weise zu befriedigen sind, als durch Geld, „durch einen wirtschaftlichen Körper, der Geldverwaltung dienend?" Von alledem macht auch unser Sachsen, obgleich viel größer als jene Kleinstaaten, durchaus keine Ausnahme. Die „Macht" und „die Machtverhältnisse" des „Staates" haben natürlich andere, weitere und höhere Rechte und Pflichten gegen die Staatsbürger geltend zu machen, als die Gemeinden und Städte gegen die Gemeindebürger. Aber der Refrain dcS Liedes bleibt dort wie hier der von Montecucculi: Geld, Geld und nochmals Geld. Und für den Steuerzahler macht eS gar keinen Unter ¬ schied, ob er sein Geld der Stadt oder dem „Staat", der „Macht" opfert. Auch in der Stadt dient seine Steuer einer ungezählten Fülle von idealen, im weitesten Sinne des Wortes volksthümlichen, ja nationalen Interessen. Warum sollte also der Steuerzahler, der für den „Staat" und die „Macht" mehr leistet als ein Anderer, sich nicht derselben größeren Rechte bei der Wahl erfreuen, die Herr Prof. vr. Sohm dem städtischen Mehrsteuerzahler un bedenklich einräuuit? Herr Geh. Hofrath Sohm antwortet uns auf diese Frage durch die Enthüllung eines von ihm entdeckten Naturgesetzes. Er sagt: „Der Grundgedanke unserer modernen constitutionellen Verfassung ist, daß Die, welche die Macht des Staates bilden, auch gewissen Antheil an der Macht des Staates besitzen sollen", nämlich Die, welche „die allgemeine gleiche Wehrpflicht und die allgemeine gleiche Steuerpslicht" leisten. Dagegen ist nun freilick einzuwenden, daß dieser angebliche „Grundgedanke unserer modernen constitutionellen Verfassung" geschichtlich und staats rechtlich ohne jede Grundlage, ein Gebilde freier Einbildung ist. Denn in den constitutionellen Muster staaten Europas, England, Belgien, Frankreich, bestand keine Spur von allgemeiner Wehrpflicht, als dort con- stitutionelle Verfassungen gegeben und diese in Deutschland, mehr oder weniger nach jenen berühmten Mustern, nach geahmt wurden. Ebensowenig (außer Preußen) in irgend einem deutschen Einzelstaat, der mit Verleihung einer con stitutionellen Verfassung Preußen (wie unser Sachsen um 20 Jahre) vorauSging oder nachfolgtc. Preußen hatte zwar schon bei Einführung der Verfassung von 1851 die allge meine Wehrpflicht; aber auch hier huldigte man keineswegs Pros. Sohnl'S „constitutionellem Grundgedanken", indem man etwa das Wahlrecht nur den Wehrpflichtigen verliehen hätte, sondern man führte im Gegentbeil daS Dreiclassenwahlsystem ein. Im deutschen Reiche endlich ist daS Wahlrecht gleichfalls ohne die geringste Beziehung zur allgemeinen Wehrpflicht verliehen; denn jeder 25jährige unbescholtene Reichsbürger kann wählen. Im Gegentheil sind sogar alle bei der Fahne stehenden Mannschaften und Officicre vom Wahlrecht aus geschlossen! Ebensowenig wie auf die „allgemeine gleiche Wehrpflicht" kann sich der „Grundgedanke unserer modernen constitutionellen Verfassung", b. b. der Anspruch, mittels des Wahlrechtes an der „Macht des Staates" theilzunchmen, aus die von Professor Sohm so genannte „allgemeine gleiche Steuerpslicht" stützen. Denn eine solche allgemeine und gleiche Steuer pflicht besteht nirgends, hat nie bestanden und wird niemals bestehen. Die Steuerpslicht oder richtiger die Steuerleistung der Bürger hat bei Zumessung des Wahlrechts in allen con stitutionellen Staaten und Republiken nur folgende Rolle gespielt: entweder hat man ganz davon abgesehen in allen Staaten, die das allgemeine gleiche Wahlrecht verleihen, wie das deutsche Reich, Frankreich, die meisten Staaten von Nordamerika, die Schweiz u. s. w.; oder man hat das Wahlrecht, je nach der Höhe der Steuerleistung der Bürger, in verschiedenen Maßen ihnen zu gemessen, wie in Preußen, England (wo nur die Haus haltungsvorstände wahlberechtigt sind) u. s. w. Zu jener mehr sentimentalen Auffassung der Sache aber, die Professor Sohm in den Worten auSdrückt: „Ich bin der Meinung, daß die geringe Steuer deS Vermögenslosen als Leistung einen größeren Werth besitzt, als die leicht getragene hohe Steuer des Reichen", hat sich kein moderner Staat jemals bekannt. ES hätte auch zu große Bedenken, wenn der Staat mit dem Edelmuth statt mit dem Geld der Steuer pflichtigen sich bezahlt machen oder begnügen wollte — und „Vermögenslose" zahlen überdies in „modernen" Ltaaten überhaupt keine Steuern. Am wenigsten hat aber Fürst Bismarck jemals eine „grundsätzliche Rechtfertigung" des von ihm verliehenen all gemeinen gleichen Wahlrechtes auf jenen Sohm'schen „Grund gedanken unserer modernen constitutionellen Verfassung" zu stützen versucht, auf die allgemeine gleiche Wehrpflicht und die sogenannte allgemeine gleiche Steuerpflicht. Er hat das allgemeine gleiche Wahlrecht — wie im „Tageblatt" (Abend nummer vom 5. Februar d. I.) an seinen eigenen Worten nachgewiesen wurde — nur verliehen, weil er damals (1867) die Massen der deutschen Bevölkerung für königstreuer hielt als die beiden unteren preußischen Wählerclassen während der ConflictSzcit (1862 bis 1866). Er machte sich aber schon 1867 kein Hehl daraus, daß die Wahlen des allgemeinen Stimmrechts „anarchisch" auSfallcn müßten, „wenn die Massen anarchisch gesinnt" wären. Er verlangte 1878 bei Erlaß des SocialistengesetzeS: daß das active und passive Wahlrecht allen Social demokraten entzogen werde, und konnte mit diesem Vorschlag nur deshalb nicht durchdringen, weil der im preußischen Ministerium ausgearbeitete, dem Fürsten Bismarck viel zu milde Entwurf des SocialistengesetzeS dnrchanS vor zeitig veröffentlicht worden war. *) UebrigenS finden wir eS auch bequemer als logisch und „gerecht", wenn Herr Prof. vr. Sohm am Ende einer Reihe von Sätzen, welche die angebliche „Ungerechtigkeit" der sächsischen Wahlgesetzvorlage gegen die Masten auf das angeblich diesen Massen angeborene Naturrecht zur Mitwahl stützen, der Verantwortlichkeit für diese Behauptungen sich plötzlich mit der Wendung entzieht: „Doch, eS ist an dieser Stelle gleichgültig, wie man über die Frage etwaiger Ein führung des allgemeinen gleichen Wahlrechts denkt!" Nein, das ist durchaus nicht „gleichgültig", wenn „man" zuvor den schweren Vorwurf der „Ungerechtigkeit" und der „Entrech tung" wider die Gegner seiner Ansicht, wider die große Mehrheit des Landtags und die königliche Negierung, erhoben hat aus Gründen, die nur dann stichhaltig wären, wenn das allgemeine gleiche Wahlrecht wirklich „der Grund gedanke unserer modernen constitutionellen Verfassung" wäre. Aber wir wollen Herrn Prof. vr. Sohm nicht voreuthaltcn, wie „man" anderwärts über die „Einführung des allge meinen gleichen Wahlrechtes denkt". Als es zum ersten Mal in Deutschland eingeführt wurde, ließ Wilhelm Jordan, der groß- patriotische deutsche Dichter, in seinem „DemiurgoS" bei Aufzählung aller „Märzerrungenschaften" den Mephisto sagen (II, S. 233): „Darunter auch zu meiner Freude Mein vielgeliebtes Ideal, Die breite Basis für das Neugebäude: Das Stimmen Aller nach der Zahlt" Nach den eben vorgetragcnen und, wie wir sehen, völlig unstichhaltigen theoretischen Begründungen der angeblichen „Ungerechtigkeit" der sächsischen Wahlreformvorlage sucht Herr Prosi vr. Sohm die wirkliche Rechtslage in Sachsen mit den Worten varzustellen: „Tie Lage ist die, daß (wie Herr Justizrath Schill neulich zu- treffend auSgeführt hat) hier in Sachsen ein gegenwärtig dem allgemeinen gleichen Wahlrecht nahe stehendes Wahlsystem in gesetzlicher Geltung steht. TaS zu Recht bestehende gleiche *) Denkschrift Bismarck's aus Kissingen au den Geh. Rath v. Tiedemann, 15. August 1878. Abgevruckt in den „Berliner Neuesten Nachr." vom 27. Juni 1894. Wahlrecht soll in ein ungleiches verwandelt werden. Man nimmt, was man bereits gegeben hatte." Diese Ausführung stellt die^Dingc geradezu aus den Kopf. Tas sächsische Wahlgesetz von 1868 hat — nach den aller dings sehr „zutreffenden" Ausführungen des vr. Schill — nicht entfernt beabsichtigt, „hier in Sachsen ein dem all gemeinen gleichen Wahlrecht nahestehendes Wahlsystem in gesetzliche Geltung" zu bringen. Vielmehr schloß der CensuS von 3 die Massen der Bevölkerung, nach den bei Einführung des Gesetzes im Jahre 1868 bestehenden Steuerverhältnissen, vom Wahlrecht aus. Das war die Absicht der Negierung wie des Landtages, ausweislich der Motive des Entwurfes wie der Landtagsverhandlungen. Ein „gleiches Wahl recht" hat also in Sachsen „zu Recht" nie „be standen", sondern die seither eingetretene Verschiebung der Steuerverhältnisse, die Leichtigkeit de» Erwerbes der sächsischen Staatsangehörigkeit :c. hat im Lause der Jahre in krauckom legis, gegen den Inhalt und die Absicht jenes Wahlgesetzes, einen thatsächlichen Zustand geschaffen, den der Wille der Gesetzgeber in Sa cksen vermeiden wollte. Herr Professor vr. Sohm wird gewiß nickt leugnen wollen und können, Laß es jeder Regierung und Volksvertretung freisteht, ja daß cs ihre Pflickt ist, jederzeit ein Gesetz — sagen wir z. B. ein Zoll- oder Steuer gesetz, ein Verwaltungsgesetz, ein Wehrgesetz, namentlich aber auch-ein Wahlgesetz — znriickziinehmen und abzuändern, wenn die Wirksamkeit dieses Gesetzes zu völlig anderen Eegebuissc i führt, als solche beim Erlaß desselben vorausgesetzt wurden. SolchesHandeln liegt ganz vorzugsweise im „Macht bereich und in der Hobritsps licht des Staates! Von einer „ Ungerecktigkeit" kann bei solcher Rechts- und Pflichtübung schlechterdings nicht die Rede sein. Dcffentliche Rechte der Einzelnen, die durch das bestehende. Gesetz er worben waren, werden durch jede Aenderung dy:ö Gesetz-, uothwendigerweise verändert und vielleicht verltttzt — ade. der.Staat kann nur nack dem Gemeinwohl Aller handeln, nicht nach der schönsten grauen Theorie, die zudem „in politischen Dingen" — nach Bismarck's Wort — „neck grauer ist als sonst." Dieses Gemeinwohl Aller — „das unzertrennliche Wohl von König und Vater land", das jeder sächsische Abgeordnete zu flnder« eidlick gelobt — wird durch die sächsische Wülilresorm Vorlage mächtig gefördert. Sie wird künftig den Hohn und die Schmach unmöglich macken, daß social- demokratische Landtagsabgeordnete diesen Eid leisten, von dem sie kein Wort halten wollen und können! Und deshalb rufen wir, mit weit besserem Rechte als Herr Geh. Hofrath Prof. vr. Sohm unsere Gegner, die Freunde der Vor lage auf: „Zum Kampfe für unsere Gesellschafto ordnung, zum Kampfe für König und Vaterland'" Politische Tagesschau. * Leipzig, 18. Februar. Nachdem die Presse sich der Aufgabe unterzogen halte, die der Präsident des Reichstags amSonnäbend unerfüllt gelassen, der Aufgabe nämlich, den Abg. Stadthagen wegen seiner im höchsten Grade unziemlichen und beleidigenden Ausfälle gegen den preußischen Kriegsmiuister zur Ordnung zu rufen, hat gestern der Herr Präsident nachgeholt, Wae er am Sonnabend verabsäumte. Er hak damit bekundet, daß die Wahrung der Disciplin im Reichstage seine» Händen entschlüpft nnd auf die Presse übergegangen ist. FaierHats«. Zeine „dumme" kleine Frau. Ss Roman von F. Klinck-LütetSburg. Nachdruck verböte». Die Form beunruhigte mich, allein meine Bedenken hielten dem gutmüthizen Spott Biedermanns gegenüber nicht stand, ich hätte auch damals nicht die Möglichkeit erfassen können, daß in dem Zeitraum von vielleicht einer knappen halben Stunde in dem Gehirn eines Menschen ein Plan er sonnen werden könne, wie er ohne Zweifel vom ersten Augenblick an, in welchem ich in den Gesichtskreis jenes Manne« getreten war, bei diesem zur Reise gelangt ist." „Sie stellten auch diesen Wechsel aus. Herr von Greisingen?" „Ich stellte ihn aus. Mir ist später nickt ein einziger Gedanke mehr gekommen, daß ich damit eine Unvorsichtigkeit begangen. Wie wäre es denn möglich gewesen, bei der Forderung Biedermann s an einen beabsichtigten Betrug zu denken? Schon als dieser bereits offen zu Tage getreten war, hielt ich seine Aussagen für Wahrheit. Heute können Sie eine derartige Vertrauensseligkeit kaum härter verurtheilen, als ich cs thue." Nein, Rechtsanwalt Herrengruud verurtheilte eine der artige Vertrauensseligkeit nicht, er glaubte einfach nicht an eine solche. Deshalb konnte er de» weiteren Miltheilungen seines Clienten nur mit sehr gemischten Empfindungen folgen. Schnell war daS in ihm erwachte Mitleid von seiner „ob jektiven Urteilskraft" überholt worden. DaS, was Herr von Greisingen gethan haben wollte, war einfach unmöglich und mit dieser Ucberzeugung wurde Herrengrund zu äußerster Vorsicht ermahnt. „Es war am einundzwauzigsten April", fuhr inzwischen sein neuer Client fort, „als ich auS meiner Sicherheit auf geschreckt wurde. Jene furchtbare Stunde werde ich nie ver gessen. Durch ein Schreiben deS Gerichtsvollziehers Philipp Allmer wurde ich zur Zahlung eines Wechsel« über zwölf hundert und dreinnbfünfzig Mark aufgefordert. Sollte eine solche bi« Mittags zwölf Uhr nicht erfolgen, so erwarte der Schreiber des Briefes mich am Nachmittag zwischen zwei und drei in der Wohnung deS ehemaligen Bureauvorsteher« und PrivatsecretairS W., widrigenfalls er sich im Lauf« deS Tage« in meinem Hause einfindeu müsse, um Protest zu er ¬ heben, da ein Aufschub nicht zulässig sei. Zur Bermeiduug eines mir vielleicht mißfälligen Aufsehens habe er diesen Weg zur Erledigung der mir vermuthlich peinlichen Angelegenheit gewählt. Ich brauche wohl nicht den Versuch zu machen, Ihnen die Gefühle zu schildern, von welchen ich beim Empfang und Durchlesen dieses Schreibens ergriffen wurde. Schrecken und Entsetzen waren anfangs vorherrschend, dann erst kam der Gedanke an Das, waS Biedermann mir gesagt. Ohne Zweifel handelte eS sich nur um eine Erneuerung des Deckungswechsels. Zur bestimmten Stunde begab ich mich in die Wohnung deS PrivatsecretairS W. Die bloße Vorstellung, daß der Ge richtsvollzieher meine Wohnung betreten könne, würde mich zu Allem willfährig gemacht haben. Von einem Deckungswechsel wußte der Gerichtsvollzieher Allmer aber nichts. Der Wechsel war ihm zum Protest über geben, und Biedermann, der meine Aussagen hätte bestätigen können, verreist. So bliebe, wenn Zahlung nicht geleistet, nur der Protest übrig. Protest! Und was dann? Wechselklage. Ob Bieder mann bald zurückkomme? Schwerlich. Er sei in Eisleben, eine Hypothek zu retten. Ob es mir denn unmöglich, die kleine Summe zu beschaffen? Ja — unmöglich. Es müsse doch ein Ausweg zu finden sei». Vornehmen Herren ständen hundert Wege offen. Es handle sich um eine Kleinigkeit, wegen welcher man doch eigentlich auch nicht viel Aufhebens machen dürfe. Vielleicht, ob ich nicht den Beistand deS PrivatsecretairS in Anspruch nehmen wolle. ES werde demselben eine Ehre sein, mir die Sache auS der Welt schaffe« zu Helsen. Nein — ich wollte nicht, aber — eS gab keinen Aus weg. Biedermann aus unbestimmte Zeit verreist, Wechsel protest — Klage. Die Angelegenheit würde an die Oeffent- lichkeit kommen. DaS durfte nicht sein — die schwer wiegendsten Gründe verboten eS. Meine Gedanken verwirrte» sich förmlich. Dann kam W. Ein Gutsbesitzer hatte ihm gerade am Morgen dreitausend Mark überbracht, sie sicher anzulegen. Ob ich sie nicht nehmen wolle, vielleicht nur bis Bieder manns Rückkehr, wo Alle- von selber sich arrangiren werde. „Dreitausend Mark nicht, aber zwölfhundert und dreiund fünfzig, ja — die wollte ich nehmen. E« war eine Aussicht, dem Entsetzlichste« zu entgehen." Abermals ein tiefer Athemzug. Die anfangs kräftigere Sprache Herrn von Greifingen'S war bereits wieder zu einem Flüsterton herabgesunkeu, und erst die neu aussiackernde Willenskraft trieb ihn zu einer Fortsetzung seiner Mit- theilungen an. Er konnte daS Gefühl, als ob er bei Wilhelm Herrengrund Mißtrauen und Zweifel begegne, nicht mehr überwinden. Es lag ein eigenthümlicher Ausdruck in dem Gesicht des jungen Rechtsanwaltes, den er gelangweilt zu nennen sich versucht fühlte. Derselbe war aber nicht gelangweilt, sonder» nur etwas zerstreut. Im Nebenzimmer ging wiederholt die Thür, fremde Stimmen wurden gehört. Der Gedanke an neue Clienten hatte Herrengrund'« Aufmerksamkeit abgelenkt. Aber- sic würden warten. Hb die Stühle reichten? Er hatte für die erste Zeil vier Stück als genügend erachtet — auf einen Andrang, wie er nebenan sich bemerkbar machte, war er aller dings nicht vorbereitet gewesen. Herrn von Greifingen war das Geräusch uud Gemurmel im Vorzimmer gleichfalls nicht entgangen, und er dachte wohl, daß man die Zeit eines vielbeschäftigten Rechtsanwaltes nicht über Gebühr m Anspruch nehmen dürfe, wenigsten« sprach er jetzt rasch und war bemüht, sich kurz zu fassen. „Ich erhielt daS Geld", berichtete er weiter, „der Wechsel wurde gedeckt, auch die Kosten — etwa- über hundert Mark — bezahlt. Etwa acht Tage später sah ich mich gezwungen, den Privatsecrrtair W. zu bitten, mir de» Rest der ange borenen dreitausend Mark, von Venen ich zwölfhundert nud dreiundsünfzig bereit» erhalten, auzuvertrauen. In einem Zeitraum vou drei Tagen hatte ich vier Zahlungsbefehle von Lieferanten erhalten, mit denen ich Jahre lang in Geschäfts verbindung gestanden und die mich als eine» pünktlichen Zahler schätzen gelernt. Meine letzten JahreSrechaungen waren infolge der unseligen Wrchselangelegenheit allerdings zu jener Zeit noch nicht beglichen. Wie eS dann weiter ging? Ich will Sie uicht ermüden, indem ich Tie von Station zu Station in eine endlose Leidensgeschichte führe. Die Probe wird Ihnen auch genügen. Daß mein Freund mich nicht belogen, erkannte ich acht Tage später, als Biedermann von seiner Reffe zurückgekehrt, mir lächelnden Gesichtes die Versicherung gab, daß ir an der ganzen Geschichte unschuldig sei. Man habe der Form ge nügen müssen. Auf meine Frage nach de« Wechseln, erklärte er, dieselben seien vernichtet, da sie ja doch ihre» Werth ver loren. . Eis Jahr später schuldete ich Biedermann siebentausend Mark, ein weiteres Jahr — das Vierfache. Ich stellte Wechsel auf Wechsel, Schuldschein auf Schuldschein aus, uni meine Peiniger, denen meine persönlichen Verhältnisse nur zu genau bekannt waren, zu hindern, mit ihrer Forderung ber- vorzutretcn und von meinem Vater Zahlung zu verlaugcn. Ich mußte verhüten, daß dieser Kenntniß von meiner Lage verlangte. Eine detaillirte Auseinandersetzung der Gründe erlassen Sie mir wohl, sie hangen mit sehr traurigen Familiru- verhältuissen zusammen. Nur soviel: daS Bekanntwerdeu meiner finanziellen Lage mußte die Berleumdung meines bittersten Feinde«, daß ich al« sinnloser Verschwender gehaust, bestätigen. Diese Verhältnisse waren Biedermann bekannt und gaben ihm und seinen Genoffen volle Freiheit des Handelns. Balo war ick zum willenlosen Werkzeug ihrer Habgier herab gesunken, aber während ich noch der trügerischen Hoffnung mich hingab, daß Niemand von meinen wachsenden Verlegen heiten wisse, waren diese schon in Aller Mund nnd Ter, dem sie vor allen Dingen verborgen bleiben sollten, hat zweifellos nicht znletzt von denselben erfahren. Dann! war TaS, was ich in jungen Tagen als da« herbste Gesckick eines Mannes betrachtet, uoch frisch an Körper und Geist zu einem thaten- und inhaltslosen Leben verdammt zu sein, mir zn Theil ge worden. Ich mußte, Schulden« Haller, meinen Abschied nehmen, mein Vater hatte sich geweigert, auch nur mit einem unbedeutenden Brnchtheil meines zn erwartende» Vermögen« für mich einzutretcn. Er drohte vielmehr, mich zn enterben, und hat, wie Ihnen bekannt geworden sein dürfte, Liese Drohung auch wirklich zur Ausführung gebracht, ja, man weigert sich sogar, mir mein mütterliches Erbe au-tzuzablrn unter dem Vorwande, daß ich dem Vater an» meiner Jugend zeit noch bedeutende Summen schulde. Neun Jahre habe ich unter dem Drucke gelebt, unter demselben gehandelt und dabei Manche- gethan, was einem normal angelegten Menschen nur schwer verständlich sein wird. ES war ein endloser Kampf mit de» unedelsten Elementen, der mich wiederholt der Verzweiflung nahe gebracht. Nur der Gedanke an meine Kinder zwang mich, aus dem Posten zu bleiben. Da starb mein Vater. Ich befürchtete Schlimmes, aber nicht da- Schlimmste, ich erwartete eine Beschränkung meiner Rechte, die Anlage meine- Vermögen- in Renten oder etwa« Derartige-. Ich rechnete mit allen Kränkungen, die mir bevorstehen würden, uicht mit einer vollständigen Enterbung. Unmittelbar nach dem Tode meine« Vater« kam e« zwischen Biedermann und mir zu einer LuSeinandersetzvng.
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