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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.02.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960221021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896022102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896022102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-02
- Tag1896-02-21
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Reclameu unter dem Redaettonsstrich (4z»» spalten) 50 vor den Famtlteunachrichtrn (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ztsfernsatz «ach höherem Tarif. Ekxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung >l 60—, mit Postbesörderung >l 70.—. Annahmeschluß fir Anzeigen: Abrnd-?lutgabe: Bormittag- 10 Uhr. Morge«-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Für die Montag.Morgen-Ausgabe: Sonnabend Mittag. „ Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde srühcr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. A4. Freitag den 21. Februar 1896. 90. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 21. Februar. Der Telegraph übermittelt uns heute den Wortlaut zweier Reden, die gestern der Kaiser und der «etchstauzler gehalten haben. Die erste, vom Kaiser bei dem Diner gehalten, das der Oberpräsident von Achenbach den Mitgliedern de- Pro vinziallandtag« der Provinz Brandenburg gab, ist al« eine politische Kundgebung nur insofern aufiufassen, als der Kaiser an große politische Ereignisse anknüpfte und mit ihnen die Pflicht de« gesammten deutschen Bolte-, die Mütter des kommenden Geschlechtes mit eingeschlossrn, zur Erhaltung dcS unter dem Segen des Höchsten mit so kostbarem Blute Er rungenen begründete. Die Rede, die der Reichskanzler bei der Festtafel hielt, die der BundeSratb auS Anlaß seines fünfundzwauzigjäbrigen Bestehen« veranstaltet hatte, ist eine politische Kundgebung im engeren Sinne. Sie lautet wörtlich: „Meine Herren! Ich darf es als eine besondere Gunst des Schicksals preisen, daß mir heute, an dem Tage, an welchem der Bundesrath di« Feier seines 2Sjäbrigen Bestehen- begeht, die Ehre zu Theil wird, den ersten Trinkspruch auszubringen. Wer aus eine 50jährige politische Thätigkeit zurückblickt — es sind in diesen Tagen 50 Jahre, seit ich in die bayerische Kammer der ReichSräthe ein geführt wurde — und wem da- Zeugniß nicht versagt werden kann, daß er sich während dieser Zeit stets vom nationalen Gedanken dec Wiederaufrichtung und der Befestigung des deutschen Reichs leiten ließ, der darf den heutigen Tag auch als einen Ehrentag für sich betrachten. Fürchten Sie ober, meine Herren, keine Ueberhebung meinerseits; ich weiß wohl, daß heute an dieser Stelle ein anderer, ein besserer und größerer Mann stehen sollte, der Mann, in dem das deutsche Volk, nächst dem großen Kaiser Wilhelm, den Gründer seiner Einheit verehrt und verehren wird bis ans End« der Tage; — ich weiß wohl, daß mein Antheil an der Reichsarbeit ein bescheidener war, und daß es mir nur vergönnt war, theilzunehmen an den Vor arbeiten, gewissermaßen an den Erdarbeitrn, auf denen dann im Jahre 1870 die Festung emporwuchs. Aber auch jene Anfänge waren als Einleitung unentbehrlich, und ich freue mich, daran theil« genommen zu haben. Zudem verdanke ich jener Zeit eine werth- volle Erfahrung; ich verdanke ihr da- Bersländniß für die Opfer, welche die deutschen Fürsten gebracht haben, al- sie in patrio- tischer Hingebung sich dem deutschen Reiche anschlossen. Wenn Sie zurückblicken auf die Geschichte der letzten zwei Jahr hunderte, ja auf unsere ganze deutsche Geschichte, so tritt vor Ihr Auge die allmähliche Erstarkung der deutschen Fürstenmach t — freilich war es nicht immer zum Nutzen des Reichs —, und Sie begreifen dann — vom rein menschlichen Gesichtspunkte aus — das auf historischer Grundlage beruhende Selbstbewußlsein der einzelnen Staatengebildr. Mit diesem Srlbstbewußtsetn mußte die nationale Bewegung von 1848 und 1870 rechnen. Mit ihm rechnet auch unser Allergnädigster Kaiser, der gewissenhaft und treu die Rechte der Bundesgenossen wahrt. Fürsten und Bolk haben die für die Einheit und Macht de- Reich- nöthigen Opfer gebracht; wir dürfen für alle Zukunft auf «in harmonisches Zusammenwirken der Glieder deS Reiche« rechnen. Unsere Fürste» haben danach Anspruch auf den Dank der deutschen Nation. Lassen Sie un- diesem DankeSgefühl ehrfurchtsvollen Ausdruck geben durch den Rus: Der deutsche Kaiser, die deutschen Fürsten und freien Städte, sie leben hoch!" Zunächst sind es die warmen und verehrung-vollen Worte, mit denen Fürst Hohenlohe des ersten deutschen Reichskanzlers gedenkt, waS in seiner Rede nicht nur sympathisch berührt, sondern auch die Zuversicht erweckt, daß der jetzige Nachfolger deS größten deutschen Staatsmannes bis an daü Ende seiner Tage bestrebt sein wird, diese Verehrung durch die Tbat, durch Fortarbeit im Geiste seines gewaltigsten Vorgängers zn beweisen. Fürst Hohenlohe hätte solche Worte nicht gesprochen, wenn er nicht gewußt hätte, daß das in ihnen liegende Gelöbniß die volle Billigung deS Kaisers und seiner hohen Verbündeten findet. Bedeutungsvoll sind ferner die Worte, mit denen Fürst Hohenlohe die „Glieder des Reiches", den deutschen Kaiser, die deutschen Fürsten und freien Städte, feierte. Unter den jetzt im Amte befindlichen Staatsmännern weiß keiner besser als der jetzige Reichskanzler, welche Opfer alle Bundesglieder bringen mußten, als sie dem deutschen Reiche sich anschlossen, und wieviel sie von ihrer schwer errungenen Macht Preis gaben, als sie die Macht des Reiches begründen halsen. Kein Anderer war also berufen wie er, diesen Opfersinn zu feiern. Kein Anderer aber weiß auch genauer, wie fest das Bano ist, das alle diese Glieder jetzt umschließt, und wie fest jedes einzelne entschlossen ist, dieses Band zu erkalten zum Heile des Ganzen und seiner Theile. Wenn Fürst Hohenlohe versichert, daß wir „für alle Zukunft aus ein harmonisches Zusammenwirken der Glieder des Reiches rechnen dürfen", so ist das ein werthvolles Zeugniß, um so werthvoller, je schlechter es um das Zu sammenwirken des Volkes bei der Aufgabe der Erhaltung unserer kostbarsten Güter und bei der Abwehr der diesen Gütern drohenden Gefahr bestellt ist. Es ist schon oft gesagt worden, daß die Gewähr der Erhaltung des deutschen Reiches nicht beim Reichstag und nicht beim deutschen Volke, sondern bei dem Kaiser und seinen Bundesgenossen liegt. Aber niemals ist die Wahrheit dieses Wortes deutlicher in die Er scheinung getreten, als in den letzten Wochen und Monaten. Um so beruhigender und tröstlicher ist die Zuversicht, mit der Fürst Hohenlohe auf das harmonische Zusammenwirken der Glieder des Reiches in alle Zukunft blickt. Die Proteste, die bei uns in Sachsen gegen die Wahl- rcform-Vorlage gerichtet werden, veranlassen den „Vogtländ. Anz", daran zu erinnern, daß im Jahre 1868 bei der Be- rathunz über unser jetzt noch giltiges Wahlgesetz der Ver treter der Universität Leipzig in der Ersten Kammer, Prof, vr. Heinze, für die Einführung des allgemeinen gleichen und direkten Wahlrechts in Sachsen eintrat. Die jetzigen Protestler treten zunächst nur für die Er haltung des jetzigen Wahlrechts ein, daS an eine Steuerleistung von drei Mark geknüpft ist; aber die Gründe, mit denen sie ihre Stellungnahme motiviren, sind so, daß sie nickt nur von der Socialdemokratie für den Wegfall eines jeden Census und für die Einführung des allgemeinen gleichen und direkten Wahlrechts geltend gemacht werben können. Stellt man sich auf den principiellen Standpunkt, daß die Höhe der persönlichen Leistungen für den Staat bei der Bemessung deS Wahlrechts gar nicht in Frage komme und daß Der, der 3000 und mehr Steuern im Jahre zahlt, bei den Kammerwablen nicht mehr Recht haben dürfe als Der, der 3 Zahlt, so kann man für die Beibehaltung deS Census keine principiellen Gründe, sondern nur Opportuni tätsrücksichten anführen, die darauf hinausgehen, man dürfe die Zahl der socialdemokratischen Abgeordneten nicht allzu ¬ sehr anwachsen lassen. Wenn daher — mag nun die neue Wahlgesetz-Vorlage Gesetz werden oder nicht — die Socialdemokratie ihren schon wiederholt eingebrachten Antrag auf Abänderung unseres Wahlgesetzes wieder einbringt — und das wird auf alle Fälle ge schehen —, so wird sie sich auf die jetzigen Protestler be rufen, sie an ihre Proteslmvtive erinnern und von ihnen fordern, daß sie wenigstens für den Wegfall des Census und für die Einführung des allgemeinen gleichen und direkten Wahlrechts mit vemselben Eifer und mit denselben Mitteln eintrelen, mit denen sie gegen die jetzige Vorlage agitiren. ES wäre daher dringend zn wünschen, vaß die Herren klar und unzweiveutig erklärten, was sie wollen: ob sie nur die Erhaltung des jetzigen Wahlgesetzes mit seinem beschränkenden Census verlange» und die Einsührung des allgemeinen Wahlrechts für schädlich hallen, oder ob sie gleich dem ehe maligen Vertreter der Universität Leipzig in der Ersten Kammer die Einführung des allgemeinen gleichen und directen Wahlrechts für ein Gebot der Gerechtigkeit erachten. Eine solche Erklärung sind die Herren sich selbst und dem Lande schuldig. Bekanntlich strebt die französische Um st urz propa- ganda mit Hochdiuck dahin, den Arbeitgeber in seinen Be ziehungen zu dem Arbeiterpersonal aller Reckte zu berauben, ihn leviglick zum willenlosen Sclaven seiner Leute herab zudrücken, welch letztere mit dem Arbeitgeber, seinem Capital, seinem Fabrikbetriebe nach Laune und Willkür umzuspringen befugt sein sollen. Den energischsten Gegner unter Len Arbeitgebern hat diese Partei des ausgesprochenen Terrorismus in Herrn Resseguir gesunden, der, wie erinnerlich, im Streik der Glasarbeiter von Carmaux durch sein consequentes und standhaftes Verhalten den Streikenden eine empfindliche Niederlage beigebracht hat. Aber er ließ es dabei nicht bewenden, sondern in klarer Erkenntniß, daß man das Ueöcl an der Wurzel fassen müsse, ging er nunmehr gegen den intellektuellen Urheber des ganzen Unfugs, den Genossen Jaurös, mit einer gerichtlichen Klage auf Schadenersatz vor. Herr Resseguier ist so ge stellt, daß er vor dem Verdacht geschützt ist, als wolle er sich auf Kosten des Abg. Jaurös bereichern, obwohl auch letzterer trotz seiner proletarischen Allüren nichts weniger als ein Proletarier, sondern seines Zeichens ein reckt behäbiger Capitalist und Rentier ist. Aber Herr Resseguier will die französische Justiz zwingen, in dem von den Umsturztecroristen gegen die Arbeitgeber eröffneten Feldzuge Farbe zu bekennen. Er will Quittung darüber haben, ob das Gesetz gegenüber berufsmäßigen Volks aufwieglern, welche den Ruin der Arbeitgeber als Sport betreiben, die Regreßpflicht anerkennt, oder ob es die socialrevolutionaire Hetzpropaganda als eine unter den besonderen Sckutz der Justizhoyeit zu nehmende Thätigkeit ansieht. In den Kreisen der Arbeitgeber fragte man sich schon längst, ob die Anstifter und Förderer von Streiks, jene Berufshetzer, die sofort auf der Bildfläche erscheinen, wenn irgendwo Zwistigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern entstehen, und die durch ihre Reden und Handlungen Oel inS Feuer schütten, sür den materiellen Schaden, den sie anrickten, aufzukommen haben, oder ob sie, wenn sie durch ihr Gebühren es glücklich dahin gebracht haben, daß ein Fabrikbelrieb still stehen muß, daß der Geschäftsinhaber vielleicht ruinirt wird und die Arbeiter brodlos werden, dann, als wäre Alles aufs Beste bestellt, in aller Gemülblichkeit nack Hause gehen können, als ob die Bestimmung des Oocke, welche besagt, daß jeder, der einem Anderen Schaden ver ¬ ursacht, als Urheber deS angerichteten Schadens ersatzpflicktig ist, für den Urheber von Arbeitseinstellungen gar nickt existirte. Der Anwalt des Klägers bat in ebenso geist reicher als überzeugender Weise für die Haftbarmachung des JauröS plaidirt, der Anwalt deS Verklagten gegen diese An führungen in leidenschaftlichster Weise Verwahrung eingelegt. Der Gerichtshof hat seinen Spruch auf den 27. d. M. an gesetzt. Er bat von dem socialdemokratischen Anwalt die Belehrung erkalten, daß er nickt dazu da sei, um den Be stimmungen des (.'olle zu ihrem Rechte verhelfen, sondern um der socialrevolutionairen Lehrmeinung Genugthuung zu ver schaffen. „Wenn Sie Herrn Resseguier Recht geben", ries der Anwalt emphatisch aus, „so ist da- die größte Nieder lage, welche der Socialismus jemals erlitten hat." Diese Sprache läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und wird nicht nur dort verstanden werden, wo sie nack dem Verhalten einer radicckle» Regierung anscheinend ganz am Platze ist. Der Versassungsconflict zwischen der Deputirteu- kammer und dem Senat in Frankreich bat seine Lösung noch nicht gefunden, nachdem die erstere dem Ministerium Bourgeois in der gestrigen Sitzung abermals das Vertrauen votirt hat. Wie gemeldet, interpellirte der gemäßigte Deputirte Cbaukey, ohne, wie es der Wunsch des Ministe riums war, die heutige Sitzung des Senats abzuwarten, die Kammer über die widerspreckenden Erklärungen des Justiz ministers Ricard in der Kammer und im , Senat in Bezug auf die Ersetzung des Untersuchungsrichters Rempler in der Südbabn-Angelegenbeit und verlangte, daß Ricard nicht die Politik in die Justizverwaltung einfübre. Unter lebhaftem Beifall der Linken erklärte Ricard, daß er Rempler nur ersetzt habe, weil derselbe lässig gewesen sei in der Er mittelung der Schuldigen, und wies darauf hin, daß schon mehrfach Untersuchungsrichter durck andere ersetzt worden seien. Ueber den Schluß der Sitzung liegt unS folgender Bericht vor: * Paris, 20. Februar. Sarrien bringt eine Tagesordnung ein, in welcher die am13.d.M. angenommene bestätigt und LasVertrauen zu der Regierung ausgedrückt wird. Sarrien fordert für seine Tagesordnung die Priorität. Bourgeois genehmigt dieselbe. Poincars fordert die Regierung heraus, eine Tagesordnung zu verlangen, durch welche das Verhalten Ricard's gebilligt wird. (Anhaltender Lärm.) Hierauf wird die Priorität der Tagesordnung Sarrien mit 280 gegen L38 Stimmen angenommen. (Beifall aufderLinken.) DieTagesordnung Sarrien wurde mit 309 gegen 185 Stimmen angenommen. Ein Zufatzantrag Lassure, in welchem die Intervention des Justijministers Ricard in laufende gerichtliche Untersuchungen bedauert wird, wurde mit 279 gegen 204 Stimmen abgelehnt. Die Sitzung wurde hieraus aufgehoben. — Die Quästur des Senats, welche sür die morgen stattfindende Sitzung Volkskundgebungen be fürchtet, ordnete besondere Vorsichtsmaßregeln innerhalb und außerhalb Les Palais de Luxembourg an. So hätte nun der Senat dem Ministerium sein Miß trauen, die Deputirtenkammer zweimal ihr Vertrauen votirt und der Consticl befindet sich noch auf demselben Fleck. Allein eines verdient doch Beachtung: Am 13. Februar sprach die Deputirtenkammer dem Cabinet daS Vertrauen mit 326 gegen 43 Stimmen, also mit erdrückender Mehrheit aus, gestern standen den 309 Stimmen pro die relativ erhebliche Anzahl von 185 contra, gegenüber und der Antrag Lassure, das Bc dauern über die Intervention deS JusttzministerS in die laufenden gerichtlichen Angelegenheiten auszusprechen, wurde Feuilleton. Seine „dumme" kleine Frau. tj Roman von F. Klinck-LütetSburg. Nachdruck »«riotcn. DaS kleine HauS, welches Herr von Greisinnen bewohnte, machte in seiner sommerlichen Umgebung einen äußerst freundlichen Eindruck, den hochtönenden Namen einer Billa verdiente eS nickt. ES war ein einstöckiges Gebäude, daS nur mäßiy große Räumlichkeiten barg, aber bei einer ver nünftigen Eintheilung einer Familie hinreichend Platz ge währte und sie vollkommen befriedigen konnte. Die überdachte Veranda ersetzte auch, wenigstens zur Sommerszeit, rin große» Wohnzimmer. Hier standen qn dem vorerwähnten Junimorgen zwei Damen. Die esne derselben, die Schwester de- Herrn von Greifingen, welche seit dem Tode seiner Gattin die Stelle der Hausfrau vertrat, eine nicht mehr ganz jugendliche, aber immerhin noch schöne und stolze Frauenerscheinung mit ernstem, ausdrucksvollem Gesicht, hatte ihren rechten Arm um den Leib eine» lieblichen achtzehnfäbrigen Mädchens ye» schlungen, daS sich zitternd an die Aeltere lehnte. Beide schauten angestrengt in der Richtung nach der Sladt. Gesprochen wurde schon seit einer kalben Stunde kein Wort mehr. Endlich sagte da- junge Mädchen: „Ich will einmal nach der Uhr sehen, Tante Lisa?" Die Ander« nickte. Nach Ablauf weniger Minuten war da- junge Mädchen schon wieder an ihrer Seite. „Tante Lisa --- e- ist elf Ubr." „Elf Uhr!" wiederholte Fräulrin L sa seufzend. „Wie die Zeit schleicht! Aber sei ruhig, Kmv, Papa meinte, er könne vor embalb zwei Uhr nicht zurück sein." „Wenn er doch nur erst wieder da wäre! Ich habe eine grenzenlose Angst." „Nein -- Angst nicht, Hertha. Dem Papa kann nichts passiren. Daß man unruhig ist, erscheint mir natürlich. Ich wünsche auch, daß Papa erst die furchtbaren Stunden über standen hat. Er ist seit einiger Zeit, so sehr aufgeregt und er nahm die Sache, die e- gar nicht verdient, merkwürdiger Weise ernst. Da- hat, denke ich mir, ««steckend gewirkt. Man muß aber vor allen Dingen etwas verbrochen haben, um Strafe befürchten zu müssen." Und wieder standen Beide lange Zeit schweigend. „Tante Lisa", Hub endlich die Jüngere wieder an, „hast Du wohl einmal daran gedacht, was werden sollte, wenn —" „Nun?" Die Tante warf einen raschen, fragenden Blick, in welchem ein ernster Vorwurf lag, auf die Nichte, und dennoch ließ eine Vorstellung, welche in diesem Augenblick in ihr lebendig geworden war, sie erblassen. „Sieb mich nickt so vorwurfsvoll an, Tante. Du kannst nicht denken, wie ich mich in Angst verzehre. Sieb, wie ick zittere. Ich denke bisweilen, eS müßte doch eine rechte Wohl- that sein zu sterben und nichts, nichts mehr von der Welt und den Menschen zu sehen." Thränen rollten über die schmalen, blaffen Wangen deS jungen Mädchens und auch in Fräulein Lisa's Augen schimmerten Thränen, aber ein ohnmächtiger Zorn batte sie darin aufsteigen lassen. - „Hertba, Kind, weine nicht. Laß den Vater nickt sehen, daß wir unS seinetwegen gesorgt haben." „Denke an ihn. Wir müssen ihm eine Stütze sein — auch — auch — wenn Vie schlimmsten Befürchtungen sich erfüllen sollten." „Tante, Du hast — Befürchtungen? O, lieber Gott!" Sie war auf einen Stuhl niedergesunken und brach in Thränen auS. Ein krampfhafte» Schluckzen durckschüttelte ihren Körper. Vergebens war Fräulein Lisa bemüht, sie zu berubiaen und zu trösten. Lange genug batte sie den grenzen losen Jammer ihres Herzens unter einem Sckein von Gleich giltigkeit, der bisweilen sogar die Tante getäuscht, zu ver bergen gesucht, in dieser Stunde, in welcher die Seelenangst ihren Höhepunct erreichte, hatte ihre Kraft sie verlassen. Eine wenere Stunde war vergangen. Beide Damen hatten ihre Wachtposten wieder eingenommen. Hertha sah bleich und verweint auS, Fräulein Lisa nickt minder bleich, aber ihre brennenden Lider küblte keine Thräne mehr. Sie war gefaßt — auf da« Schlimmste. In dem Herzen deS Kinde« an ihrer Seite hatte vielleicht noch eine schwache Hoff nung Raum, in dem ihren — keine. Die nächsten Stunden konnten ihnen Grausame- bringen. Im benachbarten Dorfe schlug eS ein Uhr, träge reihte Minute sich an Minute. Dann halb zwei. Kein weiteres Wort war mehr zwischen Beiden gewechselt. Nun schlug e« zwei. „Hertha — dort, gerade an der Biegung. Ist « Papa?" Sie reichte der Nichte daS Opernglas, welches diese mit zitternden Händen in Empfang nahm. „Ja — Tante — er ist's," kam es keuchend über die Lippen des jungen Mädchens. Papa geht langsam — sehr langsam — o, Gott! Wenn — wenn" „Es ist warm, Hertha, und dann, es war eine große An strengung für Papa." Die Stimme des Fräuleins klang kaum minder angstvoll und beklommen. „Ich möchte Papa entgegengeben", fügte sie, sich gewaltsam zusaiumennehmend, hinzu, „während Du nach dem Essen siebst und ein GlaS Wein besorgst. Papa wird nicht gleich essen mögen, aber noch einmal, er darf nicht merken, daß wir uns gefürchtet haben. Nimm Dich zusammen, Hertba, tbu'S seinetwegen, was uns auch bevorsteben mag. Fasse Muth! Wir wollen uns wehren bis aufs Aeusterste." Fräulein Lisa schritt durch den Garten, die Treppe hinunter dem Bruder entgegen. Sie fühlte sich schwach und ibr Herz schlug stürmisch laut und unregelmäßig in der Brust. Das Blut stieg in dem einen Augenblick jäblingS in ihre Wangen, um in dem anderen rasch wieder rurückzutreten. Aber sie beschleunigte ihren Gang nicht. Wahrend sie Hertba auf gefordert, sich zu beruhigen, batte es ihr selbst kaum gelingen wollen, nur einen Schein von Fassung zu bewahren. Dir Angst trieb sie dem Kommenden entgegen. Ein Blick in das Gesicht des Bru erS und das freundliche Wort, da- auf ihrer lächelnden Lippe geschwebt, blieb un ausgesprochen. Nun ertrug sie die Qual der Ungewißheit nicht mehr. „Wolf — was ist geworden?" „Ich — ich — bin frei — gesprochen, Lisa." O, dieser entsetzlich müde und hoffnungslose Ton in seiner Stimme! Er drängte die aufsiackernde Freude in dem Herzen der Schwester jäh zurück. „Freigesprochen, Wols? So war all Deine Angst und Sorge umsonst. Ich wußte ja, daß ein guter Gott in der schweren Stunde Dir zur Seite sieben würde. Um die Lippen deS Herrn von Greisingen zuckte es voll Bitterkeit. ^Du irrst, Lisa — ich war allein — ganz allein." Sie wagte keine weitere Aeußerung. WaS war ge schehen? Gewiß irgend etwas Furchtbare-, aber er war doch freigesprochen und die unsinnige Angst, die^sie seit Wocken gepeinigt, weniastens von ihr genommen. Sie kmg sich an den Arm dcS Bruder- und blickte scheu und ängst ¬ lich zu ihm auf. So schritten sie nebeneinander dem Hause zu. Am Eingang des Garten- faßte sie sich indessen nock einmal ein Herz. «Es kam nicht so, wie Du eS wünschtest, armer Wolf. Wirst Du mir Alles sagen? Du weißt, das Aussprechen hat schon manches Mal geholfen." „Alles, Lisa." „Du bist doch aber freigesprochen, Wolf." „Ja — freigesprochen." „Wolf! O Goll — waS ist geschehen? Ich ertrage es nickt, Dich so gebrochen zu sehen." „Nicht jetzt, Lisa, frage nicht, ich kann nicht mehr. Du sollst Alles wissen, vielleicht nicht heute, aber morgen. Ick muß mich selbst wiederfinden." Er küßte die Schwester zärtlich auf die Stirn und seinen Arm um sie schlingend, führte er sie die Treppe hinan. Ec- batte den Anschein, als ob er ruhiger geworden sei. Mir einem Lächeln nahm er das ihm von Hertba dargereickle GlaS Wein entgegen und trank eS auS. Nun kehrte auck die Farbe in sein bleiche- Gesicht zurück. Im Laufe des Nachmittags gelang es Fräulein Lisa nickt, des Bruders allein habhaft zu werden. Hertha, die ScklimmereS befürchtet, fühlte durch die Tbatsacke, daß der Vater freigesprochen war, vollkommen sich befriedigt. Tie jüngste Sckwester hatte nichts von dem Leid erfahren, daS auch ihr gedroht. Herr von Greisingen ging am Nachmittag nicht mehr nack Rittergut Reischach, sondern beschäftigte sich im Garten. Seine Töchter saßen in seiner Nähe in einer von ihm an gelegten Hollunderlaube. Er war noch stiller al« gewöhnlich, ivas Lisa zwar nickt entging, sie aber nicht besonders beun ruhigen konnte. Ibn bedrückte Schweres, und sie hatte nur den einen Wunsck, Laß er ihr fein Herz erleichtern möge, mancher Trost war ihm durch die Schwester, welche wenig Frende, aber viel Leid mit ihm getheilt, und eher auf ein großes Vermögen Verzicht leisten, als den Bruder verlassen und ihre zweite Heimath mit dem Elternhause vertauschen wollte, gespendet worden. Nachdem sie von den ersten Schrecken, Len der Anblick des Bruders ibr verursacht, sick erbolt, silaubte sie, seine Niedergeschlagenheit zu verstehen. Er war freigesprochen, aber nicht in einer befriedigenden Weise. Sie hatte sogar eine leise Hoffnung, daß Wolf von Greifingen'S stark ausgeprägte- Ehrgefühl ihm seine Lag« schlimmer er scheinen ließ, al- sie in Wirklichkeit war. ! 1
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