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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.06.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189806126
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18980612
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18980612
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-06
- Tag1898-06-12
- Monat1898-06
- Jahr1898
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.06.1898
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np.üM TaMaü Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Polizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prels die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4qe- spalten) öO^j, vor den AamiNeauachrichtea (6gespalten) 40^. Größer, Schritten laut unserem Prets- verzeichniß. T«»»lartscher und Ztssernsatz nach höherem Tarif. Extra»Veilagr« sgrfalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbefördrrung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Amwhmeschluß för Anzeigen: Abend-Au-gabr: Vormittag» 10 Uhr. Morgen »Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Rnzeigen find stet» an dir Gxpehttian zu richten. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. Sonntag den 12. Juni 1898. S2. Jahrgang. BezngSPreis d« Hauptexpedition oder den im Stadt« Bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen ab geholt: vierteljährlich ^l4.bO, oei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» >l SSO. Durch die Post bezogen für Deutschland and Oesterreich: virrtrliäbrlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandsendung iw» Ausland: monatlich ^l 7.bO. DA Morgen-Au-gab« erscheint um '/,7 Uhr. Bi» Nbrnd-AuSgabe Wochentag» um b Uhr. Ledactiou und ErpedMon: 8. Di« Expeditton ist Wochentag» ununterbrochen grüffurt von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: Otta Klemm's rortim. (Alfred Hahn), Universttät-straßr 3 (Paulinum), LauiS Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und Königsplatz 7. 292. — Aus -er Woche. Der Wahlbrief des Grafen Posadotvsky ist in der Presse viel besprochen, häufig getadelt und oft gelobt worden. Unseres Erachtens hat sein Inhalt von alledem nichts ver dient. Wenn jetzt officiös erklärt wird, der Reichskanzler habe da» Schreiben vorher gebilligt, so ist das leicht zu glauben. Denn es steht nichts dann, wozu sich ein Staats mann, der eine Sammlung will, nicht bekennen könnte und sogar müßte. Aber der Begriff der „Sammlung", wie er der Regierung vorschwebt, ist noch gerade so nebelhaft wie zuvor. Die extremen Agrarier interpretiren in die Kund gebung freilich hinein, was sie gerne gehört hätten. Aber der Beweggrund dieser Aeußerungen der Befriedigung liegt klar zu Tage. Man setzt sich in diesem Lager in den Stand, den Wählern sagen zu können: „Die Regierung will, wie und was wir wollen. Durchführen kann sie eS aber nur, wenn möglichst Viele von den Unsrigen im Reichstage sitzen. Also —". Dieses Lob ist ein Wahlmanöver und der freisinnige Tadel ist eS auch. Denn der bezweckt, vor einer künftigen Politik Grauen zu erregen, wie sie in dem Schreiben nicht gekennzeichnet ist und wie sie Von den deutschen Regierungen auch gar nicht gemacht werden könnte. ES ist ein starkes Stück, aus dem Briefe die Nechl- fertigung von Besorgnissen wegen der Freizügigkeit, deS halb privaten CbarakterS der Reichsbank u. vcrgl. herauszulesen, weil darin Befürchtungen dieser Art nicht ausdrücklich zerstreut werden. Diese Benutzung des Schreibens hätte noch einen reellen Halt, wenn dort andere greifbare Dinge ständen. Dies ist aber nicht der Fall und die Kundgebung wird trotz der Be mühungen von rechts und links ein Schlag ins Wasser bleiben und ist unter diesem Gesichtspunkte zu bedauern. Nunmehr kennt man doch schon einige officielle Personen, die kein Attentat gegen daS Reichstagswahlrecht ge plant haben. Die Leute, die die Hand zum Schlage erhoben haben sollen, sind aber noch immer ungenannt. Mit dem bayerischen Buudesraths-Bevollmächtigten Grafen Lerchenfeld- Köfering ist es auch nichts. Von ihm war behauptet worden, er habe den Plan zu einem anderen Wahlrecht ausgearbeitet, allerdings „scheine" der Entwurf eine Privalarbeit des Grafen gewesen zu sein. Natürlich: scheine; ohne Zweideutigkeiten geht es bei diesem Wahlrummel nicht ab. Daß es übrigens auch im Centrum „gewisse" Männer giebt, die gegen'das bestehende Wahlrecht Bedenken hegen, hat Herr I)r. Lieber eben auSgeplaudert. Er sagte aber weiter: „Ich kämpfe gegen diese Männer nicht." Warum aber kämpft er und kämpfen seine Parteigenossen Bachem und Müller und seine Zeitung gegen die Vereinzelten in anderen Parteien, die das Wahl recht nicht günstig beurtheilen? Zumeist ist die Kritik eine wissenschaftliche und gerade Männer der Wissenschaft sollten sich nicht wundern, daß das geltende deutsche Stimmrecht nicht als das einzige Ding auf der Welt existirt, vor dem die wissenschaftliche Kritik Halt macht. Und selbst der Um stand, daß hier und da eine in der praktischen Politik stehende Persönlichkeit ein anderes Wahlrecht wünscht, substantiirt die Behauptung noch nicht, daß nur politische Kinder für daS geltende Recht fürchteten. Die Furcht vor einem Popanz ist vielleicht ein sichereres Kriterium der Kindlichkeit. Wenn sie bestimmend für die Zusammensetzung deS künftigen Reichs tags werden sollte, dann gebührte diesem die Bezeichnung, die dem 1887 er Parlamente sehr mit Unrecht und später ein bekanntem Unrecht beigelegt worden ist: er wäre ein Angst- Product. Die Fackel, mit welcher der Zaberner Götzendienst- Proceß in daS Wesen deS UltramontaniSmus hineingeleuchtet hat, hat für die führenden freisinnigen Organe nicht ge brannt. Sie sind ja „entschieden" liberal und wuthentfachte Kämpfer für Gerechtigkeit, Freiheit und Aufklärung — wenn einmal ein orthodoxer protestantischer Pastor etwas zu viel sagt. Der schändliche Aberglaube aber, dessen Pflege der Scandal von Alberschweiler aufgedeckt, und die unzähmbare ultramontane Herrsch- und Unterdrückungssucht, die der Vertheidiger Stieve verrieth, das sind Er scheinungen, an denen die freisinnigen Hausbettler des Centrums Reisezeit. Modenplauderet von <l. Eyselk. Nachdruck verboten. Wer es vermöchte, diesem Zustande ganz auf den Grund zu kommen: bei völliger Gesundheit, ja bei einer erhöhten Freude am Dasein eine Aufgeregtheit und Ruhelosigkeit, die etwas Krankhafte» hat; eine Unzufriedenheit, ein Ueberdruß an der gewohnten Umgebung, der brennende Wunsch nach einer durch greifenden Veränderung aller Lebensbedingungen, die Sehnsucht hinaus, ins Weite! Und je mehr der Sommer vorschreitet, um so heftiger wird diese Begier. Es duldet uns bei keiner alltäg lichen Beschäftigung, wir vertVfen uns in die Berichte von Bädern und Sommerfrischen, wir berauschen uns an den Er güssen phantasievoller Reiseberichterstatter, wie sie unsere Zeitung bringt, wir studiren Coursbllcher und stellen Reisetouren zu sammen, und was uns sonst wichtig war, erscheint uns jetzt schal und langweilig. Der Zustand ist nun entschieden krankhaft geworden, wir sind vom Reisefieber befallen, und es giebt für uns nur eine einzige Heilung: zu reisen; die Reise erscheint unS al» nothwrndig, ja fast als Pflicht. „Die Sach« will's, sie fordert, daß man reise, Der freie Wille weicht dem stärker» Muß. Bleibt man zu Hau»: die Welt nimmt'? zum Beweise, In unsrer Caste sei kein Ueberfluß. So wie der fromme Muselmann im Schweiße De» Angesicht« nach Mekka pilgern muß, Gehört» zu unfern bürgerlichen Pflichten Die sommerliche Reise zu verrichten." Und fieberhaft betreiben wir unsere Vorbereitungen, ob gleich wir im Grunde genommen lange zuvor genügend dar über nachgedacht haben. In Sack und Asch« wollen wir unsere vor den Wahlen stumm mit zu Boden gesenkten Blicken vorbeihuschen mußten. Die Centrumspresse selbst hat zum Theil schärfer geurtheilt, natürlich nicht aus dem Herzen heraus. Sie verleugnete Stieve, der nur der katholischen Religion und nur einem katholischen deutschen Kaiser die Existenzberechtigung zuspricht, nach der Regel: So denkt man, danach handelt man, aber dergleichen sagt man nicht, namentlich nicht in Zeitläuften, wo Große und Mächtige die neuerdings angenommene Maske des CentrumS für daS wahre Gesicht deS Ultramontanismus anzusehen geneigt sind. In Preußen hat man, nach l)r. Lieber, der eS wissen kann, sogar schon nichts mehr gegen die Niederlassung deS Jesuitenordens einzuwenden. Wo das Hinderniß der Beseitigung des Iesuitengesetzes liegt, will der Centrumsführer nächstens offenbaren. Etwa bei Bayern, daS die Zurückberufung der Redemptoristen im BundeSrathe durchgesetzt und schlechte Erfahrungen mit diesen gemacht hat und daS, wenn das NeichSgesetz über die Fernhaltung von Iesuitenuiederlassungen aufgehoben wird, gezwungen wäre, ein altes Landesgesetz herorznholen, daS die Gesellschaft Jesu von seinem Boden fernhält? Wie mit Bestimmtheit vorauszusehen war, gehen die Leiter deS Bundes der Landwirthe einer sachlichen Aufklärung Uber die Uebervortbeilunz der Landwirthe bei Thomasmehl-Lieferungen, deren sie beschuldigt sind, aus dem Wege. Sie veröffentlichen vielmehr eine Erklärung, in der die „Gegner der Landwirthe" weidlich beschimpft werden, in der aber ihres DUngerhandels mit keinem Worte Erwähnung geschieht, also auch die Wiederholung des „gänzlich unwahr" der ersten Erklärung fehlt. In dem Phrasen ¬ gemenge wird jeder Unbefangene ein Geständniß erblicken. Schlauer noch als die Bundesleitung verfährt die „Deutsche Tages-Zeitung". Sie verschweigt ihren Lesern den Kernpunct der Anklage und giebt dafür eine Darstellung, wonach die Thomasmehl-Fabrikanten die uneigennützige Bauernfreude in der Bundesleitung hintergangen zu haben scheinen. Bezeichnend für diese Methode des BündlerblatteS ist, daß ihr auf Urlaub befindlicher Chefredacteur sich feierlich dagegen verwahrt, mit dieser Methode wie mit der ganzen ThomasphoSphatsache etwas zu thun zu haben. Immerhin kann die Socialdemokratie der Bundesleitung und dem Bundesblatte noch erfolgreiche Concurrenz machen. So ist in einer ihrer Zeitungen, dem „Volksblatt für Anhalt" zu lesen: „DaS politische Mädchen für alle bürgerlichen Parteien de ll. Anhaltischen Wahlkreises, das Chamäleon Prof. Friedberg, hat sich am letzten Donnerstag im Saale des „Prinz von Preußen" zu Cöthen seiner Herrschaft zum ersten Male wieder vorgestellt und sein Sprüchlein ein Stündlein hergesagt, wobei es den Beweis erbrachte, daß es in der That einen gar niedlichen, echt national liberalen Tanz von recht» nach links und von links nach rechts über die ganze Breite der Bühne auszuführen vermag. 300 Männlein sollen dagewesen sein, sich das niedliche Kunststück anzusehen, wie Herr Friedberg es meisterhaft verstände, den Antrag Kanitz als das exquisiteste Mittel, die Volkswohlfahrt zu begründen, über den grünen Klee zu loben und ihn gleichzeitig als „gemeingefährlichen Brodwucher" in den Abgrund der Hölle zu verdammen. Aber Herr Professor Kluge, welcher den Vorsitz führte, ist wahrscheinlich klug genug gewesen, der neu anzustellenden „Magd der Reaction" den guten Rath zu geben, dies heikle Kunststück trotz aller seiner Fertigkeit im prächtigsten Seiltanzen doch lieber nicht aufzuführen. Und so schwieg der „charaktervolle" Mann über das wichtigste Stück sich völlig au»." Die Rohheit dieser Sprache und das Niveau der Ge sinnung, die dem Gegner als äußerlich verhindert darstellt, zu sagen, was die Socialdemokratie in ihrem Interesse gern gehört hätte, bedürfen keiner Beleuchtung. Karlismus. Sogleich bei Beginn des amerikanisch-spanischen Krieges ging durch die Blätter die Nachricht, daß der Prätendent auf dem Pilgerfahrt ja nicht gerade antreten, sondern wir wollen uns möglichst nett machen, das hebt unsere Stimmung, unsere Liebenswürdigkeit entquillt ja immer zum Theil mit dem Be wußtsein, gut auszusehen, und da diese Liebenswürdigkeit An deren zu Gute kommt, so ist es nichts weiter als Menschen freundlichkeit, wenn wir unseren äußeren Menschen so hübsch wie irgend möglich Herrichten. Leicht genug wird uns dies glücklicher Weise gemacht, die Mode ist in diesem Jahre so rührig gewesen und hat so viel des Wunderhübschen und zugleich Preiswerthen auf den Markt gebracht, daß die nothwendigen Neuanschaffungen zu eitel Freude werden. Was bedarf man für eine Reise? Die Frage ist außer ordentlich schwierig, ja fast unmöglich zu beantworten, denn ganz abgesehen von dem verschieden großen Geldbeutel, der den Einzelnen ihre Lebensführung und auch ihre Toiletten vor schreibt, spricht in erster Linie der zu wählende Badeort oder die Sommerfrische mit. Im Allgemeinen kann man als Regel aufstellen: nicht zu viel Garderobe mitzunehmen, das Wenige aber nun modern, kleidsam und tadellos. Spannt man seine Flügel zu weitem Fluge auS, wählt man ausländisch« Curorte, so ist diese Beschränkung erst recht geboten. Die Ueberfahrt belastet daS Reisebudget sehr, zudem hat ein jeder dieser inter nationalen Curorte einen so bestimmten Stil der Toilette, dem man sich doch gern etwas anpaßt; es empfiehlt sich deshalb, irgend eine hübsche Toilette, einen Hut, einen Umhang, an Ort und Stelle anzuschaffen. Man hat dann das Gefühl, „mit dazu zu gehören" und vollständig den dort ortsüblichen Chic zu repräsentiren. Unerschwingliche Kosten verursacht dies nicht gerade, denn in den größeren Badeorten sind meist auch recht billige Toiletten zu kaufen, Eintagsfliegen der Saison, die aber ihren Zweck erfüllen, eS ermöglichen, „die Mode einmal mitzumachen. AIS eigentliche» Reisekleid, d. h. al» jenes, welches während der Fahrt getragen wird, bleibt immer das nicht allzu fest gearbeitete tarIor-ni»cls-Oo»tuvlle, au» fußfreiem Rock, glatter spanischen Thron Don Carlos oder, wie ihn seine Anhänger nennen, Karl VII., die Gelegenheit benutzen würde, um seinen alten Ansprüchen auf die spanische Krone Geltung zu verschaffen. Er selbst ließ zwar diese Meldung durch die Erklärung demen- tiren, daß er, so lange äußere Feinde Spanien bedrohten, einzig und allein Patriot sei, gleichwohl aber steht es für jeden Kenner der Verhältnisse fest, daß, falls der Krieg eine für Spanien und somit für die herrschende Dynastie entschieden ungünstige Wendung nimmt, er keinen Augenblick zaudern wird, von Neuem das karlistische Banner in Spanien zu erheben. Ob sich für ihn hierbei eine Aussicht auf Erfolg bieten würde, ist eine schwer zu beantwortende Frage und der Politiker, der sich dieselbe vorlegt, hat nur eine Möglichkeit, sich ein Urtheil zu bilden, mit Hilfe der Geschichte. Es ist deshalb vielleicht nicht ganz uninteressant, im gegenwärtigen Momente sich die Ent stehung und den bisherigen Verlauf der karlistische» Bewegung ins Gedächtnis zurückzurufen und daraus Schlüffe auf eine eventuelle Zukunft derselben zu ziehen. Der 29. März des Jahres 1830 ist der Geburtstag des Karlismus, einer der verderbenbringendsten Tage der spanischen Geschichte, der es verdiente, blutroth in jedem spanischen Kalen der angestrichrn zu werden. Dem Volke von Madrid wurde an jenem Tage ein königliches Decret verkündet, das die alte von Philipp V. im Jahre 1713 festgelegte Thronfolge-Ordnung um stieß und durch eine pragmatische Sanction auch eventuellen weib lichen Nachkommen des Königs die Thronfolge sicherte. Dies war eine offene Kriegserklärung, die Ferdinand VII. seinem Bruder Carlos entgegenschleuderte und die durch die Geburt einer Tochter am 10. October desselben Jahres, der späteren Isa bella II., praktische Bedeutung erhielt. Ueber die Rechtmäßig keit dieses Actes ist vielfach gestritten worden, für beide Par teien läßt sich manches Günstige und Ungünstige anführen; sicher aber ist jedenfalls, daß man damals allgemein das größere Recht des Don Carlos anerkannte, schon durch das unverantwortlich leichtsinnige Verfahren bewogen, das von Seiten der Regierung bei Verkündung des Gesetzes beobachtet wurde, das eigentlich kein solches war, da man es weder dem Cortes, noch dem Rathe von Castilien vorgclegt hatte, was man erst drei Jahre später in Verbindung mit der Huldigung für die Thronerbin zu thun für nöthig fand; sicher ist andererseits aber auch, daß die Meisten nichts dagegen einzuwenden hatten, wenn Gewalt vor Recht ginge. Die Hauptschuld hierfür trug unzweifelhaft der Prätendent selbst, das heißt, sie lag in seiner Natur. Don Carlos, von seinen Anhängern mit dem stolzen Namen Karl V. belegt, war in keiner Weise die geeignete Persönlichkeit, um das Volk zu einer Begeisterung für den rechtmäßigen König hinzu reißen. Seine treuesten Anhänger wissen ihn nur als einen Mann von strenger Rechtlichkeit und großer Herzensgüte zu schildern, der in ruhigen Zeiten ein ausgezeichneter Regent ge worden wäre; aber er hatte nichts in sich von dem Stoff, aus dem die Geschichte ihre Helden zu schnitzen Pflegt, er war kein Feld herr, kein Redner, nicht einmal eine imponirende Erscheinung, alles in Allem genommen, ein guter aber schwacher Mann. Dazu kam, daß er in seinen kirchlichen wie in seinen politischen An schauungen nichts weniger wie liberal dachte, ja er galt im Volke für so bigott, daß es Leute gab, die der Meinung waren, wenn der Jnfant zur Herrschaft kommen würde, sei auch die Inqui sition nicht mehr fern. Wenn es dennoch dem Karlismus ge lang, mehrmals den Sieg fast sicher in die Faust zu bekommen, so wirkten dazu die verschiedensten Umstände zusammen. Zunächst war die Lage der Regierung in Madrid beim Tode Ferdinand's VII. im September 1833 eine höchst ungünstige. Die Königin-Regentin Marie Christine war umgeben von einer Un zahl von Staatsmännern, Generälen, Cortesdeputirten und Höflingen, die Alle ein weit größeres Interesse an der Füllung ihres Geldbeutels sowohl wie an der Befriedigung ihres Ehr geizes als an der Sicherung des Thrones Jsabella's der Zweiten hatten. Außerdem war die Armee in denkbar schlechtester Ver fassung. Aber alles Das würde nicht genügt haben, um den Waffen des Prätendenten die Erfolge zu verschaffen, die sie sich in dem siebenjährigen Kriege erwarben, wenn das Schicksal nicht an die Spitze seiner Schaaren Männer gestellt hätte, die mit einer seltenen Feldherrngabe rücksichtslose Energie und glühende Begeisterung für die Sache, der sie ihr Leben geweiht, verbanden, Taille und losem, vorn offenem Jaquet bestehend, in Mode. Es zeigt sich dabei wieder einmal, daß die Mode keineswegs so launenhaft ist, wie man annimmt, sondern daß sie sich bei dem, was einmal als praktisch ausprobirt ist, sehr standhaft zeigt. Die feste Taille wird hauptsächlich benutzt, um beim Diner würdig zu erscheinen, während der Fahrt, während kleiner Touren wählt man die lose Blouse und zieht das Jaquet je nach dem Wärmebedürfniß darüber. Die Blouse ist jetzt fast immer das „Blousenhemd". Seidene Blousen trägt man im Sommer nur noch sehr wenig, und wo sie erscheinen, nehmen auch sie die Hemdform an, d. h. sie sind in der Art eines Herren hemdes hinten mit Sattel, dem sich eine flache Kräuselung anschließt, gearbeitet, haben vorn ein paar breite Quetschfalten, hohen Kragen und steife Manschetten, die noch durch eine gleiche Garnitur aus weißem Leinen bedeckt werden. Im Ganzen herrschen die farbigen Leinen- und Baumwollstoffe vor, besonders die carrirten Zephirs. Man hat die verschiedensten Caros: ganz bunte in allen Farben des Regenbogens, zartbunte mit viel weiß, die sehr freundlich wirken, ungemein viel auch ganz hellgrün und zartblau mit weiß durcheinander carrirl. Las Caro wird bei den Blousenhemden stets gerade verarbeitet, so daß sich trotz aller Falten die Querstreifen deutlich verfolgen lassen, — ein Anblick, an den man sich erst gewöhnen muß und der nicht über allen Zweifel hinaus schön ist. Der schwarze Herrenshlips und die unerläßlichen steifen weißen Kragen und Manschetten sind für die Reise weder bequem noch praktisch, aber sie geben dem ganzen Anzug einen Hauch von strenger Frische und Ordnung, so daß wir deshalb auch gern die kleine Unbequemlichkeit, Hals und Handgelenke in der Sommerhitze mit steif gestärkten Schienen zu umgrenzen, in den Kauf nehmen. So sportmäßig wie der Oberkörper ist für die Reise auch der Kopf bekleidet. Ueberall dominirt der kleine flache Stroh hut, entweder meist mit schwarzem oder farbigem breiten Bande, oder mit weißem Kopf und farbiger Krempe. Er hat weiter keine Garnitur, höchstens daß in das Band ein paar Feder posen gesteckt werden, oder daß man einen gestickten Tüllschleier und wenn in seinen Armeen selbst nicht das beste Menschew? material gefochten hätte, was Spanien überhaupt aufzuweisen hat. Am Anfänge des Krieges, es war das Ende des Jahres 1833, als Don Carlos seinen Protest gegen die „Usurpatoren" in Madrid erließ und zu den Waffen griff, nachdem er lange und kostbare Zeit durch Zögern verloren — sah die Sache für ihn trostlos aus, in wenig Wochen waren seine Anhänger im alten Spanien zu Paaren getrieben, seine Sache war verloren, da er hoben sich im nördlichsten Theile der Monarchie die drei bas kischen Provinzen Biscaya, Alava und Guipuzcoa zu seinem Gunsten, auf den unzugänglichen baskischen Bergen und an vem herrlichen Ufer des Ebro erscholl einstimmig der Ruf: „Vivu 0arlo8 tjuinlo!" Es war gewissermaßen eine Dankesschuld, die die Provinzen dem Prätendenten abstatteten, wenn sie im Kampfe für ihre Privilegien — denn diese waren der eigentliche Grund ihres Aufstandes — den Thron Karl's des Fünften auf ihre Fahnen schrieben; hatte doch Don Carlos seinen Bruder vor Jahren seiner rechtlichen Gesinnung angemessen an der Auf hebung dieser Privilegien verhindert, die durch ihre garantirte Zoll- und Militairfreiheit sowie durch ihre sichergestcllte Selbst verwaltung die Abgeschlossenheit der Provinzen gegenüber dem übrigen Spanien und somit ihre ganze Bedeutung repräsen- tirten. Durch die liberale Regierung in Madrid waren sie von Neuem bedroht, Carlos dagegen hatte sie beschworen und auf sein Wort konnte man bauen. So brach denn der Krieg mit aller Gewalt los, um mit wechselndem Erfolge von den beiden Par teien durch manche lange Jahre hindurchgeführt zu werden. Deutsches Reich. 8. Berlin, II. Juni. Ein englisches Blatt hat dieser Tage berichtet, daß Spanien an Frankreich eine der balkarischen Inseln ablreten wolle; eS hat ferner hinzu gefügt, daß auch an Deutsch land, und zwar an der marokka nischen Küste, eine Kohlenstation abgetreten werden würde. ES mag sein, daß der Berichterstatter des englischen Blattes irgend eine harmlose Aeußerung einer nichtverantwortlichen Persönlichkeit für eine Thatsache genommen hat^ eS mag auch sein, daßdaSBlatt nach einer gerade beiden Engländern sehr beliebten Methode auf den Strauch hat schlagen wollen. In jedem Falle kann die Mittheilung als den Thatsacken ent sprechend nicht angesehen werden. Daß für Deutschland eine Anzahl von Kohlenstationen höchst wünschenswerth wäre, um nicht länger von der Laune anderer Mächte abhängig zu sein, weiß jedes Kind; eS ist aber nicht anzunehmen, daß gerade im gegenwärtigen Augenblicke Verhandlungen über verartige Fragen schweben. Es ist dies um so unwahrschein licher, als die Spanier wohl nicht im Zweifel darüber sind, daß auch durch die Abtretung einer Kohlenstation Deutsch land aus seiner strikten neutralen Haltung nicht abgebracht werden kann. 6. II. Berlin, 11. Juni. Die Anarchisten, welche eine Zeit lang zu einer Betheiligung an den Wahlen entschlossen zu sein schienen, haben sich nun doch dahin entschieden, gegen eine solche Betheiligung Stellung zu nehmen; morgen werden sie ein Flugblatt herauSgeben, daS sich gegen die Wahl resp. gegen ihre „volksversumpfende Wirkung" richtet. Die „Genossen" sind aufgefordert worden, dieses Flugblatt vor und am Tage der Wahl nach Kräften zu ver treiben, man hofft dadurch wenigstens einige tausend Stimmen den Socialdemokraten zu entziehen. Interessanter noch, als dieser „Bruderdienst", den die Anarchisten den Socialdemo kraten zu leisten trachten, ist die öffentliche Aufforderung des Vertrauensmannes Großmann an einen bekannten „Ge nossen", Rechnung zu legen über die Verwendung der bei der Matinöe am 7. November vorigen IahreS bei einem Kränzchen zu Gunsten des Genossen Ruff eingekommenen Gelder, und vie folgende Warnung Großmann'S: „Ver schiedene Unzuträglichkeiten, die sich in der letzten Zeit au« dem Sammeln auf selbstgefertigten Listen her leiteten, sowie überhaupt die Uncontrolirbarkeit deS Verbleibs der Gelder in solchen Fällen machen eS nothwendig, daß ich hier darauf Hinweise, daß nur bei den von mir ausgegebenen auf der Krempe leicht, wie zufällig, aufnestelt. Daneben giebt es auch Tiroler Hüte aus Stroh, mit sehr hobem Kopf, mit breitem grünen Sammetband, mit ein paar Spielhahnfedern geschmückt. Sie sehen unternehmend aus und erwecken die Vor stellung von Schweizer Bergen und halsbrecherischen Gletscher touren, während in Wirklichkeit für diese sonst nur das leichte Filzhütchen in Anwendung kommt, das allerdings weniger an genehm im Tragen, dafür aber unverwüstlich wetterfest ist. Handelt cs sich um ernsthafte Hochgebirgstouren, so darf von keinem willkürlich zusammengestellten Phantasiecostüm die Rede sein, sondern es kann nur ein strenger, genau ausprobirtcr Anzug in Betracht kommen, und zwar folgender. Als Stoff regen- und wetterfester Loden in einer neutralen Farbe, am besten grüngrau oder steingrau. Fußfreier Rock, der auf den Hüften durch Stoffpattcn mit Knöpfen noch mehr verkürzt werden kann, an Stelle der Jupons ein Beinkleid aus Loden, weit faltig, unter dem Knie mit Gummizug anschließend ge macht. Blousenhemd aus Flanell, Jacke, die sowohl offen als über der Brust geknöpft getragen werden kann. Kein Corsct, sondern ein Rockträger, dem sich die Strumpfhalter, die das Strumpfband praktischer ersetzen, anschließen, oder höchstens ein ganz kurzes, sehr weites Corset aus durchlässigem Stoff mit wenig Fischbein und Gummibändern anstatt der Seitentheile, um ver Brust beim Steigen ein möglichst tiefes Athmen zu ge statten. Damit die Gestalt etwas Halt bekommt, wählt man einen breiteren Gürtel aus Stoff oder Leder, der jedoch auf keinen Fall eng sein soll; an der Seite hängt wohl ein Täschchen für Portemonnaie und Schlüssel, auf dem Rücken wird der Rucksack mit dem Nothwendigsten an Wäsche und Toilettensachen getragen. Es sind Costüme, die unserem Radfahranzug aufs Haar gleichen, aus denen dieser in zierlicherer Form hervor gegangen ist — die Modeberichterstatterin tritt ihnen un- muthig gegenüber, es läßt sich so wenig darüber sagen, denn sie stehen in ihrer ausgeprobten Form über der Mode und werden sich voraussichtlich noch lange unverändert so erhalten. Da ist es schon erfreulicher, sich den Costümen für den Auf-
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