02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.02.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960222022
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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HKRyMto» ist Voch»t4-« »aoatttbrech«, »M ftü» » di, ,b«d» 7 Udr vtt- «em»', Soni«. (Alfred Hahn). Uitversitättsttab»1, Laut» SSfche, Katharlnenstr. 14, viel. und KöaigSplatz 7. Abend-Ausgabe. MpMcr. TaMaü Anzeiger. Amtsblatt -es Lönigkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Vosizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Amzeigen-PretA die 6 gespaltene Petitzeile SO Pftz. Reklamen unter dea, RedsettouSftrich (Sa» spalt,«) bv>4, vor den Familtranuchrichk» (S-espaltra) Gröbere Schrift«» laut oulrrem Peei». vrrjeichnltz. ^abrllarilchrr und ZtsserMS» «ach höherem Tarif. Ertra,Beilage» (gesalzt), aa» mit de, Molge«.«u»aab», oh«, Postkrf-chemmg ^ti SV -, mit Vostdrfßrdeeuus 70.—. A««atzmeschl»ß fir Auzeire»: «d,»d AaSgaSe Vonnitta-S 1y Uhr. Marge «»Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Für die Wontag»Morgra»A««gabe: Sonnavend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestelle« je eine halbe Stunde frätzrr. Anzeigen sind stet» an d,« Erpetzitwu zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig. ^°86. Sonnabend den 22. Februar 1896. Sv. Jahrgang. Ven Gegnern -er Wahlreform-Vorlage. * Während bei un» in Täcksen die Gegner der Wahl- gesetz'Vorlag» ihre Gegnerschaft hauptsächlich damit de» gründ«», daß ei» derartige» Gesetz die Soeialdemokrate» voll» ständig au» der Zweite» Kammer «»»schließen und dadurch der Arbeiterbevölkeruitg die Gelegenheit entziehen werde, ihre Wünsche und Bedürfnisse zur Kenntniß der Regierung und der Laude-vertretung zu bringen, hat Hrrr Bebel in her RrichS- tag»sttzung vom 15. d. M. wieder einmal die Auffassung kund gegeben, welcher die Soeialdemokratie bezüglich der Ausübung der parlamentarischen Tbätigkeit buldigt. Er apostrophirte die ReichStag-mitglirder mit den Worten: „Ich spreche, wenn ich z« Ihne« zu sprechen pflege, nicht blo« zu Ihnen, meinen College», sondern zu den Millionen draußen im Lande, die unsere Verhandlungen lesen. Und e» kommt mir unter Umständen weit mehr darauf an, zu jenen Millionen zu sprechen, al» zu Ihnen, weil ich weiß, daß draußen bei den Millionen meine Worte öfter mehr Anerkennung finden, als hier im Hause." „Dieses offene Eingeständniß de» agitatorischen Zwecke» der socialdemokratischen Reichstags- reden" — schreibt die „Nationallib. Corr." — „illustrirt vor trefflich da, Auftreten des Abg. Bebel und seiner Genossen in den letzten Sitzungen de» Reichstags. Es entspricht auch vollkommen der Stellung, welche die Gocialbemokralie in? Allgemeinen principirll zu der Parlamentarischen Tätigkeit eingenommen hat. Der officielle Bericht der sorialdemokra- tischen ReichStagSfraction, der dem BreSlaverParteitag erstattet wurde, bezeichnet di« Reduerbühnr d»S Reichstag als die „einzig« Stätte, an der im deutschen Reiche noch eine ge wisse (I) Redefreiheit herrscht", al» „die GerichtSstätte", wo »die arbeitende und besitzlose Claffr ihr prtheil spricht", und rühmt der Fraktion nach, daß sie von dieser Stätte auS eine „im ganzen Lande vernehmliche Kritik an der herrschenden Mißwirtschaft" zu üben, genügt habe. Diese Auffassung entspricht auch der von socialbemokratischer Seite, so von Bruno Will«, offen an die Fraktions angehörigen gerichteten Aufforderung, „ihre Reden so rin- zurichten, daß sie zum Fenster hinaus sprechen", und ihr Mandat „lediglich ip agitatorischem Sinn« au«- zuübrn". Angesichts dieses System» muß immer wieder die Frage aufgeworfen werden, ob eS der Würde der Volksver tretung entspricht, daß die ihr zustehenden Recht« in dieser Weise mißbraucht werden zur fortgesetzten Aufwiegelung. Nehmen hi« Dinge ihren Fortgang wie bisher, so darf man sich nicht darüber Wundern, wenn da» Ansehen de» Parlament» in immer rascherem Tempo sinkt. Auf dir andern Seite bietet die Soeialdemokratie einen Maßstab ihrer Wahrheitsliebe, indem st« einräumt, zugestandenermaßen die gesetzgebende Körprrschaft lediglich al» «in«a AgitationShrrd zu be nutz«». Vie räumt damit ein, daß dir zweite Thril ihre» Programm», der die Mitwirkung an der Verbesserung der Lage der Arbeiter auf dem Wege der Gesetzgebung de» bestehenden Staate» verspricht, auf BolkSbetrug be rechnet ist." Wer sich die Mühe nimmt, die stenographischen Berichte über die Verhandlungen unserer Zweiten Kammer zu lesen, muß zu der Urberzeugung kommen, daß die in ihr sitzenden socialdemokratischen Abgeordneten sich genau an daS Vorbild Bebel'» und seiner FractionSgenosien im Reichstage halten, genau die Mahnungen Bruno Wille'S befolgen, durch ihre AgitationSreven die ersprießliche Tbätigkeit der Kammer hemmen und dadurch den Hauptzweck dieser Reden — die Unzufriedenheit der Massen zu erregen und zu steigern — um so sicherer erreichen. Nock ist ja, obgleich in unserer Zweiten Kammer bereits verhältnißmäßig mehr Socialdemokraten sitzen, als im Reichstage, infolge der übrigen Parteiverbältnisse in unserer Kammer eine Lahmlegung der Tbätigkeit dieser Körperschaft nicht eingetreten. Aber es wäre leichtherzig, wenn man dir Möglichkeit eines weiteren Anwachsens der socialdemokratischen Mandate für unsere Zweite Kammer ableugnen wollte. Bekanntlich wissen die socialdemokratischen Bienen „Honig" auS jeder Blume zu saugen. Es brauchen nur in die Zeit unserer LandtagSwahlen unpopuläre Vorlagen für den Reichstag zu fallen, um auch unseren socialdemokratischen Hetzaposteln wirksamen AgitationS- stoff zu liefern und die Zahl ihrer Wahlsiege zu ver mehren. Schon die Gerüchte, dir über große Flotten - Verstärkungspläne jm Umlauf sind, sichern diesen Aposteln neuen Anhang und geben ihnen Hoffnung auf Steigerung ihre» Einflüsse» in der Kammer. Wächst dieser aber so, daß die socialdemokratische Fraktion auch nur um eine Stimme über die Drittelminorität hinauswächst, so ist an ein Gesetz, da» eine Verfassungsänderung zur Voraussetzung habe« würde, nicht mehr zu denken. Dann steht das Pferd still, so tief auch di« ganze nichtsocialdrmokratische Mehrheit der Kammer sammt der Regierung von der Nothwcndigkeit einer solchen Aenberung durchdrungen seiit mag. Dem vorzubeugen, so lange r» möglich ist, ist eine Pflicht gegen den Staat, deren Verkennung eigentlich unbegreiflich ist. Tie wird aber noch dringlicher durch die Erscheinungen, die bei der jetzigen Bewegung für und wider die Wahl- reform-Vorlage zu Tag« treten. Wir haben schon gestern hervorgthobea, daß unter den Gründen, di« wenigsten» ein Thril der Gegner der Reform geltend macht, auch solche sich befinden, die für da» socialdemokratische Verlangen nach Ein führung des allgemeinen gleichen und directen Wahl rechts angeführt werden können. Wenn z. B. Herr Geh. Hofrath Prof. vr. Sohm sagt: „Können die Masse« sich nicht mit Grund aus ihre gleiche Wehrpflicht und ihre gleiche Steuerpsltcht berufen? Oder ist etwa ihre Steuerleistung ein« geringer», weil sie im Betrage hinter dea Steuern der Bermügenden zurückbleidt? Ich bin der Meinung, daß di« geringe Steuer de» Vermögenslosen al» Leistung einen größeren Werth besitzt, alS die leicht getragene hohe Steuer des Reichen " so muß da» nicht allein bei den Socialdemokraten die Ver- mutbung erwecken, Herr Professor vr. Sohm und seine Ge sinnungsgenossen seien für die Einführung de» allgemeinen gleichen Wahlrecht» und würden für diese Einführung mit derselben Energie und denselben Mitteln eintreten, mit denen sie jetzt gegen die Wahlreform-Vorlagr agitirrn. Wenn in der Thal die vom Reiche auferlegte gleiche Wehrpflicht das - llgemeine und gleiche Wahlrecht auch in den Einzelftaatrn bedingte, so wäre eS eine Ungerechtigkeit gröbster Art, wenn man gerade den Aermsten dieses Wahlrecht abschnriben wollte. Ja, noch mehr. Wäre die gleiche Wehrpflicht maßgebend für daS Wahlrecht in den Einzelstaaten, so wäre es auch eine grobe Ungerechtigkeit, dieses Recht an das Alter von 25 Jahren zu knüpfen und eS nicht, wie die Socialdemo kraten wollen, schon Denen zu verleihen, die daS 21. Lebens jahr vollendet haben. Unsere Socialdemotraten müßten nickt sein, was sie sind, wenn sie solche Aussprüche, wie die des Herrn Prof. vr. Sohm, nicht ausnutzcn würden zu einer gewaltigen Agitation für Ein führung des allgemeinen gleichen und directen Wahlrechts für Alle, die da» 21. Lebensjahr vollendet haben. Mit voller Sicherheit kann man Voraussagen, daß eine solchs Agitation in Scene gesetzt werden und daß in den Händen der Agitatoren eine Fahne wehen wird, auf der mit großen Buchstaben die Worte Sohm'S prangen. Daß eine solche Agitation auch bei einem großen Thril der Antisemiten An hänger fände, ist bekannt. Sie kann also eine große und bedenkliche Ausdehnung annehmen, die eine ganze Anzahl neuer socialdemokratischer Abgeordneter in unsere Zweite Kammer führen müßte, wenn nicht bei Zeiten ein Damm errichtet würde. ES ist mithin von größter Wichtigkeit für da» Land, genau zu wissen, wie Herr Geh. Hvfrath Prof. vr. Sohm und seine Gesinnungsgenossen zu der Frage der Einführung de» allgemeinen gleichen Wahlrecht» in Sachse» und der Herabsetzung der Altersgrenze von 25 auf 21 Jahre sich stellen. Sind die Herren consequent, ist eö ihnen heiliger Ernst mit der Annahme, daß die gleiche Wehrpflicht maßgebend sein müsse für da» Wahlrecht in Sachsen, so wissen Regierung und LandeSvertretung, was dem Lande droht, welche Bewegung uns bevorstrht, welcher Unterstützung sie sich zu erfreuen haben wird und wie dringend nöthig eine vorbeugende Maßregel ist. Sind aber dir Herren nicht der Ansicht, daß eS rin Gebot der Ge rechtigkeit sei, vaS Wahlrecht in Sachsen allen unbescholtenen Staatsangehörigen zu verleihen, die da» 21. Lebensjahr vollendet haben; wollen sie nur das jetzt geltende Wahl gesetz erhalten oder eine andere al» die von der Regierung vorgeschlagene Aenderung mit ihm vorgenommen wissen: so ist eS ihre Pflicht, dir- klar unk unzweideutig zu sagen, ihre etwaigen Reformvorschläge zu machen und jene Worte zurückzunehmen, welche die Bevölkerung über die wahren Ansichten der Protestler täuschen und nur die Folge haben können, daß Regierung und Volksvertretung daS neue Wahl gesetz so schleunig wie möglich unter Dach und Fach bringen. Politische Tagesschau. * Lei-zt«, 22. Februar. In Frankreich war der Vrrfassungscouflict in einem Stadium angelangt, daS eine Lösung desselben zur zwingenden Notbwendiakeit machte, denn bei fortgesetzten gegenseitigen Pro testen von Kammer und Senat ist eine gedeihliche Wetterführung der Geschäfte undenkbar, ja nach der Erklärung des Minister präsidenten, er werke so lange in der Macht bleiben, wie ibm die Deputirtenkammer Vertrauen bewahre, hatte man es überhaupt nickt mehr mit einem verfassungsmäßig regierenden Ministerium zu tbnn, denn die Gleichberechtigung der beiden parlamentarischen Körperschaften, welche Bourgeois nicht anerkennt, ist constitutionellc Voraussetzung eines legitimen Regiments. Schon verzweifelte Alles an einem friedlichen Aus trag des Conflictes, da die Halsstarrigkeit de» Senates be kannt ist, auch das Ministerium nicht weichen wollte und die Zeit zu sehr drängte, als daß man auf einen völligen Umschwung in der Deputirtenkammer zu Ungunsten des CabinetS batte warten können. Da endlich brachte der gestrige SenatSbeschluß die Lösung. Zwar protestirten die würdigen Väter dieser ehrenhaften Körperschaft in volltönenden Worten gegen die Verletzung der Verfassung, welche sich VaS Ministerium, daS ohne den Senat weiter regieren wollte, batte zu Schulden kommen lassen, zwar betonte die Resolution das Recht auf die Controle des Senats und auf die Verantwortlichkeit der Ministerien vor beiden Kammern, aber dieser geharnischten Erklärung brach der Zusatz: „Der Senat will trotzdem nicht die gesetzgeberische Arbeit des Landes verhindern, er will, obwohl Gesetz und Recht auf seiner Seite ist, den VerfaffungSconflict nicht verschärfen und wird um de- allgemeinen Friedens willen sortfadren, über die Vorlagen des Ministerium- zu beratben", vollständig die Spitze ab. Ueber den Eindruck, welchen diese Unterwerfung d«S Senate- in Pari» macht, erhalten wir folgende Meldung: * Pari», 22. Februar. (Telegramm.) Die meiste« Blätter halten den Lonsliet für beendet; ander« sind der Ansicht, der Senat werde der Regierung auf dem Gebiete der Gesetzgebung Schwierig, ketten bereite«. Letzteres ist allerdings nicht unwahrscheinlich. Die Gelegenheit, welche der Senat ergriffen hatte, dem Ministerium Bourgeois ein Bein zu stellen, war eine wenig glückliche, und man darf bei dem Haß, welcher den „Großen Rath der Gemeinde Frankreich-" gegen daS radikale Ministerium nun in verstärklem Maße erfüllt, an nehmen, daß dem ersten Vorstoß bald ein besser vorbereiteter zweiter folgen wird. Jedenfalls aber hat für den Augenblick das Ministerium gewonnene- Spiel, und der Radikalismus unk der SocialiSmuS triumphirea. Frankreich ist einen Schritt weiter vorwärts gegangen auf der schiefen Ebene, welche zur vollständigen Demokratssiruug und Proletarisirung der Staats gewalt führt. Wenn der italienische Ministerrath gestern auf das bringende Ersuchen Baratieri's abermals beschlossen hat, Verstärkungen nach Abessinien zu entsenden, so ist nur zu hoffen, daß dieselben rechtzeitig eintrefien, denn trotz der erfolgreichen Zurückweisung de« verräthrrischen UrberfalleS einiger zum Negu« übergrgangrnen Banken, welche fick deS Alequa-PasseS (zwischen Adua und Avigrat) bemächtigen wollten, ist die Situation für Baratteri eine wenig günstige, denn der Abfall eine» Theil» der bisher treuen Ein geborenen und die Mangelhaftigkeit v«S Nachrichtendienstes sind ein Zeichen dafür, daß der General der Bevölkerung Seine „dumme" kleine ^rau. 7s Roman von A. Klinck-LütetSburg. Nachdruck verboten. Sr erhob sich. Mit verschränkten Armen durchkreuzte er ein paar Mal da» Gemach. Dann blieb er einige Lmaen- biicke in d«r Mitte de» Zimmer» stehen, scheinbar in Nach denken versunken. Dir Lauschende konnte jetzt jeden Zug seine» Gesichte» erkennen. E» erschien ihr minder bleich, al» e- in drr letzten Zeit gewesen war. Nun wandte er sich link», wie einem raschen Entschluß folgend. Er kam nicht gleich wieder zum Vorschein. WaS wollte «r dort? Und warum legte sie diese Frage sich vor? Warum zitterte sie so heftig, daß sie sich kaum aus den Füßen erhalt«» konnte? Ei» leiser, nnterdrückter Schrei kam von ihren Lippe», ihre Hand tastete »ach irgend etwa», woran sie sich halten, stützen konnte, und i'bre Finger griffen nach dem Ring der Jalousie, die jetzt raffelnd auf dir Fensterbank schlug. Da» Winseln de» Hunde» verwandelt« sich in ein kurze» Geheul. Beim Herabspring«» vv» der Leiter hatte Lisa da» Tbier hastig zur Seite -Kobra und eilte nun in da» Hau», um aleich darauf an die Thür de» Zimmer» zu klopfen, in welchem sie den Vrud«r wachend wußte. Drinnen blieb Alle» still. „Wolk, öffne I" befahl sie mit fester Stimme, und doch droht« d» Angst ihr die Kehle zusammrnzuschnürrn. „Du mußt öffnen, Mols, ich beschwöre Dich, laß mich nicht ver geh«»» hitttn l Ich habe Dir Drin-rodr» zu sagen, etwa«, da« krin« Miaut« Aufschub leidet. Soll ich an Dir irre werdrn? Habe ich Alle» dabingrgeben, damit ,ch rrkeaae, daß Du dsr Opfer nicht wrrth warst?" Noch immer kein« Antwort, aber Lisa hörte de» Bruder» Schritt. Eine Sckrankthür wurde -«öffnet, dann ein Schlüssel um-edrrht. In einer weiteren Minute stand Hrrr von Grri- fingen -risterbleichrn Angesicht« seiner rbrnso bl«»ch«a, entsetzten Sch Wesirr -r-rnübrr. »Was wrllst Du, Lisa? Woh«r kommst Du zu dieser VAmy«?" »Diese Frag« kann nur eia barmherziger und gütiger Gott beantworten", entgegnet« sir, da» Zimmer »»tretend, indem sie die Thür binter sich schloß. „WaS ich will? Bei Dir bleiben, Wolf, bis Du Dich srlbst wiedergefunden bast. Du mußt von Sinnen sein, armer, lieber Bruder! Wie hättest Du mit Deiner aufopfernden Liebe für uns Alle einen so grauenhaften Entschluh fassen können? Nun lasse ich Dick nicht mehr. Ich muß wtssen, WaS geschehen ist, jetzt gleich." Sie hatte ihren Arm um den Nacken des Bruders ge schlungen und hing weinend an seinem Halse, ihrem ge preßten Herzen in heißen Thränen Luft machend. Nun erst war da» letzte Glück, di« letzte leise Hoffnung dahin. Zu all dem Leid fortan von dem quälenden Gedanken verfolgt werden, daß die grause That, welche wie durch ein Wunder, in dieser Stunde, infolge ihres DazwischentretenS, verhindert worden war, zu einer anderen Zeit, wenn abermals Ver zweiflung den unglücklichen erfaßte, begangen werden könne, dünkte sie mehr, als sie ertragen konnte. Herr von Greifingen aber stand regungslos, finsteren Blicke« auf daS blonde Haupt drr geliebten Schwester herab blickend. In seinen Augen glühte ein unheimliche- Feuer, seine Arme waren schlaff an dem Körper herabaesunken, in seiner ganzen Haltung lag etwa» vollständig Gebrochene«. Lisa'» Worte hatten ibn getroffen. Sie erinnerte ihn an die Liebe, welche er den Seinen gegeben; aber konnte er sie besser brthätigrn al», indem er selbst sich zum Opfer brachte? Noch sand er keine Worte und doch mußte er der herz brechend Schluchzenden etwa» sagen, «ine Erklärung geben. Ja — wenn er e» that, so würde sie, die alle Zeit m seiner Seele zu lesen verstanden, seine Handlungsweise begreifen, vielleicht — einer Meinung mit ihm sein. „Du hättest mich nicht hindern sollen, Lisa, den einzigen Weg »u geben, drr mir nach dem heutigen Tage noch übrig -«blieben ist. Er allein führt au» dem Labyrinth einer un verdienten Schande und Schmach, die «lende Menschen auf meinen Namen zu werfen unablässig bemüht sind. Noch ist e< Zeit. Mein Tod allein kann Euch vor der Aussicht retten, dea Namen eine» Manne» zu tragen, der früher oder später in den Augen drr Welt al» ein Criminalverbrecker dastehen wird. Sie werden nicht rasten, noch ruhen, bi» sie ihr Ziel erreicht haben, und schon ist rin gut Stück Wege erfolgreich von ihnen zurückgelrgt. Ick bin ei» Geachteter, Wehrloser. DaS Urtherl eine» von vorurthrilrn befangenen Richter» hat mich^für meine Gegner vogelfrei erklärt." „Mein Gott, Wolf, sprich deutlicher, ich verstehe ja nicht» von Allem, wa» Du da sagst", ries Lisa au». „Wenn Du von einer Schuld freigesprochen bist — dann — darf Niemand mehr wagen, Deine Schuldlosigkeit zu bezweifeln." Ein bitteres Lächeln umspielte Herrn von Greifingen's Mund. „Und wenn cs der Rickter selbst thut, Lisa?" „Oh, ob!" stieß sie ausstöhnend bervor. Einen Augenblick hatte eS den Anschein, als ob die letzten Worte Kes Bruders niederschmetternd auf sie gewirkt, aber nur einen Augenblick Dann richtete sie sich wieder ans und es machte nun den Eindruck, als habe sie plötzlich den letzten Rest der Unruhe und Herzensangst abgeschüitclt, die in dem Ausdruck ihres feinen, blassen Gesichtes sich zu erkennen gegeben. Selbst ein leises Roth schimmerte auf ihren Wangen. „Du siehst ein, Wolf, daß ich Deine Andeutungen nicht verstehen kann", fügte sie mit fester, klarer Stimme hinzu. „Die Aufregung, die Dich beherrscht, bat Tein Denken ver wirrt. Erkläre Dich! Komm, setze Dich zu mir und erleichtere Dein Herz! Vielleicht — Du hast mich doch bi-weilru Deinen Rechtsanwalt genannt." . In den letzten Worten lag sogar ein Klang von Schalk haftigkeit, so wenig ein solcher zu den Gefühlen paffen wollte, von welchen sie beherrscht wurde. Sie verfehlte mit ihm ihre Absicht, den Gedanken des Bruder« eine andere Richtung zu geben, nicht. Er ließ sich ohne ein weiteres Wort von ihr nach dem Svpba geleiten, um sich an ihrer Seite auf dem selben niederzulassen. „Nun erzähle, aber möglichst, ohne Dich wieder aufzuregen. Halte doch nur den einen Gedanken an Deine Unschuld fest und dann den andern, daß ein guter Gott unser Schicksal lenkt, ob auch seine Wege un« so oft unverständlich bleiben. Wenn man Dir heute Unrecht grtban, so muß e» Mittel und Wege geben, die» auSzuglrichen. Du wirst Berufung gegen «in ungerechte- Uribeil einlrgen." „Ich bin ja freigesprochrn, Lisa und eben diese Frei sprechung, die ganze Art der GericktSverbandtung sagt mir, daß ich nicht« zu hoffen habe, jemals den Schandfleck von meinem Namen genommen zu sehen. Der Richter war von einem Borurtbeil gegen mich erfüll», da» meine schlimmsten Befürchtungen übertraf." „Wer war Vorsitzender?" „Amtsrichter Borner." Eine heiß« Gluth drängte sich in Lisa'« Wangen. „Nagel'» Freund", kam e» mit einem Seufzer über ihre Lippen. „Wie kann sich Alle» nur so unglückselig treffen, Wolf! Nagel wird mir nie vergeben, daß ich seinen Antrag abgelehnt habe." „Gewiß nickt, Lisa. Der Richter war beeinflußt — eS kann nicht ander» sein. Ich habe Börner al» einen gerechten und unparteiischen Richter nennen höre». Mir gegenüber war rr'S nicht. Er hat den offen zu Tage getretenen Mein eid ignorirt und, indem er Biedermann al« einen dummen Tölpel darzustellen versucht, mich al« einen Betrüger, der durch Schlauheit gesetzlicher Straffälligkeit sich entzogen, ge- brandmarkt." Herrn von Greifingen's Stimme war klanglos, sein Blick in« Leere gerichtet und seine Hand umschloß die der entsetzten Schwester mit schmerzendem Druck. Eine bange Pause trat ein. WaS konnte sie sagen? „Und Dein Bertbeidiger, Wolf?" „Oh, Lisa, mein Bertbeidiger I Sein Wunsch, mich freigesprochrn zu sehen, ist erfüllt, mehr brauchte und wollte er nicht." Uno wieder trat eine Pause »in, auSgefllllt mit den qualvollen Erinnerungen aus der einen und dem vergeb lichen Ringen nach Worten de» Trostes aus der andern Seite. „Wolf, Du mußt gegen da» Uriheil Berufung einlrgen", sagte Lisa endlich. „Ich sprach bereit- mit Herrrngrund davon. Er hatte kein Verständniß für diese meine Absicht, ja, er rieth ent schieden ab. Di« kleine Geschichte würde bald vergessen sein, durch die Berufung könne sie nur breiter getreten werden und ich nicht« dabei gewinnen, sondern eher Gefahr laufen, vor der Strafkammer zu Gesängniß verurtheilt zu werdrn. Ich dürfe mich freuen, daß e« so abgrgangrn sei." Nun saß Lisa doch wieder bleich und still, lanae, lange Zeit, ganz mit ihren trübseligen, hoffnungslosen Gedanken beschäftigt. Nur einmal fuhr sie liebkosend über die eiskalte Hand de« Bruders, welche sie noch in der ihren hielt. Sie batte seither an dem Glauben, daß auch bei ihnen wieder Friede werden würde, festgehalten, in dieser Stunde gab sie ihn verloren. Wenn sie trotzdem noch einmal ibre kleinmüthige Stim mung zu beherrschen versuchte, io entsprang die» mehr einer von ihr erkannten Notwendigkeit, dem gebrochenen Manne an ihrer Seite, wenigsten» vorläufig, Trösterin werben zu müssen, um ihn einer vollendet scheinenden Hoffnungslosigkeit zu entreißen, deren Folgen ihr furchtbar kiar geworden waren, al« der Zuversicht, di, mit Worte« auSzubrückea sie bemüht war.
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