Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.02.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960224014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896022401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896022401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Ausgabe ohne Seitenzählung
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-02
- Tag1896-02-24
- Monat1896-02
- Jahr1896
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
LSS-LS I» 6 - 0 ' 0. L. » v. S. > U. «. « S. «. o n dr li. s. 6 >r«c >.57 ,75 >,40 ,50 !,50 !,50 l,«s 85 7 5 8 6. !k. 0,— 5.50 7, — S,10 5.50 S.20 7,Ü0 c>,8o 7,90 »so s, so 7.40 r,so j,— i.10 ),so 7.50 t, 70 r^u )^L0 .,40 1,50 »,80 ',70 ,20 .SS 8 25 so .75 25 kr. .ü>- ;o LI» Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr. it» Adeub-AnSgab« Wochentag» um 5 Uhr. Re-action vn- Lrve-ition: Johanne»,affe 8. LK Ekvehitiou ist Wochentag» ununterbrochen pSfiue» vo» früh 8 bi» Übend» 7 Uhr. Bezugs-Preis Da h»r Haupterpedttio» oder den im Stadt. H«trk und den Vororten errichteten An«, aaoestrllen abgeholt: viertel,ührl ich 4L0, bei zwetmaliaee täglicher Zukellang in» Hau» ^l ächL Lurch dir Post bezogen für Leutschland und Oesterreich: vierteljährlich a.—, Lirertr tägliche Krruzbaodieuduug Ins Ausland: monatlich 7^0. Filialen: ktt« Ale««'» Sortlm. (Alfretz Hahn), Universität«strahe 1, Laut, Lösche, Natharinenstr. 14, pari, nnd KönIgSplatz 7. Morgen-Ausgabe. tiWger TagMalt Anzeiger. Amtsblatt des Äöniglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Molizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die Egespattene Petitzeil« LO Pf-. Reklamen unter demNedactionsftrich (4g» spalten) 50^, vor den Kamilimnachrtchteu (S gespalten) 40/-. Größere Schriften laut unserem Peri»- verzeichn iß. Tabellarischer nnd Atffeensatz nach höherem Laris. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesördernng ^l 70 ^nnahmeschlnß für Anzeigen: . Abend-Ausgab«: vormittag» 10 Uhr. Morg«n-Au»gabr: Nachmittags 4 Uhr Für die Montag.Morgen-Ausgabe vonnakknd Mittag. Bei den Filialen nnd Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anzeigen sind stet» au die Expedition zu richte«. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 88. Montag den 24. Februar 1896. 90. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachung, hie Musterung der Mtlttatrpflichtigen im AuShebungSbezirke Leipzig-Stad« I betreffend. In Gemäßheit § 62,2 der Wehr-Ordnung vom 22. November 1888 mach, ich hierdurch bekannt, daß die Musterung im Au», heduagsdezirke Leipzig-Stadt 1 deu 8, 1V, 11., 12., 12., 14., IS., 17., 18., 1V., 20., 21., 23., 24. 2»., 2«., 27 , 28., SV. und 81. Mär», 1., 8., S., 1v. und 11. April dieses Jahre», früh 8'/, Udr, dir Looiuug jämmtlicher militair. pflichtiger Mannschaften genannten AushebungsbezirkS den 14. und 1L. April dieses Jayre» früh B Uhr tu der Ceiitralhallr, Eentralftratze 2 — Weitzer Saat — allpier, stattfinden wird. All» im Stadtbezirke Leipzig (mit Einschluß von Anger- Trottendorf, Reudnitz, Rrureudnttz, Thonberg, Volkmars- dorf, Sellerhausen. Reusellervaujeu, Reuschönesel» Renftadt, Sohlt«, Eutritzsch, Linden»», Plaawitz, »1 iuzschocher, Schleutztg, Connewitz und Lötzntg) aufhältlichen, im Jahre 187S geborenen männlichen Personen, deren Familiennamen die Anfang»buchftaben 4 — u haben, soweit sie von der Ge stellung zur Musterung nicht ausdrücklich entbunden sind, sowie diejenigen Militairpflichtigen früherer Jahrgänge, deren Familien namen gleichfalls dir Anfangsbuchs«-den 4—L und welche noch keine destnitivr Entscheidung durch dir Ersatz-Behörden erhalten haben, werden hierdurch ausgcsordert, sich pünktlich an einem der ge- dachten Musterungslerinine nach Maßgabe der ihnen noch zugrdenden Grstellung-befehlr zur Vermeidung der ZwangSvorführn. g und der im 8.26,7 in Verbindung mit 38. 62,ü und 66,3e der Wehr-Ordnung augedrolprn Strafen und Nachtheil« zur Musterung persönlich zu gesiellen. Mililairpflichtige, welch» durch Krankheit am Erscheinen im festgesetzten Musterungstrrminr verhindert sind, haben ein arztliche» Zeugnitz einzureichen, welches, dasern der oussiellende Arzt nicht amtlich augestellt ist, durch die Polizeibehörde beglaubigt sein muß, dahingegen ist denselben da» persönliche Erscheinen im Loosungs- terminr freigesteüt und wird sür diejenigen, welche im Locol« nicht anwrsrod sind, durch «in Mitglied der Ersatz-Commission das Loo- gezogen werden. Antzcrbe« wirb noch Folgende» zur Beachtung bekannt gemacht. Jeder Mililairpflichtige kann sich im Musterungstermine unter Verzicht auf seine Loosuummer freiwillig zur Aushebung melden, r» erwächst demselben jedoch hieraus kein besonderes Recht auf die Auswahl der Waffengattung oder des Truppentheils, nur gelangen derartige Mannschaften in diesem Falle in erster Linie zur Aus« Hebung. Militairpflichtige ferner, welche an Epilepsie zu leiden be haupten, haben auf eigene Kosten drei glaubhafte Zeugen hierfür zu stellen und abhören zu lassen, oder ein Zeugniß eines beamteten Arzte» brizubringeu. Dir bezügliche» Protokolle rvent. ärztlichen Zeugnisse find spätesten» im Mnfterungotermine vorzulegen. Desgleichen ist jeder Militärpflichtige sowie seine Angehörigen berechtigt, spätesten» im MusterungSterminr Anträge aus Zurück stellung oder Befreiung von der Aushebung zu stellen. Dir Be theiligt,u haben da» Recht, ihr» Anträge, welche beim Stadtrathe zu Leipzig auzubrtngro sind und zu welchen daielbst Formulare vor- räthig gehalten werden, durch Vorlegung von obrigkeitlich beglaubigten Urkunden und Stellung von Zeugen und Sachverständige» zu unter stützen. Zurückstellung», dez. Befreiungsaiiträge, welche sich aus dir Arbeit»- uud Aussichtsunfähigkeit der Eltern de» Militär- pflichtigen stüpeii, muffen, bafer» da» Zengniß eine» beamteten Arztes nicht brigebracht worden ist, durch ärztliche Uutersuchnug im Mufteruugstermiue bestätigt werden und Haven sich dieselben daher perföuUch mit einzufindrn. Die darauf zu rrtheilenden Bescheidungen werden dem Ge- stellungSpflichtigen im Termine eröffnet werden und sind Einsprüche gegen bi« abweisenden Entscheidungen der Ersatz-Commission bet der unterzeichneten Stelle unier Beifügung der nöthigen Nachweise und Bescheinigungen anzubringen. Zurückstellung»- bezw. Besreiungsanträgr, welch« von der Ersatz. Loinmtjfioa al» unbegründet befunden worden, unterliegen oyn. Rücksicht darauf, ob Einspruch er. oben worden ist oder nicht, der Revision und «adglitigeu Entscheidung der Königlichen Ober-Ersatz- Lominiision. Reklamationen und Anträge um Zurückstellung können nur dann berücksichtigt werden, wenn dieselben vor dem Mustcr»ngs>.eschäst UN» spätestens hei Gctegrnhett pcfsctbcn und zwar dergenalt angebracht werden, daß die nölhig werbenden Erörterungen noch rechtzeitig und vollständig erledigt werden können. Spätere Anträge dürfen nur dann zur Berücksichtigung gelangen, wenn die Veranlassung zu benielben erst nach Beendigung des MusterungsgeschäitS entstanden ist. Mit Rücklicht hierauf werdeu die Brtheiligteu veraniaßt, die bezüglichen Anträge rechtzeitig einzoreichrn. Leipzig, den 12. Februar 1806. Ter Livilvorsitzende der Königlichen Ersatz-Commission de» Auspedntigsbezirks Leipzig Stad« 1. Vl/l. 172. vr. Platz mann. Konkursverfahren. Ueber das Vermögen der offenen Handelsgesellschaft für Gas- nnd Wasserlelt.-Jnstallationsgeschäfr und Klempnerei unter der Firma: Ed. Wanschura, hier, Promenabenstraße 24, wird heute am 6. Februar 1896, Vormittags 9 Uhr, da- Konkurs- vrrsahrru eröffnet. Herr Reckt-anwalt Han» Barth ll. hier wird zum Konkursverwalter ernannt. KonkurSsorderungrn sind bi» zum 10 März 1896 bei dem 'N-.io * anzumrlden. ES wird zur Beschlußfassung über die Wahl eine» anderen Ver walter», sowie über die Bestellung eines Gläubigerausjchuss,- und eintretenden Falles über die in §. 120 der Konkursorduung be zeichneten Gegenstände — auf den 2«. Februar 18V6, Vormittags 11 Uhr, — und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen aui den 2V. März 18SV, Vormittags 11 Uhr, — vor dem unterzeichneten Gerichte, Zimmer 206, Termin anberaumt. Allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird auf- gegeben, nichts an die Gemeinjchuldnerin zu verabiolqen oder zu leisten, auch dir Verpflichtung auferlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkursverwalter bi» zum 6. März 1896 Anzeige zu machen. Königliche» Amtsgericht ,n Leipzig, Abth. H>, L. 20/96. Nr. 2. am 6. Februar >896. Bekannt gemacht durch den Gerichtsschrriber Secr. Beck. Gewölbe - Vermiethniig. In dem Neubau auf dem alten Gewanbhausgrundstücke sollen die folgenden, an der Universitätssiraße gelegenen VerkaufSgewölbe vom 1. October d». I». ab aus 6 Jahre vermieihet werben, und zwar Gewölbe Nr. 47, neben der Durchfahrt gelegen, ca. 78,4 qm groß, nebst dem darunter im Kellergeschoß gelegenen Lagerräume, ca. 63,8 qm groß, Gewölbe Nr 48. ca 95.7 qm groß, nebst dem ebenda gelegenen Lagerraum», ca. 87,5 qm groß, Gewölbe Nr. 49, ca. 54,5 qm groß, nebst ca. 52,1 qm großem Lagerräume, und Gewölbe Nr. 50, an der Ecke der Universitätsslraße und dem Kupiergäßchen gelegen, ca. 87,7 qm groß, nebst ca. 82,0 qm großem Lagerräume. Mietbgesuche werden aus dem Rathhause, 1. Obergeschoß, Zimmer Nr. 8, entgegengenommen. Leipzig, den 10. Februar 1896. Tcr Rath der Stadt Leipzig. Or. Tröndlin. Krumbiegel. Die Königliche porManmanufactur zu Meißen. Geschichtliches und Technisches. Nachdruck «erboten. Die Porzellanfabrikalion, in welcher die Töpserkunst ibre höchste Stufe erreicht bat und darin, ohne Uebertreibung, wahre Triumphe feiert, ist bekanntlich eine uralte Erfindung der Chinesen. Muß man, mit Rücksicht darauf, daß diese Erfindung in Europa erst vor l87 Jahren erneuert wurde, der Intelligenz diese- Volke» die höchste Achtung zollen, so darf andererseits nicht unberücksichtigt bleiben, daß die ge wöhnliche Töpferkunst in Cbina schon 2600 Jabre vorder ausgeübt wurde — die Erfindung des chinesischen Por zellan» fällt nach Julien in die Zeit um Cbristi Geburt — und daß in noch früherer Zeit in Egypten di« Glasur bekannt war. Nack Analogie de» selbststänviyen Ursprung«» der Thüringer PorzeUaninvustrie durch den chemisch vorgebildelen Candivaten der Theologie Mackeleidt aus KurS- dorf, der" 1>58 auS einem bei Königsee Hesundenen tc, haltigen Gestein in seinem Geburtsort in einem kleinen Ofen eine Art Porzellan berstellte und daraufhin drei Jahre später in Bolkstävt bei Rudolstadt eine Porzellansabrik, dir erste in Thüringen, anleate, ist die Annahme nicht von der Hand zu weisen, daß die Chinesen da- Porzellan nur deshalb erfanden, weil ihnen da-Kaolin zu Gebote »and, und daß die Egypter, wären sie in demselben Falle gewesen, ihnen zweifellos in der Erfindung zuvorgekommen wären. Da» chinesische Porzellan, dessen schon 1298 durch den italieniscken Orientreisenden Polo Erwähnung geschieht, wurde erst l5l8 durch die Portugiesen nach Europa gebracht. Ein Versuch, da» Fabrikat nackzuabmen, wurde zwar zu Ende deS l6. Jahrhundert- in Florenz gemacht, derselbe mißlang aber, und dabei batte eS auch vorläufig sein Be wenden. Die» darf nicht Wunder nehmen, wenn man be ¬ denkt, daß die hier hauptsächlich in Betracht kommende Wissensckaft, die Cbemie, bis zum l6. Jahrhundert in erster Linie die alchimistische Metallverwandlung, speciell die Ver Wandlung in Gold verfolgte und daß sie sich mit dieser Manie, trotz aller inzwischen gemachten Fortschritte, noch zwei Jabrbunterte lang hrrumschlevpte. Ja zn Anfang des 18 Jahrhunderts nimmt dieser Aberglaube sogar einen neuen Anlauf, indem r» aerschirdenen Adepten gelang, sich an fürstlichen Höfen mit ihnrr angeblichen Golv- macherkunst längere Zeit zu behaupten. So trieb der Italiener Gaetano de Nuggieri am Hose Friedrich'» I. von Preußen Jahre lang sein Blendwerk, bi» ihn endKch da- Schicksal er reichte und ibm der Proceß gemacht ward. Zum Tote ver- urthrilt, wurde er am 23. August 1709 in Küstrin gehängt Zu dieser Sorte von Abenteurern gechörte auch der etwa ein Äabrzebnl früher zu Berlin lebende Mpolheker Friedrich Bötlger, dem eS vom Schicksal Vorbehalten war, die Er findung des Porzellans zu erneuern und» der Begründer der berühmtesten Porzellansabrik der Welt — denn so dürfen wir die königliche Porzellanmanufaclur zu Meißen füglich nennen — zu werden. Mit dieser Persönlichkeit und den näheren Umständen, wie seine Erfinduiyg zu Stande kam, haben wir unS daber bier eingehender z» beschäftigen. Ein erfreuliches Bilo ist eS nun freilich nichts daS der Erfinder und die ersten Zeiten der Porzellanmantufactur bieten, um so glänzender beben sich aber die späteren und namentlich die neuesten Erfolge derselben dagegen ak. Johann Friedrich Böltger war am 4^ (oder 5.) Februar 1682 zu Schleiz im Vogtland« geboreit, wo sein Vater Münzmeister und Münzwardein war. Ar lernte in Berlin als Apotheker und beschäftigte sich mit Vorliebe im Labora torium, wa» aber weniger auf Wissensdurst und Forscher trieb, als auf seinen Hang zur Alchonistrrei zurückzuführen ist, den er auS dem Studium alchimistischer Werke geschöpft und dadurch zum Experimentiren in der „Goidmachcrkunst" gebracht worden war. Er muß mit seinen dahingehenden Versuchen auch an die Oeffentlichkeit getreten sein, wenigstens trieb er allerlei HocuSpocu«, so daß die Polizei auf ihn auf merksam wurde. Um deren Nachstellungen zu entgehen, flüchtete er >698, wurde aber von seinem Lebrherrn Zorn 1700 zur Rückkehr veranlaßt. Böltger war aber unverbesserlich. Nach Verübung neuer Streiche mußte er l70t.zum zweiten Male flüchten, wurde aber in Wittenberg ausf preuß sche Requi sition, angeblich wrgeu begangener Veruntr«euungen, verhaftet, aber von der kuriächsiichen Regierung reclamirt und nach Dresden gebracht. Hier wußte er sich dadurch ein ge wisses Ansehen zu verschaffen, daß er versprach, das von ihm entdeckte Geheimniß. Gold zu mache», zu »offenbaren. Fürst Egon von Fürstenberg nahm sich seiner ap und behielt ihn drei Jahre mit bester Verpflegung und Behandlung bei sich, hielt ihn aber in beständigem Vtubenarreffl. Vom Fürsten ernstlich gedrängt, endlich sein Versprechen eruzulösen, flüchtete er nach vielen Fabeleien und Winkelzügen 1704 abermals, ward aber zu EmS in Oesterreich emgetzolt und zurück gebracht. Nun reichte er August dem Starken einen Bericht ein, der aber so voll adeptifche» Unsinn- war, Feuilleton. Der Wetterpfarrer. Erzählung auS den bayerischen Bergen. Boa Arthnr Achleitner. Nachdruck verbot«!. Still friedlich liegt da» Dorf Walgau im breiten Isar thal an einen Hügel hingeschmiegt angesichts de« wuchtig aufstrebenden Karwendelgrvirge» im Süden und de- Wetter- steinstockeS, welch letzterer den Dörflern im Leben nur UebleS von den wildzerrisseneu Gratböben berabsendet, al- ge fürchteter Wetterwinkel, in welchem sich verderbliche Un wetter zusammenballen «ad meist mit rasender Geschwindig keit verheerend Flur und Feld überfallen. Wenn e» über dem Wettersteiu blaut, herrscht frohe Sorglosigkeit im weitverstreutrn Dorfe; ängstlich aber werten dunkle Wolkenbauben aus dessen Zacken betrachtet, und namentlich zur Erntezeit drängt der „Moar" (Oberknecht) zur Eile, wenn «» au» dem Unheilwinkel unheimlich grollt und blei farbige Wolken den Horizont verdüstern. Bon der alten Vergangenheit von Völkerkriegen, Sturm und Noth zur Zeit, al» die Romanen noch jenes Gelände bewohnte«, wissen die heutigen Walgauer nichts mehr; nur die Gelehrten erzählen davon, daß die Wälschen sich damals am Jsarstrand festgesetzt hätten und bis hinüber zum römischen Partbenum.dem heutigen Parteakirchen, gewalttbatig herrschten. Walchengau hieß der Tistrict in früherer Zeit, zur Erinnerung a» jene wälsche Epoche, welcher Karl der Große rin deutsche- Ende bereitet haben soll. Zur Austreibung de» fremden Wesen» bedurfte «» einer eigenen Pflan,schule germanischen Volksleben«, des GermaneSgaue (nack Sepp lO7l), auS dem das heutige Garmisch entstanden ist. Dir Bajuaren demüthigten mit wuchtigen Schlägen die Römer am Fuße der hiwmelaaslrebenden Berge und jagten die Wälicken von dannen, an welche nur noch di« verdeutschten OnSnamen erinnern. Auch die Gothen waren eine Zeitlang seßkaft und Sprachforscher führen manch« Namen, wie Goßenbichl, Goßenhof, Goßenweber und deral., auf di« Anwesenheit de» GothenvolkeS im Jsarwinkel »urück. Um solche Gelehrsamkeit Haden sich die Walgauer, seit sie politisch dem Königreich Bayern einverleib« find, niemals ge- kümmert; ihnen in- viel näher die sei» Menschengevenken be obachtete Erscheinung, daß ihr Distrikt schwer unter den Wrtterundildap t" lei»«n hat, daß sie so zu sagen jegliches Unheil für ihre Fluren an» der ersten Hand erhielten, daß Hagelschlag mit besonderer Bebemenz regelmäßig ihre Felder verheerte, in wenigen Minuten all ibre Hoff nungen eine» ganzen Jabre» vernichtet werden, sobald vom Wettersteiu rin Gewitter beranzieht und auf die Tdalweitung im Walgau hernieverprafselt. Vom Ahnt herauf bi» zum Jnngburschen ist durch Generationen diese Wetteruubill schon l Gegenstand der Erörterung gewesen; zu allen Zeiten bat I man schon Beratbung gepflogen, wie diesem Wetterpech ge- j steuert, vorgrbeugt werden könnte. Aber di« gescheittesten Leute, die Ahnen und Großväter wußten keinen Rath und mußien sich ihre Fluren ergebung-voll verhageln lassen. Sie verzeichneten in alten Hausbüchern jenes Jahr als eine ge segnete Zeit, wenn nicht gleich die ganze Fechsung nieder geschlagen ward, und wenigstens doch da- Grummet trocken ringebracht werden konnte. So ist'» geblieben lange, lange Zeit, bi- sich die Walgauer neuerer Abkunft zu einer seltsamen Energie ausrafften, zu einem Widerstand gegen die Tücke de» WetterwinkelS auf dem wilden Wetterstein. Den Anstoß zu einer Opposition gegen die Naturgewalten gab der OrtSvorsteher de- Dorfes Wal gau, der tbatkrästige Goßenbickler mit dem scharfge schnittenen Römerkopf, in einer Gemeindeversammlung turck eine Rede, welche den Bauern die Mäuler angelweit aufriß und da» Gehirn wirblig machte. Klipp und klar setzte ter Vorsteher den Gemrindeinsaffen auseinander, daß daS Ver hageln der Fluren mit unverminderter Steuerlcistung an den Staat nicht so weiter geben dürfe und könne, falls nicht die ganze Gemeinde wälsch-arm werden sollte. Schon dieser Gedanke allein machte die Bauern schaudern. Ein Protest gegen die Himmelsgewalt ist so ungeheuerlich, aufregend, daß de« Himmel» Einsturz naturnotbwendige Holge sein muß. Und ängstliche Gemülher liefen denn auch vor di« Thür de» Gemeindehauses, um auf den Wrtterwinkel einen prüfenden Blick zu werfen. Weil aber tie Spitzen de- Wetterstein- licht und klar in den Aetber ragten, kein Wölkchen den Himmel trübte, faßten die Aengst- lichen wieder Muth und kehrten beruhigter in den Sitzungs saal zurück. Mit seinem Hellen Kopf bat der Vorsieber die kurze Absentirung nicht blo» wabrgenommen, sondern sofort auch richtig gedeutet, und mit kräftigem Spott geißelte er die übergroße Aengstlichkeit der Grmeinderätbe. „Ihr habt wobl gleich nachschauen wollen, ob der Wetterstein gleich tie rächenden Wolken auf meine Rede hin schicken wird?" böbnte ter Goßenbichler. „Es kommt aber nicht», wenigstens heute nicht! Laßt nur den Muth nicht sinken! Wir werten, wen« tie Sache richtig ungefaßt wird, mit der Wetteravth sicher fertig! Wir müssen etwas dagegen tbun!" „Na, sag' nur gleich auch was!" ruft der Rrutbauer, der seit Jabren die Heufecksung nicht einmal mit Salz unter Dach zu bringen vermocht bat. dazwischen. „LaS wird gleich gesagt srinl Ich hab' so eine Idee, al» müßte uu» ein weiterg rechter Pfarrer au» unserer Detternoth befreien können!" »Ab, ab, jetzt so wa»!" staunte» die verblüfften Ge- meiuderalbe. »Gelt, da guckt Ihr!" „Ist bei Gott zu verwundern, da»!" meinte der Reut bauer. „Ader wena e» 'wa» nützt, bin ich der Erste, der mit tbut! Auf etzliche Kronenthaler soll- mir nicht an kommen , wenn ein Detterpfarrer wirklich Hilfe bringt, bringen kann! Wie aber soll denn der Geistliche da ein greifen? Der müßte ja doch schier Wunder wirken, zaubern können, und seit der Hochzeit von Canaan giebt e« keine Wunder mebr!" „Zauberei ist auch nicht im Spiele! ES giebt, da- weiß ich von Vater» Zeiten her, etzliche Geistliche, deren Gebet die Kraft hat, Unwetter zu vertreiben, und so einen Geistlichen müsse» wir uns verschaffen. WaS meint Jbr, Baueru?" Für eine Weile sind die bäuerlichen Gemeinderätbe völlig stumm; dir Neuigkeit, daß e» wetterverjageode Priester giebt, ist zu überwältigend. Dann aber setzt sich der Krenzpoitner, der alleweil einer von den Minderen im Glauben gewesen ist, uud interpellirt den Gemeindevorstand, daß die Geschickte doch einen Haken baden müsse; denn wenn so ein Pfarrer oder Caplan wirklich Wetter macken, dem Blitz nnd Hagel Einbalt gebieten könne, dann wäre solcher Priester doch heillo» dumm, sich auf ein Bauerndorf zu setzen mit kargem Gehalte und magerer Pfründe, wo er doch mit seiner Kunst sich schwere» Geld verdienen könnte. Zur Erntezeit werde doch sicher, wenn der Geistliche wirklich wetterg'reckt sei, jede Gemeinde harte Tbaler zahlen, bis die Fechsung unter Dach gebracht, geborgen sei für ein Erntejabr. „Du redest, wie Du eS versiebst, also dumm, lieber Poitner!" erwiderte der Vorsteber. „Glaubst Du denn, so rin wetterg'rechter Pfarrer werde mit seiner Kunst von Dors zu Dorf hausiren gehen? Und auf einzelne Tage läßt sich lein Wettersegen auch nicht beschränken! So lange er in einer Gemeinde weilt, wird Rude sein; gebt er aber Weiler, so ist e» mit der Segenskraft aus, und da» Unwetter bat freie Bahn auf« Neue! D'rum bin ich der Meinung, daß so «in wetterkundiger, gebetkrästiger Pfarrer ständig in- Torf kommen und für immer bei uu» bleiben müsse. WaS meint Ihr im Ratb?" „Freilich, freilick! Wenn- aber nur Vicht zu viel kostet!" meinen Einige im Gemeinderätbe. Uno der Vorsteber äußerte sich dabin, daß solchem Wctterpfarrer leviglich eine entsprechende Dotation gegeben werden müsse, die sich auf di« Kopfzahl der ansässigen Bauern vertbcilen lasse. „Ich zahl' nicht»!* ruft der Poituer, „weil ich nicht varaa glaub'!* „Wir tbun mit! Aber woher einen wetterg'rechtrn Pfarrer nehmen?" „Da» laßt nur meine Sorge sein! Ich hab' einen solchen Geistliche» schon ausfindig gemacht und bring« ibn nach Walgau, sofern Ihr mit den Bedingungen eiuverstanden >eid!" — Wieder erbebt der Poitner Einspruch und erklärt, nicht einen Groschen zu der überflüssigen Au-gabe beisteuern zu wollen. „Aber wir wollen, wir sind in der Mehrheit!" schreien die übrigen Gcmeinverätbe. „Also dort zu!" sagte der Vorsteher, und» entwickelte seine Vorschläge! Gute Dotation, jedenfalls doppelt mehr, als der Wetterpsarrer bisher bezieht, und doppelten Zehent für ibn, wenn er für die nächste Ernte sich bewähfth Auch müsse ibm die Uebersiedelung nach Walgau vergütet werden. „Seid Ihr einverstanden?" „Sa!" „Ich protestire!" schreit der Poitner, „Die Wetter macherei ist Schwindel, die Kosten dafür sind LuxuS und be lasten dir Gemeinde unnölbig!" „Besorg' deu Wetterpsarrer, aber halb!" rufe« die Dauern, von denen jeder die heurige Fechsung trocken und beil unter Dach bringen will und die nuu g-mz auf Seite deö Vorsteher» stehen, der halt doch der G-scheidtestr im Gemeiuberath ist. > Auf der Walgauer Flur steht Alle» prächagj der neue Pfarrer, den der Vorsteher richtig io» Dorf zu bangen wußte nach mühsamen Schritten und Gängen, Opfern und Bitten, bewährt sich prächtig. Seit seinem Einzug in tfic Walgauer Gegend, und dem frommen Gebet um eine gute Ernte, den, die Gemeinde Kopf für Kopf mit Au-nahme de» ungläubigen Poitner'» beiwobnte, ist jeglicher Hagelschlag auSgeblieben, die schweren Gewitter sind rar geworden, und aperkwürdiger Weise zogen sie, ohne der Walgauer Gemarkung «Schaden zu bringen, über die Berge in den Jsarwinkrl und dingen sich dort fest zum Schrecken der dortigen Bewobner. Darob sind die Walgauer böcklich zufrieden, und willig leisten Pe die vom Vorsteher festgesetzten Abgaben an den wetterkunviAn Pfarrer. Bi» auf den Poitner sind Alle überzeugt, daß eG mit dem Gebete seine Richtigkeit babe, daß der ne« Pfarrer wirklich die unheilvollen Wetter wegbeten köNHe. Gan; besondere» Vertrauen auf den Wetterpfarrer setzt tzer Reuter, seit er sein Heu so prächtig in die Tenne brachte, und nun auch noch dir Getreideernte nach Wunsch au»zugelvn scheint, und in seiner Freude schickt der Reuter eine besondere Gabe io V>ctualien in den Psarrhof. Aber Wunder über Wunder; der Wetterpsarrer sandte die Gab« wieder zurückg weil für solch« Opfer kein« Veranlassung gegeben sei. > Seit Wochen lacht die glübende Sonne auf die Walgauer Gemarkung herab Tag für Tag; e» reift da« Kor» sichtlich und rasch, nur den Wiesen setzt die Hitz« arg .zu, das Grummet kommt in Krage, wenn die Dürre anbält. Immer dünner sind die Bergbächleiu geworden; di« Ouellen versiegen allmählich- im Sonnenbrände färben sich dir Wiesen bräunlich; da« frische Grün ist verschwunden, der Boden dis tief hinein völlig auSgetrocknet. Es lechzen Mriisch und B«eh nach erquickendem Regen; die DRrre feil langen Wochen droht größeren Schaden zu bringen x»l« «in kräftiges Gewitter der früheren Zeit. Wenn e» so ffortgeht mit dem Sonnenbrand Tag für Tag, wird e» schlechter und
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite