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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.02.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960225016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896022501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896022501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-02
- Tag1896-02-25
- Monat1896-02
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Reclamen unter dem Redactionsstrich (4ge- fpaltta) vor d»n flainiliennachrlchttn M gespalten- 40-4 wroßer» Schriften laut unserem V«tl- verzeichNiß. Tabellarischer und giffernsatz nach höherem Tarts. chhtra»Vellage» (gesalzt», nur mit der Mt'ra»„.«usaab,, ohne P»stb»f0»derung 00—, mit Postdesorderuiig -Fi 70.—. Annahmeschluß für Anztigta: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Marge n-Au-gabe: Nachmittags 4 Uhr. Für dir Montaa-MorgtN-Au-gad«: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestelle» je eia» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an dl< Vrpedtttan zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Dienstag den '-5. Februar 1896. 90. Jahrgang. Die Wirkungen der sächsischen Wahlreform. * Herr Geb- Hofrath Professor vr. Sobm veröffentlicht einen neuen Artikel gegen dir sächsische Wahlrrform-Vorlage und macht gleich in den ersten Zeilen friurn Gegnern den Borwurf, sie erregten eine Wolke StaubeS, „um die Wahr heit zu verhüllen". Wir verwahren un» und alle unsere Mitarbeiter, die im „Leipz. Tageblatt" fiir die Vorlage ein getreten sind und die von Herrn Professor Vr. Sobm wider sie angeführten Gründe zu widerlegen versucht haben, gegen diesen ungerechten und beleidigenden Borwurs und bedauern, daß er gerade von solcher Seite ausgegangen ist. Tann fordert Herr Professor Sobm Antwort auf die Frage: „Wie wirkt das geplante Wahlgesetz auf die innere Entwickelung unsere» Volkslebens, insbesondere auf da- Verhältniß der Volksmassen zur Socialdcmokratic?" Er selbst antwortet auf diese Frage, durch daS Claffen-Wahlgesetz werde zwar die Socialdemokratie an der Zweiten Kammer ganz oder beinahe versci win n, aber ihre Macht im Lande werde nicht gebrochen, >cud rn ver größert werden. Denn die Vorlage führe den Krieg nicht gegen die Socialdemokratie, sondern gegen die breite Menge der Wähler, „gegen alle, welche nunmehr zu Wählern dritter Classe herabgesetzt werden solle»". Die große Menge Derer, die fortan Wähler der dritten Classe sein sollen, seien wohlgesinnte, königstreue Wähler, die nicht socialdemokratisch gewählt hätten, nicht socialdemo kratisch gewählt haben könnten, weil in die projectirte dritte Elassc 80 Procent aller Wähler gehörten, während nur 14 (jetzt 15) socialdemokraiische Abgeordnete in der Zwenen Kammer säßen. Und alle diese königstrenen Wähler sollten nun durch die Schmälerung ihres Wahlrecht« bestraft werden. Gerade dadurch werde man sie in die Arme der Socialdemokratie treiben. Nie werde man die wohlgesinnten Männer der künftigen dritten Elasse damit beruhigen können, daß man ihnen sage, sie brauchten ja nur keine Socialdemokraten zu wählen, um sich leicht mit den Wählern der zweiten und der ersten Classe verständigen zu können. Ein Wahlrecht unter Bedingungen und mit Vor behalt sei kein Wahlrecht mebr. Das fühle die Volksseele und empfinde daher die beabsichtigte Aenderung des Wahl rechts als Unrecht. Unbedingt muß zugegeben werden, daß die Wahlvorlage, wenn sie Gesetz wird, zunächst auf viele Wähler der dritten Classe verstimmend wirken wird; da- hat sich wobl auch weder die Regierung, noch eine« der Mitglieder der zweiten Kammer, welche sich für die Einführung des Dreiclassenwahl- systems ausgesprochen haben, verhehlt. Aber ebenso unbedingt muß zugegeben werden, daß diese verbitternde Wirkung um so sicherer und in um so weiteren Kreisen rintritt, je mehr den Wählern von mit Recht hochangesehenen Männern gesagt wird, eS sei ein Unrecht, da« verübt werden solle von Leuten, die die Wahrheit nicht sehen möchten. Herr Prof. Sohm giebt selbst zu, daß es unter den Wählern der beabsichtigten dritten Elasse sehr viele königstreue Männer giebt. Solche Männer werden doch gewiß — besonder« wenn sie dazu an geregt werden — nicht bloS an sich selbst, sondern auch an da- Vaterland denken und sich fragen, ob das Wohl de» Staate- eine Aenderung de« Wahlgesetze« nöthig mache. Sie alle wissen und sehen, mit welchen Mitteln die social demokratischen Hetzapostel agitiren und welchen Erfolg sie mit diesen Mitteln mehr und mehr erzielen. Sie Alle wissen, wie rapid die Zahl der socialvemvkratischen Wahlstimmrn in unserem Vaterland gewachsen ist, und können sich der Einsicht nicht verschließen, daß diese Zahl in demselben Maße wachsen wird, in dem die Anforderungen de- Reiche- wachsen, Sie alle sehen den Zeitpunkt herannahen, in dem die Stärke der socialdemokratischen Fraktion in der Zweiten Kammer die I Möglichkeit beS Zustandekommens eines mit einer Verfassungs veränderung verknüpften Gesetze« absckneidet. Sie alle wissen, daß die socialdemokratischcn Redner der Zweiten Kammer schon jetzt einen erheblichen Theil der Kraft ihrer bürgerlichen Gegner absorbiren und daö Augenmerk von gar mancher wichtigen Frage ablenken. Sie alle wissen, in welcher Weise jene Reden zum Fenster hinaus wirken und die Gefahr eine bedrohlichen Anwachsens der Socialdemokratie vergrößern. Da werden sich denn unter den königstreuen Wählern der dritten Classe jedenfalls viel mebr Männer finken, als der in diesem Falle allzu pessimistische Herr Professor Or. Sobm fürchtet — viel mehr Männer, die nicht nur an sich, sondern auch an da» Vaterland denken und ihm ein Opfer zu bringen bereit sind. Und noch mehr. Unter diesen verständigen Männern befinden sich zweifellos sebr viele, die ganz genau wissen, daß das jetzige Wahlgesetz in seiner Wirkung nickt den Absichten der Gesetzgeber entspricht und daß überdies seit seinem Erlaße Vieles sich wesentlich verändert bat. Durch unsere Steuerreformen ist da- Wahlrecht auf Elemente ausgedehnt worven,denen di» Gesetzgeber eS vorenthalten zu müssen glaubten. Man sagt sich in weiten Kreisen, viel zu spät sei an eine Aenderung des Wahlgesetze- gedwi t worden. Es hat sich dem allgemeinen gleichen und direkten Wahlrechte so weit genähert, daß nur noch ein verbältnißmäßig kleiner Unterschied zwischen bei- den besteht. Und obendrein ist dieser Unterschied ein willkürlicher. DaS bestehende sächsische Wahlrecht entrechtet gerade die Aermsten und erhält dadurch einen plutokratischen Charakter. Bestreitet man, daß die Höhe der Steuerlristung in den Einzel staaten von Einfluß auf da» Wahlrecht sein dürfe, so muß man auch den CensuS von 8 verwerfen. DaS sagt sich Jever, der logisch denken kann, und ferner sagt er fick, daß diese willtürliche Entrechtung d«r Arrmsten nicht rrvr diese verbittert und der Socialdemokratie in die Arme treibt, sondern auch der Letzteren willkommensten Agitationsstoff liefert. Unter den vielen verständigen Männern, die in der künftigen dritten Classe sind, müssen sich daher viele sagen, daß eö höchste Zeit sei, ein Gesetz zu ändern, da- so wenig der Absicht der Gesetzgeber entspricht und dem bedrohlichen Gegner so wirksame Agitation-Waffen giebt. Solchen Männern wird ferner begreiflich zu machen sein, daß für die E i n z e l st a a t e n da- allgemeine gleiche und dirrcte Wahlrecht überhaupt nicht paßt. Hm Reiche, das allen Deutschen die gleiche Wehrpflicht auferlegt, über die ganze Wirtschaftspolitik, die Gestaltung der Rechtsgesetze, die Arbeiterfürsorge u. s. w. entscheidet und seine Einnahmen auf indirekte Abgaben gründet, entspricht da« allgemeine gleiche und direkte Wahlrecht im Ganzen dem Antbeile, den alle Reichsbürger an den Leistungen und Lasten haben. Den Einzelstaaten ist nicht viel mehr als ihr» Finanzverwaltung und die Pflege von Verkehrswesen, Kunst und Wissenschaft geblieben. WaS ihre Landtage beschließen und sckaffen, kommt allen Staatsbürgern in nahezu gleichem Maße zu Gute; was sie aber verwilligen, da- nehmen sie auS den Taschen der Steuer zahler je nach ihrem Besitz, und sie steigern auch noch die Abgabe vom Besitz mit dessen Wacksthum. Da ist ein Wahlgesetz, da« dem Entrichter von 3-Ft denselben Einfluß auf die Verwendung der Staatsmittel gestattet, wie dem Entrichter einer 1000 ma! höheren Summe, doch sicherlich kein GerechrigkeitSideal und noch weniger eine erziehliche Einrichtung. Ein solches Wahl gesetz muß die Begehrlichkeit der Massen steigern, ihre Begriffe von Recht und Pflicht verwirren und den kommunistischen Ideen und Lehren der Socialdemokratie den Boden ebnen. Sie selbst, die Verbreiter dieser Lehre, würden inS Gesicht einem Jeden lachen, der ihnen zumuthen wollte, in Genossen- chasten, die von ungleich Steuernden gebildet werden, dem Beisteurrr von 3 Mark denselben Einfluß und Angriff aus die Casse zu gestatten, wie deni Beisteurer der hundertfachen Summe. Von der Bourgeoisie verlangen sie da« mit viel Erfolg. ES giebtaber auch in der künftigendrittenAbtheilungLrute,welche einen solchen Anspruch für ungerechtfertigt, eine völlige Glcich- lellung aller von 3 aufwärt» Steuernden in Bezug auf ras Wahlrecht und den Einfluß auf die Verwendung der Staatsmittel für zweckwidrig und für ein DüngungSmittel de- socialdemokratischen Acker- halten. Daß da» vorgeschlagene Wahlgesetz wenigsten- konsequenter als da- geltende insofern ist, al» eS die Aermsten nickt vollständig entrechtet, wird auch jeder verständige Wähler der dritten Classe einsehen. Und wenn er sich sagt, daß nach der Vorlage die erste Classe, die un gleich mehr für den Staat leistet, als die dritte Classe, nicht mehr Wahlrecht hat, als die letztere, so wird er die vorgrschlagene Verminderung der Wirkung seines Wahlrecht« auch nicht al- eine „Entrechtung" bezeichnen und sich für riese, zur Sickerung de« Vaterlandes vor der wachsenden socialdemokratischen Gefahr unternommene Aenderung durch die Wahl eines Socialdemokraten rächen. Wir denken also besser von den Wählern der dritten Ab teilung, als Herr Geb. Hofrath Prof. vr. Sobm. Wir fürchten nicht, daß die Vorlage, wenn sie Gesetz wird, viele Wähler dieser Abteilung der Socialdemokratie in die Arme treibt. Verstimmend wird sie ansang-wirken; aber diese Ver stimmung wird abnehmen in dem Maße, in dem der Landtag von revolutionairen Hetzern gereinigt, die schaffende Kraft der bürgerlichen Abgeordneten gestärkt und die verwirrten Vorstellungen von Recht im Staate und Leistung für den Staat geläutert werden. Freilich hängt die Wirkung ganz wesentlich ab von der Art, wie die Gegner der Vor lage sie bekämpfen. Vollständig läßt sich also die Frage deS Herrn Prof. vr. Sohm nicht beantworten — er selbst hält einen Tbeil der Wirkung in der Hand. Von ganz besonderer Wirkung wird eS sein, wenn er über die bereits aufgeworfene, aber noch nicht beantwortete Frage sich äußert, ob er nur das jetzt geltende Wahlrecht er halten wissen will, oder ob er die volleConsrquenz aus seiner Behauptung, der gleichen Wehrpflicht müsse da« Wahlrecht auch in den Einzelstaaten entsprechen, zu ziehen gedenkt. Im ersteren Falle werden die Wähler erkennen, daß auch Herr Geb. Hofralh Prof. vr. Sobm einen Damm gegen allzustarkes Eindringen socialdemokratischer Abgeordnete» in unsere Zweite Kammer für nöthig hält und keineswegs jede „Entrechtung" als ein Unrecht ansieht. DaS wird die Ver stimmung, von der Herr Prof. vr. Sohm so viel Schlimmes fürchtet, wesentlich mildern. Im anderen Falle werden die königstrenen Wähler der künftigen dritten Classe erkennen, daß die Socialdemokratie bei künftigen Anträgen auf Ein führung des allgemeinen gleichen und direkten Wahlrechts einen einflußreiche» Verbündeten und ein neues höchst wir kungsvolles AgnationSmittel gefunden haben. Die königs treuen Wähler der künftigen dritten Classe werden sich dann um ihrer selbst und deS Staates willen noch leichter zu der vorgeschlagenen Aenderung de« Wahl gesetzes und dem ihnen angcsonnenen Opfer verstehen. Selbstverständlich wünscht Herr Geb. Hofrath Sohm dir schlimmen Folgen, die er von der Wablreform voraussagt, nicht. Co möge »r denn auch rechtzeitig zur Milderung drr von ihm prophezeiten Folgen da« Seinige thun. Deutsches Reich. Berlin, 21. Februar. Den größten Tbeil der dies jährigen Beratbungen der Budgetcommission über d»n Etat ter deutschen Schutzgebiete füllten die Erörterungen über unsere südwe st afrikanische Colonie auS. Mit vollem Recht; denn in keinem anderen Schutzgebiete liegen die Verhältnisse so eiaeuthüinlick und verwickelt wiein diesem. Immer wieder ist es die Frage der Concessionirung der großen englischen Gesellschaften in Deutsch-Südwestasrika, welche zu Besorg nissen wegen der Entwickelung ter Colonie Anlaß giebt. Daß diese Besorgnisse durch die Erklärungen, welche der Direktor der Colonialabtbeilung vr. Kayser in der Budgetcommissivn ab gegeben bat, beseitigt seien, läßt sich leider nicht behaupten. Was ?a» Kbaraekboma-Syndlkat anlangt, so stimmen wir aller ding- darin dem Abg. vr. Hammacher zu, daß auS der rechtlichen ^agc derSachr der ReichSregierung ein Vorwurfwegen ihre« Vor gebens nickt gemacht werden kann, da die Ansprüche dieser Gesellschaft bereits aus der Zeit vor der Errichtung der deutschen Sckntzherrschast datiren. Nur geben wir uns nicht der Hoffnung hin, daß diese englische Gesellschaft ihre Rechte zum Nutzen der deutschen Interessen ausübrn werde. Ter Umstand, daß baS Kharasthoma- Syntikat den ihm zugesprvchenen Lanrcomplex im Umfange von nickt weniger al« 41 000 Quadratkilometern nur in drei Raten in Besitz nehmen darf, daß die Auswahl drr beiden ersten Raten zu je 128 Farmen von dem Nachweis der Verwendung von 200 000 -E zu culturellen Zwecken, insbesondere zur Herstellung eines Schirnenwege« von Lüderitzbucht nack Aus abhängig gemacht ist, und daß die dritte Rate zu 256 Farmen erst nach Vollendung diese» Schienenwege« in Anspruch genommen werden darf, — dieser Umstand allein bildet noch keinen reellen Vortbeil für unsere Colonie. Bis jetzt hat das KharaSkhoma-Syudikat noch nicht die erste Rate der in Aussicht genommenen Farmen deanspruchrn können. DaS besagt genug. Freilich ist eine Frist von 15 Jahren für die Vollendung der Eisenbahn vor- geseben. Nach den bisherigen Erfahrungen ist aber auf die Entwickelung des südlichen Theiles der Colonie, die von der Erfüllung des Vertrages abhängt, vor Ablauf dieser Frist kaum noch zu rechnen. Die finanziellen Operationen de« Syndikat» j die sich kürzlich zu-drr Bildung der Asrican Territorie« Company verdichtet haben, bedeuten nicht den geringsten Fortschritt. So lange aber der fragliche Babnbau nicht ausgeführt ist, haben wir keine Mittel, dem Gravitiren dieses Theiles unsere« Schutzgebietes nach der Capcolonie irgend welchen Abbruch zu thun. Und das ist für die Engländer offenbar der Kernpunct der Sache. UebrigenS ist der volle Inhalt deS Ver trages der Neichsregierung mit dem Kharaskhoma-Syn- dikat noch immer nicht veröffentlicht. Director Kayser hat im vorigen Jahre das damit begründet, daß es sich dabei nm die Bestätigung bereits erworbener Rechte handele. Die Slichbaltigkeit dieses Grundes sehen wir nicht ein, und wir meinen, die Neichsregierung würde gut daran tbun, den Wortlaut des Vertrages endlich mitzutheilrn. Die Ungunst de« Abkommens mit der im Nordin unseres Schutzgebietes, dem wertbvollsten Theile desselben, concessionirten South West Africa Company, ist schon früher dargetban worden. Die diesjährigen Verhandlungen der Budgetcommission haben daS abfällige Unheil darüber nur bestäligt. Die Gesellschaft hat seiner Zeit IS 500 Quadrat kilometer meist sehr fruchtbaren Lande« unentgeltlich überwiesen erhallen, dazu für zehn Jahre das Monopol für alle Eisrnbahnanlagen nördlich vom Wendekreis de« Steinbocks mit per Maßgabe, daß sie nur dann überhaupt Eisenbahnen zu bauen hat, wenn da» Reich eine Zin-garantie von 3>/, — 4 Procent übernimmt. Director Kayser hat in der Budgetcommission hervorgeboben, die Gesellschaft habe bisher „ihre Pflichten erfüllt und sich durchaus loyal benommen". Beweis: sie hat zwei Expe ditionen ausgerüstet; die eine hat ein sebr reiche« Kupfer lager im Norden de« Schutzgebietes erschlossen, die zweite bat die TracirungSarbeiten für eine Bahn von drr Küste dahin bergestellt. Da Herr Director Kayser im vorigen Jahre im Reichstag dieselben zwei Expeditionen al- Beweis der Loyalität der Gesellschaft in- Feld geführt hat, so scheint seit Jahresfrist ein weiterer Zuwachs für seine Argumen tation nickt entstanden zu sein. DaS ist für un« eine ge nügende Kennzeichnung drr Au-sichten, welche der Colonie Das Leben der Steine. 8. Man bezeichnet gewöhnlich da« Gestein al- den leblosen (anorganischen) Tbeil der Natur. Nicht« ist unzutreffender. Da« Gestein führt auch ein Leben, wenn auch ein ganz anders geartetes, als da- der Pflanzen und Thiere. Wa« ist die im Reiche der Gesteine so mächtig zur Geltung kommende chemische Verwandtschaft Anderes al« Leben — ja, ein Leben, da« al« di« ursprünglichste aller Bethätigungen in der physischen Welt zu bezrichnen ist? Durch die chemische Ver wandtschaft wurde da« organisch» Leben erst möglich. Die war e», welche diese« Leben vorbereitete, indem sie den Fel- in Ackerboden umwandelte (Verwitterung), und sie ist e« noch beute, welche in derselben Weife unser« Fluren fruchtbar macht. Da aber di» chemische Verwandtschaft auch die Grundbedingung der organischen Welt ist, so ist jede Schrank», welche die systematisirend» Gelehrsamkeit zwischen den Naturreichen aufrichtete, hinfällig. Und da« regelmäßige Gefüge d»r Gesteine, wie e« in so wunderbarer und zum Th«il so farbenprächtiger Weise in der Krystallisirung auftritt, ist e« nickt eine Leben-äußerung, die fast dieselbe Vielseitigkeit und Mannigfaltigkeit auswrift, wie jene, welche die organische genannt wird? Schon Jahrtaufindr, bevor die trennenden Gegensätze de« Organisch»» und Anorganisch»» in da- Reich der Natur hinrindefiairt wurdr», begriff d«r ahnrnd» Mrnschengeist den inneren Zusammenhang aller Dinge. Im griechischen Alter- thum hießen die Gesteine die Gebeine der Mutter Erde. Als Deukalion mit seiner Gattin Pyrrha nach der Sintflutb mit seiner Arche landete und von ZenS für das ibm darsiebrachte Opfer die Erfüllung eines Wunsche« zuerkannt erhielt, entschied er sich für die Erschaffung eines neuen Menschengeschlechtes an Stelle de- von den Flutben ver schlungenen. Zu diesem Ende sollten die beiden „die Gebein» der großen Mutier" hinter sich werfen; und darau« erwuchsen Menschenleiber. Auf dem Gebiete der Kunst bietet hierzu eine Parallele die Sage von jenem griechischen Bildhauer, der eine Frauengestalt gemeißelt hatte und davon so entzückt war, daß er die Götter anflehte, ihr Leben einzuflößen, ein Wunsch, den diese auch erfüllten. DaS Gegenstück davon kommt in dem slawischen Sagenkreise vor Han« Heiling, ein Berggeist, nimmt eine Sterbliche zum Weibe, glaubt sich aber von ihr hintergangen und verwandelt sie und ihren vermeintlichen Liebhaber in Felsen (HanS-Heiling - Felsen zwischen Karlsbad und Einbogen), ein Motiv, welche- Marsckner seiner Oper „Hans Heiling", Th. Körner, etwa» modificirt, einer Erzählung zu Grunde legte. In drr mosaischen Schöpfungsgeschichte wird der erste Mensch auS einem Erdenkloß geformt und ibm der lebendige Odem durch die Nase eingeblasen. Auch Sinn für da- Reick der Töne wird dem Gestein zngeschrieben. Die Felsen be- wegen sich beim Klange der Leier des Orpbeu». Kaum ein andere- Wort bat eine so tiefe Bedeutung wie da- von der Sprache der Steine. Diese Sprache klingt gewaltig durch die Zeiten hin und betbätigt sich immer mannigfaltiger, deut licher und herrlicher vor unserm geistigen Ohr. Wie wahr ist doch das Wort des EvangrliumS: „Wenn Alles schweigt, werden die Steine reden." Sie predigen den Geist de« Jahr tausende hinter uns Liegenden Alierthum» in den Ueber- bleibseln der Baukunst und Bildhauerei; sie verkünden uns, auf welcher Culturstnfe längst verschwunden« Völler gestanden Haven, von denen sonst keine Urkunden vorbanden sind. Mit diesen Anschauungen im Zusammenbange stebt die Vorstellung von geheimnißvollen, dem Gestein innewobnenden Heil- und Zauberkräften, die man erklärlicher Weise in erster Linie den durch ibre Form, Besckaffrnbeit und Farbe vor den anderen sich auSzeichnenden Edelsteinen zuschrieb. Man trug de«balb die Edelsteine von Uralter» her als Amulette und Talismane, um Gesundheit und Glück berbei- zuführen und zu bewahren, Krankheit und Unglück zu bannen oder abzuwehren. Als Schmuck kommen die Edelsteine erst von der Zeit an in Betracht, wo man gelernt hatte sie zu schleifen, ru bohren und zu fassen. Man brachte die Edel steine auch mit den astronomischen Erscheinungen und de» Jahreszeiten in Verbindung. Mit den zwölf Sternbildern im Einklang standen die sogenannten Monat»- od»r Zodiakal- steine. Man trug in j»dem Monat einen andern Stein, dem für diese Zeit ein besonderer Einfluß zugesckrieben wurde. Den am häufigsten von ihnen vorkommenden, den Berg- krystall, den man ja zu den eigentlichen Edelsteinen nicht rechnet, hielt man für verhärtetes Wasser. Er sollte aber auch mit dem Feuer, bezw. der Sonne in Beziehung steb»n. Pliniu« berichtet, daß, wenn man dies Mineral auf sej«, Holzspäne lege und eS fielen die Sonnenstrahlen darauf, so «ige sich bald Rauch, dann Gluth und schließlich di» hell« Flamme. Da« auf dies» Weis« hervorgebracht» Feuer habe man von jeher als heilig betrachtet, und kein Opfer sei den Göttern so erfreulich, al« wenn e« unter Anwendung solchen Feuer« geboten werde. Wer sich mit einem Stück Bergkrystall m einen Tempel begebe und «ine Bitte an dir Gottheit richte, der könne sich ihrer Erfüllung versickert halten. — Was die Beziehung de« Feuer« zum Bergkrystall betrifft, so bandelt es sich dabei um einen allbekannten physischen Vorgang. Selbstverständlich mußten aber dir brlreffenden Stückr Berg krystall linsrnförmig sein, und e« ist ja auch auS drr Ge schickte der Medicin bekannt, daß die römischen Aerzte sick derartiger Stücke Bergkrystall« bedienten, um Wunden ans- zubiennen. Auch dem Topa« wurden gekcimnißvolle Kräfte zu geschrieben. Er galt al« Mittel, den Zorn und überhaupt heftige GemütbSbewegungen zu beschwichtigen, den Wahnsinn zu bannen, den Muth zu beleben. — Vom Smaragd lagt Psello«, daß er den Au-satz heile und Blutungen stille. Aus Berichten über die Eroberung von Pern erfahren wir, daß man dort eine Göttin „Smaragd" in Gestalt einr« solchen Evelstrine« von drr Größe rine« Straußen ei«- vrrehrt habe. Die ihr dargrbrachten Opfrr hätten aus Smaragden bestanden, und so hätte sich in ihrem Tempel mit der Zeit eine ungeheur» Menge dieser Edelstein« an- aesammrlt, die dann den Spaniern in die Hände gefallen seien. Ties« aber bättcn sie zerschlagen, in dem Glauben, daß sie nicht zertrümmert werden könnten, wenn e« eckte Steine wären. — Da« Katzenauge wird im Orient noch jetzt al« TaliSman getragen, weil man de« Glauben- ist, der Stein verhelfe zu Glück und Rcicktbum. — Der Türki« diente vor Alter« ebenfalls al« rermeintliche« Heilmittel
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