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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.06.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-06-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980614017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898061401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898061401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-06
- Tag1898-06-14
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Reklamen unter dem RedactionSstrich (4g— spalten) ÜO^z, vor den Familiennachrichtea (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifferusatz nach höherem Tarif. k^rtra-veilageu (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung .ck 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Inaahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen find stets an die Erprhttton zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 92. Jahrgang. Der Gedanke der Neichsbank-Verstaatlichung. i. K. Herr von Kardorff hat vor einigen Monaten im preußischen Abgeordnetenhause erklärt, er habe kein Interesse daran, daß die Frage der Verstaatlichung der Reichsbank in den Wahlkampf bineingezogen werde. Mit anderen Worten: dieser frühere Hauptverfechter der VerstaatlichungS-Pläne bat, wie viele frühere Vorkämpfer des Anträge- Kanitz, ein Haar in seinem Projekte gefunden. Die Frage spielt denn auch überwiegend keine Rolle in der Wahlbewegung. In einer Reihe von Wahlkreisen jedoch, so auch bei uns, haben sie manche Parteien aufgegriffen. Die Agitatoren für die Verstaatlichung führen in der Hauptsache Zweierlei an. Erstlich sagen sie, das Reich würde aus einer reinen Staatsbank mehr Gewinn ziehen, als auS der Reichsbank in ihrer jetzigen Beschaffenheit. Zweitens behaupten sie, Handwerk, Kleinhandel und Landwirthschaft würden bei einer Staatsbank leichter Credit finden. Wie steht es nun mit Punkt eins, dem Profit deS Reichs? Es ist richtig, wenn die Aktien Wegfällen und die Bank mit staatlichem Capital betrieben wird, so rechnet sich für die ReichScasse ein höherer Gewinn heraus. Um wie viel er höher sein könnte, darüber sind die Ansichten schon sehr getheilt. Die Freunde der Verstaatlichung nehmen dabei den Mund sehr voll und calculiren den jährlichen Mehr gewinn auf ü'/z, 6 und mehr Millionen Mark. Andere rechnen noch nicht 4 Millionen heraus. Indessen auf diesen Unterschied kommt so viel nicht an. Selbst 3 Millionen wären kein Pappdeckel. Was der Staat jetzt von der Bank zieht, ist übrigens auch kein Plunder. Das Reich und Preußen, daS seine Notenbank aufgegeben bat, lassen sich von der Reichsbank für daS Privilegium, Noten auszugeben, viel mehr zahlen, als die Actionaire er halten. Es wird zwar oft gesagt, aber es ist nicht wahr, daß die Actionaire die Sahne abschöpfteu. Die Aktien tragen durchschnittlich 5 Proc. Das ist für Bankaktien nicht viel. Die Actionaire bekamen, wie dieser Tage schon dargethan wurde, im letzten Jahre 9>/z Millionen Mark, Reich und Staat dagegen zogen ohne die »/< Millionen Notensteuer über 112/z Millionen. Und daß dieses PluS bei der bevor stehenden Erneuerung deS BankprivilegiumS erhöht wird, darüber besteht nirgends ein Zweifel und dagegen besteht auch nirgends ein Widerstand. Auch bei der letzten Er neuerung hat eine bedeutende Verringerung deö Gewinn- antheils der Actionaire zu Gunsten des Reiches stattgefunden. Aber,wie gesagt, bei derVcrstaatlichung rechnet man sich mehr für das Reich heraus — vorausgesetzt, daß die Staatsbank so gut wirthskhasten kann, wie die Reichsbank in ihrer jetzigen Verfassung. Doch von dieser Frage, die eine große Frage ist, sehen wir vorerst ab. Aber warum hat daS Reich nnd haben alle Staaten mit Ausnahme Rußlands, dessen Geldwirth- schaft uns Niemand wünschen wird, auf den Mehrgewinn, den eine Staatsbank bringen könnte, verzichtet? Für einen Antisemiten ist die Antwort leicht: „Im Interesse der — angeblich, aber nicht thatsächlich — zumeist jüdischen Actionaire." Diese Antwort hat den Vorzug der Einfachheit und den Fehler absoluter Unrichtigkeit. DaS Reich läßt sich den Mehrgewinn aus der verstaatlichten Bank entgehen, weil es damit eine kleine Prämie für kolossale Vortheile oder — noch richtiger — für die Abwendung kolossaler Gefahren für sich und die BolkSwirthschaft bezahlt. Die Reichsbank, daS wird auS Unkenntniß oder auch ans Unehrlichkeit häufig verschwiegen, ist gar keine eigentliche Aktiengesellschaft. Die gewöhnlichen Aktien gesellschaften treiben ihre Geschäfte, wie sie wollen und durch wen sie wollen, sie sind durch nichts gebunden, als durch die allgemeinen Strafgesetze und das Acliengcsetz. Bei der Reichsbank steht es für die Actionaire, man^ars sagen: so genannten Actionaire, gerade umgekehrt. Sie dürfen gar nichts thun, außer waS ihnen das Reichsbankgesetz ausdrücklich erlaubt. Sie haben nickt daS Recht, die Leiter der Bank zu wählen; die ernennt daS Reich. Der oberste Chef der Reichs bank ist der Reichskanzler, daS Bankdirectorium wird aus schließlich von der Regierung (bezw. dem Bundesrath) an gestellt. Ebenso das Curatorium, das die Aufsicht führt, und die Rechnungen der Bank werden, wie die einer reinen Staatsverwaltung, vom Rechnungshöfe des deutschen Reiches geprüft. An der Bank ist nichts privat, als das Betriebs kapital, und von diesem Stück Privatcharakter merkt man etwas nur au einer einzigen Einrichtung. Die Actionaire dürfen einen Ausschuß (Centralausschuß) wählen. Der hat aber in der Regel „nix to seggen", sondern nur zu „begut achten". Der Ausschuß kann reden, was er will, und die Bankleitung, d. h. die Reichsregierung, kann thun, was sie will. Nur in drei gewissen Fällen muß der Ausschuß zu stimmen, ehe die Bankleitung handeln darf. Und damit sind wir bei den Gefahren einer reinen Staatsbank an gelangt. Zu den Geschäften, die ohne den Ausschuß nicht gemacht werden können, gehören nämlich Geschäfte mit der Finanzverwaltung deS Reiches oder der deutschen Bundes staaten; dies allerdings auch nur dann, wenn andere als die allgemein geltenden Bedingungen des Bankverkehrs in Anwen dung gelangen sollen. Diese Bestimmung ist getroffen sirr den Fall, daß das Reich in große Finaoznöthe geräth und die Reichs finanzverwaltung sagt: „Helf, was helfen mag!" Was hälfe, wenn auch nur für den Augenblick und sehr zum Schaden des Reiches und deS Volkes, das wäre eine Vermehrung deS BankuotenumlaufS „über die Bedingungen deS BankverkehrS hinaus", d. h. die Anheizung der Notenprefse. Bei unS ist Aehnliches noch nicht vorgekommen, aber anderwärts und die Folge war für die Notenbanken der Ruin und für das Volk Geld- und Wirthschaftszustäude, wie sie jetzt in Argentinien und in Spanien herrschen. Gegen großes Unglück und gegen daS Auftreten von Finanzverwaltungen, die, unbekümmert um dir Folgen, die größten Löcher durch bedenkliche Operationen verstopfen möchten, hat kein Staat Garantien. Der Centralausschuß der Reichsbank aber bietet die Garantie, daß Arzneien, die ärger sind als die Krankheit, vom Staate nicht genommen werden dürfen. Der von den Actionairen gewählte Centralausschuß wird zu gefährlichen Vorschlägen Nein sagen, ein berufener, wenn auch zum Theil von einer — vielleicht zufälligen — Parlamentsmehrheit be rufener „Bank-Beirath" einer Staatsbank wird weniger Widerstandsfähigkeit haben, zumal wenn man — und das wird wohl in großer Nothtage immer der Fall sein — nur die Wahl zwischen Banknotenexperimenten oder neuen schweren Steuern hat. Die Steuern sind immer das zunächst Un bequemere, zumal für Parlamentarier, die wiedergewählt sein wollen. Auf der andern Seite ist nicht die geringste Gefahr vor handen, daß der Centralausschuß der Actionaire dem be- I drängten Staate verweigern werde, waS er gewähren kann, I ohne das allgemeine Wohl zu gefährde». In Frank- I reich hat der Staat in die Angelegenheiten der Nationalbank fast gar nicht hineinzureden, die Bank von Frankreich ist fast eine reine Privatgesellschaft mit Großcapitalisten und natürlich auch Juden in dem von den Actionairen gewählten Aufsichtsrathe, gleichwohl ist der französische Staat im Jahre 1870/71 von seiner Notenbank finanziell gerettet worden. Das bestreitet kein Mensch. Allein eine Garantie dieser Art ist mit 4 oder ü Millionen Mark jährlich nicht zu hoch bezahlt. Nun behaupten wir nickt, daß der Rath des Central- ausschusseS der jetzigen Reichöbank, obwohl gesetzlich zumeist gegen ihn entschieden werden kann, von der Bankleitung nicht beachtet und nicht häufig befolgt werde. Daß dies gut und noihwendig ist, wollen wir uns nicht von „Liberalen"^ sondern von Conservative» bezeugen lassen. In dem „Conser- vativen Handbuch" (herauögegeben 1898) wird über den Centralausschuß gesagt: „Eine solche Verbindung zwischen der Reichsbank und der Ge schäftswelt ist durchaus nützlich und nöthig, sie dient mehr den Interessen der Bank als der Actionaire." Ein berufener „Beirath" kann eine solche „Verbindung mit der Geschäftswelt" nicht Herstellen, denn es ist keine Gen^ibr gegeben, daß seine Mitglieder so unmittelbar mit dem Geschäftsleben Zusammenhängen, wie die von einer betheiligten Geschäftswelt gewählten Ausschußmitglieder. Die „Bank politik" erfordert eine ungeheure Sachkenutniß, die nur durch die unausgesetzte Berührung mit dem Geschäftsleben ge wonnen und erhalten wird. Die Reichsbank hat durchaus nicht nur als Crevitinstitut zu wirken. Sie hat darüber zu wachen, daß nicht übermäßig viel mehr Geld circulirt, als der Verkehr braucht, und ebenso, daß das Geld nicht knapper wird, als es durch den Stand der Verkehrsverhältnisse ge boten ist. Wer da mitreden will, muß sehr weit auch ins Ausland sehen, er muß sehr tief sehen und jede Schwankung merken können. Dazu sind aber Männer nicht im Stande, die den Wandel des Verkehrs „studircn", anstatt ihn zu „ver spüren". Fehler bei der Notenausgabe, d. h. bei der ZinS- und DiScontobemessung rächen sich aber am ganze» Wirth- schaftSleben, also am ganzen Volke. Und auch zur thun- lichsten Verhütung dieser Fehler zahlt daS Reich die Prämie an die Actionaire der Reichsbank. Dann zahlt eS sie für den Kriegsfall. Im Kriegsfall ist daS Geld in den Reichsbankcassen, das aber durchaus nicht allein das Geld der Reichsbank ist, Privateigenlhum; WaS in einer Staatsbank läge, gehörte von KriegSrechls wegen dem Feinde gerade so wie andere Staatsgelder, wie vor gefundenes Kriegsmaterial u. A. Alles, was des Staates ist, ist des Feindes. So z. B. ließ unsere Kriegöverwaltung im Jahre 1870 in den französischen Staatsforsten Holz schlagen, nicht zum Kriegsbedarf, sondern zum Verkauf. Wir wissen hier in Leipzig, daß es Leute giebt, die diesen Punct leicht nehmen. Sie sagen: „Der Feind nimmt doch Alles, eS müßte denn sein, daß die reichen Juden des Geld der „Privat"- Bank retteten." Wer das behauptet, muß auf Fälle hinzeigen können, wo dergleichen passirt ist. Das können die Freunde der Reichsbankverstaatlichung nicht. Die Gegner aber können die entgegengesetzte Behauptung mit Beispielen belegen. Im Jahre 1870 sind die Gelder der Bank von Frankreich respectirt worden. An zwei Stellen wurden sie beschlagnahmt, aber bald wieder sreigegeben. Das Privatcapital kann ruhig sein, die Gelder einer Staatsbank müßten geflüchtet werden und — dann käme zur Feindesnoth noch die größte Geld- und Credit- noth. Und was nicht in Sicherheit gebracht werden kann, wird ganz genommen. Denn der Feind kann nicht unter scheiden, was in den Cassen der Staatsbank dem Staate und was Anderen gehört. Weiter: Bei Ausbruch deS Krieges von 1866 und 1870 hat die Leitung der Preußischen Bank, die wie die auö ihr hervorge gangene Reichsbank mit Privatcapital betrieben wurde, alle Bank stellen, besonders aber die in der Nähe der Grenze befindlichen benachrichtigt, daß in diesen schlimmen Zeiten die sonst noth- wendizerweise an sehr strenge Bedingungen geknüpfteCredit- gewährung erleichtert werden dürfe. „Dadurch", so berichtete 1889 der damalige Reichsbankpräsident v. Dechend, „wurden Tausende aus bedrohlicher Lage befreit, die anderen Banken und die Bankiers waren ängstlich geworden und hielten mit ihrem Gelde zurück, die Anlagen der Preußischen Bank aber stiegen in den ersten Wochen um viele Millionen." So kann eine Staatsbank, die mit öffentlichen Geldern und noch dazu dem Feinde zugänglichen Geldern arbeitet, nicht ver fahren. Und wenn sie eö könnte, sie würde es nimmermehr thun. Denn bei Ausbruch eines Krieges sagt sich der Staat (und mit Recht): „Für mich giebt es jetzt keine andere Sorge als den Krieg; im Krieg ist Geld eine Hauptsache, und ich werde mich hüten, mich auch nur eines Groschens zu entäußern, den ich nicht hergeben muß." In wirthschaftlich hochentwickelten Reichsgebieten, die unweit der Grenze liegen, sollte das kein leicht zu nehmender Punct sein. Endlich macht sich der Verzicht auf den Mehrgewinn auS einer Staatsbank in einem unglücklichen Kriege tausendfach bezahlt durch die größere Sicherheit des CourscS der Noten einer Bank mit Privatcapital. Die Noten einer Staatsbank sind Staatsnoten, daran ist nicht zu rütteln, und deshalb ist ihre „Güte" abhängig von dem Credite des Landes. In einem unglücklichen Kriege aber sinkt der Credit eines Staates immer. Im Jahre 1870 fielen die französischen Staats - papiere tief, tief im Course, und eine gute Weile waren sie überhaupt nicht verkäuflich; die Noten der Bank von Frank reich aber, also der privaten Bank, wurden für voll genommen und zwar auch im Auölande. Ohne dir Bank und ihren unerschütterten Credit hätte Frankreich nach Sedan den Krieg nicht gut weiter führen können; die Bank hat mit ihrem Gelde die Heere ausgerüstet, die unseren Truppen noch fünf Monate zu schaffen machten. Staatsbanknoten hätte Niemand genommen, oder höchstens um die Hälfte des Werthes. So viel über die unermeßlichen Vortheile, die dem kleinen Gewinuentgange durch die Betheiligung von Privatcapital gegenüberstehen, lieber die anderen Irrthümer der Freunde der Verstaatlichung in einem zweiten Artikel. Karlismus. ii. In seinen einzelnen Phasen ist der 1833 begonnene Protestkrieg Don Carlos höchst merkwürdig, doch sei hier nur das eclatanteste angegeben.*) An die Spitze des Basken heeres trat ein militairisches Genie, das sich mit den ersten aller Zeiten messen konnte, Thomas Zumalacarregry, ein Baske von Geburt, von Sieg zu Sieg führte er seine Schaaren, alle festen Plätze in den Provinzen fallen in seine Hand,dastirbt er in Folge einer Verwundung im Juni 1835. Er findet einen Nachfolger in Zariategui; Mitte des Jahres 1837 steht derselbe vor den *) Nach Baumgarten: „Geschichte Spaniens vom Ausbruche der französischen Revolution bis auf unsere Tage". Leipzig 1871. Eine Flotten-ebatte vor 5V Jahren. SrinuerungSblatt zum 14. Juni 1848. Näher und näher rückt der Tag der Entscheidung. Bald wird der neue Reichstag sich constituiren. Welche Aufgaben werden seiner harren? Wie wird er sie lösen? Das ruht noch in der Zeiten Schooße. Dem letzten Reichstag war es bei aller Zerrissenheit und Unerquicklichkeit, bei der Gleichgiltigkeit und Theilnahmlosigkeit, die vielfach sich zeigten, doch beschiedcn, durch die Lösung einer wichtigen Frage historische Be deutung zu erlangen, durch die Sicherung einer bedeutungs vollen Angelegenheit das Werk zur Vollendung zu führen, welches unsere Väter vor 50 Jahren im Frankfurter Parlament in Heller Begeisterung und großer Einmüthigkeit begannen: den Ausbau der deutschen Flotte! Jene Verhandlungen über die Begründung einer Flotte vom Jahre 1848 waren für das Parlament selbst wie für das ganze deutsche Volk von größter Bedeutung. Sah man doch in der Erledigung dieser Frage, die sich angesichts des Krieges mit Dänemark aufdrängte, ein Unterpfand der Einheit Deutschlands, hatte man darin doch das erste greifbare Resultat der bisher plan- und ergebnißlosen Berathungen des Parlaments. Am 3. Juni brachten die Abgeordneten Heckscher und Roß den D r i n g l i ch k e i t s a n t r a g ein zur Einsetzung eines Ausschusses zur Ausarbeitung einer Flottenvorlage: „Hohe Nationalversammlung wolle sofort einen Aus schuß für die deutsche Marine in den Abtheilungen er nennen und dieselben ermächtigen, mit den Marine- ComitSs der deutschen Häfen sich in Vernehmen zu setzen, auch vom In- und Ausland die erforderlichen Ma terialien zur Vorlage an die Nationalversammlung ein zuholen." Nachdem hierauf 15 Mitglieder in den MarineauSschuß ge wählt waren, erstattete der Abgeordnete Radowitz-Berlin im Namen des Ausschusses am 8. Juni den ersten Bericht über die Arbeiten desselben. Er schilderte die Aufgaben einer Flotte hin sichtlich der Kiistenvertheidigung und der Förderung der kommer ziellen und politischen Interessen deS Vaterlandes und besprach die Fragen nach Art und Beschaffenheit der Schiffe und Er- forderniß für den Bau derselben an Zeit und Geld. Dann hob er in alle» mitfortreißender Begeisterung die moralische Be deutung einer Flotte hervor: „Wir wollen die Einheit Deutsch land» gründen; «» giebt kein Zeichen für diese Einheit, da» in dem Maße innerhalb Deutschlands und außerhalb Deutschlands diesen Beschluß verkündet als die Schöpfung einer deutschen Flotte! (Bravo!) Denn nur in dem Zusammenwirken des Gesammtvaterlandes kann dieselbe entstehen!"... „Indem wir aussprechen: Es entsteht eine deutsche Flotte, und es durch Handlung zeigen, haben wir ein Zeugniß abgelegt von der Einheit Deutschlands, das in die fernsten Zonen sich fort trägt. (Bravo!) Das erste deutsche Kriegsschiff, das erscheint und sich vor die Mündung des Rio de la Plata legt, zeigt den dortigen Deutschen, daß sie nicht mehr von der Willkür eines Tyrannen ausschließlich abhängen, sondern daß hinter ihnen ein Volk von 40 Millionen steht! (Bravo!) Die Schöpfung der Flotte ist nicht nur eine kommerzielle, eine politische, sondern eine nationale Frage!" — Nachdem er noch hingewiesen auf die Ohnmacht Deutschlands der kleinen Seemacht Dänemark gegenüber, brachte er den Antrag des Ausschusses auf Beschaffung der zur Flottenbegründung nöthigcn Geldmittel ein. Der An trag lautete: „Hohe Nationalversammlung wolle beschließen, daß der hohe Bundestag zu veranlassen sei, die Summe von 6 Millionen Thalern auf verfassungsmäßigem Wege ver fügbar zu machen, und zwar 3 Millionen sofort und die ferneren 3 Millionen nach Maßgabe des Bedürf nisses."— Die Begründung der geforderten Summe leitete der Aus schuß aus der Erbauung folgender Fahrzeuge: 2 Fregatten zu 46—54 Kanonen für zusammen 900000 Thlr.; 4 Corvetten zu 20—32 Kanonen für zusammen 920000 Thlr.; 2 Dampf schiffe zu 500 Pferdekräften für zusammen 800 000 Thlr.; 4 Dampfschiffe zu 350 Pfcrdekräften für zusammen 1200 000 Thlr., endlich 200 Kanonenboote zu je 2 Kanonen nach den neuesten dänischen Rissen für zusammen 1400 000 Thlr., zu sammen also 5 220 000 Thlr. Der Restbetrag von 780 000 Thlr. solle zu Hafen- und Arsenalanlagen verwendet werden. Am 14. Juni kam der Antrag des Ausschusses zur Debatte. Ein« lange Reihe von Rednern betheiligte sich an derselben. Fast ausnahmslos traten sie für den Antrag, für die Gründung der Flotte überhaupt, ein; nur hatten Einzelne technische Bedenken über die Art der vorgeschlagenen Schiffe, andere fürchteten bei An erkennung der Nothwcndigkeit einer Flotte doch die Geldbewilli gung und zweifelten an der Möglichkeit, die geforderte Summe ohne wirthschaftlich« Schädigung de» Volker aufbringen zu können. Die Debatte eröffneten die Wiener Abgeordneten Möring und WieSner. Ersterer beanstandete in weitschweifigen technischen Ausführungen da» vorgeschlagenr Schiffsmaterial und fordert« unter Hinwei» auf Amerika» Vorgehen kleine, nanöverirfähige Dampfboote an Stelle der Corvetten und statt der 200 unzweck mäßigen „Nußschalen" 10 Dampfer von 250 Pfcrdekräften; nach seiner Meinung würden dadurch die Kosten auf 4150 000 Thlr. herabgesetzt. Während dem das Ausschußmitglied Kerst ent- gegenstcllte, daß die Einzelvorschläge des Ausschusses in keiner Weise bindend sein sollten, und ermahnte, man möge die Sache nicht durch nebensächliche Bedenken aufhalten, brachte Wiesner pccuniäre Bedenken gegen die Vorlage vor. Er wünsche zwar den Flottenbau beschleunigt, aber, so fuhr er fort: „Heute zum ersten Male sollen wir dem Volke eine Steuer auferlegcn. Ich fühle das Ungeheure und Gewichtige dieser Aufgabe, obgleich die Steuer nur 6 Millionen umfaßt." Er bezweifelte auch, ob der Ausschuß genügende Erkundigungen eingezogen habe. Ihm antwortete mit großer Wärme und Entschiedenheit für die Vorlage der Abgeordnete Tellkampf-Wien. Er wies hin auf die Vortheile der Flotte gegenüber den Ausgaben. „Es ist un zweifelhaft", führte er aus, „daß die Auslage für die Flotte durch den Schutz, welchen sie den Handelsinteressen gewährt, reichlich wieder ersetzt wird. Es sind also die für eine Flotte erforder lichen Geldmittel, so bedeutend sie sind, doch geringer, als die angedeuteten Vorthcile sür unser materielles Wohlergehen, und für politische Kraft und Einheit. Wir geben durch die Be willigung der beantragten Mittel der Welt d urch die That den klarsten Beweis, daß die Einigkeit Deutschlands eine Wahrheit ist." (Sehr gut! Bravo!) Gleich Tellkampf befürwortete das Ausschuß-Mitglied Teichert-Berlin die Vorlage. In erhöhtem Maße als Wiesner hob dann Schlöffe! aus Halbendorf in Schlesien die pekuniären Schwierigkeiten hervor. Er könne vor seinen Wählern, lauter armen schlesischen Webern, die infolge der Salzsteuer nicht ein mal Salz kaufen könnten, eine Befürwortung der Vorlage kaum verantworten, so sehr er persönlich sie realisirt wünsche. Man müsse „die Mittel nehmen von den Privilegirten, die vorher Alles aus dem Volke genommen hätten". (Er meinte die Fürsten; von den Galerien erscholl ein lautes „Bravo!") In ähnlichem Sinne sprach auch Eisenstuck-Chem- nitz. Das Volk müsse vor Allem genau wissen, wie daS Geld verwendet werden solle, ehe es bewilligt würde. Daher solle die Bewilligung erst nach Errichtung einer vollstreckenden Central gewalt vorgenommen werden. Durch diesen Antrag war die ganze Angelegenheit in Gefahr, eine bedeutende Verzögerung zu erfahren. Es ward daher durch denselben ein gewaltiger Redesturm entfesselt. Die Einheits bestrebungen der meisten Abgeordneten und darum auch ihre Be geisterung für die Flotte war so stark, daß gegenüber dem Eisen- stuck'schen Antrag die Vorlage im Sinne der Ausschusses gesichert ward. Bevor man zur Abstimmung schritt, ertheilte Heinr. v. Gagern, der Präsident, noch einmal dem Abgeordneten Radowitz, als Berichterstatter des Ausschusses, das Wort. Dieser empfahl rechte Einmüthigkeit zu dem ernsten Werke; denn „die deutsche Flotte soll das Symbol der deutschen Einheit sein, insofern sie nur aus den vereinten Kräften des Gesammtvaterlandes hervor gehen könne". Der Präsident ergriff das Schlußwort. „lieber das System der Aufbringung des Geldes könne die Nationalversammlung nicht beschließen ohne Verzögerung der Angelegenheit; es solle bleiben bei dem „verfassungsmäßigen Wege", d. h. nach der Bundesmatrikel bei Vertheilung der Summen auf die einzelnen Staaten." Seine Worte waren von der günstigsten Wirkung. Als man zur Abstimmung schritt, erhob sich auf Gagcrn's Auf forderung fast die ganze Versammlung mit Ausnahme von 5 oder 6 Personen unter 548 Abgeordneten. Die Frage nach Bejahung des Flottenantrages war „mit einer an Stimmeneinhelligkeit grenzenden Majorität" ange nommen! — Endloser Jubel herrschte im ganzen Vaterlande. Von allen Seiten gingen freiwillige Spenden ein — zumal von den deutschen Frauen, die Gold und Geschmeide für die Vorlage zum Opfer darbrachten! In der Nummer vom 13. Juni 1848 der „Augsburg. Allg. Ztg." bereits wurden sie verherrlicht in einem ergreifenden Ge dicht. Da hieß eS: „Hoch leben die deutschen Frauen, f>och lebe die deutsche Maik! Lie helfen uns heute bauen Mit Perlen und Golvgeschmeid. Sie helfen uns Schiffe hämmern Aus Eisen und deutschem Holz: " ' -ch sehe Las Frühroth dämmern Des werdenden Tages mit Stolz! Tas Band eurer Weißen Arme, Ter Ring don ver schönen Hand: Sie sind in der Zeiten Harme Ein mäßiges Unterpfand. Ter Becher von schönen Lippen, Er bürgt uns als fromm Gebet, Dah unter drohenden Klippen Doch Deutschland nicht untergeht!" Fünfzig Jahre freilich dauerte eS noch, bis das „däm mernde Frühroth des werdenden Tage»" wirk lich den Tag brachte, der die endgiltige, sichere Entscheidung herbeiführte! ———. 6. L.
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