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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.06.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-06-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980615028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898061502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898061502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-06
- Tag1898-06-15
- Monat1898-06
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Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/.? Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentag- um 5 Uhr. Ke-action un- Expedition L IohanneSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Ltto klemm'- Torttm. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paultnum), Louis Lösche. Katharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. VezugS'PreiS t» d« Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und deu Vororten errichteten Aus gabestellen ab geholt: vierteljährlich ^l 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in- Hau- 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestährlich 6.—. Directe tägliche Krruzbandlendung tu- Ausland: monatlich 7.50. Abend-Ausgabe. MiMer TagMM Anzeiger. Amts Statt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Notizei-Äintes der Ltadt Leipzig. AnzeigenPreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4ge- spalten) 50-H, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Preis« verzrichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen «Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesürderung 7V—. Annahmeschluß für An)eigrn: Ab end «Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in, Leipzig. 288. Mittwoch den 15. Juni 1898. 92. Jahrgang. Kaiser Friedrichs Todestag. 52 Wie Potsdamer Depeschen melden, widmet Kaiser Wilhelm II. den heutigen Tag der Erinnerung seiner Thron besteigung ausschließlich dem Gedächtniß seines vor zehn Jahren tahingeschiedenen Vaters. In dem Gefühle, das dem Kaiser diese Zurückhaltung eingicbt, begegnet er sich mit dem deutschen Bolle. Kaiser Friedrich, dem Vielgeliebten, gebührt heute ein unzetheiltes Gedenken. Sein Schicksal war in Allem und Jedem von dem seines Vaters unterschieden, aber auch die Persönlichkeit deS zweiten Kaisers füllt Blätter der Geschichte, ohne die das große, beglückende deutsche Werk des neun zehnten Jahrhunderts vielleicht tiesbeklagte Lücken ausweisen würde. Als Herrscher ist Friedrich ein unbeschriebenes Blatt ge blieben, da ein grausames Geschick es dem Siebenundfünfzig jährigen aufgespart hatte, als ein todtsiecher Mann den Thron zu besteigen. Nicht im Wirken, im Dulden liegt die Größe der kurzen Negierungszeit, die einen furchtbare Leiden mit beispiel loser Ergebung tragenden Fürsten zeigt. Sein Heroismus vor dem gähnenden Grabe, das manche langgehegten Pläne mit unerbittlicher Gewißheit zu verschlingen sich aufgethan, hat die Bewunderung einer Welt erregt und fast Siege verdunkelt, die mit goldenen Lettern in die Ge schichtstafeln eingegraben sind. Unverwelkliche Lorbeeren sind cS, die der Kronprinz Friedrich Wilhelm als Feldherr pflücken durste. Tie Tage von Königgrätz, Weißenburg, Wörth, Sedan umstrahlen seinen Namen. Aber ihn, den außerhalb deS Mittelpunktes der Regierung Stehenden, kränzen zugleich Verdienste um die Neugestaltung der Dinge in Deutschland, die nicht auf Schlachtfeldern erworben sind. Sie waren bei Lebzeiten Friedrich's weniger gefeiert, als die Thaten im Felde, vielleicht zum Theil nicht allgemein bekannt, aber sie wiegen darum nicht leichter. Ter heutige Tag lenkt den Blick zurück auf jene schicksalsschweren Stunden zuNikolsburg, da zwischen dem König Wilhelm und seinem großen Bcrather Meinungsverschiedenheit herrschte überden mit Bayern abzuschließenden Fricdensvertrag. Wohlverständlich — und nunmehr allerseits wohlverstanden — suchte der Monarch die beste Gewähr der Sicherheit Deutschlands gegen Westen in der territorialen Festsetzung Preußens auch im Süden, und vie damit bekundete Auffassung thut dem Ruhme des Militair« und Prcußenkönigs wahrlich keinen Abbruch. Aber was eine nahe Zukunft lehren sollte, war von Bismarck voraus gesehen: das Mittel war unnöthig zum Zwecke und darum nicht daS geeignetste der dargebotenen. Generäle bestärkten die Ansicht deS Kriegsherrn und der Zwiespalt schien be drohlich zu werden. Da trat Kronprinz Friedrich Wilhelm als überzeugter und energischer Vermittler auf und führte die Verständigung zwischen König und? Minister herbei. Sie !rug herrliche Früchte und dem Fürstensohn wurde der goldene Lohn, daß er vier Jahre später bei Ausbruch deS französischen Feuilleton. Lauernblut. 6j Roman in drei Büchern. Bon Gerhard von Amyntor. (Dagobert von Gerhardt.) Nachdruck verboten. Peter schwang sich auf die Ecke eines Werktisches, von der er erst ein paar Oboen, deren Klappcnwerk der Ausbesserung harrte, vorsichtig fortgeschobcn hatte, und brummte mißmuthig: ..Weil Du verliebt bist. So ein Bräutigam denkt immer nur an die Herzallerliebste und hat leine Augen für das Elend unserer Tage . . das durch das Raisonniren und Agitiren auch nicht ge bessert wird." „Doch, beim Satan! Wir werden cs bessern", fuhr Peter beftig auf, indem er mit der Faust neben sich auf die Tischplatte schlug, durch einen Generalausstand werden wir es bessern! Ich sage Dir, Adolf, wenn wir erst das ganze Handwerk, die säinmtlichen Arbeiter und Proletarier, unter einen Hut gebracht haben und den Generalausstand proclamiren, dann steht die Ltaatsmaschine still, das ganze Bourgeoispack ist lahmgelegt, und wir Socialdemokraten schreiben der socialisirten Gesellschaft das Gesetz vor." „Das wird eine nette Sorte Gesetz werden. Bruder, red' Dich nur nicht wieder in diesen Unsinn hinein; wenn es Sabine hört, kriegt sie noch Angst vor Dir." Peter schaute sich um, ob denn des Bruders Braut in der Werkstatt wäre; da er sie aber in den schon schattendüsteren Winkeln des mit allerlei Geräthen vollgepfropften Raumes nicht entdecken konnte, fragte er: „Sabine? wann kommt sie denn?" „Sie muß jeden Augenblick kommen . . . Knack! da springt mir wieder ein Stück von dem Holze weg; es muß einen Riß gehabt haben — jammerschade! Mutz wir wahrhaftig ein neues Stück holen. Thu' mir den Gefallen, Peter, und empfange Sabine, wenn sie inzwischen eintreffen sollte; ich komme gleich wieder; ich gehe nur nach dem Holzlager auf dem Boden." Er war durch die Hofthür nach dem Vorderhause gegangen. Peter war allein in der Werkstatt geblieben. Eine Weile hockte er mißmuthig noch auf seiner Tischecke und hörte dem Schwirren und Zwitschern der verschiedenen Singvögel zu, die in kleinen an der Wand hängenden Käfigen ihr Wesen trieben und noch gar keine Anstalten machten, die Köpfchen zur Nachtruhe ur.lc: den Flügeln zu bergen; doch endlich stand er auf und trat an Krieges daS bayerische Heer mit den anderen süddeutschen Kämpfern unter seinem Obercommando vereinigen durfte. In dieser seiner Eigenschaft als Befehlshaber der dritten Armee hat Friedrich nicht nur Schlachten, sondern auch Herzen gewonnen. Nur wer Süddeutschland kennt, vermag den Antheil z» ermessen, den die herrliche Heldenerscheinung, die bezwingende Liebenswürdigkeit des Köuigsohnes an der kriegerischen Freudigkeit dcrSoldaten,au Lernationalen Freudig keit der gesummten Bevölkerung des Südens gehabt hat. Diese moralischen Eroberungen hat der Kronprinz nach dem Kriege und auf dienstlichen und außerdienstlichen Besuchen unaus gesetzt, bis zu seinem Tode gewahrt. Seine Persönlichkeit ist in Wahrheit ein Bindemittel zwischen Nord und Süd gewesen. Und wie er Verdienste um die Entstehung und Be festigung deö Nationalstaates besessen, so gebührt Friedrich ein Theil an dem Danke dafür, daß dem Reiche eine Spitze gegeben wurde, ohne die die neue deutsche Bundesverfassung ein Blatt Papier geblieben wäre, dessen Besitz wohl den Verstand befriedigt, aber die Herzen kalt gelassen hätte. Er hat eifrig geholfen, die Widerstände, die sich der Wiederauflebung der deutschen Kaiserwürde anfänglich entgegenstellten, zu überwinden. So ist es dem Thronfolger vergönnt gewesen, sich neben dem militairischen für staatsmännisches Wirken ein Andenken zu sichern, das als Regierender zu erwerben ihm ein furcht bares LooS versagen sollte. Während der 99 Tage seiner Herrschaft standen unsägliche Qualen, stand Tod zwischen ihm und einer freien Betätigung. Doch bekundet nicht nur seine lange Vergangenheit als Kronprinz, sondern auch diese kurze Spanne Zeit, daß eine Partei, die den grundlegenden Einrichtungen des Reiches theils gleichgiltig, theils feindlich gegenüberstand, frevelhaften Mißbrauch mit der Krankheit deS Kaisers trieb, als sie ihn einen zur Vollstreckung ihrer Absichten geneigten Herrscher nannte. Vielmehr ist es Gewißheit geblieben, daß Deutschland am 15. Juni 1888 eine große Hoffnung begraben hat, daß eS den Schmerz nm einen edlen Menschen, einen leuchtenden Helden, der es noch immer erfüllt, auch einem segenbringenden Herrscher schuldig geworden sein würde, wenn der zweite Kaiser nicht allzufrüh von ihm gegangen wäre. Der spanisch-amerikanische Krieg. —p. In Madrid athmet man augenblicklich etwas freier auf und der Muth belebt sich von Neuem. Zwar hat der Kriegs minister noch keine officiellen Meldungen über die Kämpfe bei Guantänamo und hält sie vorläufig noch für bedeutungslose Zusammenstöße mit den Insurgenten, aber amerikanische Telegramme bestätigen doch, daß, wie wir schon gestern her vorhoben, gelandeten Marinetruppen im Feuer stehen, und die Drehbank, um die reparaturbedürftigen Blasinstrumente, die dort umherlagen, gelangweilt zu betrachten. Wie er so näher dem Fenster stand, durch das der letzte Schein des schwin denden Tages purpurn hereinfiel, hätte man seine überraschende Achnlichkeit mit dem eben hinausgegangenen Bruder noch gut erkennen können. Derselbe mittelgroße, pralle und doch wohl- proportionirte Gliederbau, dieselbe nicht unedle Gesichtsbildung, dieselben dunkel leuchtenden Augen, derselbe ernste und doch auch wieder spöttische Zug um die gesund-rothen, etwas üppigen Lippen. Peter und Adolf waren Zwillinge, und ihre Pflege mutter, Frau Lampert, hatte sie als kleine Buben nur dadurch unterscheiden können, daß sie sich jedesmal erst der kleinen Warze vergewisserte, die Adolf als besonderes Abzeichen auf seiner rechten Wange trug. Wenn sich die Brüder aber auch äußerlich wie ein Ei dem anderen glichen, so waren sie nach Sinnes- und Gemüthsart doch verschieden: Adolf war glücklich und zufrieden, er schwärmte für seinen Kaiser, den altehrwürdigen Begründer des neuen deutschen Reiches, er arbeitete mit Lust und Eifer in seiner Werkstatt und genoß als tüchtiger und geschickter Instru mentenmacher eines sich täglich mehrenden Rufes nnd Ansehens bei allen Musikern der Stadt und der weiteren Provinz. Ge legentlich konnte auch er spötteln und einen lästigen Unzufriedenen ironisch abfertigen; meist aber war er guter und verträglicher Laune, und seine hübsch geschwungenen Lippen verzogen sich am liebsten zu einem weichen, gutmüthigen Lächeln, lieber Alles liebte er seinen Bruder, wenn dieser auch immer unzufrieden und verbittert war und die Welt nur noch durch eine verzerrende und Alles häßlich machende Brille betrachtete. Peter konnte ebenfalls andauernd arbeiten und etwas Tüchtiges leisten; aber er hatte keine Freude an seinem Schaffen und auch keinen rechten Segen davon, denn er verachtete das Geld, streute es, wenn er welches besaß, leichtfertig aus und verfluchte es, wenn es ihm ausgegangen war. Bei seinem Bruder Adolf fand er immer eine offene und bereitwillig spendende Hand, sonst hätte er wohl schon öfters darben und sich das Nothwendigste versagen müssen. Er war ein begeisterter Verehrer Bebel's, hatte dessen Schriften und Parlamentsreden mit Begier gelesen und sich vollgesogen mit einem giftigen Hasse gegen die bestehende Gesellschaft und mit der trunkenen Hoffnung auf ein bald hereinbrechendes gol denes Zeitalter, sobald es nur geglückt sein würde, die Gesell schaft zu „socialisiren". Die „socialisirte Gesellschaft", das war sein Schlagwort, das er gern im Munde führte, sein Feldgeschrei, unter dessen Ruf er ankämpfen wollte gegen den wurmstichigen Staat, gegen das protzcnhaftc und sittlich verfaulte Bourgeois- thum. Jetzt schaute Peter über die Drehbank hinweg durch das daß ihre Lage eine wenig beneidenSwerthe ist. So erhalten wir folgende charakterislijche Meldung: * Rcw -)ovk, 14. Juni. Ein Telegramm der „Associated Preß", Latirt von gestern Nachmittag aus dem amerikanischen Lager am Außenhafen von Guantänamo, besagt, daß die Amerikaner bis dahin erfolgreich in den Kämpfen gewesen seien: die Lage sei aber ernst, da die Truppen durch den beständigen Kampf gegen die säst keinen Augenblick aus setzenden Angriffe der Spanier erschöpst seien und ichon auf gerieben sein würden, wenn ihnen nicht die Kanonen der amerikanischen Kriegsschiffe Schutz gemährt hätten. Tie Spanier haben das amerikanische Lager auf allen Seiten ein geschlossen. Einzelne rückten während der Nacht, durch das Gebüsch gedeckt, bis auf 30 Aards au das Lager heran. Die Mitwirkung der Aufständischen in dem Kampfe am Sonntag Adend war kein Erfolg, da sie ganze Salven auf die Amerikaner abgaben, die nur mit Mühe den Geschossen entgehen konnten. Diese Hiobspost wird in New Jork nnd Washington, wo man so große Hoffnungen aus die Insurgenten gesetzt, lange Gesichter verursachen; ebenso wird man über die folgen den Meldungen nicht eben freudig erregt sein: * Washington, 14. Juni. Depeschen, welche heute Nachmittag eingegangen sind, melden, daß die Abfahrt der Transport schiffe gestern begann, die Bewegung aber so langsam vor sich gegangen sei, daß viele Schisse sich erst heute Morgen in Bewegung setzten. Man glaubt, daß jetzt alle abgegangen sind. * Washington, 14. Juni. Eine officielle Mittheilung ist hier eingetrosfen, welcher zufolge die Truppentransporte, die »ach Santiago bestimmt sind, und von denen man annahm, daß sie schon gestern abgefahren seien, heute früh noch nicht ab gegangen seien. Es wurde für diese Verzögerung, welche die Re gierung sehr zu enttäuschen scheint, keinerlei Erklärung gegeben. Handelt es sich nicht um eine Irreführung der Spanier, was uicht ausgeschlossen ist, so muß man in Washington um das Schicksal der 600—1000 Mann Marinetruppen bei Guantanamo besorgt sein, von denen uicht, wie gemeldet wurde, einer, sondern viele bereits gefallen sein bürsten. Wie eS heißt, sollen größere Expeditionen jetzt wegen deS gelben Fiebers überhaupt unterbleiben. Richtig «st, daß die Amerikaner die Spanier weit weniger fürchten, als das gelbe Fieber, und daß dessen Auftreten in der Stadt Mac Henry am Mississippi höchst erschreckend gewirkt hat. Die Behörden haben, wie aus New Jork berichtet wird, eiligst alle möglichen Maßregeln ergriffen, um die Ver breitung der Seuche zu verhindern. Eine Anzahl südstaat licher Bundcssenatoren hat sofort den Präsidenten Mac Kinley ersucht, die großen Lager im Süden aufzuheben und die Truppen in die höher gelegenen Gegenden zu vertheilen. Die Folgen davon, wenn das gelbe Fieber unter den Truppen aufträte, wären furchtbar. Die Krankheit würde sich blitzschnell ver breiten und ohne Zweifel zeitweilig die Kriegsoperationen zum Stocken bringen. Santiago hat überdies den Ruff, die un gesündeste Stadt auf Euba zu sein. In früheren Jahren wurden alle während der Zeit des gelben Fiebers von Euba kommenden Personen ärztlich untersucht und einerQuarantäne unterworfen. Dieses Jahr treffen so viele von der Insel in den Ver einigten Staaten ein, daß die Sanitätsbehörden keine genaue Fenster hinaus in den Hof, der sich schon in Dunkelheit zu hüllen begann. Da ging die Thür zur Werkstatt auf und eine anmuthige Mädchengestalt schwebte leichtfüßig über die Schwelle. Mit geöffneten Armen flog sie auf ihn zu, umhalste ihn und drückte ihm stürmisch ihr schwellendes Lippenpaar auf den Mund. Der so wohlthuend Ueberfallene begriff sofort, daß er von Sabine für den Bruder gehalten wurde; aber die Versuchung, dieses lebenswarme Geschöpf noch länger in den Armen zu halten, und von ihren süßen Lippen den Honigseim zärtlicher Küsse zu naschen, wirbelte ihm wie eine Trunkenheit in den Kopf; er verrieth sich mit keiner Silbe; er umschlang auch seinerseits des Mädchens schlanken Wuchs und raubte ihr Kuß um Kuß von dem sich bereitwillig darbietenden Mündchen. Da hatten Sabinens schlanke, feinfühlige Finger zufällig seine rechte Wange berührt und die ihr schon lieb gewordene kleine Warze nicht zu finden vermocht. Mit einem jähen Auf schrei prallte sie zurück und stammelte erschrocken und vorwurfs voll: „Peter, Du bist es? Pfui! Das war schlecht von Dir! Ich glaubte, Adolf wäre es." Peter lachte, daß ihm die Thränen in die Augen traten. „Nur nicht böse sein, mein holdes Täubchen! Soll ich denn Feuer schreien, wenn mir ein hübsches Mädchen an den Hals fliegt? Ich bin doch nicht Schuld an der Verwechselung. . . . Da kommt Adolf schon; er soll entscheiden, ob mich ein Vorwurf trifft." „Pscht!" machte Sabine, und legte dem zukünftigen Schwager die kleine Hand auf den Mund. „Nicht in meiner Gegenwart . . . ich würde mich todt schämen; ich werde es ihm selber sagen, wenn ich wieder allein mit ihm bin." Schon trat Adolf, mit einem Kloben Grenadillholz unter dem Arm, in die Werkstatt und begrüßte mit zärtlichem Kusse sein holdes Bräutchen. Er würde das nicht unbefangene Wesen der Beiden vielleicht dennoch bemerkt und gefragt haben, was denn vorgefallen sei, und Sabine würde ihm wahrscheinlich auch ehrlich die Verwechselung der beiden Brüder gebeichtet haben, wenn nicht das unvermuthete Erscheinen Friedrich Just's allen Dreien plötzliches Schweigen auferlegt hätte. „Herr Adolf Dechner?" fragte bescheiden der Eintretende, der seinen Paletot noch immer über dem Arme trug. Adolf trat dem Kunden (für einen solchen hielt er ihn) höflich entgegen und fragte nach dessen Begehr. Friedrich Just wollte in schonender Weise mit seiner Trauer kunde beginnen; doch kaum hatte er den Namen des Kunst schützen nnd Taschenspielers Mr. William Tell erwähnt, als sich Adolf nach seinem Bruder umkehrte und dringlich bat: „Du, komm' her! Es handelt sich um unseren Vater." Aufsicht führen können. Die Befehlshaber der amerikanischen Kriegsschiffe haben jetzt strengen Befehl erhalten, die Blockare Eubaö auf alle Flüchtlinge, die in kleinen Booten zu eni- kvmmen suchen, auszudehnen. Die TrnppentraaSportfchi". sollen auch nicht einen Flüchtling an Bord nehmen, wenn p : nach den Vereinigten Staaten zurückkehrcn. Ais ein weiterer spanischer Erfolg mag erwähnt fei.:, daß nach Meldungen, die auS Havanna in Madrid cui- gegangen sind, die Aufständigen neuerdings in mehreren Treffen geschlagen wurden, wobei sie 42 Todte hatten. Ebenso trägt zur Hebung der Stimmung in Madrid r'e Bestätigung der Nachricht bei, daß der Torpedozerstörcr „Terror", den das amerikanische Kriegsschiff „Oregon" in den Grund gebohrt haben sollte,nochwohlbehaltenimHafenvonSan Juan liegt, und mit Befriedigung vernimmt man die amtliche Be kanntmachung, daß bei der letzten Beschießung Santiagos drei amerikanische Schiffe schwer beschädigt wurden. Aus der „MassachusetS" wurde, wie schon erwähnt, ein Geschütz demontirt und ein großer Theil des Decks eingeschlagen. Auf der „New Hort" platzte eine spanische Granate und tödtrlc zahlreiche Personen. Ferner wurde ein Monitor beschädig!. Die „New Jork", deren Maschine beträchtlich gelitten hatte, mußte nach Key West bugsirt werden. Von einem abermaligen Angriff auf Santiago weiß man in Madrid nichts und ist wegen des Schicksals der Stadt unbesorgt. Dagegen muß man ein Fragezeichen hinter die Meldung machen, Marschall Blanco in Havanna sei aus Santiago verständigt worden, Admiral Cervera werde, da die Nachricht eingetrosfen ist, daß Sampson's Geschwader wenig Munition habe, dieses angreifen, um ein Gefecht auf offener See herbeizuführen. Das dürften die Spanier bei der Ueberzahl der amerikanischen Schiffe denn doch nicht wagen. So weit ist eS noch nicht, wenn auch die Zuversicht der Spanier wieder gewachsen ist und man es in Madrid als selbstverständlich hinnimmt, wenn der Minister des Aeußern versichert, es sei kein Schritt zu Friedensver handlungen gethan. Auch die Lage in Manila hält der Minister für nicht so schlimm, als sonst geglaubt wird, da General Augusti 20 000 Mann concentrirt habe und 205 weittragende Kanonen besitze. Eine Bestätigung der Nachricht, daß drei spanische Panzerschiffe in Sicht von Manila seien, liegt indessen noch nicht vor. Die Aufständischen befinden sich 2 lcm weit außerhalb der Stadt. Manila ist vollständig eingeschlossen und jede Nacht finden Kämpfe statt. Die Aufständischen versuchen, Manila zu nehmen, um dort eine selbstständige Regierung zu errichten, ehe die Landungstruppen der Amerikaner eintreffen. Sobald diese angelangt sind, wollen die Amerikaner die Stadt be schießen. — Der deutsche Consul hat 300 Deutsche und Schweizer auf einem Dampfer in Sicherheit gebracht. Was an den Gerüchten ist, daß Deutschland mit den Cabinetten in Madrid und Wien über eine Verständigung betr. der Philippinen und die erforderlichen Schritte ver handle, um deren Aufgehen in die Vereinigten Staaten zu verhüten, so ist die allergrößte Vorsicht geboten, zumal da sie aus der bekannten englischen Hetzfabrik stammen. Dessen aber glauben wir sicher sein zu dürfen, daß, wenn es die deutschen Interessen erfordern sollten, unsere Diplomatie früh genug aufstehcn und nicht die Rolle des Poeten spielen wirt, der kam, als die Welt schon weagegeben war. In diesem Sinne wird der „Mar.-Pol. Eorr." auS den Kreisen unabhängiger Marinefreunde geschrieben: Die Zuspitzung der Verhältnisse auf den Philippinen, Er stellte den Herantreienden dem Fremden vor und dieser gab seiner Genugthuung Ausdruck, daß ihm der Zufall zu gleicher Zeit auch Herrn Peter Dechner in den Weg geführt habe. Just mußte sich auf den einzigen Schemel setzen, der in der Werkstatt vorhanden war; Peter hockte wieder auf seiner Tischccke und Adolf stand mit dem Rücken gegen das Gestell einer Wippdrehvank gelehnt, während er seine neben ihm ste hende Braut mit dem Arme umfaßt hielt. Die Vögel in deu Käfigen schliefen jetzt; auch der Hof war ziemlich still geworden, und so war Wort für Wort des langsam und mit leiser Stimme Erzählenden deutlich vernehmbar. Peter hörte ohne besondere Bewegung von dem Ende seines Vaters, den er so gut wie gar nicht gekannt hatte; der gc waltsame Tod der Mrs. Tell, seiner Stiefmutter, ließ ihn vollends kalt; hatte er doch mit dieser Frau niemals auch nur die geringsten Beziehungen gehabt. Adolf hingegen fuhr sich verstohlen mit dem Handrücken über die Augen, als Friedrich Just das einfache Begräbniß der beiden Getödteten schilderte; wenn er sich auch, wie Peter, des Vaters nicht mehr entsinnen konnte, so war es doch immerhin der Vater gewesen, der ihm geraubt worden war, und einen Vater verliert man nur einmal im Leben. Sabine Meerholt, die Braut, trocknete sich mit dem Zipfel ihres bunten Tändelschürzchens immer wieder die strömenden Thränen von den runden Wangen; sie hatte ein weiches Herz und eine leicht bewegliche Einbildungskraft und sah im Geiste, wie der Vater ihres Bräutigams durch den Keulenschlag eines nach ihrer Meinung menschenfressenden Indianers erbarmungs? los niedergeschmettert wurde. Als Just schließlich erwähnte, daß er schon beim Assessor Tell gewesen sei und diesem ein Drittel der kleinen Hinterlassen schäft ausgezahlt habe, daß er aber die beiden anderen Drittel für die Brüder Dechner mitgebracht habe, da sprang Peter von der Tischecke herunter und sagte lustig: „Rücken Sie heraus. Sie Goldonkel! Geld kann man immer brauchen. Ich hätte mein Lebtag nicht gedacht, daß ich von meinem Vater noch einmal was erben würde." Er steckte die beiden Einhundertmarlscheine eifrig ein und sah, wie auch Adolf einen solchen und zwei Fiinfzigmarkscheine erhielt und in die Westentasche schob. „Und das überbringen Sie uns aus freien Stücken, ohne irgend welchen Auftrag? Ohne Kenntniß der Gerichte?" fragte Adolf verwundert. „Es ist der Erlös aus Ihres Vaters Pferd und Gepäck; kein Mensch weiß von diesem Gelbe; ein Testament war nicht vorhanden."
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