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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.02.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960227010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896022701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896022701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-02
- Tag1896-02-27
- Monat1896-02
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Sie mischen sich in so vielerlei Händel ein, daß sie darüber ganz vergessen, daß die Weltstellung des britischen Reiches mit der Position in Asien steht und fällt, nicht aber mit dem Besitze oder Nicktbesitze von Goldminen im Trans vaal oder Venezuela. Englands Streitkräfte stehen ohnehin in craffem Widerspruch zu den prahlerischen Versicherungen der englischen Staatsmänner, wenn sie aber vollends Dank der Habgier der englischen Politik zersplittert werden, so kann England nirgends seine, beziehungsweise seiner Bundesgenoffen Interessen nachdrücklich wahrnebmen. Während Rußland, wie bei jeder Gelegenheit, so auch in Ostasien, mit dem Willen der Machterweiterung weise Mäßigung verbindet, kann man auf die Engländer wohl das Goelde'sche Wort anwenden: „So taumel' ich von Begierde ru Genuß und im Genuß verschmacht' ich vor Begierde." Und unter dieser Maßlosigkeit und Haltlosigkeit seines natür lichen Bundesgenossen dürste das arme Japan noch schwer zu leiben haben. Deutsches Reich. * Leipzig, 26. Februar. Die Kritik, die^Herr Professor vr. Biedermann in Nr. 97 des „Leipz. Tagebl." an der Petition übte, welche in Sachen der Wahlreform an den König gerichtet werden soll, hat ibre Wirkung nicht verfehlt. Das Agitations-ComilS der Gegner des Wahl gesetzentwurfs hat eingesehen, daß die verfassungsmäßige Zu lässig leit des Kerns der Petition (nämlich die Bitte, der König möge „diesem Gesetzentwürfe, falls er von den Ständen angenommen werde, die königliche Sanction versagen") „nicht außer Frage steht", und macht daher Folgendes bekannt: „Nachdem wir von verschiedenen Seiten daraus aufmerksam gemacht worden sind, daß der Schlußsatz der Petition an Se. Ma jestät in Angelegenheit der Wahlrechisänderung einen Wunsch aus spricht, dessen verfassungsmäßige Zulässigkeit nicht außer Frage steht, haben wir im Einverständniß mit den Urhebern der in ganz Sachsen verbreiteten Petition dem fraglichen Satze folgende Fassung gegeben: Lw. Majestät wollen allergnädigst geruhen, diesen Gesetzentwurf vor Beendigung der ständischen Berathung zurück ziehe» zu lassen. Wir beehren uns, die« den Unterzeichnern der Petition hierdurch bekannt zu geben." Daß auch zum Zurückzieben der Vorlage kein Grund vorliegt, ist von Herrn Prof. vr. Biedermann in dem gedachten Artikel ebenfalls klar auseinandergesetzl wordeu. — Gleichzeitig bittet Herr vr. Hans Voigt, die noch im Umlauf befindlichen Petitions bogen ihm zurückrugeben. Ob sie später wieder ausgelegt werden sollen, wissen wir nicht. Geschieht dies, so dürfte der Erfolg des Agitations-ComitSs so gering bleiben wie er eS bisher gewesen ist. Die Petition hat nämlich in Leipzig, so weit sich übersehen läßt, rund 1200 Unterschriften erlangt. Die Zahl der Wahlberechtigten in den fünf Leipziger Landtags wahlkreisen beträgt rund 47 000. Bei den jeweilig letzten Wahlen in den fünf Kreisen haben zusammen rund 14 OVO Wähler socialdemokratisch, und ebenfalls 14 000 nicht social-demokratisch gestimmt. Bon diesen nicht-socialdemokratischen 14 000 Wählern haben also — vorausgesetzt, baß die Unterzeichner der Petition sämmtlich wahlberechtigt sind — 1200 die Petition unter zeichnet, wobei geglaubt werden soll, daß kein Socialdemokrat seine Unterschrift gegeben hat. Wohl aber wird man an nehmen muffen, daß in hervorragendem Maße die in jenen 14 000 einbegriffenen Deutschsoci alen unterschrieben haben, die ja von Parteiwegen bereits Gegner der Wahlrechts- Vorlage sind. Was also von dissentirenden Anhängern der Ordnungsparteien für die Herren Sobm, Binbing, Voigt übrig bleibt, inwieweit diese Zahl berechtigt ist, das Auftreten der Herren als den Ausdruck einer tiefgehenden, das sächsische Volk durchziehenden Bewegung erscheinen zu lassen, welches Gewicht die Abgeordneten und die Regierung auf die imposante Gegenkundgebung zu legen gezwungen sind — das Alles wird der Leser auS den nüchternen Zahlenangaben ohne Weiteres erkennen! * Leipzig, 26. Februar. Die socialdemokratisch» Landtagsfraction hat die Landesversamm lung für das Königreich Sachsen auf den 7. und 8. April ein berufen, also nach Ostern — das ist die interessante Nach richt, die aus Dresden übermittelt wird. Interessant nicht nur für socialbemokratische Kreise! Handelt es sich hierbei doch vm die Frage: ManbatSniederlegung oder nicht! Wie unseren Lesern auS dem Bericht über die am letzten Sonn tag hier abgehaltene, von etwa 2000 Personen besuchte socialbemokratische Parteiversammlung bekannt ist, wurde dort der Antrag angenommen, daß zur Entscheidung über die Frage der ManbatSniederlegung binnen vierzehn Tagen eine Landesversammlung einzuberufen sei. Das würde der 8. unv 9. März sein. Mit der Einberufung wurde bas socialdemokratische Landes-Agitations- C o m i t v beauftragt. Der in der Versammlung anwesende Vertreter dieses ConiitvS, Herr Fischer aus Dresden, erklärte sich auch zur Uebermittelung des Auftrages bereit, und nach seinen Ausführungen schien die Ein berufung zweifellos, falls dieselbe von einer genügenden Anzahl Wahlkreise unterstützt wird. DaS Laudes-Agitations- ComilS scheint aber nunmehr schwerwiegende Bedenken gehabt zu haben, denn gestern wurde gemeldet, daß es die Ein berufung der Landesversanimlung ablehne, weil nach den Beschlüssen der letzten, in Döbeln abgehaltenen Landesoersamm lung nur die socialbemokratische Landtagsfraction hierzu kompetent sei. Nun hat die letztere gesprochen. Das Ergebrnß ist die Einberufung auf den 7. und 8. April, also die voll ständige Mißachtung der „Bolksstimme". Die Spaltung zwischen dem „Volk" (um den MeinungSausvruck der Versammlungen in Plauen, Leipzig, Zwickau rc. so zu nennen) und zwischen der Fraktion ist also tief gehend. Erwähnt sei schließlich, daß der Beschluß der Fraktion formell anfechtbar ist. Die Landesver sammlung stellt als letzte Instanz die Eandibaluren fest, vergiebt also die Mandate; sie allem kann also auch einen gütigen Beschluß über die ManbatSniederlegung fassen. Von Herrn Dr. Schönlank wird gegenwärtig em „Ent- rüstungssturm" gegen die Fraktion mscenirt. Die Ein haltung des früheren Termins soll erzwungen werden. Ob die Fraktion diesem Sturm weichen, d. h. nachgeben wird, bleibt abzuwarten. P Berlin, 26. Februar. Die Berliner Leitung deS Bundes der Landwirthe hat sich immer durch die Ver ehrung Bismarck's bervorgelhan und durch einen häßlichen Mißbrauch des großen und theueren Namens zu ihren politischen Geschäflszwecken sich bezahlt gemacht. Ihre Reclame hat sich bekanntlich nicht nur des Altreichskanzlers be- mäcktigt, sondern auch noch Mitglieder seiner Familie an gelockt, und wird dies auch ferner tbun, wenn es im geschäft lichen Interesse zu liegen scheint. Wenn das Letztere nicht der Fall ist, weiß die Bundesleitung ihrer Verehrung auch Zügel anzulegen. So hatte sie z. B. die Wahl, aus ihrer letzten Generalversammlung den glänzenden Namen vertreten, oder eine Persönlichkeit, von deren an dem Fürsten BiSmarck selbst erprobten Kunst des Beschimpfens und Ver hetzens sie sich, wie der Erfolg lehrt, mit Recht große Wir kung versprach, agiren zu sehen; und sie hat sich für das Letztere entschieden. 6. H. Berlin, 26. Februar. Der preußische Cnltus- minister hat den Provinzialschulcollegien mittheilen lassen, daß es zu seinem Befremden in einem AuffichtSbezirke wieder holt vorgekommen ist, daß Schüler der Untersecunda höherer Lehranstalten theils mit, tbeilS ebne Vermissen der betreffenden Direktoren bebufS Erlangung deS Zeugnisses über die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig freiwilligen Dienst sich der Prüfung vor einer königl. Prüfungskommission für Einjährig-Freiwillige unter zogen haben, ohne die Schule zu verlassen, in einem Falle sogar unter Verzichtleistung auf die Tbeilnabme an der un mittelbar bevorstehenden Abschlußprüfung. Der CultuSminister betont, daß die Schulverwaltung darauf Werth legen muß. daß einer willkürlichen Durchbrechung der für diese Schulen vorgeschriebenen Ordnung, wie sie in den zur Kenntniß ge langten Fällen thatiäcklick vorlirgt, wirksam entgegengetrelen wird. „Scküler einer Unter-Eecunda, die es vorrieben, die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig»freiwilligen Dienst durch Ablegung der Prüfung bei einer Departements- Prüfungs-Commission nachzuweisen, geben schon durch ihre Anmeldung bei einer solchen zu erkennen, daß sie auf die andere Art des Nachweises, die Beibringung der erforderlichen Schulzeugnisse, verzichten und die Beurtheilung ihrer Leistungen seitens der Schule bedeutungslos zu machen versuchen wollen." V. Berlin, 26. Februar. (Telegramm.) Gestern Nach mittag arbeitete der Kaiser an den KriegSspiel-Aufgaben des Generalstabes und erledigte Regierungs-Geschäfte. Um 7^/r Uhr Abends begaben sich beide Majestäten nach dem Schauspielbause. Das Souper wurde im Schauspielhause eingenommen. Heute Vormittag hörte der Kaiser den Vor trag des Chefs des Geheimen Civil-Cabinets, wohnte um l l'/i Uhr der Schlußbesicktigung der Militair-Turn Anstalt bei und empfing um 12 Uhr im Schlosse den bisherigen Ches des Gcneralstabes des II. Armeecorps Obersten v. Prittwitz und Gaffron. L. Berlin, 26. Februar. (Privattelegramm.) Die „Nat.-Ztg." schreibt: Verschiedene Blätter melden, dem Reichstag werbe in der nächsten Zeit ein Nachtragsetat über die Neuorganisation der vierten Bataillone zugeken; es werden auch bereits die Summen dieses Etats angegeben. Wie wir erfahren, ist die ganze Frage noch mitten in der Durcharbeitung, so daß sichere Mittheilungen über Einzel heiten noch nicht gegeben werden können. Neber die Zeit, wann dem Reichstag der Nachtrag zuzehen wird, steht gleich falls noch nichts fest. Bestimmt ist nur, aber auch nicht neu, denn der Kriegsminister Hal eS selbst wiederholt gesagt, daß die Neuorganisirung sich innerhalb der jetzigen Friedens Präsenzstärke bewegen wird und daß die Mehrkosten so gering als möglich bemessen werden sollen. 6.U. Berlin, 26. Februar. (Privattelegramm.) Nach der „Nat.-Zlg." ist der commandirende General P. Blume noch nicht verübst», icdet. Er hat nur sein Entlassung« gesuch eingereicht, worüber noch keine Entscheidung des Kaisers vorliegt. Tie (vom „Leipr. Tagebl." nicht erwähnte. Red.) Nachricht, daß die Verabschiedung mit seiner Stellung zur Frage der Militairstrafproceßordnung zusammen hänge, ist durchaus unbegründet. Die Gründe seines Abschiedsgesuches seien Schwierigkeiten, welche auS seiner Stellung als commandirender General zum Statthalter Fürsten Hohenlohe in dessen Eigenschaft als General der Cavallerie sich ergeben hätten. (Diese Schwierigkeiten dürften sich wohl beseitigen lassen. Red.) (-) Berlin, 26. Februar. (Telegramm.) Zum Landes director der Provinz Brandenburg ist an Stelle deS zurück getretenen Herrn v. Levetzow der bekannte Freiherr v. Mau» tcilsfel mit 63 Stimmen gewählt worden. Landratk Waloow erhielt 41 Stimmen, v. Manteuffel nabm die Wahl dankend an. -li- Hamburg, 26. Februar. (Privattelegramm.) Eine von etwa 300 Vorstandsmitgliedern von Ortskranken kassen, BetriebSkrankencassen und freien Hilfs- cassen besuchte öffentliche Versammlung genehmigte fast ein stimmig eine Resolution, die sich gegen die starke Belastung der Cassen feiten« der Apotheken auSsprickst da die Ham burgische Mevicinalordnung von der preußischen erheblich abweicht. Es wurde schließlich eine Commission von neun Mitgliedern gewählt, die durch Petitionen an den Reichstag unv durch sonstige Mittel auf ein baldiges Zustandekommen einer einheitlichen Reichsmedicinalordnung hin wirken soll. 1V4. Rußland, Korea und Japan. ^.. O. Eine alte russische Militairregrl sagt, daß, wenn man einen Turban erblicke, man sicher sein könne, daß tausend andere folgten. Der anglo-inviscbe General Tyrrel, einer der besten Kenner der militairiscken Verhältnisse in Asien, setzt dieser Regel den analogen Ausspruch gegenüber, daß, wenn man irgendwo in Asien die Lammfellmütze eines russischen Scharfschützen erblicke, man sicher sein könne, daß tausend andere folgten. An diesen Satz erinnert die Landung der 200 russischen Soldaten in Korea. Daß Rußland nicht daran denkt, mit diesen 100 oder 200 Soldaten Korea zu erobern, sei bedingt zugegeben. Aber eS handelt sich bier darum, ein Factum zu schaffen. Russische Truppen sind in Korea gelandet, sie werden im Lande bleiben und sie werden langsam verstärkt werden. Langsamkeit und Stetigkeit bilden die Grundlage russischer Politik, der nichts fataler ist, als durch unvorhergesehene Ereignisse zu rascherem Tempo ge zwungen zu werden. So war der japanisch-chinesische Krieg mit dem raschen Siegeslauf der Japaner den Russen höchst fatal, denn er traf sie nicht genügend vorbereitet, um sofort als wrtli 8uucl6ut68 die Beute an sich zu reißen. Die Gefahr für die russischen Pläne wurde aber damals durch die deutsch- fran^ösisch-russische Enteute, die Japan zwang, auf die Frückte veS siege- zum guten Theil zu verzichten, beseitigt. Von diesem Augenblicke begann Rußland, sich für künftige Eventualitäten vorzubereiten, langsam, unauffällig, aber stetig. Ganz gelegentlich liest man wohl, daß auS der einen Garnison am Ural ein paar Batterien, aus der andern einige Bataillone Infanterie, aus der dritten einige Schwadronen nach Ost asien dislocirt worden sind. Die Nachrichten darüber kommen so gelegentlich, die Truppenmengen, um die eS sich jedeSmal handelt, sind so unbedeutend, daß kaum darauf geachtet wird. Aber eS sumwirt sich, und in wenigen Jahren wird Rußland, da«, wenn eS im vorigen Frühjahr in einen Krieg mit Japan verwickelt worden wäre, kaum 25 000 Mann aus dem Kriegs schauplätze bereit gehabt hätte, vielleicht über die vierfache Zahl von Truppen verfügen können. Und während eS damals erst Monate später neue Truppen nach dem Kriegsschauplätze hätte werfen können, wird in einigen Jahren die sibirische Eisenbahn um Vieles gefördert sein und «inen raschen Truppen transport ermöglichen, der dann mittels der projectirten mandschurischen Bahn rasch nach Port Arthur einerseits und nach Korea andererseits geworfen werden kann. Weil also für Rußland jeder Monat der Ruhe eine Verstärkung seiner Position bedeutet, bat es ganz gewiß nicht den Wunsch, mit den wenigen Truppen, die es in Cbemulpo gelandet bat, die ostasiatischeFrage aufzurollen. Diese Truppen sollen nur gewissermaßen die Visitenkarte Rußlands in Korea abgeben. Den Japanern aber zeigt dieser Lote äe prSsenee seitens Rußland« die hohe Gefahr, in der ibre Interessen schweben. Die Erbitterung, die in Japan über die Landung der russischen Truppen und den Einfluß, den sich Rußland aus den König von Korea ver schafft hat, herrscht, beweist, daß sich die Japaner dieser Gefahr bewußt sind. Wann immer Rußland sich in den Besitz Koreas setzt, ob in 2, in 5 oder in 10 Jahren, so ist im selben Augenblick die Hoffnung Japans, zu einer Groß macht ru werden, vernichtet. Denn zwischen Japan und China bildet dann Rußland einen Riegel, den wegzuschieben den Japanern nicht gelinge» wird. Denn Rußland kann dann gleichzeitig zu Lande und von der See aus operiren, Japan aber wäre lediglich auf den Angriff von der See auS verwiesen. So sehr sich auch Japan anstrengen mag, Heer und Marine zu vermehren und so hoch der Patriotismus de« japanischen Parlament-, da- die Marineforderungen mit einer Bereitwilligkeit annimmt, die Herrn Hvllmann zum Glücklichsten der Sterblichen machen würde, veranschlagt werden mag, so ist doch nicht zu verkennen, daß von Jahr zu Jahr die Waagschale sich mehr zu Gunsten Rußlands senken muß. Wenn es ein Trost ist, im Leid Genossen zu haben, so dürfte denn Japan diese- Tröste- nicht entbehren, denn jeder Donnerstag den 27. Februar 1896. Sv. Jahrgang. V. Martin Luther's Lriefe an sächsische Geistliche. i. E- Ware ohne Zweifel ein verdienstliche- Unternehmen, wenn sich Jemand daran machte, eine Volksausgabe der Briefe Luther'« zu veranstaUen. In den Briefen spiegelt sich am unmittelbarsten die Persönlichkeit. Da- ist hauptsächlich mit der Reiz, den die Briefe eine- bedeutenden Manne- für unS haben. Wir besitzen Tausende von Briefen Luther'«. Sie sind zu einem nicht geringen Theile in lateinischer Sprache geschrieben. Vielleicht ist darin mit der Grund zu suchen, daß sie weniger bekannt sind, zumal eine Uebersetzung niemals da- Kernige treffen wird, wie e- sonst auS den deutschen Briefen de« Reformator« un« anmutbet. Wer sich ein deutliche- Bild von Luther machen will, darf nicht an seinen Briefen vvrübergehen. Sie sind oft der allerbeste Commentar zu seinen Schriften. Im Folgendem soll versucht werden, auS Luther'« Driesen da« innige, oft durchaus väterliche Verhältniß zu zeigen, in dem der große Reformator zu einer ganzen Anzahl sächsischer Geistlicher gestanden hat. Man ist erstaunt, wie der Mann, der so beschäftigt war, daß wir oft bewundernd vor derartigerArbeit-leistung stehen, dennochZeit fand, in treuer Liebe sich auch kleiner Sorgen seiner Freunde anzunehmen. Wir beginnen mit unserer Stadt Leipzig. Hier wirkte seit 1539 al- Pfarrer zu St. Tbomä Baltbasar Loy. Mancher Briff von ihm und seiner Frau Rosa — Loy stammte au« Salzburg, seine Frau auS Kufstein — ist unter unseren Händen gewesen. Wir müssen e« unS versagen, hier näher darauf einrugehen. Nur zur Charakteristik der trefflichen Frau ein Wort au« einem ihrer Briefe an ine» Stadtschreiber, der die Theologie mit der Juristerei vertauscht hatte! Ihr Mann, Prediger in Schlet tau, batte sich zur Vertiefung seiner theologischen Kenntnisse nach Wittenberg begeben. Sie hatte ibn dahin begleitet und schreibt an jenen der Theologie untreu Ge wordenen: „mein Herr hat in rat funden, er sol hye be- leyben, wann er hat grossen lust zw studiern vnd mich wundert gros vnd auch ander leit mer, daö yer ain solch wesen ver lasst, ja yer seynt mir ain erschrecklich exempl, daS yer ain solcher dyener des wort gottes seynt gewesen vnd nun auch so gar auf dye baderhändl gebt, darczue man wol ander leyd sund!" Vielleicht ein anvermal mehr von dieser treff lichen Frau und ihrem ausgezeichneten Manne, dessen Name eng mit der Einführung der Reformation in Leipzig ver bunden ist! Loy's Nachfolger war Georg Mohr. Hatte Loy in engem persönlichen Verkehr mit Lutber gestanden, so gilt dasselbe auch von Mohr, nur daß unS auch noch eine Anzahl Briefe des Reformator- an diesen erhalten sind. Mohr, au« Rodach bei Coburg gebürtig, halte eine ziemlich bewegte Vergangenheit hinter sich, al- er nach Leipzig kam. Dir stürmischste Zeit Wittenberg« hatte er mit durchlebt. Am 6. Februar 1517 war er immatriculirt worden, am 1. April desselben IabreS wird er Baccalaureus, im Januar 1521 Magister. Während Luther auf der Wartburg weilt, über nimmt er da« Amt eines Knabenschulmeisters und betheiligt sich an Karlstadt'S Schwärmerei. Mohr gebörte zu Denen, die Lutber's Wort wieder auf den rechten Weg brachte. Im Jabre 1525 übernahm er da« Pfarramt zu Borna. Hier soll Mohr von Lutber selbst mit einer BürgerStockter getraut worden sein. AuS dem Mai diese« Jahre- datirt der erste Brief von Luther an ibn gerichtet, der un« erkalten ist. Hieronymus Emser hatte Anfang de- IabreS bei Melchior Lotter in Leipzig die lateinische, gegen Luther gerichtete Schrift de« EraSmuS, in der dieser sein Buch vom freien Willen vertheikigte, iu deutscher Ueberseyung drucken lassen. Mohr hatte Emser'S Machwerk sorgfältig gelesen und darin manchen Fehler entdeckt. Er hatte, nachdem er schon da« Jahr zuvor schriftstellerisch aufgetreten war, nickt übel Lust, jetzt zur Feder gegen Emser zu greifen, und wandte sich des halb an Lutber. „Mir gefällt es nicht übel", antwortete dieser, „ob ihr wider den Leipziger Verführer schreibet; aber er wird nicht schweigen. Doch schadet'S nicht, daß seine Thorbeit an den Tag komme. Sehet allein zu, daß ihr ihm seine Schrift verlegt und nicht viel Wort mit ihm macht." Drei Jabre später hatte Mohr den lebhaften Wunsch, seine Bornaer Stelle mit einer andern vertauschen zu können. Luther äußert sich darüber in einem Briefe an JustuS Ionas. Die Besoldung des Pfarrers wie des CaplanS war aller dings eine klägliche. Ter Letztere war im Juni 1529 in Wittenberg gewesen und halte Luther davon erzählt. Ter Caplan erhielt jährlich 4, der Pfarrer 36 Gulden. Lutber wandte sich deshalb an den bekannten Michael von der Straßen, der 1526 bei der Bornaer Visitation betheiligt ge wesen: „Ich besorge, ihr werdet vorwabr mit der Weise keinen Prediger zuletzt behalten. — Darum wundert mich euer aller zu Borna, daß ihr nicht anders zur Sacke tbut oder doch gedenkt, daß unmöglich ist einem Prediger, darauf zu leben. Ist demnach mein fleißig Bitte, wollet dock helfen, da- Beste dazu thun; denn man wird auf mein Seele zuletzt kein gilt« von euch Borniscken sagen können und mit der Zeit Schuld geben, daß jhr nichts nach dem Evangelio fragt." Eine Woche, nachdem Luther im Interesse Mohr's nach Borna geschrieben batte, finden wir Mohr selbst in Witten berg. Spalatin batte ibn mit seiner Bitte, eS möchte ihm vom Kurfürsten ein HauS rugewiesen werden, zu Luther geschickt. Ob Mobr'S Wünsche sich erfüllten, wissen wir nicht. Der Wunsck, versetzt zu Werren, blieb in ihm rege. Im Frübjabr 1532 stand Mohr dann wirklich mit dem Natbe zu Zwickau in Unterhandlung wegen Uebernahme einer Previgerstelle daselbst. Zwischen Lutber und Zwickau war wegen der Entlassung de« Prediger- Lorenz «Loranu« rin ernster Streit auSgebrocken. Luther batte dieselbe für einen frevelhaften Uebergriff de« Magistrats erklärt, da dieser nicht Herr über die Kirche sei, einen Prediger nicht wie einen Knecht fortschicken könne und insbesondere nicht ohne Zustimmung des Pfarrberrn und Urtheil des LandeSherrn einen entlassen dürfe. Als nun Mohr Luthers Rath begehrte betreffs der Neberiiabme der Zwickauer Predigerstelle, schrieb ihm dieser: „Ich bab euer Schrift empfangen, darinne ihr mich fraget, ob ihr sollet den Beruf zum Predigamt gen Zwickau annebuien. Daraus ist das mein Antwort, die ich allen andern in derselben Sack gegeben bab: nämlick, ich hab mit den von H. nichts zu tbun und gebet mich weder ihr Psarr noch Predigtstubl nichts an. Wollt ihrs anders annchmen, das tbut für euch selbs, ich will« nickt bindern. Aber daß ich sollt dazu rathen oder fördern, daS soll mich, ob Gott will, kein Mensch vermögen. Tenn die zu Zwickau sollen mich zu keinem Schand deckel und unser Evangelium nicht so zum Gaukelspiel haben, mit meinem Willigen, wie sie bisher zu baden versucht und verboffl haben. Was ihr nu bierinne tbut, das tbut auf euer Abentheuer. GebeiS euch, wie den andern: daß ihr mirs nickt klaget! Ich will der Leute und Sachen müßig geben. Ursachen wissen sie aufs allerbeste. Sie haben nun ihr MUthlcin geküblet; aber was gilts, ob Cbristu- sein Müthlein auch nicht an ihnen kühlen wird? Euch zu Willen sein tbue ich gern. Hiemit Gott befoblen. Und werdet ihr zu Zwickau Prediger, so helft euck Gott, daß ihr nicht wider mich sein müsset und mit fremden Sünden nickt beladen werdet." Mohr ging nicht nach Zwickau. 1533 finden wir ihn in seiner Heimath al« Pfarrer, später als Donzprediger zu Naumburg. Hier wurde er 1545 entlassen. Luther tröstet ibn in einem herzlichen Briefe: „Sei nur ei» tapferer Manu und vertrau auf Gott, wie Du« bisher anders gelehrt hast!" und sendet ibm al« Unterpfand seiner Freundschaft und Für sorge seine Au«leaung de« Josia. Noch im November war Mohr stellenlos Klagend über sein Geschick, besuchte er seinen Wittenberger Freund. Bald danach finde» wir ibn als Pfarrer an St. Tbomä zu Leipzig. Bon da ab fehlen un« Zeugnisse seine« brieflichen Verkehr- mit Luther. Vr. Ück.
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