Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.02.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189602232
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18960223
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18960223
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-02
- Tag1896-02-23
- Monat1896-02
- Jahr1896
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.02.1896
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS'PreiS i>t ß« Hauptexpeditton oder den im Stabt» t«trk und dra Vororten errichteten AnS- oabestellrn ab geholt: vierteljährlich ^4.S0, bei zwetmalian täglicher Zvstrllang rn- Haus b.LO. Lurch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel,ährlich <^l -.—. Direkte tägliche Kreuzbaudiendung las Ausland: monatlich »l 7.80. LI» Morgen-Au-gabe erscheint um '/,7 Uhr. dt» Lbeud-Luägab« Wochentag» um 8 Uhr. KlMM. Tageblalt Le-aclio« vnd Erpeditto«: Lotzanne»,affe 8. Lieikrvedition ist Wochentag» ununterbrochen von ftüh 6 bi» Abend« 7 Uhr. Filialen: Ott» Klemm'» Bortim. (Alfretz Hahn), Uulversitättstraß« 1, Loui» Lösche. katharinenstr. 14, park, und K-nsg-vkatz 7. Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes «nd Notizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Arrzeigerr-Pret- die Sgespaltme Petitzeit» 80 Psg, Rrclamev unter dem Rrdactioa-strich (Igo- spalten) Lv/H, vor den Aamtliemiachrichte» (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unsere« Preie- verzeichntß. Labellarischer «ad Aifserusatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage« (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördenrng SO—, mit Postbesörderuag 70.—. Annahmeschlub für ^azrigeu: Abead-Autgabe: vormittag» 10 Uhr. Margen-Au«gabe: Nachmittag« 4Uhr. Für di« Montag.Morgra-Au-gabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stund« früher. Anzeigen sind stet» an Lre Oxpedttiau zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig. ^«87. Sonntag dm Fcbmar 1896. so. Jahrgang. Aus der Woche. L Der Streik in der Berliner ConfectionSbranche kann al» beendet betrachtet werden. Die rasche Herstellung de« Frieden« ist dem Einigung-amt zu danken, dessen Erfolg bei der Herren« und Knabenkleiberfabrikation jedenfalls auf die ohne seine Vermittluug erfolgte Einigung der Parteien in der Frauenconfection eingewirkl hat. Es ist von großem allaemeinen Werth, daß die erst seit wenigen Iadren auf reich-gesetzlicher Grundlage bestehende Behörde sich in einer höchst schwierigen Angelegenheit vortrefflich bewährt hat. Man tritt jedoch dem Verdienst de- Amtes nicht zu nabe, wenn man da« Gelingen der Einigung-versuche wenigstens zum Tbeil auf die Thatsache, daß der Reichs tag im Anschluß an eine Interpellation der National liberalen die Angelegenheit erörtert, und aus die Art, wie er sie erörtert hat, zurückfübrt. Herr Richter, der in dieser -trage durchaus als Sachwalter, natürlich nickt der armen Näherinnen, ausgetreten ist, bat die Reichstagüdeballe über die Lage der EonfectionSarbriterinnen eine zerfahrene genannt. Sie war im Gegentheil eine überaus zweckbewußke und zweck dienliche. Zudem die Notblage bloßgelegt und der Negierung Gelegenheit gegeben wurde, in der Beurtheilung der Ver hältnisse und in der Absicht, auf Abhilfe zu denken, ihre Ueberemstimmung mit allen bürgerlichen Parteien — den Rlchter'scken Freisinn ausgenommen — zu bekunden, ward den Arbeitnehmern ein starker moralischer Hall und den Arbeitgebern ein deutlicher Wink gegeben. Es war verständ lich gemacht worden, daß eS für die Anerkennung einer bereck- tigten Eigenart der Confeclionsbranche eine Grenze gebe, die von der Menschlichkeit und Sittlichkeit gezogen wird. Hat sich diese» Auftreten deS Reichstags glänzend belohnt, so wird eS in der Zukunft weitere Früchte tragen; das in Berlin ge troffene Abkommen ist nur ein provisorisckes und cs betrifft zudem nur die Lohnfrage. Zn der Confection kommen aber noch andere Dinge in Betracht, und diese sind zum Tbeil Angelegenheiten der Gesetzgebung und Verwaltung. Die natwnalliberalen Anträge geben darüber Fingerzeige, und es trifft sich gut, daß gleichzeitig mit der Verkündigung deS „SchneldersriebenS" eine halbamtliche Kundgebung erfolgt, laut welcher die Regierung alle in jenen Anträgen enthaltenen gesetzgeberischen Vorschläge in der Commission für Ärbeiterstalistik zur Erwägung stellen und die von den Nationalliberalen vorgeschlagenen administrativen Maßnahmen in Ausführung zu bringen beabsichtigt. Es handelt sich bei diesen um die Beschränkung der Arbeitszeit der Kinder, jugendlicher Arbeiter und erwachsener Arbeiterinnen der Confeclionsbranche. Während in dieser Arbeiterfrage der Reichstag auf An regung einer bürgerlichen Partei sich den Anspruch auf An erkennung erworben hat, arbeitet er in dem gewöbnlicken Ge schäftsgang nur noch auf den gänzlichen Untergang seinesAnsehenS hin. Herr Bebel hat in der abgelausenen Woche thatsächlich da« Haus beherrscht, nickt mit der Wucht seiner Rede, denn er war ermüdend, nicht wegen der Beweiskraft seiner An gaben, denn diese entfernten sich von der Wahrheit, sondern lediglich, weil das HauS zu schwach besetzt war, um durch Debattenschluß ein Ende zu machen. Die ausgesprochene socialdemokratische Absicht, den Reichstag ausschließlich al- einen Ort uneingeschränkter Agitation zu gebrauchen, wird damit vollkommen erreicht, wahrend die Widerlegung von unrichtigen Behauptungen, wie man sie neulich dem Kriegs- Minister zur Pflicht gemacht bat, der Masse vorentbalten bleibt, da die socialdemokratische Presse sie in ihr Gegentheil ver kehrt und die bürgerlich-radicalen Zeitungen jetzt ihre Unter- stützung diesem Treiben leihen, für daS sie früber vorbildlich gewesen find. Die DonnerslagSsitzung deS Reichstag» hat wieder einmal so recht deutlich gezeigt, wie die Socialdemo kraten die Schüler des Freisinns sind. Als Herr Singer sich erdreistete, dem Abg. v. Bennigsen zu sagen, er betreibe die Angelegenheit der Zuckersteuervorlage im persönlichen Znteresse, bat er nichts weiter gelban, als Herrn Richter copirt. Bei der Berathung de« jetzt geltenden Zuckersteuergesetzes hatte Herr v. Bennigsen erklärt, daß er zwar an der Zuckerindustrie betheiligt, aber nicht an dem vorliegenden Gesetz intereisirt sei, das keinen Vortheil für ihn mit sich brächte. Zn der nächsten Nummer der »Freis. Ztg." schrieb deren Begründer: „Abg. v. Bennigsen als Znteresjent befürwortete u. s. w." Da» bereit- von der Cocialdemokratie mit Eifer auf- geariffene und auf da« Wirksamste verwerthete Geschrei von Marine-Dilettanten nach einer Riesenslotte wird dem Reiche keine Schiff-planke eintragen, wohl aber ist es bereit» die Ursache eine» in der Entwicklung de- deutschen ColonialwesenS höchst bedenklichen Zerwürfnisse« geworden. Prinz Arenbera, dessen Verdienste um unsere Colonial polink von Niemandem höher geschätzt werden, als von seinen politischen Gegnern, ist au« der Abtheilunz Berlin der Deutschen Colonialgesellschaft ausgetreten. So bedauerlich der Sckritt ist, so kann man ihn dem Gekränkten kaum verargen. Es ist aber dringend zu wünschen, daß die gleich ihm Empfindenden ihn nickt nachthun, sondern aus- halten, bi« Herr vr. PeierS im Verein abgewntbschaftet Hal; allzu großer Geduld wird eS dazu kaum bedürfen. Die Petition an Le. Majestät den König in Lachen -er Wahlreform. Die Agitation gegen den von der königl. StaatSregieruvg den Kammern vvrgelegten Entwurf eine» neuen Wahlgesetze« hatte sich bisher mtt Kundgebungen in Prvtestversammlungen, Petitionen an die Stände und Erklärungen in der Presse begnügt. Jetzt hat sie einen weiterro, sehr ernsten Schritt gethan, indem sie zur Unterzeichnung einer Petition an den Kvuig auffordert, in welcher Se. Majestät gebeten werden soll, „diesem Gesetzentwürfe, fall- er von den Ständen ao- genommen werde, die königliche Sanktion zu versagen". Die Urheber dieser Petition baden wohl nickt bedacht — denn unbekannt konnte «» ihnen unmöglich sein —, daß der Gesetzentwurf, gegen den sie da» Belo de» König- an- rufe», nicht etwa blo» von den Räthen der Krone, sondern »so Sr. Majestät dem Köllig selbst (natürlich unter Beirath seiner verantwortlichen Minister) an die Stände gelangt ist. In dem „Decret an die Stände, die Vorlage der unten ver zeichneten Gesetzentwürfe betreffend", heißt «S sogleich im Eingänge: „Se. Majestät der König lassen den getreuen Ständen in den Beifugen: den Entwurf eines Gesetze-, eine Abänderung von tz 2 des Gesekes vom S. December 1868, die Wahlen für den Landtag betreffend, 6. den Entwurf eines Gesetze«, die Wahlen für die Zweite Kammer der Stände versammlung betreffend, nebst Begründung, zugeben." Dresden, am Z. Februar 1896. Albert. (Gegengezeichuet:) Georg von Metzsch. Die Petenten sinnen also Sr. Majestät dem König an, einem von ihm selbst an die Lanbe-vertretung gebrachten und von dieser gebilligten Gesetzentwurf „seine königliche Sanction zu versagen!" E« wäre da- rin Vorgang, wohl unerhört in der Ge schichte des konstitutionellen KönigkhumS. Die StaatSregierung kann einen Gesetzentwurf zurücknehmen, wenn derselbe in den parlamentarischen Beraihungen solche Veränderungen erleidet, daß dadurch der Zweck, welchen der Monarch und seine verantwortlichen Natbgeber bei dessen Vorlegung an die Stände verfolgten, als vereitelt erscheint. Allein, daß ein Monarch seiner eignen, von den Ständen unverändert an genommenen oder vielleicht mit Zustimmung der Regierung verbesserten Vorlage seine Sanction versagen solle, dieses Verlangen ist wobt noch nie an einen konstitutionellen Mon archen gestellt worden. Möglicherweise hat ein neuerer Vorgang in Preußen die Petenten zu diesem ganz unbegreiflichen Schritte ver leitet. Dort wurde dem Landtage ein Schulgesetz entwurf vorgelegt, der schon in seiner ursprünglichen Fassung vielseitigen Widerspruch hervorrief, der aber durch die Acnberungsanträge von Seiten der Ultramontanen und der protestantisch Hochkirchlicken derartige Verschärfungen erfuhr, daß jener Widerspruch inner- und außerhalb des Landtage- immer stärker und immer berechtigter wurde. Da erklärte der König und Kaiser, daß er einen Gesetzentwurf, für den sich nur die extremen Parteien, gegen den sich aber dir ge mäßigten Miltelparteien eiumütbig ausgesprochen, nicht ge nehm gen könne, und dir Folg« war die Zurückziehung de« Entwurfs durch die Minister. Ganz ander- liegen die Dinge bei uns. Für den von der StaatSregierung nach dem Willen des Königs den Ständen vorgelegten Gesetzentwurf sind — mit ganz vereinzelten AnSnabmen — die sämmtlichen staatserhaliendeu Elemente der Kammer, einsckließlich der Fortschrittspartei, da gegen in der Hauptsache nur die Socialvemokraten. Ein« Verschlechterung der Vorlage durch jene ist nicht anzu nehmen, eher Wohl die und jene Verbesserung (welcher die Regierung nach der ganzen Art, wie sie Stellung ge nommen hat, gewiß nicht ihre Zustimmung versagen wird). Wollte nun Se. Majestät diesem mit Zustimmung seiner Negierung verbesserten Entwurf dennoch seine Sanction versagen, so hieße die-, sick nicht uur gegen die staats erhallenden Parteien im Landtage, sondern auch gegen sein eigenes Ministerium und für die Opposition in der Zweiten Kammer, d. h. für die 14 Socialdemokratea, erklären. Un möglich kann man die- erwarten! Oder haben etwa Vie Petenten an jenen lateinischen Spruch gedacht, an da- »ppellurs » rege male wiormato ack regem wellus strkormLuckuw, d. h. die Berufung von dem nickt gut unterrichteten an den besser zu unterrichtenden König? Fast scheint es so, denn sie sagen — und drucken da» mit fetter Schrift — „Ew. Majestät Räthe de- urtheilen die Stimmung im Lande falsch". Ein harte- Urtbril, zumal wenn man bedenkt, daß die Ansickl der Mi nister von der Nolhwendigkeit einer solchen Vorlage auch von einer ganz überwiegenden Mehrheit der Volksvertreter getbeilt wird, welch letztere doch „die Stimmung im Lande" mindesten- ebensogut kennen werden al- die Urheber der Petition. Wie wenig diese letzteren in der Begründung ihre» PelilionSentwurf- die wahre Lage de-Lande» richtig wiedergebeu, zeigt sofort der erste Satz dieser Begründung, wo e» heißt: „Die Befürworter de» Gesetzentwurf- wollen damit die Gefahren bekämpfen, welche dem StaatSwesen angeblich (U) von Seilen der Unzufriedenen im Staate drohen." Zn diesem einen Satze finden sick zwei unbegreifliche und un verantwortliche Verrückungen des wahren Thalbestandes. Einmal: von „ Unzufriedenen ", daS Wort im her kömmlichen Sinne genommen, droben unserem Staats wesen sicherlich keine Gefahren. Menschen, die mit Dem und Zenem unzufrieden sind, giebt eS in jedem Staate, selbst unter einer so milden und echt landesvater- licken Regierung, wie der unsere- allvcrehrlcn König- Albert ; aber solch« einzelne Unzufriedene machen keine Revolution, stören nicht die gewohnte Ordnung. Von wem unserem StaatSwesen Gefahren droben, aber nickt blos „angeblich", sondern nur zu zweifellos, das ist dir sich selbst al» „rrvolutionair" brüstende Socialdemokratie und die von ihr verbitterte, verhetzte, in jeder Weise ver führt« Masse. Gegen diese und nur gegen diese Partei de- Umstürze», nicht gegen die Arbeiter al« Stand richtet sich die Vorlage, und e» ist kein gute« Zeichen für dir Sacke der Petenten, daß sie diesen so wichtigen Unterschied zwischen dem redlichen Arbeiter und dem gewissenlosen socialdemokratischen Bolk-verführer zu verduukeln suchen. Karl Biedermann. Deutsche- Reich. * Letpzt-, 22. Februar. Zn auswärtigen Blättern ist wiederholt in der letzten Zeit berichtet worden, daß in dem am 2 März vor dem Rrick-grricht beginnenden Landes- verrath-proceß aearu Schoren und Genossen 27 Zeugen einberufen würden Diese Meldung ist unri artig; es sind, wie nunmehr feststeht, nur an lvZeugen Ladungen ergangen. Außerdem werden, da sowohl militairffchr al« auch andere Angelegenheiten in Frag« kommen, drei militairischr und drei Eivil-Sackvirständige um ihr Gutachten befragt. Di, Oeffeutlichkeit der Verhandlungen dürfte vielfach au-geschlossen werden. L Berlin, 22. Februar. Am 25. Januar d. Z. war in der „Kreuzpeilung" Folgende- zu lesen: „Die offene undun- gesckminkte Darlegung, welcke der Abg. v.Kröcker im Abgeordnetenbause von dem „Fall Ham merstein" gegeben, lat wieder einmal bewiesen, daß die Parteien, Alles in Allem, besser sind als ihre Presse. Während ein unbetbeiligtes Blatt nämlich festslellt, daß jene Darlegung allgemein befriedigt habe, wie sie za auch tbatsächlich ru Bemängelungen nicht auSgebeutet worden ist, bleibt die Mehrzahl der liberalen Organe dabei, das Gesagte, so weil es sich nicht um unmittelbar Persönliches handelt, für gänzlich ungenügend zu erklären nnd sich zu stellen, al« ob sie e« trotz allerem doch „besser" wüßten." Man vergleiche mit dieser Auslassung das Uriheil des cons rvativen Parteimitgliedes Herrn C. v. Massow, der die Darlegung des Herrn v. Kröcher noch härter verdammt, als die Duldung des entlarvten Freiberrn v. Hammerstein in der konservativen Partei, also weiter geht, als die „libe ralen Organe", die eS, waS der „Kreuzzeitung" entgangen zu sein scheint, an Bemängelungen der launigen Rede des Herrn v. Kröcher nicht haben fehlen lassen. Wir erinnern uns, in der nationalliberalen Prcsse dem Ausdruck „CynismuS" an mehr al« einer Stelle begegnet zu sein. Ihrer oben ange führten Auslassung hat die .Freuzzeitung" eine absällige Beuriheilung natwnalliberaler Organe folgen lassen, weil rieie im Sommer vorigen Zahres in der Angelegenheit des an der Spitze des leitenden konservativen Organs und in den beiden ffractionen der Partei verbliebenen Herrn v. Hamiverstein mehr als eine Privatsacke erblickt halten, die öffentlich entweder gar nickt oder nur mit der von Herrn v. Kröcker gezeigten Bonbommie hätte erörtert werden dürfen. Sie sollten sick damit der „politischen Brunnenvergiftunz" schuldig gemacht haben. Nach Herrn v. Mafsow's Dar stellung aber bat das Ve halten der conservativen Partei zum Fall Hammerftein fressendes Gift gerade in solcke Volks kreise getragen, die nickt au« liberalen Zeitungsquellrn trinken. * Berlin, 22. Februar. Ein Schauspiel für Götter bietet augenblicklich die Gelenkigkeit, mit der die ultra- montane Presse sich in der Beurtheilung de- bekannten Windlhorst'schen Au-spruch- im Sattel berumwirft. Die Centrumspresse halte zuerst mit leidenschaftlicher Ent rüstung, unter Pfuirufen, von einer schamlosen Verdächtigung und Verleumdung gesprochen, die um so ungeheuerlicher und widersinniger sei, als kein vernunftbegabter Mensch sich auch nur scherzhaft der Lüge bezichtige, wenn er nicht mindesten« geflunkert habe. Heute setzt die Centrumspress« gemächlich au-einander, der Windthorst'sche Au-spruch sei ganz harmlos und unverfänglich, denn im Osnabrück scken pflege man nun einmal zu sagen, man bade sick mit Gotte« Hilfe kräftig durchgelogen, wenn man eine schwierige Aufgabe glücklich und exact gelöst habe. Nun steht noch eines unbedingt fest: der Windtborst'scke Ausspruch hat sich nicht verändert; nur darin ist eine Aenderung eingetreten, daß man ihn nach der Erklärung l)r. Lieber'- nicht mehr ableugnen kann. Der thatsäckliche Hergang ist also folgender: die Centrums presse bat den Grafen HoeuSbroech alS Verleumder gebrand- markl; der Abgeordnete Or. Lieber, der beu Au-spruch für so wichtig erachtete, daß er ihn sogar seinen Memoiren ein« verleibte, verhielt sich gegenüber diesem offenkundigen Unreckt mäuschenstill und kam erst au- dem Loch hervor, als sein Name genannt wurde. Nunmehr konnte man nicht mehr leugnen, man konnte nur noch vertuschen; was gestern noch eine Ungeheuerlichkeit war, wurde im Handumdrehen zu einer Harmlosigkeit, in der nur der grieegrämigstr Pedant etwas Auffallendes finden kann. So springt die Centrumspreffe mit der Wahrheit und mit der Ehre der Mitbürger um. (Köl. Z.) * Berlin, 22. Februar. Zm „Vorwärt-" lesen wir: „Der 24. Februar — der auf nächsten Mootaq fällt — ist der 48 Gedenktag der ironzössschen Februarrevolution, deren Folge in Deutschland die Märzrevolution war. Die Februarrevolution knüpfte au die Wadlrrform-Bewegung an. Unter LouiS Phiiwpe war da« Stimmrecht nur ein paarmal hunderi- lausend Wohlhabenden und Neichen ertheilt, die das Monopol der Gesetzgebung natürlich zu ihrer Bereicherung ausnutzten — w,e jede herrschende Classe das tbut, die an der „Klinke der Gesetz- gebung" sitzt. Die demokratischen Massen forderten Ausdehnung des Stimmrechts, Wahlresorm. Und für dir Wahlresorm wurde auf sogenannten Resormbaukrten agitirt. Am 22. Februar 1848 wurde rin für Pari« anberaumte« R.formbanker verboten — da« führte zu Unruhen, die zur Revolution Mischwollen und am 24. Februar 1848 den Thron de« korrupten UürgerkönigS weg fegten. Nächsten Sonntag und Montag gedenkt man nun in Paris zum Gedäcktniß der Februarrevolution wiederum Reform- bankete adzubalten — jedoch nicht für Wahlreform, denn die Fraiizojen haben das atioemeine Stimmrecht und zwar ganz uneingeschränkt (vom Li., nicht wir wir erst vom 25. Jahre), — aber für die Verfassungs reform. Und wenn die Reformbankete de« Jahre« 1896 auch nicht io unmittelbaren und ichurllrn Grsolg baden werden wie die de« Jahre» 1848, so wird das Ziel: Beseitigung de« Senat« und Demokratifirung der franzüjijchen Verfassung doch unzwe selhast erreicht werden." Da» socialbemokratische Centralorgan liefert hier absichts los wieder einmal einen Beitrag zur Beantwortung der für M iitchr leider immer noch „offenen" Frage, welche« Ziel die sächsische socia ldemokrati sche Partei mit ihrer Forde rung de« „ganz uneingeschränkten" Wahlrecht« vom 21. Zabre ab verfolgt! ?. Berlin, 22. Februar. (Telegramm.) Der Kaiser gedenkt kurz nach 7>/, Ubr Abend« wieder hier einzutreffen, den Sonderzug am Bahnhöfe Zoologischer Garten zu ver lassen und sich virect von dort nach der Kaiser-Wilhelni«- Gedächtnißkirche zu begeben, um dem heute Abend daselbst staltfindeuven geistlichen Concerti beizuwohnen. --- Berlin, 22. Februar. (Telegramm.) Zn der gestrigen öffentlichen Versammlung der Vertreter der GrwerkschafS- com miss iva berichtete der Schneider Timm Namen« de- Kiinfer-Au-schusse» über den Staub der Bewegung der Vaufeettan»ar»etler und die jetzige Gegenströmung; man könne mit dem erreichten Lohnaufschlage zufrieden sein, di« Commission raihe jetzt zum Frieden. Anarchisten hätten in dir Bewegung ringegriffen und die Fortsetzung de» Streik» proclamirt, biersür lehne der Äu-scknß eie Verantwortlichkeit ab. Verschiedene Vertreter erklärten sich mit dem Vorgehen des FünferAuSschusse- einverstanden. Die Versammlung nahm die Resolution, daß die Delegirten mit dem Ver halten des Ausschusses völlig einverstanden seien und er warteten, daß die Berliner Arbeiterschaft den Bestrebungen der Anartisten nachdrücklich entgegentreten werd«, an. In den betheiligien Kreisen gilt trotz der vorhandenen Gegen agitation der Streik für beendet. Die Fünfer-Commission fordert dazu auf, die Sammlungen für di« ConfectionS- Arbeiter bebuf» Rückzahlung der geliehenen Gelder fortzusrtzen. Beim „Vorw." sind bisher 22 162.06 eingegangen. L. Berlin, 22. Februar. (Privattrlrgramm.) Zn einer Zuschrift, die der „Berl. Börs.-Ztg." au-dem Reichs- tage zugeht, der heute seine Sitzungen bis zum 2. März vertagt hat, wird die folgende Schilderung entworfen und aus die allgemeine Bedeutung der sächsischen Wahl gesctz-Borlage folgendermaßen hingewiesen: „Ob die Ab' geordneten beim Wiederzusammentritt zahlreicher vertreten sein werden, als gegenwärtig, oder ob jeder irgend einem Abgeordneten mißliebige Redner durch den Wunsch nach Auszählung des Hause-, wobei sich bisher stet- die Beschlußunfähigkeit herauSstellte, auch fernerhin am Reden wird verhindert werden können, da- muß die Zukunft lehren. Eine allgemeine Niedergeschlagen heit herrscht am Negierungstisch wie bei den staats erhaltenden Parteien, denn man sieht jetzt schon voraus, daß wir einer absolut unfruchtbaren Zukunft entgegen gehen. ES kommt auch in dieser Session nichts Wesentliches zu Stande. Und daß die Socialdemokraten dominiren, wird eingestandenermaßen peinlich empfunden Man bat allseitig daS bedrückende Gefühl, daß die Dinge sich auf schiefer Ebene bewegen und daß „der Worte" in Bezug auf die Taktik und den überhebenden Ton der Social demokraten „genug gewechselt" sind. Man sehnt sich nach einem Temperament und verkennt da- Beschämende des Momente- keinen Augenblick, da- darin liegt, daß keiner der Redner die Energie und zugleich da- Prestige besitzt, um die immer tiefere Wurzeln schlagende Legende aus der Welt zu schaffen, als ob wirklich die Socialdemokraten die einzigen Verfechter der Interessen und berechtigten For derungen deS kleinen ManneS wären, al- ob nicht Fürst BiSmarck und auf seinen Rath Kaiser Wilhelm I. die für alle civilisirken Volker vorbildlich gewordenen humanitairen Gesetze geschaffen hätte. Zm Reichstag ist der Name BiSmarck nie so oft gefallen, wie in den letzten Tagen. Man sagt sich, eS wäre der Einzige gewesen, der die Kraft besessen hätte, die Befugnisse de- Präsidenten zu erweitern, so daß Herr von Levetzow nicht nöthig gehabt hätte, da- Präsidium niederzulegen. Welch vor ¬ züglicher Präsident der Genannte war, gebt auch au- dem Scherzwort hervor, das über seinen Nachfolger circulirt, nämlich, daß er zwar ein Mitglied, aber kein — Höriger de« CenlrumS sei. Welchen Eindruck eS macht, wenn der Präsi dent vor 17—18 Abgeordneten die Sitzung eröffnet, da- ist überhaupt nicht zu schildern, daß e- aber auch an sonstigen ungewohnten Eindrücken nickt fehlt, bewies der Abgeordnete, der in diesen Tagen während der Rede eine- College« zur ElatSdebatte von der Dank fiel. Man stürzte hinzu —- aber e« war kein UnglückSfall vorgekommen, der edle Pole war nur eingeschlafen. Eine Tbatsacke, die in den Annalen der Geschickte deS hohen Hauses noch nicht zu ver zeichnen war und die Verhältnisse im ZubilämSjahre entsprechend kennzeichnet. Früher hat man sich im Reichstag wenig um die Verhältnisse und Beratbungen in den Einzel landtagen gekümmert, gegenwärtig ist die- ander- geworden und den Kampf um da- Wahlrecht in Sachsen ver folgt man mit gespanntem Interesse. Daß die Theoretiker in diesem Entwurf, der die Socialvemokraten treffen soll, eine reactionaire Maßregel erblicken, ist ja begreiflich, denn der wahre Liberalismus ist die graue Tbeorie an sick. Aber irgendwo muß doch der Gegenscklag gesübrt werken. Man versuche eS koch mit genialeren Zkeen! Die Bahn ist frei, mögen sick doch die Genie« bethätigen." — Die „Nat.-Ztz." schließt einen eingehenden Artikel über die Tbätiakeit der AnsiedlungScomm i slion für Posen und Westpreußen folgendermaßen: „Der Fortgang des Unternehmen- ist freilich bis jetzt eia sehr langsamer, und bedenklich erscheint, daß unter den angrkaufteu Gütern immer mehr die deutschen überwiegen." — Der Seconvelieutenant Graf v. Bray vom 1. badischen Leib-Dragoner-Rcginient Nr. 20 ist vom 1. April d. Z. ab auf ein Zahr zur Gesandtschaft in Stockholm commandirt. — Zn dem Schankloeal deS socialdemokratischen Abg. Zubeil fand gestern eine socialdemokratische Versamm lung statt, in der für den Austritt auS der Landes kirche verbandelt wurde. Zn dieser Versammlung erschienen auch verschiedene Geistliche der inneren Mission und in später Stunde auch der ehemalige Hosprrdiger Stöcker. Wie er «S versteht, sein Publicum zu nehmen, gebt au« den folgenden, von der „Kreuzztg." mitgetheilten Stellen seiner Rede hervor: „In Religion und Kirche bin ich durchaus für Freiheit! Ich bin nicht der Ansicht, daß die Kinder gewinnen, wenn man sie mit Gewalt zwingt, Bibelsprüche aus wendig zu lernen. (Ruf: Behr gut!) Bor zwei Jahren bin ick im Landtag geaen den zwaugSwrilen Religionsunterricht ausgetreten, meine oder, daß dir Kinder wenigsten« biblisch« Geschichte lernen solle» (Ahal nu kommt» schon!"), weil da« eine Lack« der Bildung ist. (Sehr gut!) Wir stab »inqrtreien dafür, daß ans de» unteren Klassen der Gymnasien der Religionsunterricht vrrsrärtl und in de»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite