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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.02.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960227029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896022702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896022702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-02
- Tag1896-02-27
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Die ikxpedition ist Wochentag» «nnnterbroche» ^öffnet von ftüh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: vtt» Klemm'» Sortim. (Alfred Hahn). Universitätsstrahe 1, Lsui» Lösche, Katharinenstr. 14, pari. und KönigSvlaß 7. BezuqS'PreiS N» der Hauptexpedition oder den im Stadt« b«trk nnd den Bororten errichteten Aus gabestellen ab geholt: vierteljährlich ^l4L0, bei zweimoltaer täglicher Zustellung in» Laa» ^l ückO. Durch dir Post bezogen für Deutschland »nd Oesterreich: vierteljährlich L.—. Direkte tägliche Krruzbandlendung in» Au»land: monatlich 7.50. Abend-Ausgabe. KWMrIaMM Anzeiger. Amtsvlatt des Äonigkichen Land- imd Ämksgerichles Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen.Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclam en unter dem Redactionsstrich !4qe« jpalten) 50/H, vor den Familiennachrichieu (6 gespalten) 40^ Größere Schriften lant nuferem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zisserniatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbcförderung S0 —, mit Postbeförderuag 70.—. Annahmeschluß siir Anzei-r«: Ab end.Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Margen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Für die Montaa-Morgen-Lu»gab«: Sonnabend Mittag. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Angeigen sind stet» an d« Expedition zu richten. Druck und Berlag von E. Polz in Leipzig. ^°1V5. sssssssssssss Donnerstag den 27. Februar 1896. 9V. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. Februar. In einer Broschüre, m der Herr Professor vr. Victor Böhmert die sächsische Wahlresorm Vorlage bekämpft, wird u. A. auch behauptet, daS Dreiclassenwahlsystem werde eine ungünstige Wirkung auf den Credit der einzelnen Wähler auSüben. »Nicht mit Unrecht" — sagt der Herr Verfasser — „pflegt man die Einkommensteuersätze der Privatpersonen fremder Krnntniß möglichst zu entziehen, um insbesondere da» geschäftliche Emporarbeiten junger strebsamer Gewerbe treibender nicht zu erschweren. Künftig wird sich kein Wähler des Einblicks fremder Personen in seine Vermögensverbäitnisse entziehen können. Sein Gang zur Wahlurne wird jedem seiner Gläubiger zugleich einen ungefähren Fingerzeig für seine Credit- Würdigkeit bieten können." In Preußen hat man unseres Wissens die Erfahrung, daß das Dreiclassenwahlsystem den Credit der Wähler schädige, nicht gemacht. Wer Geld verleiht, ist ja auch meist so vorsichtig, über die Creditwürdigkeit des Creditsuchenden sich genau zu informiren: er legt auch bei seiner Entschließung nicht allein auf die Steuerleistung deö Suchenden Gewicht, sondern ebensoviel auf die Solidität und die Schaffenskraft desselben. Wenn nun künftig ein creditbedürf- tiger Wähler in die dritte Abtheilungversctzt wird, so wird dadurch den vorsichtigen Gelbmännern nicht viel Neues gesagt werden und dem Wähler, wenn er nur sonst ein zuverlässiger und vorwärtö- strebender Mann ist, wird dadurch die Gelegenheit zur Er langung von Credit nicht vermindert werden. Verdient er freilich weder durch seine Vermögensverhältnisse, noch durch seine Persönlichkeit den Credit, den er durch Vorspiegelung zu erlangen versteht, so ist eS jedenfalls für daS all gemeine Wohl nicht von Nachtheil, wenn ein solcher Credit auf da- rechte Maß zurückgeführt wird. Das Bedenken de- Herrn Verfassers kann sich übrigens lediglich auf die Wähler der künftigen dritten Classe beziehen, über deren Vermögensverhältnifse die zahlreichen Auskunfteien keinen Aufschluß zu geben vermögen. Die Wähler der beiden anderen Classen müssen schon zu ganz eigenthümlichen Mitteln ihre Zuflucht nehmen, wenn sie ihre Creditwürdigkeit über das rechte Maß hinaus in den Augen der Capitalisten erhöhen wollen. Und was die Wähler der dritten Claffe betrifft, so könnte ihnen durch das neue Wahlgesetz nicht unschwer ein Vortheil gebracht werden, der weit über die etwaigen kleinen Nachtheile Ein zelner beim Suchen nach Credit hinausginge. Die Ab geordneten, welche dieser Classe zugchören, sind in allen Landtagen überaus spärlich. Wer in seinen eigenen wirth- schafliichen Verhältnissen nicht vorwärts kommt, genießt nun einmal auch bei den Aermeren selten das Vertrauen, daß er Einsicht und Umsicht genug zum Abgeordneten habe. Und dann richtet er sich selbst zu Grunde, wenn er seine Berufsarbeit im Stiche läßt. Die Diäten gewähren ihm die Möglichkeit, während der Tagungen den Verhandlungen beizuwobnen, aber sie ersetzen ihm nicht die Verluste, die ihm auS dem Fernbleiben von seinem geschäftlichen Wirkungskreise er wachsen. Die sogenannten Arbeitervertreter sind daher meist Leute, die entweder gar nicht der künftigen dritten Classe angehören, oder als Berufsagitatoren eine geschäftliche Einbuße nicht zu befürchten haben. Werden nun aber künftia diese Berufsagitatoren zurückgedrängt, so läßt sich durch eine Abstufung der Diäten, die mit dem Sinken der Wählerclasse, welcher der Gewählte angehört, wächst, die Möglichkeit einer wirklichen Arbeilervertretung in der Zweiten Kammer wesentlich erhöben. Würde z. B. den Abgeordneten, die als Wähler der ersten Classe angehören, der einfache, denen, die als Wähler der zweiten Classe angehören, der doppelte und denen, die als Wähler der dritten Classe an gehören, der dreifache Diätensatz gewährt, so wäre das schwerste Hinderniß. Vas der Wahl wirtlicher Arbeitervertreter entgegensteht, hinweggeräumt. Bei der Arbeiterfreundlich- keit, die unsere ganze Bevölkerung auszeicknet, ist schlechter dings nicht anzunehmen, daß die Wahlinänner der zweiten und der ersten Classe sich nur deshalb dem von den Wahl männern der dritten Classe proponirten Abgeordnete» ab- tehnend gegenüberstellen, weil er der dritten Wähler classe angehört. Im Gegentheil, wir glauben mit größter Bestimmtheit Voraussagen zu können, daß die Wahlmänner wenigstens der zweiten Classe in gar manchen Wahlkreisen Hern die Gelegenheit ergreifen werden, einen Mann zu Wahlen, der nicht nur weiß, wo den „kleinen Mann" der Schuh drückt, sondern auch den redlichen Willen hat, dem kleinen Manne wirkilich zu helfen, statt ihn zu verhetzen. Wir meinen daher, die Frage der Einführung ab- ge st iifter Diäten sollte gerade von denen inS Auge ge faßt werden, die für die dritte Wählerclasse eine besondere Fürsorge an den Tag legen. Wenn wir Preußen wären, so würden wir uns für verpflichtet erachten, der Verwaltung des Berliner Unter suchungsgefängnisses besondere Umsicht bei der Ueber- wachung deö Verkehrs ihrer Pflegebefohlenen ans Herz zu legen. In der gestrigen Abendausgabe der „Kreuzzeitung" ist nämlich ein Artikel abgedruckt, von dem eS schwer zu glauben ist, daß er nicht von Herrn v. Hammerstein herrühre. Er kann sich aber auch im redaktionellen Nachlaß des Geschiedenen gefunden haben, denn das Hervorkebren von Sittlichkeit und Cbristenlhum war bei diesem Publi- cisten „stereotyp". Auch die Tendenz des Aufhetzens der „Kreuzzeitung" weist, wenn nicht auf die Person des Herrn v. Hammerstein, so doch auf die Richtung hin, die er in der kon servativen Partei Preußens zur herrschenden gemacht hatte. Es ist in der Presse viel zu wenig hervorgehoben worden, daß im Jahre 1892, als im Schooße der conservativen Fraction des preußischen Abgeordnetenhauses vom evangelischen Stand- punct die schwersten Bedenken gegen das Zcdlitz'schc Schul gesetz laut wurden, Herr v. Hammerstein, der aus Macht rücksichten, die bei ihm auch immerzugleich persönliche waren, die engste Verbindung der Partei mit dem Centrum wollte und seine ganze Terrorisirungsgewalt aufbot, nm ein Vorgehen im -sinne des U tramontanrsmus zu erzwingen. Inmitten jener inneren Kämpfe bat er erst in der Partei die dominirende Stellung gewonnen, die im vorigen Jahre seine Entfernung als ein Wagniß er ¬ scheinen ließ, das selbst muthige Männer zu bestehen sich scheuten. Mit der Forderung nach jener Schul vorlage tritt nun jetzt Vie „Kreuzzeitung" wieder hervor. Sie findet die konservative Partei Preußens „vor einer schweren Prüfung stehen", da sie jetzt zu zeigen habe, „daß sie auch idealen Aufgaben gerecht zu werden vermag". Wenn die Partei, was allerdings auS ihrer Mitte heraus bezeugt wird, einer Prüfung entgegensiebt, so ist eS ganz gewiß nicht die vor vier Jahren selbst von orthodoxen Protestanten bekämpsie Ausrichtung einer geistlichen Herrschaft in der Schule, von der der Natur der Sache nach nur der katholische KleruS Vor- theil ziehen konnte, sondern die Ueberwindung der inneren Krankheit, mit der gerade konservative Befürworter der Zedlitz'schen Vorlage die Partei inficirt haben. Und wenn nun die Partei wirklich im Zusammenhang mit dem Projekt der „Kreuzzeilung" eine Prüfung zu über stehen bat, so läge sie in der Lösung der Aufgabe, zu zeigen, daß sie die genügende Widerstandsfähigkeit gegen ein Ansinnen besitzt, das die Zahl der inneren Streitfragen ohne Nolb und nur zum Vortheil des Ultramontanismus uni eine solche vom bittersten Ernst vermehrt. Freilich, die „Kreuzztg." schätzt die Schwierigkeit gering. Sie schreibt: „Von wem geht denn der Widerstand (gegen ein klerikales Schutzgesetz) aus? Doch nur — von wenigen Ausnahmen abge- feheu — von Parteien und Personen, die entweder im Fahr wasser des p r ot e st a n t e n v er e i n I i ch e n Liberalismus schwimmen oder doch wenigstens dieser Richtung näher stehen, als dem Glauben an die Heilsthatsachen, die der Menschheit die Erlösung gebracht hoben. Der Widerstand jener Leute wiegt nicht viel. . . . Sollte die Staatsregierung vor einem so wenig furchtbaren Gegner wirklich die Segel streichen, so kann sich das dereinst bitter rächen." Ist diese Selbstgerechtigkeit, die den rechten Glauben und das reckte Wollen für sich allein beansprucht, nicht ganz hammer- stcinisch? Und nicht ebenso die leicutfertige Art, mit der Vie „Kreuzzeilung" ihre Partei und die preußische Regierung zu einem Abenteuer forlreißen möchte? Die klerikal konservative Schnlaction ist zu einer Zeit mißlungen, wo ihr die äußeren Umstände günstiger waren, als heute. Würde sie jetzt, wo das Centrum, mit oder ohne Gottes Hilfe, kräftig lügt, wenn es bestreitet, der Staat sei weit über das religiöse Bedürfniß hinaus der katholischen Kirche in Preußen entgegengekommen, wieder ausgenommen, so würden cs die Conservativen sein, die in die Vertheidigungs- linie gedrängt würden, und zwar ihren eigenen Anhängern gegenüber. Einer der wichtigsten Programmpuncte der radikalen Partei und des gegenwärtigen Ministeriums in Frankreich ist die progressive Einkommensteuer, über welche daS Cabinet Bourgeois möglicherweise noch zu Falle kommt. Die neue Steuer soll an die Stelle der bisherigen Mobiliar-, sowie der Thür- und Fenstersteuer treten, die 150 Millionen Franc« abwarfcn, außerdem fünf Millionen zur Dor- bercstung einer Reform der Steuer auf unbebaute Grundstücke, und eine weitere Million als Unterstützungsbcilrag für jene Gemeinden einbringen, die eine Neuanlage des Catasters vornehmen. Nach Herrn Doumer'S Entwurf sollen die Einkommen bis zu 2500 Francs gänzlich steuerfrei bleiben, was eine Steuerbefreiung von 6>/, Millionen Bürgern bedeutet. Die Einkommen von 2500 bis 5000 Francs sollen 1 v. H., von 5 bis 10 000 Francs 2 v. H., von 10 bis 20 000 Francs 3 v. H., von 20 bis 50000 Francs 4 v. H., die über 50 000 FrcS. 5 v. H. Steuer zahlen. Diese Steuersätze sind aber nur nominell, da von den Ein kommen immer 2500 Frcs. als steuerfrei abgezogen werden, so daß tbatsächlich das Einkommen von 5000 Frcs. nur mit Vs v. H. seines Gesammlbetrages, daS bis 10 000 Frcs. nur mit Ist« v. H., das bis 20 000 Frcs. mit etwas mehr als 2 v. H. belastet ist rc. Der Sleuerpflicht unterliegen N/2 Millionen Bürger, von denen etwa zwei Drittel durch die Steuerreform gegen den bisherigen Zustand gewinnen. Die großen Einkommen werden schwerer belastet als bisher. Nur die Steuerpflichtigen, die den oberen Einkommenclassen angehören, haben sich jährlich der Selbsteinschätzung zu unter ziehen, die Einkommen ter unteren Classen (von 10 000 Fr. abwärts) werden amtlich eingeschätzt. Gegen die Ein ¬ schätzungen der damit beauftragten Gemeindecommissionen ist die Beschwerde an eine Berufungscommission im Hauptorr jedes Departements gestattet. Diese bat auch ru entscheiden, wenn die Schätzungen der Gemeindecommission mit den Selbsteinschätzungen der oberen Einkommenclassen nicht über einslimmen. Wenn nun auch bei der jetzigen Zusammen setzung der Deputirtenkammcr sich mehr Befürworter der Progressiv-Einkommensteuer finden, als je zuvor, so ist der Gedanke an eine solche doch immer noch in weitesten Volkstreisen geradezu verhaßt. Man nennt die Einkommensteuer in Frankreich eine geradezu in quisitorische Steuer und vergleicht sie mit der alten „corv6e" und „taille" vor der Revolution, durch welche die französischen Bauern gezwungen wurden, ihr Hab und Gut zu verstecken. Diele Franzosen besorgen, daß der Haß in dem politisch aufgewühlten Lande jede Gerechtigkeit in den Steuer-Commissionen unterdrücken und die politische Gegnerschaft auf das Gebiet der Einkommensteuer ver pflanzen werde. Die Regierung bat also mit einer starken Abneigung zu rechnen, und diese äußerte sich schon bei der vorgestrigen Wall der Kammer-Commission, wenn dieselbe auck in erster Linie als ein Protest gegen die socialistische Staatsweiöheit des Handelsministers Mesureur und in die Einführung socialistischer Principien in die Gesetzgebung war. Der Jameson-Begeisterung der Engländer, wie sie beim Eintreffen deö „Helden von Krllgersdorp" und seiner Kampfgenossen in London so demonstrativ hervortrat und gegen wärtig die gesammte öffentliche Meinung jenseits des Canal« be herrscht, ist eine mehr als blos ephemere Bedeutung beizulcgen. Der Jameson-Cuitus wird mit einer solchen Hingebung be trieben, daß die Bemühungen der Regierung und die Strenge, womit der Gerichtshof, der über Iameson und Genossen zu entscheiden haben wird, seine Würde überwacht, gegen die TageSströmung nicht aufrukommen vermögen. Man hat es hier mit einer elementaren Kraftäußerung der englischen Volksseele zu thun, d. h. mit einem Factor, dessen Jgnorirung bei Beurtheilung teö weiteren Entwickelungsganges der süd afrikanischen Dinge ein politischer Fehler sein würde. Wie immer der Spruch des Gerichtshofes über Iameson aus fallen mag, das englische Volk ist mit seinem Verbiet vollständig im Reinen, und das lautet nicht nur nicht aus „Schuldig", sondern volirt dem Angeklagten noch oben drein den Dank und die Bewunderung seiner Landsleute. Erklären läßt sich diese Prädisposition der öffentlichen Mei nung Englands blos dadurch, daß bei der heutigen Weltlage die Erkenntnis; von der Nothwendigkeit, die britische Welt Machtstellung mit allen Mitteln zu halten und zu stärken, eine derartige Gewalt über die Gemüther gewonnen bat, daß sie alle ankeren Erwägungen, insonderheit auch die formal rechtlichen, in den Hintergrund drängt. Was die Eng länder bedauern, ist nicht, daß ihr Landsmann frivoler Weise den Frieden brach, sondern daß dieser Friedensbruch nicht zu dem erhofften Resultate führte. Wäre vr. Iameson als Sieger in Johannesburg und demnächst in Pretoria eiugezogen, er wäre heute der berühmteste Mann in der ganzen britischen Welt. Das Schicksal hat gegen ihn entschieden, aber in den Augen der Engländer bleibt Iameson darum doch der kühne, wage muthige Conquislador, umgiebt ihn die Aureole jene« Aben- teurrrthums L la Clive» da- Indien eroberte und dadurch den Grund zu der heutigen britischen Weltmacht legte. Solche Männer braucht England heute nöthiger als je, wenn eS den Hindernissen, die ihm von coucurrirenden Völkern in den Feirillatsn. Seine „dumme" kleine Frau. 11f Roman von F. Kliuck-Lütet-burg. Nachdruck vkrboten. „Ich Will thun, als ob ich Ihre Worte nicht gehört hätte, Herr Allmer, ersuche Sie aber, mir gegenüber in Zukunft derartige Aeußerungen zu unterlassen. Hat einer meiner Vorgänger in der Tbat eine solche Pflichtvergessenbeit sich zu Schulden kommen lassen, so ist das gewiß kein Grund, eine solche als ein nachahmenSwertheS Beispiel anzusehen." „O, Herr Assessor, nehmen Sie 'S nicht für ungut. Der jetzige Herr Landrichter S. baden es immer so gemacht", suchte der Gerichtsvollzieher sich auSzureden, aber in seinem wohlwollenden Gefickt machten sich ganz deutlich Aerger und auck Unruhe bemerkbar. Seine etwas vorquellenden und in ungleicher Richtung stehenden Augen waren unverwandt auf den Assessor gerichtet, der ibn keine- Worte« mehr gewürdigt, sondern niit Durchsicht der Acten begonnen hatte, und erst nach Prüsnng jedes einzelnen Schriftstückes dasselbe unter zeichnete. Die Arbeit war allerdings eine gleichförmige und ermüdende. Urberall der gleiche Wortlaut, nur andere ihm ganz un bekannte Namen. Im Grunde genommen hätte er rubig in der ihm von dem Gerichtsvollzieher empfohlenen Weise unterzeichnen können. Er war nur vorübergehend zur Aus hilfe hier. Die Namen, welche ihm da zu Gesicht gekommen waren, würden vielleicht nie mehr sein Ohr erreichen. Dennoch konnte er einen derartigen oberflächlichen Geschäftsbetrieb nur verdammen, er mußte sogar eine große Verantwortlichkeit auf die Schultern eines ihn ausübenden Richter- wälzen, und er glaubte plötzlich eine Erklärung für gewisse Vorkommnisse in G-, denen auf den Grund zu kommen der Wille ernster und pflichttreuer Männer nicht gelungen war, gefunden zu haben. Indem ihn die« durch den Kopf ging, fand er plötzlich auch seine gegenwärtige Beschäftigung interessant. Er dachte weiter und weiter. Er war nicht gerne nach G- gekommen, in Richterkreisen hatte man eine große Aversion gegen G, man war geneigt, r« al- ein« Art von BerbannungSort an- zufehen, aber vielleicht konnte ihm der Aufenthalt nutz- v ringend werde«, wraa «r hier Luge» und Ohren offen hielt. Unter derartigen Betrachtungen batten seine Züge sich erhellt und einen freundlicheren Ausdruck angenommen, der einen Widerschein in dem glatten, glänzenden Gesicht des Gerichts vollziehers sand. Nun war das letzte Schriftstück unterzeichnet nnd Assessor Raguhn hob daS Blatt auf, um eS zu den anderen zu legen. Da erblickte er unter demselben ein mii vorgedruckten Worten, aber unausgefülltes und trotzdem unterzeichnetes Formular, wie die Gerichtsvollzieher täglich mit sich führten, vor sich. E» Würde ihm indessen kaum besonde's ausgefallen sein, wenn nicht plötzlich Allmer darnach gegriffen hätte, um es an sich zu nehmen. Der Assessor legte seine Hand fest darauf. Es war aber schon durch Allmer verschoben und ein zweites, drittes ganz gleiches Formular sichtbar geworden. „Das ist nichts für den Herrn Assessor, ich habe die Dinger aus Versehen mit anfgegriffen. Der Assessor las aber die Namen, von welchen die For mulare unterzeichnet waren. Er hatte sie nie gehört. „Wie kommen Sie dazu, Allmer. Das ist ;a vorschrifts widrig. Wie können Sie die Leute Blankets unterzeichnen lassen?" fuhr der Assessor auf. „Ach, Herr Assessor, da kommt man nu so für seine Gut beit zu, und weil man'« mit den Leuten gut meint. Man muß schon einmal ein Auge zudrücken, es geht gar nicht ander-. Leider Gotte« ist man ja merschtendeils lieber auf dem Rücken gesehen, und sie drängeln einem auS dem Hause, da giebt'S dann keine Zeit zum Ausfüllen und man macht's hernach noch in seinem bi-chen freie Zeit, die man hat." Aber, wa« sind daS für unvernünftige Menschen, die da« thun? Sie müssen sie aufklären. Wer unterschreibt BlanketS?" „Da denkt sich keiner wa« dabei, Herr Assessor, die kennen Philipp Allmer und wissen was sie von seiner Ehr lichkeit zu halten haben. Eigentlich ist ja auch weiter nicht- dabei, e« kommt ja in alle Formulare dasselbe hinein, warum soll man denn den Leuten nicht bei solchen Dingen zu Willen fein? E« ist ja schon so wie so fauer genug, wenn man ihnen ihr bi-chen Hab und Gut wegnebmen soll. Wie « so z. B. bei den Greifingen war. Ich weiß nickt, ob der Herr Assessor die Leute kennen, aber der Herr Assessor werden schon noch von ihnen zu hören kriegen. WaS hat der Herr von Greifingen in der Erst für Blankets unterschrieben, der hat nie was durchzelesen, nur um mich wieder aus dem Haus« zu bringen. Da war die kranke Frau, di« Nicht ¬ wissen sollte, und dann die Kinder, die so fein erzogen waren und da mochten sie nun nicht den Gerichtsvollzieher sehen, wie sich's ja denken läßt. Dazumal waren sie'« noch nickt gewöhne, aber nachher. Du lieber Gott! Wie die herunter gekommen sind! In der Letzt ist er wegen Betrug vor den Schöffen gewesen, der Herr Amtsrichter haben aber ein Auge zugedrückt und ihn noch lausen lassen. Genutzt hat'- aber doch nstrt. ES sollen schon wieder ein paar Anzeigen gegen ihn eingelaufen sein, das gebt nun so lange, dis sie ihn fest babcn. Dem sein Alter bat'S doch gewußt, WaS in seinem Aeltesten steckte, darum bat er ibn auch enterbt." Assessor Raguhn war nur widerwillig den Worten des Gerichtsvollziehers gefolgt, aber ein Gebot der Klugheit hatte ibn denselben ausreden lassen, und er würde sogar nicht ab geneigt gewesen sein, noch länger den Zuhörer abzugeben. Philipp Allmer aber schien felber die Lust zu einer Fortsetzung seiner Mittbeilungen verloren zu haben. Er hatte, während er sprach, seine Acten zusammengerafft und in seine Mappe gethan, und mit einem „Guten Morgen, Herr Assessor!" ver ließ er jetzt eilig daS Zimmer. Assessor Raguhn war von anderen seiner wartenden Arbeiten so sehr in Anspruch genommen, daß er im Laufe des Vormittages nicht mehr Zeit fand, weiteren Be trachtungen nachzuhängen. Gegen zwölf Uhr kam auch noch ein jüngerer College, um nach etwas zu fragen. Demselben waren Strafsachen zur Erledigung überwiesen und er wußte nicht, fick damit zurecht zu finden. Assessor Raguhn war weder ein neidischer noch eifersüchtiger Charakter, aber es mußte ihm doch auffallen, daß dem jüngeren Beamten seine Obliegenheiten übertragen worden waren, und es verdroß ibn auch ein klein wenig, da er eS sehr wohl als eine Zurücksetzung auffassen konnte. Sechstes Capitel. So langte Assessor Raguhn eigentlich nicht in der aller besten Laune präcise zwei Uhr bei dem Recht-anwalt Herren grund und seiner jungen Frau zum Mittagessen an, aber sie wurde schnell genug vor neuen und angenehmen Eindrücken in den Hintergrund gedrängt. Der liebenswürdige Empfang, welcher ihm sowohl von Seiten HerrengrunvS al« auch Frau Gertruds zu Tbeil wurde, zerstreute bald die Wolken von seiner Stirn und ließ ihn mit ungetbeiltem Vergnügen dem, dem Junggesellen zugedachten Genüsse ein paar angenehme Stunden im Familienkreise zu verbringen, sich hingeben. Die junge Frau Herrengrund hatte alle- gethan, wa« in ihren Kräften stand, durch eine gute Küche vor allen Dingen den Gatten zu befriedigen, dem der Ruhm Gertrud'- nach dieser Seile hin ganz außerordentlich am Herzen lag, und ihre Absicht war vollkommen erreicht. Herrengrund legte Ehre mit ihrer Kochkunst rin und seine Weine thaten ein UcbrigeS, um die für eine gute Mahlzeit erforderliche Stimmung herzustellen. Die Unterhaltung war eine lebhafte und angeregte, so weit sie zwischen dem Assessor und der jungen Frau geführt wurde, während Herrengrund'S Themata nicht Friedrich Ragubn's Beifall fanden. Berufsangelegen beiten glaubte er nicht in Gegenwart Anderer erörtern zu sollen. Nach dem Essen wurde der vorzügliche Kaffee auf dem kleinen, nach dem Garten hinausliegenden Balcon ein- aenommen. Die Herren rauchten eine Cigarre, während Frau Gertrud sich zurückgezogen hatte, um Toilette für den gewöhnlichen NachmittagS-Spaziergang zu machen, an welchem der Assessor sich zu betheiligen aufgefordert war. Sie fühlte sich in besserer Stimmung, als sie während der letzten Wochen gezeigt, obwohl ihr Gesicht noch immer einen ungewohnt ernsten Ausdruck zur Schau trug und eine krankhafte Blässe an ihr ausfallen konnte. Dem Assessor war sie nicht ausgefallen. Er hatte Frau Herrengrund vor etwa drei Wochen zum ersten Male ge sehen, und es wollte ihm scheinen, als habe sie sich seitdem zu ihrem Vortheil verändert. Bei der ersten Begegnung war sie ibm sehr kühl und zurückhaltend entgegen gekommen, und um so angenehmer fühlte er sich durch ihre Liebenswürdigkeit berührt, mit welcher sie die Wirtbin machte. Nichts desto weniger machte sich an ihr ein Ernst bemerk bar, der bei einer jungen glücklichen Frau zu Betrachtungen anrezen mochte. Im Verkehr mit ihrem Gatten gab sich ein beinahe peinliches Entgegenkommen auf seine Wünsche zu er kennen, aber nichts von Herzlichkeit. In ihrem ganzen Wesen war sogar etwas Gemessenes, und doch legte diese Frau eine hinreißende Wärme des Gefühls bei der Besprechung gesell schaftlicher Uebelstände an den Tag. Ihr ganzes Wesen be zauberte und Friedrich Raguhn machte im Stillen die Be merkung, daß Wilhelm Herrengrund sich auch in der Wahl seiner Gattin alS ein Glückskind erwiesen. Selbst Frau Gertrud'S principielle Gegnerschaft, als welche man die ehemaligen Verehrerinnen Wilhelm Herren grund'S im Allgemeinen ansehen mochte, mußte die Vor züge der jungen Frau anerkennen, als sie am Arme ihres Gatten neben Assessor Raguhn die zu dieser Stunde sehr
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