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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.02.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960228012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896022801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896022801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-02
- Tag1896-02-28
- Monat1896-02
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Bez«gS.PreiS W t« H«ptqp»dttto« ob« den t» Ltadt- «HM «Md den Vorort«, «rrtckMea Au«, aalestrll«, abg»holt: vierteljährlich ^T4.Ü0, d»i zwrtmaliaer täglicher Zustellung tn» Hau« ^l ÜLO. Durch die Post bezogen für Dnttfchland «N» Oesterreich: dtertkljährltch ^l S—. Direkte täglich» Kttuzbaadlrudung tu- Au« land: mouatltch 7ckV. DI» Pkorgen-Au-gebe «rscheint «m '/.? Uh«, dt« >t«»L-AW»gadi Wochentag« am ö Uhr. Rrdactios und LrpeUtio«: L-t-nne-guff» L. Wtrlkpedttio» ist Wochentag« »nunterbrocheu ' -»-ff— »an früh 6 di« «beub- - Utzr. Filialen: Vtt» Rlem»'« Larti«. iAlfre« Hahn), Uaiversität-straß« 1, Lau«« Lösche, Katharknenstr. 14, part. und KSnig-vkatz 7. Morgen-Ausgabe. U'tiprigcr Tagelilatt Anzeiger. Ämtsölatt des Hönigkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Volrzei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anz»ige«-Prei- die 6 gespaltene Petitzeik X) Pfg. Arclamea unter d«,Nedactioatftrich (4g». spalten) ÜO>^, vor den Familiennachricht» i ^S^soalteN) «0>4. chrdher« Gchrlstra laut unserem Prei». oerzetchutß. Tabellarischer und Ztsserns»» »ach höhere« Laris. Extra-VailUße« (gefalzt), «ur mit der «kargen«vusgab», ohn» Postbesörderunq 8V.—, mit Postbesörderuag 70. -. ««0»»o > AnaahmeschluK für A»)ei-e«: Abead-Au-gabe: vormittag« 10 Uhr. Mokge n-Bu-gabe: Nachmittag« 4 Uhr Für di« Montaa-Moraea-Aiutgabe: Sonnabend vitttag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb» Stund« srßtzrr. Anteile« sind stet« an dtt Expedition zu eichten. Druck «ad Verlag von L. Polz tu Lechzt«. SV. Jahrgang. lVS. Freitag den 28. Februar 1896. ein negative« Resultat der Lohn langer würden. Denn der Zügellosigkeit der staatsfeindlichen Presse wäre damit Tbür und Thor geöffnet. Ihr wird e- ja am leichtesten, Personen zu gewinnen, die gegen rin gutes Ent- aelt beliebig oft in« Gefangniß wandern würden; die Ver fasser verhetzender und verletzender Artikel aber würden regel mäßig frei auSgeben, da selbstverständlich da- Verlag«-, Redaktion«- und Hilfspersonal von dem Rechte der Zeugniß- Verweigerung ausgiebigen Gebrauch machen würben. Es wäre also Vie notbwendige Folge des CommissionSbescklusse«, daß Feigheit und Rohheit auf Kosten des Staat-Wohl« ge fördert würden. Darauf aber können eS in den gegenwärtigen Zeitläuften die verbündeten Regierungen nickt ankommen lassen, und eS ist deshalb nur zu wahrscheinlich, daß die Erklärung de« Herrn Nieberding, die Aufrechterhaltung der Bestimmung der Commission gefährde da- Zustandekommen deS ganzen Ge setzes, keineswegs nur eine Drohung sein soll, sondern durchaus ernst gemeint ist. Wenn nun aber auch das Gesetz mancherlei Mängel besitzt, so enthält eS doch eine Reihe vom Reichstage selbst wiederholt geforderter Verbesserungen, um deren willen daS Scheitern des Entwurfes lebhaft zu bedauern wäre. Man würde alSdann dem Reichstage mit Recht den Borwurf macken können, daß es zwar seines Amtes sei, Mängel deS Regierungsentwurfs nach Möglichkeit ru be seitigen, aber nickt in den Entwurf Bestimmungen hinein- zubringcn, die der Regierung die Annahme de« von dem Parlament umgestalteten Entwurfes zur Unmöglichkeit macken. Es wäre deshalb zu wünschen, daß das Plenum des Reichstages auf den von der Commission eingefügten Para- grapben 55a verzichte. Als Aequivalent könnte eS allerdings mit gutem Rechte verlangen, daß die Regierung die der Ver folgung von Preßveltkten anhaftenden Härten, wie sie sich durch die Judikatur herausgebildet haben, beseitigt werden. Will die Regierung nickt, daß die Tbäter von Preßvergehen durch allerdings unerhörte Privilegien der Strafe entzogen werden, so mutz sie auch darein willigen, daß die Preßdelicte in anderen Beziehungen auf den Boden deS gemeinen Rechtes gestellt werden. Se ist es bei beiderseitigem guten Willen wohl möglich, daß der Conflict vermieden wird und ein brauchbares Gesetz zu Stande kommt. Hier wie beim Bürgerlichen Gesetzbuch würden in den Augen de- Volkes die Regierung, in noch böbrem Grade allerdings die Volksvertretung, an Ansehen verlieren, wenn ein negative« Resultat der Lohn langer Mühen wäre. Petition ist in d«r ursprünglichen Fassung b»r«tt« gestern Abend nach Dresden abg»gang«a." vlstiolls 68t, 8»tyrnm von ucrsiksra! * Letpzi«, 27. Februar. Die Lande-vrrsammlung der socialdemokratischen Partei Sachsen« ist uack Dresden einberufen worden. Auf der Tage-ordnung steht u. A. »in Bericht des Landtag-abgeordneten Herrn Goldstein über „Die Tbätigkeit de« Landtage«", sodann aber der Bericht des Landtagsabgeordneten HerrnGeyer über „Wahlrechts änderung und Stellung der Partei zu derselben." K. Vertin, 27. Februar. Die kräftige Zurückweisung an maßender und ungerechter Worte der Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft durch Herrn v. Boetticher bat der betheiligten Presse die Sprache genommen. Nur die »Poff- Ztg." hat da« Unglück, Worte zu finden. Sie beruft sich auf ein >hr auS Bremen — dessen Handelskammer sich, beiläufig bemerkt, von dem Berliner Protestschwindel fern gehalten hat — zugangene« Schreiben, in dem eS heißt: „Di.s.iv... «i^ so laut über den mangelnden Schutz für den deutschen Handel in fremden Meeren schreien, schädigen diesen deutschen Handel durch daS Börsengesetz mehr, al- sie durch eine Kreuzerflotte Verschwörung. GNzz« von Lothar Schmidt (VreSlan). Nachdruck »erdatrn. Ich hi» der Unglücklichste d-r Menschtt, ich werde meine« Leben« nimmer froh werden! . . . Man hat sich gegen mich verschworen, hat rin Eomplot geschmiedet, ein schwarze«, ver- rätherische« Eomvlot. Wie viele der Complicen e« sind, weiß ick nicht; doch ihr« Zahl ist jedenfalls beträchtlich, «rinde erblicke ich an allen Ecken und Enden, wo immer ich geh' und steh'. Ihnen au-zuweicheu, ihre Liste und Ränke zp ver eiteln, darauf ist mein Ginnen bei Tag und bei Nacht ge richtet. E« handelt fick um nicht« Geringere«, al- um ein Attentat gegen meine Person, gegen mein Leben, gegen mein« Freiheit: man will mich . . . verheiratbenl Seitdem ich mein S3. Jabr zurückgelegt habe, ist- au» mit dem beschaulichen, zufriedenen Dasein, da- ich bisher ge führt. Gute Bekannte, liebe Freunde und Verwandte, Leute, di« mir sonst Harm- und arglo« begegneten, Menschen, denen ich nie etwa- zu Leid« getban, nahen sich mir fortan nur mit heimtückischen Plänen uud gleißneriscken Reden. Jede« Mittel ist ihnen recht, mich zu umgarnen; sie baden nicht« unversucht atlassen, nicht Lug und Trug, nicht Schmeicheleien, nicht Drohungen, Bitten «ad Gewalt, um mich unter da« Ehejoch zu bringen. Wa- mich am Allerschmerzlichsten dabei berührt, ist, daß mein« brave, liebe, alte Mutter an der Spitze der Ber- schworrnen sich befindet. Sir, die mich genäbrt, gehegt und ärpflegt hat mit unendlicher Hingebung und Aufopferung, st« bietet al- Erste Vir Hand dazu, mich zu verderben. Jawohl: mich zu vrrdrrben I Denn otz ist meine felsenfeste U-Herzruauna, daß mir kein größere- Laib aagethan werden könnte, al- »,» Weib! Für manche Männer mag ja die Ehe eia Glück, für Manch« ein Nutzen, für Viele em notbwenvige« Uebel sein; für auch, wie ich nun einmal geastet bin, wie ich fühle, denke und empfinde, wäre sie da« Schrecklichste der Schrecken, Seibstvrrnichtunz, Selbstmord. Warum? O, ich könnte »in ganzes dicke« Buch darüber schreiben, welcke Gründe mich veranlassen, ledig zu bleiben. Aber wozu? Das gekört doch hier gar nickt zur Sache! Habe ich mich denn vor irgend Jemand hier zu rechtfertigen? Zum Teufel noch ein« — ich will einmal nickt heirathen und damit basta! Früher rückte die Mutter nur selten und dann Wenigsten grad und offen mit der Sprache herau«: „To heirathe doch, Du kannst doch nicht ewig ledig bleiben, lieber Sohn!" „Aber, mein Gott, warum denn nicht, Mutter?" Na, und dann folgten denn gewöhnlich Dialoge von der Art etwa: „Sieh mal an, Deine Freunde Emil, Arthur, Fritz, Deine Brüder Oskar und Max, sie sind längst Alle verbeirathetl" ,Haß sie doch; ick beneid« sie nicht um diesen Vorzug." „Bedenke aber, mein Kind, wenn ich nicht mebr sein werde! Der wird Dir dann die Bändchen an die Unter hosen und die Knöpfe an die Westen nähen? Wer wird Dir die Strümpfe stopfen und Dir Deine Lieblingsgerickte kochen?" Gerübrt pflegt» ich zu antworten: „Denken wir nickt daran, Mutter! Du bist ja Gott sii Dank noch so rüstig und wirst voraussichtlich noch lang«, lang« l»b«n, länger vmllricht al« ich." „Und dann, stehst Du, hätte ich auch gar zu gern noch ein Enkelkind gehabt I" „O, wenn e« nur da« ist, so werde ich nächsten« mal mit Bruder Mar ober O-kar eia ernste« Wort im Vertrauen r«dr» " Ihren Haupttrumpf glaubte sie auSzuspielen, al- sie mahnend zu mir sagte: „Die Eb« ist etwa- Heilige«; eS ist qottlo-, nicht in den heiligen Stand der Ede zu treten." Wir ich aber auch darauf nicht reagirt«, verschonte mich die Mutter fortan mit direkten Heirath«attentatea. Doch nun begannen die indirekten Anspielungen: Ob ich nicht auch fände, daß Fraulein Marie L »'N sehr nette« Mädchen sei? — „Gewiß, ein sehr nette- Mädchen!" — Und hübsch wär« sie dock auch? — „O ja, hübsch ist sie ging ich in meinen Schachclub, sicher, hier mit solchen Wider' wärtigteiten nicht belästigt zu werden. Mein Partner ist bereit- anwesend. Schweigend und ohne weitere Umstände setzten wir un- an- Schachbret. Jener ist ein gefährlicher Gegner; ich nehme mir vor, heute doppelt aufmerksam mit ihm zu sein, aber ich finde, er ist ganz und gar nicht bei der Sache und mackt einen Schnitzer über den anderen. Nachdem wir fo eine geraume Zeit ge spielt haben, stützt er den Kopf in beide Hände und sinnt und sinnt vermuthlick über einen geistreichen Zug, der ibn au« der Klemme reißen soll. Nun scheint er ihn gefunden ru haben; er siebt mich halb verschmitzt, halb verlegen lächelnd an und sagt: „Sag mal Du, möchtest Du nicht heirathen? Ich wüßte zufällig eine ausgezeichnete Parti« für Dich, ich — " „Donnerwetter, da hort doch die Gemüthlickkeit auf!" Wütbend erhebe ich mich vom Stuhl, ergreife Mantel, Hut und Urberzieher und vrrlasse dröhnenden Schritte« das Local, ohne ein Wort de« Gruße«. Ich bin etwa« nervös. Du lieber Himmel, wer wäre daS heutzutage nicht? Die ewigen Quälereien und Plackereien mit dem verdammten Heirathen haben sicherlich nicht dazu beigetragen, meine Nervosität zu vermindern, im Gegentheü. Da sich der Zustand in letzter Zeit merklich verschlechtert hat, entschließe ich mich endlich, einen in diesen Dingen sehr erfahrenen Arzt zu consultiren. Der fragt mich denn ein Lange- und Breite«, Diese- und Jene«, Viele«, wa« offenbar gar nicht zur Dache gehört. Endlich meint er: „Sie sind ledig, nicht wahr?" „Natürlich!" antworte ich fast grob. „Ja, erlauben Sie mal, verehrter Herr, da« ist gar nicht so natürlich, wie Sie glauben. Da« ist vielmehr sehr un- natürlich. — Wie alt sind Di« denn?" „Dreiunddreißig ein halb!" „So, so, dreiunddreißid «io halb! Na, wenn Si, meinen Rath hören wollen, den rmzigen Rath, d«n ich Ihnen geben kann: Heirathen Sie!" .... Nie wieder geh' ich zu einem Nervenarzt! * Leipzig, Biedermann „Sie haben mein Artikel in Nr. 97 Ihre« Blattes, zusammen mit anderen Stimmen im gleichen Sinne, die Verfasser der Petition an Se. Maj. den König in der Wahlreformfrage zu einer Aen- derung ihre« Petitum« bewogen habe. Dieselben seien dadurck aufmerksam gemacht worden, daß diese« Petitum „einen Wunsch enthalte, dessen verfassungsmäßige Zulässigkeit nicht außer Frage stehe." DaS ComitS schlagt daher nun folgende Fassung de- Petitum- vor: „Ew. Majestät wolle allergnädigst geruhen, diesen Gesetzentwurf vor Beendigung der ständischen Beratbung zurück ziehen zu lassen." Diese Aenderung scheint mir nun freilich keine Verbesserung der Petition, vielmehr in Bezug auf „ver fassung-mäßige Zulässigkeit" mindestens ebenso zweifelhaft zu sei,«, wie die erste Fassung Würde die Regierung den be treffenden Gesetzentwurf nach der ständischen Beratbung zu- rückgenommra haben, so hätte sie allenfalls die« damit recht fertigen können, daß durch letztere etwas in die Vorlage ge kommen sei, was ihr dieselbe in dieser veränderten Gestalt unannehmbar mache. Höchstens hätten die Minister soweit auch." — Ach, und so häuslich! — „Ei, ei, gar noch häus lich?" — Na, ob und wie! Ich sollte sie nur'mal in Küche und Keller herumhantiren sehen; meine Helle Freude würde ich dran haben ... Und die Leute meinten, eS sei viel, viel Geld da, wir die- ja auch au« der ganzen Lebensführung der Familie hervorginae. „Ich glaub'« beinahe selbst: e« muß viel Vermögen da sein." (Pause.) „Weißt Du, mein Kind. . . «in Mntteraugr sieht ja immer viel schärfer . . . weißt Du, wa« ich für eine Beob achtung gemacht habe?" „Nun?" „DaS Fraulein Marie scheint sich lebhaft für Dich zu iutrresstren . . ." „Ack wa« . . .!" „Wenn ich Dir sage . . ." „Hm, hm . . . möglich mär'« ja immerhin." ,,E« ist sogar bestimmt so; Du darfst Dich drauf ver lassen." „Schön! ich verlaß mich drauf!" „Nun . . . und?" -Nun . . . und, Mutter?" Seufzend bricht sie dann da« Gespräch ab: „An Dir ist Hopfen und Malz verloren; Du bist ein unverbesserlicher Juoageselle!" — — — — — Ick weiß genau: in unserem Familirnalbum steckten bi« vor Kurzem noch drei Photographien von mir. Auf der ersten bin ich mit, auf der zweiten ohne Hut abgenommen; von der dritten blickte mein edle- Eonterfei im Frack. Seit Wochen nun sind diese Bilder verschwunden, seit Wochen bat meine Mutter ick weiß nicht wa« für geheime Torre- spondenzen, seit Wochen, wenn Besuch bei un« ist — und merkwürdig oft ist da« der Fall — wird in Einem fort ge tuschelt und gezischelt. Trete ich daun unvermuthet ein, so schweigt plötzlich Alle«, und dann fängt irgend Jemand mit ziemlich ungeschickter Miene von irgend etwa« zu sprechen an. wovon im Augenblick zuvor sicherlich nicht die Rede war. Ich merke natürlich sofort, daß ich wieder einmal vrrhriratbet werde, und schleiche mich traurig und betrübt von dannen. So auch neulich Abend«. Und do e« gerade Montag war, Vie Gefährdung der Strafproceßnovelle. 2t Die Justizcommission de- Reichstag« hat am Dienstag mit doppelter Majorität einen Paragraphen in die Straf- procrßnovelle eingeschoben, dessen Aufnahme nach der Erklärung deS StaatSsecretair« Nieberding da« Zustandekommen des ganzen Gesetze« gefährdet, weil die von der Commission be liebte Bestimmung schlechterdings für die Regierung un annehmbar sei. E« handelt sich nämlich darum, daß nach dem Willen der Commission in Fällen, in denen ein Preß- delict der Strafverfolgung unterliegt, für da« der verant wortliche Redakteur eine« Blatte« al« Tbäter bestraft wird, der Verleger, die Redacteure und da« gesammte Personal bnrechtigt sein sollen, da« Zeugniß über den Verfasser de« strafbaren Artikel- zu verweigern. E« liegt auf der Hand, daß die von der Commission ein gefügte Bestimmung für die Preßverbältniffe von einschneiden der Bedeutung ist. Wer ist nun in diesem Conflicte zwischen Regierung und Commission im Rechte? Herr Nieberding bat jedenfalls einen schwerwiegenden Fehler begangen, indem er sich auf da« gemeine Strafrecht berief, dessen Prin- cipien e« schnurstracks widerspreche, daß der Tbäter oder der an einer Strafthat Belheiligte der Bestrafung entzogen sein solle. Denn mau kann dagegen einwenden, daß die Presse mannigfachen prirllegiig oäiosis unterlieg:, die dem gemeinen Strafrecht und dem ordentlichen Strafproceß zuwiderlaufen. Nirgends wird sonst im Strafrecht Jemand ohne Weiteres als Tbäter fingirt, während bei Strafdelicteo der verantwortliche Redacteur haftbar ist, selbst wenn es feststeht, daß er von dem strafbaren Artikel keine Kenntniß hatl^ oder daß es ihm an der nölhigen Bildung fehlte, um die Erkenntniß von der Strafbarkeit deS von ihm in gutem Glauben ausgenommen«:: Artikels zu haben. Wird also der verantwortliche Redacteur von gesetzwegen gewissermaßen als Thätrr vorgeschoben, so ist e« begreiflich, daß man als Correlat für diese Fiction die Nachforschung nach dem wirk lichen Tbäter erschweren will. Ein anderes hockst lästiges dsueklniaw oäiosuw ist der nach der Willkür der Staats anwaltschaft wechselnde Gerichtsstand bei Prcßdelicteo. Man erinnert sich an den Kall Thüngen, wo der Verfasser eme« io einem kleinen bäuerischen Blatte erschienenen, den Grafen Caprivi beleidigenden Artikel« sich in Berlin verantworten mußte. ES liegt auf der Hand, daß diese Willkür dem An- geklagten Kosten macht, seine Bertbeidigung erschwert und ihn in die Gefahr dringt, von Richtern abgeurtheilt zu werden, die ein geringere« Berstandniß für die seine Thal mildernden Umstände haben, als es Richter seiner Heimalh besitzen würden. Dem norddeutschen Richter mag leicht al« schwere Beleidigung erscheinen, was dem robusten Bajuvaren nur als derbes Wort gilt. Daß auch um diese« die Rechte de« Angeklagten schädigenden Ausnahmezustandes willen die Rcich«tags- commisston geneigt ist, den Thäter im Falle von Preßdelicten der Bestrafung zu entziehen, ist wohl begreiflich. Auf der anderen Seite aber stehen dem Beschlüsse der Commission schwere Bedenken gegenüber. Denn wenn e« auch dem Rechtsempfinden zuwiberläuft, daß ein zwar äußerlich, aber nicht thatsächlich für ein Delikt verantwortlicher Mensch bestraft wird, so wird Vieser Fehler dock noch nicht dadurch gekeilt, daß Man einen anderen, dem Rechtsgefühl ebenfalls zuwidrrlaufenden Fehler begeht, indem man den eigentlichen Thäter der Strafe entzieht. Denn auf die faktische Straf losigkeit deS Thäter- läuft d»r Beschluß der Commission hinaus, da in den allermeisten Fällen, wenn der Richter auf da« Zeugniß de« gesammtea Personal« eiuer Zeitung oder Zeitschrift ver richten muß, «ine Möglichkrit, auf die Spur de« ThäterS zu kommen, nicht vorhanden ist. Man bedenke nun, daß sich dadurch Politisch« Gefahren ergeben könnte«, die nicht nur der Regierung, sondern allen staat-freuudlicheu Bürgern höchst fatal sein darin gefehlt, daß sie die- nickt sogleich bei der betreffenden Beschlußfassung erklärt hätten. Wenn dagegen da« Ministerium die von ihm im Auftrag de« König- den Ständen unterbreitete Vorlage „vor Beendigung der ständischen Beratbung" zurück ziehen sollte, so müßte doch ein Grund dafür angeführt werden. Davon ist aber in dieser neuen Fassung so wenig wie in der früheren die Rede. „Beendigt" :st die „ständische Beratbung" nach unserer Geschäftsordnung erst mit der dritten Lesung eines Gesetze«, in welcher die endgiltige Abstimmung über alle Abänderung-anträge stattfindet. Sollte vor dieser dritten Lesung ein Antrag die Mehrheit gewinnen, in welchem die Regierung eine Verschlechterung deö Gesetze« erblickt, so hätte sie die- zu erklären und nur die letzte Ent scheidung der Kammer abzuwarten, nicht aber „den Gesetz entwurf vor Beendigung ver ständischen Beratbung", d. h. vor dieser letzten Entscheidung der Kammer, „zurückzuziehen". Eine solche Zurückziehung „vor Beendigung der ständischen Beratbung" und ohne einen im Verlauf dieser Beratbung dazu gegebenen, von ver Regierung monirten Anlaß wäre eine Beleidigung der Stände und ein Verstoß gegen das kon stitutionelle Wesen. Ja, sie wäre noch etwas Schlimmere«, denn sie würde die Deutung zulassen, als ob entweder da« Ministerium voreilig, ohne dem König Zeit zur rnbigen Ueber- lezung zu gönnen, den Gesetzentwurf an die Stände gebracht, oder als ob Se. Majestät selbst, erst jetzt aufmerksam gemacht durch die Petenten, die ganze Schwere der Vorlage erkannt und von deren „Gefährlichkeit", wie solche m der Petition so drastisch geschildert ist, sich überzeugt hätte. Die erstere Annahme wäre eine schwere Beleidigung der Minister, al« ob diese pflichtwidrig gehandelt Kälten, diese zweite erscheint al« kaum vereinbar mit der schuldigen Ebr- erbietung gegen Se. Majestät, unseren verehrten König. Und so haben, wie mir scheint, die Urheber der Petition ihre Sacke nicht verbessert, sondern verschlimmert." So Herr Professor vr. Biedermann. Seine Annahme, daß die Petition eine veränderte Fassung erhalten habe, ist inzwischen gegenstandslos geworden durch die folgenden Erklärungen der Herren Geb. Hofratb Professor Vr. Sobm und Gymnasialoberiehrer vr. Han- Voigt. Die Erklärung, um deren Aufnahme der Erstere un- ersucht, lautet: Ich erkläre hiermit öffentlich: 1) daß ich di« Wahlrechts-Petition an Se. Majestät den König nicht verfaßt, aber mitnnterschrieben und für die Verbreitung derselben am hiesigen Orte gewirkt habe; 2) daß ich mit dem „Lomits", welches heute im „Leipziger Tageblatt" eine nach meiner Ansicht gänzlich unnöthige und verkehrte Aenderung der Petition drcretirt, nicht- zu thun habe. Ich habe von dieser Aenderung erst heute durch da- „Leipziger Tageblatt" erfahren. 3) Wenn der ursprüngliche Wortlaut der Petition nicht wirder- hergestellt wird, so^ist meine Unterschrift der Petition null und nichtig. Leipzig, am 27. Februar 1896. vr. Rudolph Sohm, Professor. Die Erklärung de« Herrn vr. HanS Voigt lautet: „Das Inserat in der gestrigen Nummer ist durch »in Versehen meiuersett« veröffentlicht worden. AuS juristischen Kreisen waren Bedenken gegen die verfassungsmäßige Zulassung de- Schluß passus geltend gemacht, und es war eine Anfrage wegen einer Ab änderung nach Zittau, von wo dir Petition ausgegangen ist, ge richtet worden. Eine Notiz hierüber war vorbereitet: durch meine Schuld ist sie vor der Entscheidung der Angelegenheit der Presse zugegangen. Ein Comittzbeschloß ist nicht erfolgt. Vielmehr haben sich die maßgebenden Persönlichkeiten, vor Allem Herl Geheimrath Sohm, entschieden gegen eine Aenderung au-grsprochen. Der Wortlaut der Petition bleibt somit unverändert und di« Deutsches Reich. 27. Februar. Herr Professor vr. Karl schreibt uns: mir die Ehre erwiesen, amunehmen, daß er der Petition an gleichen Sinne, die ir den deutschen H diesen deutschen H »selben Leute, die .... 1 l izerflotte wieder weitmachen können. Wie soll man von fremden Käufern Vertrauen zu vem die deutsche Au-fuhr vermitteln den Kaufmann erwarten können, wenn dieser daheim unter Polizeiaufsicht gestellt wird?" Sollte unter dem Philister- publicum der „Voss. Ztg." auch nicht Einer sein, der genug Grütze besitzt, nm daS Leiborgan zu befragen, warum man im In- wie im Auslande dem bayerischen Biere, dessen Erzeuger auch „unter Polizeiaufsicht gestellt sind" — sie dürfen bei Vermeidung von Geld- und Freiheitsstrafe nichts Anderes als Wasser, Hopfen und Malz zu ihrem Gebräu verwenden — den Vorzug vor dem Berliner giebt, obwohl der Freibeit Hauch mächtig durch die Brauereien im Wohnsitz der „Voss. Ztg." zieht? Berlin, 27. Februar. Der ParticulariSinuS ist seiner ganzen Erscheinung nach der Ausfluß politischer Kurzsichtig keit und Beschränktheit, ganz besonder- tböricht aber erscheint sein Gebabren, wenn er sich mit dem Vorrechnen von finan ziellen Vortheilen abgiebt, die den einzelnen Gebieten des Reiches aus der gemeinsamen WirthschaftSgesetzgebung er wachsen. Der vorrechnende Tbeil vergißt dabei «mmer, daß dem Nutzen deS Andern eigener Nutzen auf einem anderen Bret gegenübersteht und daß, wenn ein Gesetz in verschiedenen Gegenden des Reicks verschiedene Wirkungen übt, die Un gleichheit aus natürlichen Ursachen beruht, die durch eine Abstandnahme von stesctzzeberischen Maßnahmen nicht auf gehoben würden. Wäre der deutsche Weinbau nicht durch einen Zoll geschützt, so wurde in Pommern die Rebe doch nicht grdeiben, und gingen Eisenbahnfabrikate zollfrei ein, so könnte sich deswegen auf der bayerischen Hochebene noch keine Slablindustrie entwickeln. Jetzt bildet dieZuckersteuer vor! agein Süddeutschland den Gegenstand von Angriffen, die ganz überwiegend au- territorialen Erwägungen hervorgrhen und bei denen zudem überseben wird, daß der Süden an der Erkaltung der Concurrrnzfähigkeit der deutschen Zucker fabrikation erheblich direkt intrrrssirt ist, zu schweigen von den Wirkungen, die e- auf die süddeutsche Landwirtbschast auSüben müßte, wenn Mitteldeutschland von dem unrentabel gewordenen Rübenbau wieder zur Weizenproduetion zurück- lehren würde. Betheiligt an der lustigen Hetze gegen da- „unersättliche, dem ärmeren Süden den letzten Pfennig aus der Tasche holende Preußen" ist auch die ultramontane Presse und-- soweit wir sehen können — ohne Ausnahme. Da empfiehlt «» sich, die Geaenrechnunz in Erinnerung zu bringen, die das Berliner Hauptorgan der klerikalen Partei im Mai vorigen Jahre- ausgemacht hat, al- im Süden rin dem jetzigen ähnliche« Geschrei über da« damal- verabschiedete Branntwein ft euergesetz er hoben wurde. Dir „Germania" schrieb: „Bei keiner «teuer Mi« MU
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