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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.02.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960229026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896022902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896022902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-02
- Tag1896-02-29
- Monat1896-02
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Rrclamen unter dein Redactionsstrich (4gs- spalten) 50/H, vor den Familiennachrichten (ti gespalten- 40 Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zissrrmatz »ach höherem Tarif. Ekctra-Vetlagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbef-tderung -/t SO—, mit PvstbefSrderung 7V.—. ^nnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Für die Montag.Morgen-Ausgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die tkrpeditto« zu richten. —-o«»-— Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Sonnabend den 29. Februar 1896. 8«. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 29. Februar. Die „Correspondeuz des National-liberalen Vereins für da- Königreich Sachsen" bespricht in ihrer letzten Nummer die sächsische Wahlrecht-refurmbewegung. Sie weist auf die Ruhe und Sachlichkeit, womit die Reform frage in der außerordentlichen Generalversammlung des Vereins vom 9. d. M. besprochen wurde, sowie auf die Ein- müthigkelt bin, mit der von allen Rednern die Noth- wendigkeit sowohl einer Aenderung des sächsischen Landtagswahlgesetzes, als auch des ferneren einträchtigen Zusammenwirkens betont wurde, und stellt dieser maßvollen und versöhnlichen Haltung die Maßlosigkeit gegenüber, mit der ein Theil der Gegner der Vorlage in der Presse und in Versammlungen nicht nur gegen die Vorlage, sondern auch gegen den Bestand der Partei zu Felde zieht. Mit Recht würdigt das Parteiorgan die Aeußerung eines aus wärtigen geistlichen Redners vor einem evangelischen Arbeitervereine Leipzigs, daß die Vorlage der königlichen Regierung einen „Raubzug" gegen das Wahlrecht der Arbeiter darstelle, keines Wortes der Abwehr; mit demselben Rechte aber antwortet es auf jenePrcßäußerungen bisheriger Parteigenossen, die leichten Herzens und sogar frohlockend die angebliche Zertrümmerung und Zerspaltung der national liberalen Partei, ja der staatserhallenden Parteien überhaupt, als vollzogene Thatsache verkünden und von sich selbst bereits als „Neuliberale" mit dem Selbstbewußtsein von Bahn brechern und Propheten der Zukunft sprechen, folgendermaßen: „Wir wiederholen: in unserer Generalversammlung ist von Trennung keine Rede gewesen, nur von Verständigung, und ebenso denken die allermeisten unserer Freunde im Lande, die an der Versammlung Persönlich nicht theilnehmen konnten, selbst wenn sie Gegner der Vorlage sind. Unsere Partei ist auch schon durch noch viel bedeutendere, das ganze Reich bewegende Ent scheidungen, um die alten hohen Ziele geschaart, unversehrt hin- durchgegangen. Daß im grünen Holze sich die Triebkraft regt, die Welt durch ein Sonderleben in Erstaunen zu setzen, ist auch keine neue und beunruhigende Erscheinung. Wir können Niemanden hindern, sich „neuliberal" oder sonstwie zu nennen, der nicht mehr mit uns gehen will. Aber wir sind der Meinung, daß die bloße Opposition gegen unsere Wahlrechtsvorlage für eine neue Partei, auch mit dem schönsten Namen, einen überaus engen Kreis gedeih lichen Wirkens bietet, namentlich sobald diese Vorlage einmal Gesetz geworden ist. Dann dürfte sehr bald die Zeit kommen, wo das Häuflein der „Neuliberalen" sich die berechtigte Frage vorlegt: zu welchem Zwecke es eigentlich da sei?" Sodann geht das Parteiorgan auf die an Se. Majestät den König abgesenvete Petition ein, die an den Monarchen das Ansinnen stellt, dem Gesetzentwürfe nach dessen Annahme durch den Landtag „Seine königliche Sanktion zu versagen". DaS Organ citirt die Bemerkungen, mit denen Professor vr. Biedermann im „Leipz. Tagebl." dieses Ansinnen charak- terisirt hat, und erinnert dann die Unterzeichner an zwei Antworten, die Kaiser Wilhelm bei ähnlichen Gelegenheiten ertheilt hat: „Als die sämmtlichen deutschen Bischöfe am 2. April 1875 von Fulda aus eine Immediateingabe an den Kaiser Wilhelm richteten und ihn — mit ganz ähnlicher Begründung wie unsere heutigen Petenten unseren König — ersuchten, der dem preußischen Landtage vom König Wilhelm unterbreiteten Sperrgesetz vorlage, „als einer Verletzung wohlerworbener Rechte und einer Quelle unsäglicher Trauer und friedenstörender Verwirrung", die königliche Genehmigung zu versagen, da erhielten die Bischöfe am 9. April eine Antwort des preußischen Gesammtministeriums, die ihnen „in Erledigung des Allerhöchsten Auftrages Erstaunen, Bedauern und Befremden" au-drückte über „die Forderung, daß der König, nachdem er die Sperrgesetzvor- lage mit seiner ausdrücklichen Genehmigung an den Landtag ge langen lasten, diesem Gesetze, nach Annahme durch den Landtag, die Sanction verweigern soll". Zwei Jahre zuvor hatte Kaiser Wilhelm selbst ans ein Schreiben des Papstes Pius vom 7. August 1873, das die Worte enthielt: „Andererseits wird mir mitgetheilt, daß Eure Majestät das Verfahren Ihrer Regierung nicht billigen und die Härte der Maßregeln nicht gutheißen", am 3. September Folgendes erwidert: „Wenn diese Berichte nur Wahrheit meldeten, so wäre es nicht möglich, daß Eure Heiligkeit der Vermuthung Raum geben könnten, daß Meine Regierung Bahnen einschlägt, welche ich nicht billige. Nach der Verfassung Meiner Staaten kann ein solcher Fall nicht eintreten, da die Gesetze und Regierungs maßregeln in Preußen Meiner landesherrlichen Zu stimmung bedürfen." Wir wünschen eine Antwort, wie sie den deutschen Bischöfen am 9. April 1875 ertheilt wurde, den Unterzeich nern der Petition an unseres Königs Majestät wahrlich nicht, am wenigsten jenen selbstlosen Männern, die nicht im Ent ferntesten parteipolitischem Ehrgeiz fröhnen und, unbekümmert um Gunst, lediglich einem von nüchterner politischer Erwägung nicht gezügelten Herzensdrange gefolgt sind, als sie ihre Namen unter die Petition setzten. Wenn ihnen aber eine ähnliche Antwort doch zu Theil wird, so dürfen sie die Schuld nicht den Gegnern zuschreiben, die eS an wohl meinender Warnung nicht haben fehlen lasten und doch auch ihrerseits über den Verdacht erhaben sind, von Liebedienerei sich leiten zu lassen oder gar Staub aufzuwirbeln, „um die Wahrheit zu verhüllen". Der bisherige Verlauf der EommisfiouSberathungen im Reichstage über die wichtigsten Vorlagen erfüllen die „Post" mit ernster Sorge vor einem negativen Ergebniß. „In der Justiznovelle" — schreibt das genannte Blatt — „ist ein Beschluß gefaßt worden, welcher nach der ausdrücklichen Erklärung des Slaatssecretairs im Reichsjustizamte deren Zu standekommen ernstlich gefährdet, das Börsengesetz hat in der ersten Lesung so tiefeinschneibende Veränderungen und zwar nicht blos auf dem Gebiete der Productenbörse, insbesondere des Terminhandelsmit Getreide, sondern auch betreffSderFondSbörse erfahren, daß auf ein Zustandekommen in dieser Gestalt nicht zu rechnen ist. Der Beschluß der Commission über das Bürgerliche Gesetzbuch, durch welchen ohne Weiteres auch alle politischer: Vereine Cvrporationsrechte erlangen dürfen, ist für die verbündeten Regierungen zweifellos unannehmbar und seine Aufrechterhaltung mit dem Scheitern deS ganzen Bürgerlichen Gesetzbuches gleichbedeutend. Ueber diese Wirkung ihres Antrages müssen die Herren vr. Bachem und Genossen sich klar gewesen sein, und es bleibt daher nur die Wahl zwischen der Annahme, daß sie damit ein demokratisches Mäntelchen für die Verhinderung der Einheit deS bürger lichen Rechts sich haben verschaffen wollen, und der, daß der Beschluß dem Centrnm ein neues Handelsobject für Con- cessionen an anderen Stellen liefern soll. In der Börsen commission scheinen gleichfalls taktische Erwägungen dieser Art bei den Beschlüssen mitgewirkt zu haben. Um die ein schneidenden Beschränkungen der Productenbörse, namentlich das Verbot des Terminhandels mit Getreide, durchzusetzen, scheint eine Reihe anderer Verschärfungen der Vorlage, nament lich betreffs der Effectenbörse, als Transactionsobjecte aus genommen zu sein. Diese Taktik bat aber ihre sehr bedenklichen Seiten. Die Erfahrung lehrt, daß es sebr schwer ist, namentlich, wenn, wie bei der Frage derOrdnung der Börse,Leidenschaft mit im Spiele ist, von einem einmal eingenommenen extremen Standpuncte wieder abzukommen. Die Befürchtung ist daher nicht abzuweisen, daß durch die Belastung der Vorlage mit ungangbaren Bestimmungen für die Effectenbörse das auf dem Gebiete der Productenbörse andernfalls Erreichbare in Frage gestellt wirb. Gerade wer eine vorhandene Mißstände beseiligeude Reform der Börse für nothwendig erachtet, muß daher dringend wünschen, daß über den weiteren Verhand lungen der Börsencommission ein günstigerer Stern waltet al- bisher. Hier, wie betreffs der vorbezeichneten anderen wichtigen Vorlagen, darf Man daher auf die fernere Entwickelung gespannt sein." Gespannt ist man jedenfalls Mit Recht, aber gerade die Möglich keit des Scheiterns der wichtigsten Reformarbeiten eröffnet unsres Erachtens die Aussicht auf eine Nachgiebigkeit der änderungslustigsten Parteien in letzter Stunde. Die ganze Session ausgehen zu lasten wie das Hornberger Schießen und mit ganz leeren Händen vor die Wähler zu treten, darf außer der socialdemvkratischen keine Partei wagen. Der jetzige unerfreuliche Stand der Commisstonsberatbungen ist daher eine sehr kräftige Mahnung an alle bürgerlichen Parteien des Reichstags, an das „Ende" zu denken. Bei aller Sympathie, welche man in Deutschland für den Erfolg der italienischen Waffen in Ostafrtka hegt und bei jeder Halbwegs darnach angethanen Gelegenheit zu beredtem Ausdruck bringt, kann man sich immer schwerer der Einsicht verschließen, daß die Anlage des abessinischen Feldzugsplanes, wenn auch nicht gerade direct verfehlt, so doch unzulänglich gewesen sein müsse, weil das Vorrücken des Generals Baratieri schon nach wenigen Vormärschen ins Stocken gerielh und partielle Katastrophen erkennen ließen, daß der Gegner, offenbar von sachkundigen Autoritäten be- rathen, seine Ueberzahl durch geschickte strategische Dispo sitionen so ausgiebig verwerthete, daß die bessere Artillerie und die Truppendisciplin der Italiener nicht dagegen aufzukommen vermochten. General Baratieri befindet sich in der nicht ganz unbedenklichen Lage, daß er in der Front festgehalten, durch kleinere Flankenangriffe mürbe gemacht und seine rück wärtigen Verbinvungslinien bedroht sehend, gleichwohl aus seinem exponirten Posten aushalten muß, auf die Gefahr hin, völlig umgangen zu werden. Ein noch so geordneter und militairisch correcter Rückzug würde überall den ungün stigsten Eindruck hervorbringen und die Stellung des Mini steriums Crispi noch mehr erschweren. Heute sollen neue Verstärkungen von Neapel nach Mastaua in See gehen. Eile ist in der Thal von Nöthen, da in Bälde die für Operationen europäischer Truppen im afrika nischen Klima geeignetste Jahreszeit für diesmal wieder vorüber sein wird. Da mit den Verstärkungen, die jetzt ab gehen und Len Reservetruppen, die bereit gestellt werden, ein ganzes Armeecorps für die Erythräa aufgeboten wird, ist der Oberbefehl einem höheren General übertragen worden. General Pelloux, der zuerst dafür bestimmt war, hat abgelehnt, und so fiel die Wahl auf den in Afrika erprobten General Baldis- sera, der das erste Mal mit der Expedition von San Mar- zana 1887 nach Mastaua kam und dann bis Ende 1889 den Oberbefehl in der Colonie geführt hat. Vielleicht gelingt es Baldiffera mit der ansehnlichen Streitmacht, welche ihm zur Verfügung steht, noch vor Eintritt der Regenzeit einen großen Schlag zu führen und so wenigstens die Waffenebre zu retten. An einer Ausnützung deS Erfolges wird Wohl bei der vorgerückten Jahreszeit kaum gedacht werden können, so daß, wenn nicht Frieden geschlossen wird, man gezwungen sein dürste, den Feldzug im October von Neuem zu beginnen. DaS Schlimmste, was den Spaniern in ihrem verzweifelten Kampf nm Euba, die Perle der Antillen, den letzten größeren Colonialbesitz der einst über die Meere gebietenden Nation, passiren konnte, die Anerkennung der Insurgenten als kriegführende Partei durch die Vereinigten Staaten ist so gut wie geschehen. Wir erhalten darüber folgende sensationelle Meldungen: * Washington, 28. Februar. Der Senat nahm mit t>4 gegen 6 Stimmen den Beschlußantrag an, welcher die Aufständischen auf Euba als kriegführende Macht anerkennt. — Der Beschlußantrag Call, welcher am 5. d. M. gestellt war, wurde mit dem am 20. d. M. eingebrachten Amendement Cameron angenommen, wonach der Präsident ersucht wird, sich bei Spanien dafür zu verwenden» daß die Unabhängigkeit Cubas anerkannt werde. * Washington, 28. Februar. (Senat.) Im weiteren Verlaufe der Debatte über den Beschlußantrag zu Gunsten der cubanischeu Aufständischen erklärte Lind sah, die Lage auf Cuba rechtfertige ein thätigeS Einschreiten der Bereinigten Staate», um im Namen der Menschlichkeit die Ordnung auf Cuba wiederher- zustellen. Sherman sprach den Wunsch aus, daß Cuba in Mexico einverleibt werde und erklärte, der Augenblick sei gekommen, dem unbeschreiblichen Verbrechen der Spanier ein Ende zu machen, die den menschlichen Campos abberufen und ihn durch den Schlächter Wepler ersetzt hätten. Wenn Letzterer auf Cuba bliebe, werde nichts die Bereinigten Staaten hindern, die Bar baren zu vertreiben (Beifall). Lodge bemerkte, der von den Vereinigten Staaten beabsichtigte Schritt werde von der civilisirten Welt gebilligt werden. Andere Senatoren erklärten, Spanien verdiene nicht die Achtung anderer Länder. NurCasfery bekämpfte den Beschlußantrag. So lange Martinez Campos den Oberbefehl aus Cuba führte, hielt sich die Volksvertretung in Washington ziemlich neutral, weil man in den Vereinigten Staaten, wie anderwärts sich sagte, daß bei dieser Art Kriegführung, die den Feind mit Sammethand schuhen anfaßte, nicht die Macht der Aufständischen, sondern die Spaniens in Cuba sich verbluten und so durch den natür lichen Verlauf der Dinge die Colonie vom Mutterlande sich lösen werde. Seit aber General Weyler mit dem Aufgebot äußerster Mittel den Aufständischen zu Leibe zu gehen be gonnen bat und die Aussicht, daß der Aufstand doch noch unterdrückt werden könnte, wieder neue Nahrung erkalten hatte, ist in Washington der Geduldsfaden immer dünner geworden und schließlich ganz gerissen. Giebr Präsident Cleveland dem Senatsbeschluß seine Sanction, so hat es Spanien nicht mehr bloS mit den Insurgenten aus Cuba, sondern mit der Kriegsmacht Nordamerikas zu thun und seine Partie mit sammt dem überaus hohen Einsatz an Macht, Geld und Ehre wäre verloren. Wir haben nie Sympathie für die spanische Wirtschaft auf Cuba gehabt und sind stets für durchgreifende VcrwaltungSreformen eingetreten, welche der unverantwortlichen finanziellen Ausbeutung der großen Antille ein Ende machen sollten. Nie hat Spanien sich dazu verstanden und es war auch in Zu kunfl schwerlich von ihm zu erwarten. Ob ein solches Verhältniß vom Mutterland zur Colonie aber einem anderen Staat das Recht giebt, sich einzumischen und in so ein schneidender Weise sich einzumischen, wie die Vereinigten Staaten es zu thun im Begriffe sind, steht freilich aus einem anderen Blatte, zum Mindesten müßte dock' erst der Beweis erbracht sein, daß auch General Weyler Seine „Lumme" kleine Frau. 13s Roman von F. Klinck-Lütet-burg. Nachdruck verboten Im Fall der Berufung würde diese- als Basis für die ferneren Verhandlungen dienen, nicht weniger Börner'S Bericht über den Angeklagten. Daß dieser der Meinung deS Amtsrichter- entsprechen würde, war ebenso selbstverständlich, als daß Börner nach dem gefällten richter lichen UrtbeilSspruch ein eigenes Interesse daran haben mußte, ihn aufrecht erhalten zu sehen. Unter diesen Umständen war allerdings keine Aussicht vorhanden, daß eine eingelegte Re vision eine günstige Wendung der Dinge für Herrn v. Grei- fingen herbeiführen werde, selbst dann nicht, wenn jene be drohliche Aussicht auf weitere gegen diesen Mann gerichtete Angriffe sich nicht verwirklichen würde. Sollten aber die umherfchwirrenden Gerüchte zur Wahrheit werden, so würde eine Berufung da- frrisprechende Urtheil ohne Zweifel in eine Gefängnißstrafe verwandeln. ES war ihm unmöglich, dem Freunde seine Gedanken klar- zu legen. So suchte er den Kern der Sache mit Schonung zu umgehen. „Herrengrund'S Ansicht ist gegenwärtig noch auch die meine", sagte er endlich mit einem bedauerlichen Achselzucken. „Gedulde Dich einige Tage, Ernst. Ich will mir das Ganze einmal überlegen und Dir daS Ergebniß nicht vorentbalten. Thu' aber in den nächsten Tagen nichts in dieser Angelegen heit ohne mein Vorwiffen. Laß mich Dir sagen, daß ,ch Dil in jeder mir möglichen Weise beisteben will, daß Du Dein Ziel schnell erreichst. Hoffen wir, daß es uns gelingt, daS Netz zu zerreißen, mit welchem Herr von Greisingen umgarnt. So ganz leicht dürfte unS da- nicht werden." Ernst von Rötlingen glaubte schon am folgenden Tage eine Erklärung für Raguhn's Worte gefunden zu haben. AlS er gegen elf Ubr im Greifingen'scben Hause anlangte, kam ihm Lisa von der Veranda her entgegen. Sie sah blaß au- und ihre leicht gcrötheten Lider legten die Vermuthung nahe, daß sie geweint habe. „Ist etwa- geschehen, Lisa?" »Ich weiß nicht, Ernst, vielleicht ist es nicht-, dal uns so erschreckt hat. Man ist noch so furchtbar aufgeregt von Dem, was in der letzten Zeit sich zugetragen, und jetzt?" Sie brach plötzlich in ein krampfhaftes Schluchzen aus. „Mein Gott, Lisa, was ist Ihnen? Sie erschrecken mich. ES ist etwas geschehen." In diesem Augenblick näherte sich Herr von Greifingen. Er batte die Tbür einschlagen hören und kam aus dem Hinteren Theil deS Gartens. „Mein Bruder wird es Ihnen sagen, Ernst. Ich kann nicht — ich kenne mich selbst nicht wieder. Die Angst schnürt mir die Kehle zusammen", stieß sie aufschluchzend hervor. „Nun, Wolf?" Herr von Greisingen lächelte. Gott sei Dank! Ernst von Rötlingen athmete erleichtert auf, indem er sich von Lisa abwandte. „Ich glaube, Lisa sieht Gespenster, Ernst. Sie ist außer sich, weil ich eine Vorladung von dem Polizeicommiffar er halten habe." Herr von Rötlingen sah Herrn von Greisingen verwundert an. Dieser überreichte ihm ein Blatt Papier. „WaS soll daS bedeuten, Wolf? DaS ist eine höchst befremd liche Sache. Du wirst doch nicht etwa hingehen?" „Nicht hingehen?" „Nein. Wenn die Polizeiverwaltung etwas von Dir will, so mag sie sich zu Dir bemühen." „Die Ansicht hast Du davon, Ernst?" „Natürlich, Du bist doch ein anständiger Mensch?" Ein Ausdruck von Bitterkeit zeigte sich in Herrn von Greisingen'S Gesicht, aber er war sehr rasch wieder daraus verschwunden. „Ich werde trotzdem gehen", sagte er lächelnd. Der Auf forderung einer ordnungerhaltenden Behörde Folge ru leisten, dünkt mich Pflicht eines jeden Bürgers. Warum sollte ich mich weigern, ihr nachzukommen?" „Ich weiß eS nicht, Wolf, wenn Du eS nicht weißt." „Du räthst ab?" „In Erwägung Deiner mir gemachten Mittheilungen — entschieden." „Nein, Ernst — ich will gehen. Wa» kann eS sein? ES bandelt sich nur um einen Spaziergang, durch welchen ich mir und mehr noch Lisa, die nun einmal unglücklicher Weise den Wisch da aufgefangen hat, Ruhe verschaffen will. Du siehst mich verwundert an. Ich weiß, was Du sagen willst. Laß mich. Heute fühl« ich wieder, wa« di« l«tzt« Zeit au- mir gemacht hat. Nicht einen offenen Angriff würde ich fürchten, sondern mir graut's vor der hinterlistigen Bosheit meiner Gegner, sie hat mich zu einem nervösen Feigling gemacht. Ich weiß, es bandelt sich um eine neue Verdächtigung, gewisse Anzeichen haben es mir verrathen, aber wenigstens dieses Mal wird man sich beschränken müssen. Die Form, mich über etwas zu befragen, ist wohl nur eine etwas seltsam gewählte, aber gewiß gesetzliche." „Ich möchte das Letztere bezweifeln, Wolf." „Nicht doch, Ernst. Der Bürgermeister der Stadt ist gleichzeitig Vorsteher der Polizeiverwaltung. Es ist nicht an zunehmen, daß er in seiner Stellung einen Uebergriff sich zu Schulden kommen lassen sollte." Ernst von Rötlingen'S Bemühungen, den Freund in seinem gefaßten Vorsatz wankend zu macken, waren erfolglos, und er mußte bald einsehen, daß insbesondere eine große Unruhe desselben, die Herr von Greifingen vielleicht auch wirklich nur um der Sckwester und Tochter willen zu beschwichtigen wünschte, Veranlassung war, daß er am Nachmittag in die Stadt ging, um der an ihn ergangenen Aufforderung Folge zu geben. Ihm war das ganze Benehmen deS Freundes nicht sehr verständlich, obwohl derselbe bemüht gewesen war, ihm Klarheit über die Lage der Dinge zu geben, und dieser auch bereits einen tiefen Blick in die unerfreulichen Verhält nisse gerban batte. Was der Freund ihm mitgetbeilt, war gewiß schmerzhaft für einen Mann gewesen, dem allezeit die Ebre des Lebens Höchstes war, wie eS aber eine Umwandlung hatte bewirken können, wie sie an Herrn von Greisingen sick bemerkbar machte, erschien ihm räthlelbaft. Sollte wirklich durch die unausgesetzten Angriffe, wie Lisa ihm unter Thränen angedentet, die Gefahr nabe liegen, daß de- Freundes einst so starker Geist eine krankhafte Richtung genommen, die nicht nur dessen Widerstandsfähigkeit als für immer gebrochen erscheinen ließ, sondern auch ernste Befürchtungen für den Fall erweckte, daß nicht endlich Frieden werden würde? Während Herr von Greisingen der Stadt zuschritt, hing er Betrachtungen nach, die mit denen de- Freunde» über seine Person im innigsten Zusammenhang standen. Er täuschte sich nicht über sick selber. Nur noch in scknell sick wieder verflüchtigenden Momenten hatte er ein Gefühl, als ob die Kraft, Entschlüsse zu fassen, noch nicht ganz in ihm erloschen sei. WaS die unausgesetzten Angriffe seiner Gegner auS ihm gemacht hatten, erkannte er erst in den letzten Tagen im vollen Umfange. Die Freud«, welch« ihm daS Wirdrrsrhtn des Freundes bereitete, hatte ibn nur vorrübergeheud seiner Zweifelsucht und Furcht entrissen. Wohl hatte die Zu sicherung Ernst von Rötlingen's, daß er Himmel und Holle in Bewegung setzen werde, dem Freunde sein Recht zu ver schaffen, und auch den letzten Schatten von dessen Ebre nehmen wolle, ihn einige Tage mit einer tröstlichen Zuversicht erfüllt und beruhigend auf ihn gewirkt, doch nicht länger, al» er den Freund in seiner unmittelbaren Nähe wußte. Mit zitternder Hand nahm er wieder den Zettel, den ein Polizeisergeant ihm überbrackt, entgegen, und von Neuem hatte der unheim liche Geist, der ihn schwach wie ein Kind machte, Gewalt über ihn gewonnen. Unter häßlichen Vorstellungen näherte er sich der Stadt. Vereinzelte Spaziergänger waren ihm begegnet, darunter zwei Herren, die ihn noch vor kurzer Zeit achtungsvoll begrüßt und beute an ihm vorübergingen, als hätten sie ihn nicht ge sehen. ES waren keine Männer, deren Nichtbeachtung etwas Kränkendes für ihn hätte haben können, aber daß eS ibn ausregte, war ihm ein Zeichen seiner Seelenstimmung. Wie sollte es enden, wenn in der That die Zeicken, die ihn be unruhigten, Verkünder eines neuen Sturme- waren? Mit zu Boden gesenktem Blick verfolgte er seinen Weg. An der letzten Biegung desselben sab er durch eine ihm ent- gegentretrnde Gestalt plötzlich seine Sckritte gehemmt. „Herr Hauptmann, bitte, einige Augenblicke. Ich muß Ihnen etwa« mittheilen." Die Worte kamen gepreßt, aber hastig über die Lippen einer elegant gekleideten jungen, fremden Dame, deren hübsches, bocherrötbendeS Gesicht den Ausdruck höchster Ver wirrung zur Schau trug. „Sie haben keine Zeit", fuhr sie mit Anstrengung fort, noch ehe er sich zu einer Entgegnung hatte aufraffen können, „es wird aber nicht lange dauern. Gestatten Sie mir, daß ich Sie ein paar Schritte begleite — und — bitte, fragen Sie nicht nach meinem Namen." Sie holte tief Äthern und fuhr dann fort: „Seien Sie heute aus Ihrer Hut, Herr Hauptmann. Geben Sie auf da« Protokoll acht, wa« Sie unterschreiben sollen, auf jede- einzelne Wort, auf jede Wendung. Am 15. April sind Ihnen von einem Heinz Pelzig in einem ge wöhnlichen Brief 70 Mark zugeschickt worden. Beide Cafsen- scheine haben ein Merkzeichen gehabt. Der eine derselben ist gleich nach Empfang von Ihrer Fräulein Schwester bei dem Fleischermeistrr Sckerber in Zahlung gegeben worden." Mit wachs«nd«m Erstaunen war H«rr »sn Gr«ifing«n
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