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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.03.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960302021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896030202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896030202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-03
- Tag1896-03-02
- Monat1896-03
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BezugO-PrekS K der Hauptexpeditton oder den im Stadt» bezirk und den Vororten errichteten AuS» aobestrllen abgeholt: vierteljährlich bet zweimaliger täglicher Znsttlluna int Laut Xl SÄ. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^l 6.—. Dtrecte tägliche Kreuzbaiidienduu, ins «»«land: «onatltch 7.S0. Die Mov»»«n^adr erschein» nm '/.? Uhr. die «Leud-ilntgab« Wochentags mn b Uhr. Ledartilm UN- Lrpeditio«: 2nha»e-gasse 8. DieTrpehitio, ist Wochentag« ununterbrochen gebsfn et von früh 8 «S Abend« 7 vhe. Filiale«: Vita Mrmm's Larti». (Alfrrtz H*hu>, Unidnsititttstratze 1, Laut« Lösche, Katharinenstr. 14, V«t. und KvnigSplatz 7. Abend-Ausgabe. KWMr.TagMatt Anzeiger. ÄmtsVlatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Molizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Montag den 2. März 1896. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Neclamen unter dem Redactionsstrich (4gr- spalte») 50^, vor drn Familiennachrichten <<> gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- verzetchniß. Tabellarischer und gifsernsatz nach höherem Tarif. Ghtr«»V»tläget» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördernng SO.—, mit Postbesbrderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag« «Uhr. Für die Montag.Morgen-AaSgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stund« früher. Anzeigen sind stet« an die Grheöttto« zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. M. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leihztg, r. Miirz. Unter der lleberschrift „Das Bürgerliche Vesetzßnch und die Eivileh^' veröffentlicht die „Kreuzztg." einen Artikel, in dem nachgewiesen wird, daß die wider die angebliche Be stimmung des Entwurf« de« Bürgerlichen Gesetzbuches sich richtende Bewegung kirchlicher Kreise auf einer falschen Voraussetzung beruht „und deshalb die Gefahr in sich birgt, eine Beunruhigung der Gemüther ohne Grund und Ziel hervorzurufen". Zunächst citirt da« genannte Blatt die folgende, von dem Superintendenten und der Geistlichkeit einer Diverse veröffentlichte Erklärung: Der Artikel 1245 des Bürgerlichen Gesetzbuches lautet: „Dir Ehr kann nur von einem SlandrSbeamten geschlossen werden", während da- ReichS-Civilgesetz vom 6. Februar 1875 im 8 4 be stimmt: „Innerhalb de« Gebiet« de« deutschen Reiche« kann eine Ehe rechtkgiltig nur vor dem Standesbeamten geschlossen werden." Diese letztere Fassung läßt ueben der staatlichen Eheschließung Raum für die Trauung al« kirchliche Eheschließung, während die des Bürgerlichen Gesetzbuches diese nicht blos ignorirt, sondern negirt. abgesehen davon, daß es dem Begriff der Eheschließung auch widerspricht, wenn hier für das „vor dem Standesbeamten" gesetzt wird: „von dem Stande-beamten". Wenn nun eine Aenderung der obligatorischen Etvilrhe in die fakultative durch die Motive des Bürgerlichen Gesetzbuch»« al« völlig ausgeschlossen be zeichnet wird, so muß doch jene, die Bedeutung der Trauung als des kirchlichen ActeS der Eheschließung völlig negirende Fassung etwas Beklebendes haben für die christliche Ueberzeugung, baß zu einer christlichen Eheschließung jetzt im deutschen Reiche noch Beides ge hört: die staatlich rechtsgiltige Eheschließung vor dem Standes beamten und die Trauung al« kirchliche Eheschließung. ES kann von einem Christen nicht als richtig zugegeben werden, daß „die Ehe nur von dem Standesbeamten geschlossen werden kann", sondern allein, daß „eine Ehr rechtSgtltia nur vor dem Standes- beamten geschlossen werden kann". So ist denn der Wunsch eiuer Aenderung der Fassung de« 8 1245 im Bürgerlichen Gesetzbuch in die des Reichs-Civilgeirtze» gewiß gerechtfertigt. ES wird dadurch dem Ansehen der staatlichen Eheschließung nicht zu nahe getreten, aber auch die Trauung nicht einfach negirt, sondern der christlichen Auffassung Raum gelassen, nach dem Wort zu handeln: „Gebet dem Kaiser, was des Kaiser« ist, und Gott, was Gottes ist." Zu dieser Erklärung bemerkt nun vie „Kreuzzeitung": „Wenn in dem dem Reichstage vorliegenden Entwürfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches in der Lhat dir Bestimmung stände: „die Ehe kann nur von einem Stande-beamten geschlossen werdeu" — so wäre die- eine solche Verkehrung der dem bisher geltenden Rechte zu Grunde liegenden Anschauung, daß man mit allen Kräften dagegen ankämpfrn müßte. Auch die in der obigen Erklärung vorgrschlagene Einschiebung des Wortes „rrcht-gilttg" würde hieran nichts bessern, sondern das Uebel eher noch verstärken. Der Standesbeamte kann und darf (außer seiner eigenen) keine Ehe schließen, sondern die Schließung der Ehe erfolgt, wie das bisherige Recht durchaus anerkennt, durch die überein stimmende Willenserklärung der Brautleute, die Ehe mit einander ringehen zu wollen. Auf deren Ja hat der Standesbeamte sie „nunmehr kraft ded Gesetzes für recht mäßig verbundene Eheleute" zu erklären und sich bei diesem Acte selbstverständlich aller Nachahmung kirchlicher Gebräuche zu enthalten, die den Schein erwecken könnte, als reiche dieser Ehr- schließungsact über das Rechtsgebiet hinaus und könne die Trauung entbehrlich machen. Nun findet sich aber der verhängniß- volle Satz: „Die Ehe kann nur von einem Standesbeamten geschlossen werden" — nirgends in dem Entwurf« des Bürgerlichen Gesetzbuches. Der oben in der Erklärung an- gezogene 8 1245 handelt gar nicht von der Eheschließung, sondern von dem Pfandrecht au Schiffen, und der auf di« Ehe schließung bezügliche 8 1300 lautet im ersten Absatz: Die Ehe wird dadurch geschlossen, daß die Verlobten vor einem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe mit einander ringehen zu wollen, und daß hierauf der Standesbeamte die Ehe für ge schlossen erklärt. Der Jrrthum, welcher die Bewegung in kirchlichen Kreisen hervor gerufen hat, ist vielleicht durch eine Verwechselung und durch ein falsche« Zeitung«.Litat entstanden, 8 1303 bestimmt nämlich: Dir Ehe soll vor dem zuständigen Standesbeamten ge- schlossen werden. Hier handelt es sich also nur um die Frage der Zuständigkeit de« Standesbeamten, und auch hier ist deutlich „vor" und nicht „von" zu lesen. Der Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches schließt sich in Bezug auf die Form der Eheschließung im Wesentlichen durchaus den Bestimmungen deS in Kraft stehenden Reichsgesetzes vom 6. Februar 1875 an. In der Denkschrift wird noch ausdrücklich bemerkt, daß „selbstverständlich dir kirchlichen Verpflichtungen in Beziehung auf die Trauung nicht berührt" werden. Um dies außer Zweifel zu stellen, soll der 8 82 des Gesetzes vom 6. Februar 1875 (der „Kaiser-Paragraph") in dem Einführungs- gesetz die entsprechende Fassung erhalten und damit sein Fort- bestehen bekräftigt werden. Somit fehlt der Bewegung gegen die in dem Entwurf beantragten Vorschriften hin- sichtlich der Form der Eheschließung das Fundament." Durch diese Darlegung, von deren unanfechtbarer Richtig keit ein Blick in den Gesetzentwurf überzeugt, wird jener Bewegung, deren leichtfertige Schürung nicht scharf genug gerügt werden kann, der Boden entzogen. Freilich bleibt noch dir andere übrig, die darauf gerichtet ist, die Ersetzung der obligatorischen Civileheschließung durch die fakul tative zu erzwingen. Aber auch vor der Schürung dieser Bewegung warnt die „Kreuzzeitung", indem sie auSsübrt: „Wir erinnern daran, datz vor etwa einem Jahrzehnt eine darauf abzielende, eifrig geförderte Bewegung auch in ernst gerichteten kirchlichen Kreisen auf Bedenken gestoßen und nicht ohne Widerspruch geblieben ist. Der Vorstand der „Allgemeinen Lutherischen Eonferenz" erließ damals in der „Luthardt'schen Kirchen-Zeitung" eine längere Erklärung, worin auf die Gefahr hingewiesen wurde, daß durch die Einführung der facultativenCivileheschließung die bei der obligatorischen zweifellose Scheidung zwischen dem staatlichen Rechtsgebiet und dem Lebens gebiet der Kirche verdunkelt und die der Küche ausgedrängte, aber nunmehr sestzuhaltende Freiheit in ihren Lebensäußerungen wieder beeinträchtigt werden könnte. Die damalige Bewegung ist, obgleich sie mit großer Kraft eingeleitet und gepflegt wurde und zu einer Zeit stattsand, wo auch m RegieruugSkrersen die Abwendung von den bis dahin herrschenden Grundsätzen deS Liberalismus der Cultur- kampfszeit sich geltend machte, ohne Ergebniß geblieben." Hoffentlich wird auch diese Warnung beherzigt und vom Cent rum als ein Beweis dafür angesehen, daß eS allein steht, wenn es in der „Civilehefrage" seinen Willen durch zusetzen versucht. - Vor einigen Jahren hat Herr I)r. von Stephan, als im Reichstage die Verbilligung der Telegramm-Ge bühren für Zeitungen angeregt wurde, diese Zu- muthung in etwas barscher Weise mit der Motivirung ab gelehnt, die Zeitungen brächten schon jetzt allerlei UeberflüssigeS als Privattelegramm, da« würde noch viel schlimmer werden, wenn die Gebühren herabgesetzt würden. Man hat damals nicht mit Unrecht Herrn l)r. von Stephan entgegnet, daß auch daS officiöse Telegraphenbureau nicht selten über flüssige Telegramme in die Welt hinauSsende. Ein solches in jeder Beziehung überflüssiges Telegramm hat am 29. Februar das officiöse Bureau versandt. Unter diesem Datum ließ es sich nämlich aus Petersburg tele- graphiren, in russischen Hofkreisen werde der gnädige Empfang deS Generals von Werber, der dem russischen Kaiserpaar zwei der neuesten Photographien deS deutschen Kaisers überbracht habe, sehr besprochen. Daß Herr von Werder, der am russischen Hofe sehr beliebt ist, gnädig empfangen wird, versteht sich ziemlich von selbst; daß cr be sonders gnädig empfangen wird, wenn er ein Geschenk des deutschen Herrscher« überreicht, versteht sich noch mehr von selbst — wenigstens haben wir Deutschen diese Auffassung. Daß Hof kreise gelegentlich auch etwa« Selbstverständliches „sehr besprechen", ist nicht weiter verwunderlich. Selbstverständliche Dinge in die Welt hinaus zu telegraphiren, sollte aber nicht Sache de« osficiösen Bureaus sein. An sich würde eS uns zwar nichts angehen, wenn da« Tclegraphenbureau seine Mittel an die Drahtung überflüssiger Dinge wendet, denn es muß alsunveräußerlichesMenschenrecht betrachtet werden, gelegentlich sein Geld für unnütze Dinge auSzugeben. Hier handelt es sich aber noch um etwa« Andere«. Die Telegramme des osficiösen Bureaus finden, wenn auch nicht immer mit Reckt, eine besondere Beachtung. Es wird also Lurch ein solches Telegramm einem an sich selbstverständlichen Vorgänge eine besondere Wichtigkeit beiaelegt und der Schein erweckt, als müßte dieser an sich selbstverständliche Vorgang uns zu be sonderer Genugthuung, Ehre und Freude gereichen. Und diesen Schein möchten wir denn doch vermieden wissen. Wir haben unS mit Recht darüber lustig gemacht, als die Franzosen bei dem Besuche der Russen in Toulon und Paris sich in übertriebenen Huldigungen überboten, und wir möchten ungern diese« Rechtes für die^ Zukunft verlustig gehen. In seiner großen Rede vom 6. Februar 1888 sagte Fürst Bismarck: „Um Liebe werben wir nicht mehr, weder in Frankreich, nock in Rußland", und „wir laufen Niemandem nach", und wir möchten wohl, daß die mit diesen Aeußerungen gezogene Linie innegehalten würde. Wir wünschen sehr, in guten Beziehungen zu Rußland zu stehen, aber wir glauben nicht, daß sie durch ein Andrängen und Aufdrängen verbessert werden. Dazu haben wir vor den Russen zu viel Achtung; sorgen wir dafür, daß sie auch die Achtung vor uns bewahren. Das Programm für die Feier deS ersten Jahr tausends der ungarischen Staatsgründung ist be zeichnend für daS Vcrhältniß deSHofeS zu Ungarn, zumal wenn damit die Ansprüche zusammengebalten werden, welche aus diesem Anlasse von den verschiedenen Parteien des Landes und auch der Regierung erhoben wurden. Biel Glanz und Pomp wird entfaltet werden, um die magyarische Staatshoheit jenseits der Leitha den Völkern wie dem AuSlande sinnfällig vor Augen zu führen. In feierlicher Gesammtsitzung der Magnaten- und der Ständetafel wird da« neue ReichsrathSgebäude er öffnet werden; die 17 volljährigen Erzherzoge werden ihre Sitze als Mitglieder des Oberhauses einnehmen und die Erzherzoginnen im Damenflor auf der Galerie erscheinen. Aber der Kaiser selbst mochte nickt den Wunsch erfüllen, selbst dieser glänzenden Versammlung vorzustrhen, wie wohl es in früheren Zeiten Brauch war, daß Könige, auch deS habsburgischen Geschlechtes, bei feierlichen An lässen dem versammelten Reichstage vorsaßen. Wichtig ist, daß der Vorschlag des Ministerpräsidenten Baron Bansfy, cs seien sämmtliche Monarchen Europas zum Besuche de« Kaisers und der Ausstellung nach Pest einzuladen, an entscheidender Stelle keine Zustimmung fand. Es wurde seitens der Hofämter der Einwand erhoben, die Etiquette gestatte nicht, daß der Monarch, während er mit den Anaelegenheiten der Nation beschäftigt sei, gleichzeitig fürstliche Gäste empfange. In der vertraulichen Sitzung des Ausschusses des Parlaments meinte der Minister präsident, er für seine Person verstehe nicht recht, weshalb die Etiquette ein Hinderniß sei, aber er sei nun einmal mit seinen Vorschlägen nicht durchgedrungen. Unschwer erkennt man, daß die Krone doch nicht Willens ist, Pest zum Range der Reichshauptstadt zu erheben und dadurch die Ehrenrechte des älteren Wien hintanzusetzen. Manche Trübungen sind in den letzten Jahren zwischen der herrschen den Partei Ungarns und dem Hofe entstanden; auf ausdrück licken Wunsch deS Kaisers mußte zuerst Justizminisler Szilagyi und dann das gesammte Ministerium Wekerle seine Entlassung nehmen, weil der Kaiser nicht da- absolute Ver trauen zu ihnen halte, daß sie im Stande feien, daS Ansehen der Habsburger Krone in Ungarn völlig mtact zu erhalten. Baron Banffy hat eS verstanden, ein derartiges Mißnauen deS Kaisers ihm und seinen Ministercollegen gegenüber hintan zuhalten; aber auch ihm mußte angedeutet werden, daß man in der Hofburg zu Wien trotz aller weitgehenden Concessionen nicht gewillt ist, die ungarischen Bäume in den Himmel wachsen zu lassen. Natürlich war auch in der cgh-tischcn Frage wieder Deutsch lanS da« Karnickel. DaS hat der Berliner Berichterstatter der „Times" herausgefunden. Seine vom 26. Februar datirte Correspondenz beginnt mit der unschuldig klingenden Be merkung, die Anregung der eghptischen Frage scheine in Deutschland wohl vorbereiteten Boden gefunden zu haben, und schließt mit der Behauptung, Deutschland habe den Sultan aufgestachelt, die Räumung Egyptens durch England zu verlangen, um sich an England zu rächen. Hierzu schreibt der „Hamb. Corr." anscheinend officiös: „Die Stufenleiter von böswilligen Insinuationen und thatsächlich falschen Behauptungen, auf denen dieser Preß- Basilio das Ziel erreicht, Deutschland zu verdächtigen und die Ent rüstung der öffentlichen Meinung Englands über das Vorgehen Lord SaiiSbury'S auf Deutschland abzulenken, im Einzelnen zu beleuchte», ist überflüssig. Wenn die „Times" sich nicht eines gelegentlichen — Berichterstatters in Konstantinopel erfreuten, der die erste Nachricht von der seitens des Sultans dem türkischen Botschafter in London gegebenen Weisung, wie man vermutden kann, nicht gerade zur Befriedigung Lord Salisbury's, an die Oeffentlichkeit gebracht hat, so wäre man wahrscheinlich in Deutschland noch länger in paradiesischer Unwissen heit über die englisch-französischen Besprechungen in der eghptischen Frage verblieben. Zur „Schadenfreude" aber lag nm so weniger Grund vor, als sich ja alsbald herausstellte, daß die Initiative nicht Rußland, sondern Lord Salisbury selbst zu ver danken sei. Ferner ist es eine notorische Unwahrheit, wenn der „Times" »Correspondent behauptet — und ähnliche Unter stellungen finden sich wie auf Commando auch iin conservativen „Standard"—, Deutschland habe seine Stellung in der Commission für die egyptts ehe Schuld auSgenutzt, um England Schwierig keiten zu schaffen, oder Deutschland habe sich seit dem Beginn der englischen Occupatio», d. h. seit 1882, bemüht, Englands Stellung zu erschweren. Man versichert unS, daß das Gegenthetl zutreffend ist; daß Deutschlands Interesse lediglich dahin geht, daß in Egypten Ruhe und Ordnung aufrecht erhalten werde, und daß deutscherseits England, nachdem einmal die Occupation stattgesunden hatte, in dem Bestreben, diesem ge meinsamen Interesse Europas zu entsprechen, in jeder Weise unterstützt worden ist. In Deutschland wird man keineswegs bedauern, wenn Lord Salisbury sich alsbald von der Unmöglichkeit, der ohnehin empfindsamen öffentlichen Meinung i» England drn Verzicht auf die Besetzung Ägyptens plausibel zu machen, überzeugen oder überzeugt haben sollte. Es hat zn dieser Ausfassung gar nicht einmal der versteckten Drohung deS „Times"- Correspondenten bedurft, die in dem Hinweis darauf liegt, daß in dein Verzicht Englands auf Egypten das einzige ernste Hinderniß für ein herzliches Einvernehmen zwischen England und Frankreich liege. Im klebrigen wird ja der Berliner Correspondent dec „Times" in der Lage sein, für seine kühnen Behauptungen Beweise beizubringen, nachdem die Redaction des BlatteS in der neuesten Nummer erklärt hat, daß sie „ohne Beweise" nicht daran glauben könne, daß Deutschland drn Sultan zu einem so gefährlichen Vor gehen angespornt habe." In Deutschland lassen die Verdächtigungen, deren sich die englische Presse erfrecht, schon längst Jedermann kalt, be Fauttleto«. Seine „dumme" kleine Frau. 14s Roman von F. Klinck-LütetSburg. Nachdruck verdate« Nun schoß Herrn von Greifingen doch das Blut heiß ins Gesicht. „Natürlich!" „Sind denn nach dem 10. April noch wieder Beiträge bei Ihnen eingegangen?" „Nein." Ein höhnische« Lächeln umspielt« drn Mund des Beamten. „Einige Augenblicke, Herr Hauptmann. Die Sache wird sich ja nun bald erledigen. Ich will doch gleich da« Protokoll aufnehmen." Der Commiffar nahm mit großem Eifer einen Bogen Papier, strich ihn glatt und begann zu schreiben. In dem großen dumpfen, mit Actenstaub angefüllten Raume, durch dessen Fenster die senaenden Sonnenstrahlen ungehindert ihren Einzug hielten, herrschte eine glühende Hitze und drückende Stille, die nur von dem Kritzeln der Feder unter brochen wurde. Im Eifer der Arbeit schien der Beamte nun ganz und gar Schmerzen vergessen zu haben. Sein fette« Gesicht glänzte in Behagen, während er eifrig schrieb. Inzwischen gab Herr von Greifinaen stH seinen Gedanken hin. Er konnte in diesem Augenblick wieder die Unruh« belächeln, die ihn im Laufe deS Tage« verfolgt. Auch die Befürchtungen der Dame, die ihn auf dem Wege nach der Polizei gewarnt, waren übertrieben gewesen. Indem er sich aber derselben erinnerte, sab er wieder da« feine, angsterfüllte Gesicht vor sich. Er war ihr nie zuvor begegnet. „Darf i<y bitten, Herr Hauptmann?" schreckte ihn in diesem Augenblick die Stimme des Commiffar« auf. Dann begann er sofort mit dem Vorlesen de« Protokolle«. Di« schwüle Atmosphäre in dem Raume, daru die monoton« Sprache de« Vorlesrnven wirkten förmlich betäubend auf Herrn von Greifingen, und er mußte sich zu einem auf» merksamen verfolgen de« Schriftstückes zwingen. „Nach dem 10. April sind keine Beiträge für den Verein an mich gelangt. An demselben ist der Bestand der Easse per Anweisung an den Spar» und Vorschußverrin zu G. ab gegangen." Diese beiden Sätze bildeten den Schluß. „Die letzteren Puncte sind doch nicht ganz correct, Herr Commiffar", sagte setzt Herr von Greifingen. Abern,als hatte er sich daS Bild der Dame vergegenwärtigt, die ihn zur Vorsicht ermahnte. Das Gesicht des Commissar« nahm einen äußerst gereizten und ärgerlichen Ausdruck an. „Sie sagten dock aber so", fuhr eS aus ihm heraus. „Nun kann man da« ganze Ding noch einmal schreiben. Was ist denn wieder daran auSzusetzen?" „Ich habe den Bestand der Casse zwar schon am 10. April abgeführt, eS sind aber doch noch am 15. desselben Monats von dem Tischlermeister Heinz Polzig siebzig Mark an mich gesandt worden." Mit einem Schmerzensschrei, der aber mehr einem Wuth- geheul glich, sprang der Beamte in die Höhe. Sein ganzes Gesicht war von einem bläulichen Schimmer überzogen. „Und wo haben Sie das Geld?" „E- war mein Eigenthum." „Ihr Eigenthum? Wie so?" „In Erwartung der siebzig Mark, die um secks Tage ver spätet eingingen, vervollständigte ich aus meiner Easse den Fehlbetrag, nm ihn nicht nachzahlen zu müssen." „AuS Ihrer Casse?" fragte der Commiffar in beleidigend gedehntem Tone. „AuS meiner Casse", bestätigte Herr von Greifingen fest. „Die ganze Geschichte kommt mir doch eigenthümlich vor." „Sie entspricht den Thatsachen." „Womit wollen Sie da« beweisen?" „DaS dürfte meine Sache sein." „Wie Sie wollen, es wird Ihnen aber Niemand glauben." „Herr Commiffar!" „Mir soll'« recht sein. Ich habe eS nur gut mit Ihnen gemeint", entgegnete der Commiffar, jetzt doch eingeschücht«rt, indem er sich wieder auf seinen Platz niederlteß. „Ich meine nur, das könnte lo ruhig stehen bleiben, dann brauchte ich mir die Arbeit nicht noch einmal zu machen. Wenn Sie da« Geld fünf Tage früher abgeliefert haben, so können Sie sich ia auch vor Gericht damit auSreden. Zur Verhandlung kommt die Geschichte allemal." „Ob sie zur Verhandlung kommt oder nicht, Herr Com miflar, ich will den Punct in das Protokoll ausgenommen sehen, oder ich werde eS nicht Unterschreiben." Di« fetten Hände deS Commiffar« zitterten, al« er da« Protokoll zuerst mitten durchriß und weiter zerkleinert«. Ohne ein Wort der Entgegnung begann er alsdann ein zweites zu entwerfen, in welchem die Wünsche des Herrn von Greifingen Berücksichtigung fanden. Als er abermals vorzulesen begann, war eS ihm noch nicht gelungen, seine Wuth zu meistern. „DaS geht doch seinen Gang", stieß er zwischen den Zähnen hervor, nachdem Herr von Greifingen das Protokoll selbst noch einmal durchgelesen und dann mit fester Hand unterzeicknet hatte. „Die Geschichte hat ein viel zu anrüchiges Aussehen, um —" Herr von Greifingen hatte die Vollendung des Satzes nicht mehr gehört. Mit einem hockmüthig verächtlichen Blick aus den Frechen war er, ohne Gruß, gegangen. Langsam trat er den Heimweg an. Er beschloß aber, den Weg durch die Wiesen, am Flußufer entlang zu nehmen, um durch einen weiteren Spaziergang sich zu beruhigen. Er war erregt, obgleich keine besondere Veranlass»»» dazu vor lag. Was war geschehen? Etwas an sich ganz Bedeutungs loses, dem nur ein Mann von seinen Erfahrungen und seiner tiefen, seelischen Verstimmung Beachtung schenken konnte. Er batte einen neuen Angriff erwartet und die Form, in welcher er erfolgt war, hatte beruhigend auf ihn wirken können. Sie verdiente ein Spottlächeln — nichts weiter. Je länger Herr von Greifingen über den Vorgang nach dachte, desto mehr schwanden seine Besorgnisse dahin, wenn auch die Aufregung, in welche er durch daS rücksichtslose Benehmen der Polizriverwaltung versetzt worden war, immer noch nicht weichen wollte. Er batte indessen wohl getban, in Bewegung und frischer Luft Ablenkung von seinen unerfreulichen Gedanken zu suchen. Nach und nach überwand cr den Zorn, der in ihm gährte, und er begann dem Genuß, den der wunderschöne Weg am Flußufer entlang ihm gewährte, sich hinzugeben. Spaziergänger waren ihn, bislang nicht begegnet, nur einige Bauernfrauen und Mädchen mit hochbepackten Trag körben, di« den Wea nach der Stadt genommen. Dann war er wieder allein. Nachdem er abermals eine Weile gegangen war, in der ihm eigenen Art, mit leicht vorgeneigtem Kopf und zu Boden gesenktem Blick, hörte rr in einiger Entfernung jauchzende Kindrrstimmen. Ausschauend gewahrte er einen Knaben und rin Mädchen, die, sich einander haschend, auf ibn zukamen. Weiter zurück sah Herr von Greifiugrn eine Dame in Trauerkleidung — vielleicht di« Mutter. Er schritt den Näherkommenden entgegen und bemerkte nun, daß der Knabe mit verbundenen Augen lief. Am Fluß ufer erschien ihm dies gefährlich. Kaum war dieser Gedanke in ihm lebendig geworden, al« auch da« Kind schon seitwärts springend, dem Ufer im raschen Lauf sich näherte. Ein Schrei von den Lippen der Dame mischte sich in Herrn von Grei- singen's Ruf: „Halt! Um Gottes willen!" Zu spät. Der Knabe hatte zwar noch gestanden, aber der überhängende, vom Wasser unterhöhlte sandige Grund nach gegeben, und daS Kind stürzte in den eilig seinen Lauf ver folgenden Fluß. Da« Wasser war hier reißend, wie schäumende Wirbel erkennen ließen, und das nahe Webr mit der Dampfsckneide mühle erhöhte die Gefahr für daS Kind. Herr von Greifingen war ein tüchtiger Schwimmer, ver Versuch, den Knaben zu retten, kaum ein Wagniß für ihn, aber selbst, wenn eS ein solches gewesen wäre, würde er sich nicht einen AugenbliU besonnen haben, es um eines Menschenlebens willen zu uitter- nehmen. Sein Rock flog auf den Weg, und al« die schwarz gekleidete Frauenaestalt in raschem Lauf die Stelle erreich! batte, wo das Unglück geschehen war, sah sie Herrn von Greifingen schon seine Hand nach dem Kinde ausstrecken, das eben aus der Fluth wieder empor tauchte. In einigen weiteren Minuten batte er mit seiner Last das Ufer erreicht und konnte den Knaben seiner zu Tode erschrockenen Mutter zurückgeben. Diese nahm da« weinende Kind in Empfang, aber kein Wort des Dankes kam über ihre Lippen. Mit scheuem, beinahe finsterem Ausdruck blickte sie auf den Mann, der nach ihrer festen Ueberzeugung mit Gefahr seines Leben« ihren Knaben gerettet und jetzt gleichmiithig seinen Rock von der Erde nahm, ihn wieder anzuziehen. „Frau Hilligenseld, wollen Sie hier nicht quer durch die Wiese mit in meine Wohnung kommen, e« ist nicht weit. Eine meiner Töchter holt dann trockene Kleider für den Kleinen. Er möchte sich erkälten, wenn er in dem Zustande ganz in die Stadt zurück muß." Frau Hilligenseld warf einen unsicheren Blick auf Herrn von Greifingen. Sie war gewiß zu Tode erschrocken, denn sie sab geistcrbleich au«. Kein Wort der Entgegnung auf die freundliche Anrede wurde gesprochen, sondern ,ie macht« nur eine verneinende Bewegung mit dem Kopse. Dann rafft« sie sich auf. Sir taumelte rin paar Schritt« vorwärt« mit au<- gestreckten Händen, blieb aber auf halbem Wege strhen, »id di« Arme sankcn matt an ihr«» Körpir »i«d«t.
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