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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.03.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960303022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896030302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896030302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-03
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Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzeichnib. Tabellarischer nuv Zisjernjatz »ach höherem Taris. ffrtra-vcilagr» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60—, mit Pvstbesörderung 70.-^ Annahmeschluß für Anzeigen: Abrud-AnSgabe: Vormittags lO Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Für die Montag-Morgen-Ausgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Dienstag den 3. März 1896. so. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. März. Die ReichStag scom Mission sirr das Börsengesetz bat ihre erste Lesung beendet. Die von ihr beschlossenen zahl reichen Aenderungen der Regierungsvorlage bewegen sich durchaus in der Richtung der Vermehrung der Vorsichts maßregeln gegen Mißbräuche im Börsengeschäft. Das kann nicht überraschen. Wenn man von den Ursachen, die der herrschenden Stimmung über die Börse zu Grunde liegen, Alles abzieht, waS auf politische, sociale und sonst außerhalb der Sache liegende Erwägungen oder, wenn man will, Leiden schaften zurückverweist, so bleibt noch immer genug übrig, um es begreiflich erscheinen zu lassen, daß der mit dem wirthschaftlichen Leben Fühlung unterhaltende Gesetzgeber über die Bestimmungen des Regierungscntwurfes hinauS- gehen zu müssen geglaubt hat. Bei der Beurtheilung der Commissionsbeschlüsse wird man sich vor Allem davor hüten müssen, Gewicht auf die Klage oder Anklage eines Theiles der am Börsenhandel Interessirten zu legen, schon der Re gierungsentwurf ginge in Bezug auf das, was dieser Handel und die Ehre seiner Repräsentanten vertrügen, zu weit. Man muß vielmehr, von der Heranziehung allgemeiner Gesichts- puncte absehend, jede einzelne Aenderung der Commission auf ihre Brauchbarkeit prüfe«. Der einschneidendste Beschluß, daö Verbot des Börsenterminhandelö in Getreide, ist an dieser Stelle schon eingehend erörtert worden. Die seit dem in der Presse über ihn gepflogene Erörterung hat unser Urtheil nicht zu erschüttern vermocht, daß man es hier mit einer Frage zu thun bat, die für die praktische gesetzgeberische Lösung noch nicht reif geworden ist. Ebensowenig haben wir freilich etwas an unserer Meinung zu corrigiren, daß man theoretisch ein Gegner des Zeitgeschäftes in Getreide sein kann, ohne deswegen an Kenntniß, Scharfsinn und Objektivität hinter den Befürwortern dieser Handelsform zurückslehen zu müssen. Von den anderen Abänderungen der Commission sei nur für heute eine der wichtigsten bervorgehoben: die Verschärfung der Vorsichtsmaßregeln gegen unsolide Emissionen. Der Regierungsentwurf bestimmt: „Sind in einem Projpect, auf Grund dessen Werlhpapiere zum Börsenhandel zugelassen sind, Angaben, welche für die Beurtheilung des Werthes erheblich sind, unrichtig, so haften Diejenigen, welche den Prospekt erlassen haben, wenn sie die Unrichtigkeit gekannt haben oder ohne grobes Verschulden hätten kennen müssen, als Gesammtsckuldner jedem Besitzer eines solchen Werthpapieres für den Schaden, welcher demselben aus der von den gemachten Angaben abweichenden Sachlage erwächst." Die Commission hat diese Bestimmung insoweit geändert, daß die Haftbarkeit eintreten soll, wenn der Emittent die Unrichtigkeit der Angaben gekannt hat oder „bei Aufwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte kennen müssen". Diese Fassung wird von besonders börsen freundlicher Seite bekämpft. WaS die Sorgfalt eines ordent lichen Kaufmanns beim Bezug oder der Lieferung einer Waare sei, so sagt man, lasse sich feststellen, aber bei Emissionen dürfte die Anwendung deS Begriffs so schwierig sein, daß zum Schaden des deutschen Capitalmarktes auch solide Emissionen ins Ausland vertrieben werden würden. Aber liefert denn der Emittent nickt gerade so gut eine Waare, wie der Ge treide- oder der Manufacturwaarenhändler? Und muß nicht in allen Branchen der ordentliche Kaufmann darauf achten, daß die von ihm gelieferte Waare nicht etwa so beschaffen sei, daß sich eine nickt naturnothwendige Verschlechterung derselben nach erfolgter Lieferung Herausstellen muß? Der Werth einer Aktie oder Obligation entspricht der Beschaffenheit der Gesellschaft, die sie auSgiebt, des Staates, der durch sie eine Verpflichtung übernimmt. ES ist ganz unerfindlich, weshalb von Demjenigen, der eine solche Waare auf den Markt bringt, nickt gefordert werden soll, daß er sich über die wirthschaftliche Qualität des Schuldners ebenso sorgfältig informirt, wie der Wäsche händler es soll, der nicht „ordentlich" verfährt, wenn er — aus Fahrlässigkeit — Shilling für Leinen ver kauft. Ein Emissionsbaus, das falsche Aufstellungen im Budget eines anleibebedürftigen exotischen Staates in seinem Prospekte wiedergiebt, handelt nicht mit der Sorg falt eines mit Geschäften dieser Art befaßten ordentlichen Kaufmanns. Es wird immer einige Mühe kosten, binter die Falsa — die sich auch auf volkswirthschast- liche Angaben erstrecken können — zu kommen, eben darum aber ist es zweckmäßig, die Aufgabe der genauesten Prüfung ins kaufmännische Gewissen zu schieben. Ob es „grobes Verschulden" ist, sich von dem Finanzminister und der ganzen Presse eines Staates u. s. w. hinters Licht führen zu lassen, ist fraglich. Nicht fraglich hingegen ist es, daß ein Kaufmann, der Dutzende oder Hunderte von Millionen aus dem Lande zieht, unordentlich handelt, wenn er fick über die Verhältnisse deS Schuldners nicht aufs Genaueste unter richtet hat. Die „dunklen Ehrenmänner", die ein Exemplar des preußischen Armeevcrmdnungoblattes mit dem Gnaden erlasse des Kaisers an die preußische Armee stahlen, das dann an die Redaktion deS „Vorwärts" gelangte, sind be kanntlick ermittelt worden und geständig. Auf die ganze Manipulation fällt aber ein neues Licht durch folgende Mit theilung, die dem „Hamb. Corr." zugeht: „Der Gang der Untersuchung hat ergeben, daß eine Bestechung zur Ausführung des Diebstahls nicht nachgewiesen wurde, daß da gegen eine förmliche Verbindung zur Vollführung solcher Bubenstreiche besteht. Diesmal war der Plan gut überlegt. Ueber der Druckerei von Mittler befindet sich seit Jahren im dritten Stock die Buchbinderei von Cämmerer. Ueberlieferungsgemäß Hilst die Buchbinderei, da es in der Drückerei dafür kein Personal giebt, Mittler sc. Sohn beim Falzen des Armee verordnungsblattes durch Buchbinder aus. Beide Geschästs- stcllen sind durch eine gemeinsame Treppe untereinander verbunden. Als nun einer der drei Betheiligten, Hillat, Schunet, Jetsche, zur gewohnten Stunde sich zum Falzen in die Druckerei begab, trat ein zweiter als „Verbindungsmann" auf die Treppe, während der dritte vonr Treppeneingang zur Buchbinderei aewl die Beobachtung versah. In einem geeigneten Moment ertheilte der letzte dem Mittelmann verabredetermahen einen Wink, dieser dem Falzer, woraus die betreffende Stummer ihren Weg über die Treppe in die Buchbinderei vonCämmerer machte. DerBeobachtungsmann lieferte das „Armeeverordnungsblatt" sogleich an den „Vorwärts" und zwar an Or. Braun ab und war bei der Vernehmung erstaunt, daß vr. Braun ihn, wie er ausgesagt habe, nicht kenne. Dieser Wider spruch in beiden Aussagen war die Veranlassung, daß vr. Braun längere Zeit in Hast gehalten wurde. ES liegt also Diebstahl und Hehlerei vor. Ein Vertreter des Kriegsministeriums wird zugezogen werden, um zu begutachten, ob alle Schutzanordnungen, die beim Druck geheimer Erlasse zu beobachten sind, getroffen waren." Liegt nun auch eine Bestechung nicht vor, so ist die Rolle des „Vorwärts" doch hinreichend gekennzeichnet. Der social demokratische Moniteur wird nun nicht länger zur Erweiterung seines Abonnentenkreises und zur Erhöhung seines Ansehens den Eindruck erwecken können, als ob hohe geheime Ver bindungen zu ihm führten. Man weiß jetzt, woher der Wind bläst, der ihm geheime Papiere auf den Redactionstisch weht. Daß das preußische Kriegsministerium sich in Zukunft vor Wieder holungen derartiger Spitzbübereien zu schützen suchen wird und muß, liegt auf ver Hand. Eben so selbstverständlich ist es aber auch, daß ein solcher Schutz nur wirksam sein kann, wenn er auf die sorgsame Fernhaltung solcher Personen, deren Verbindung mit dem Publicationsorgane der Actendiebe aus diesem oder jenem Grunde wahrscheinlich ist, von allen Staatsbetrieben sich gründet. Eine solche Maßregel ist hart, aber unvermeidlich, denn es giebt noch wichtigere Geheimnisse, als kaiserliche Gnadenerlasse sind, und wer zu Gunsten des „Vorwärts" stiehlt, macht sich auch kein Gewissen daraus, zu Gunsten der internationalen Freunde deS Blattes zu stehlen. Durch die Zeitungen geht eine dem zu Beira (Lüdost- afrika) erscheinenden portugiesischen Blatte „Correia da Beira" entnommene Nachricht, deren Richtigkeit wir nicht seslsteUen können, deren Grundlage aber unter Umständen von großer Wichtigkeit für uns sein kann. Danach hat vor einiger Zeil ein Deutscher Namens I. Bobbert im Lande des selbst von England als unabhängig anerkannten und Niemandem tributpflichtigen Königs Macombie eine Minen- und Handelsgesellschaft errichtet, die das Minen- und Handelsrecht über ein ziemlich ausgedehntes Gebiet erworben hat, das für uns von um so größerer Bedeutung ist, als cs eine große Strecke am Zambesi entlang liegt, von dem uns die englische „Freundschaft" glücklich fast völlig ab zudrängen verstanden hat. Die Gesellschaft errichtete in Macombieland am Zambesi zwei Stationen, sowie nach Ausdehnung ihrer Berechtigung auf portugiesisches Gebiet eine dritte nördlich der portugiesischen Zollstation Senna, und vergeblich versuchte die Chartered Company, der alles Nichtenglische, namentlich aber alles Deutsche in Südafrika verhaßt ist, die Verträge des Königs anzu fechten. Als dies nichts half, ward dem König Macombie endlich durch einige bestochene Großen seines Landes die Meinung beigebracht, die deutsche Gesellschaft beabsichtige, ihn mit Gewalt zu vertreiben. Das wirkte denn auch bei dem mißtrauischen Despoten, und er ließ im December v. I. einen nach der Küste gehenden Transport von Gold und Elfenbein der Bobbert-Gesellschaft überfallen. Glücklicher weise gelang es den Deutschen, die Räuber zu schlagen und nach der Station zurückzukehren. Zn einem nunmehr mit Macombie abgehaltenen «L-chauri kamen die Zcttelungen der Chartered-Gesellschast zu Tage. Macombie ließ die von den Engländern bestochenen Häuptlinge hinrichten, und die Bobbert-Gesellschaft hat wenigstens vorerst wieder Frieden. Wenn diese Nachrichten richtig sind, so läge eS, meinen die „Alld. Bl.", im ausgesprochenen deutschen Interesse, uns in der Bobbert-Gesellschaft ein Gegengewicht gegen die Chartered Company zu schaffen, durch das der letzteren gehörig auf die Finger gepaßt werden könnte. Die deutsche Regierung müßte der Bobbert-Gesellschaft einen Freibrief ertbeilen, der sie selbst und ihre Erwerbungen unter deutschen Schutz stellt, und wir meinen, es sei angezeigt, daß unfer Auswär tiges Amt sich einmal näher mit der Angelegenheit befaßte. Für die Italiener gestaltet sich die Lage in Abessinien immer bedenklicher, ja nach den letzten Meldungen geradezu bedrohlich. Die jüngste Hiobspost lautet: * Massaua, 2. März. (Meldung der „Agenzia Stefani") Die Italiener griffen am 1. März die Schoaner in drei Colonnen an. Die linke unter General Albertone traf die ganze schoanische Armee bei Abbacarima, mußte sich aber unter Beistand der Centrumscolonne zurückziehen. Die Schoaner umgingen die Italiener rechts und links. Der Rückzug der gesammten italienischen Macht fand bis hinter Belesa statt. Infolge der Terrainschwierigkeiten ging die gesammte Gebirgsartillerie verloren. Die Verluste sind bisher noch unbekannt. Eine ausführlichere Meldung besagt: * Maffaua, 2. März. (Meldung der „Agenzia Stefani".) 3'/« Uhr Nachmittags. General Baratieri beschloß, wie er aus dem Lager telegraphisch mittheilt, am 29. Februar Abends, die Stellungen der Schoaner am l. März Morgens in drei Colonnen anzugreifen. Auf dem rechten Flügel stand die Colonne des Generals Albertone, aus 4 Bataillonen Eingeborner und 4 Gebirgs batterien bestehend. Das Centrum »ahm die Brigade des Generals Arimondi ein. Auf dem rechten Flügel stand die Brigade des General Daboresida mit vier Gebirgsbatterien. Tie Brigade des Generals Ellena mit der Schnellseuerbatterie bildete die Reserve. Die Spitzen der Colonnen erreichten die Wege nach Adua und besetzten dieselben ohne Kamps. Die Colonne Albertone befand sich beim Vormarsch aus Abbacarima bald im Gefecht mit der ganzen schoanische» Armee. Die Colonne konnte sich jedoch gegenüber den überlegenen abessinischen Streitkräften nicht lange halten und mußte die Brigade Arimondi heranziehen, welche aus dem Centrnm herangerufen wurde, um den Rückzug der Colonne Albertone zu decken. Die Colonne Albertone konnte wegen ihrer zusammengedrängten Stellung nicht mehr vollständig ihre Streitkräfte an sich ziehen. Unterdessen wurden die Angriffe der Schoaner auf die ganze Front immer heftiger: die Schoaner überflügelten die Italiener auch von rechts und links, so daß die Italiener ihre Stellungen verlassen mußten. Wegen der sehr großen Terrainschwirrigkeiten konnte die Gebirgsartillerie nicht fortgeschafft werden. Bisher sind noch keine Einzelheiten über die Verluste der Italiener bekannt. Die italienischen Corps zogen sich hinter Belesa zurück. Nach Allem scheint eS, daß Baratieri sick durch die süd- wärtige Bewegung der Sckoaner aus seiner sickeren Position bei Entiscio hat berauSlocken lassen, um endlich dem Gegner die Entscheidungsschlacht an- zubicten. Daß es sick um eine solche gehandelt bat, dürfte daraus hervorgeken, daß die gesammte italienifche Streitmacht gleichzeitig den Angriff eröffnete. Ter Erfolg war der längst vorausgesagte, daß das weitüberlegene, vor züglich geführte Heer der Schoaner Baratieri umzingeln und ihn so gut wie gar nicht zum Gebrauch seiner Waffen werde kommen lassen. Als ein Glück muß es noch bezeichnet werden, daß die drei italienischen Corps nicht vollständig von der feindlichen Uebermacht erdrückt und aufgerieben wurden, sondern den Rückzug antreten konnten. Aber wenn man be denkt, daß die gesammte Gebirgsartillerie, gerade der wichtigste Bestandtheil der italienischen Macht in jenen Gegenden, ohne welche dieselbe fast wcrthloS ist, den Feinden in die Hände siel und im Stich gelassen werden mußte, wenn man bedenkt, daß Baratieri sich von dem in der Mitte zwischen Adua und Entiscio gelegenen Abba carima weit nordwärts, bis hinter Belesa, also bald bis nack Senafe zurückziehen mußte, so kann man dem Verdacht nicht wehren, daß dieser Rückzug in völliger Flucht vor dem nach dringenden Feind sich vollzogen bat. Schwere Bedenken muß es auch erregen, daß bis heute nock keine Nachrichten über die Ver luste der Italiener nack Europa gedrungen sind. Jedenfalls sind sie außerordentlich bedeutend und werden von der Negierung ver schwiege», oder aber es ist nickt möglich gewesen, Meldungen nach Massaua gelangen zu lassen, da die Gegend, in welcher Baratieri versprengt wurde, zu dem in vollem Aufstand gegen die Italiener begriffenen Gebiet von Tigre gehört. Dort wird er sich kaum halten können, er wird sich wahrscheinlich Seine „dumme" kleine Frau. Ibs Roman von F. Klinck-LütetSburg. Nachdruck «erboten Indem er so sprach, batte er sie mit einer Handbewegung aufgefordert, ihren verlassenen Sitz wieder einzunehmen. Sie kam der Aufforderung nach. „ES ist besser mit ihm, Herr von Greifingen," gab sie mit langsamer, unsicherer Stimme zurück. „So war er krank — ernstlich krank?" Martha Hilligenfeld war scheinbar sehr ermüdet und ein wiederholter, rascher Farbenwechsel ihre« Gesichtes deutete auf große Erregung. „Sehr krank, aber — Gott sei Dank! — er wird nicht sterben. Seit gestern Abend bat eS sich zum Besseren ge wendet, er konnte schlafen, der Arzt sagt, die KrisiS sei über standen. So durfte ich auf eine Stunde gehen, um Ihnen meinen Dank ausfprechen zu können." Sie brachte die Worte nur mühsam über ihre Lippen. „Eines solchen bedarf cs gewiß nicht, Frau Hilligenfeld. ES war ein Glück, daß ich gerade deS Weges kam. Die Rettung an und für sich war etwas Selbstverständliches. Sie sind vielleicht bei Ihrem Knaben nothwendig und hätten daher nicht den weiten Weg hierher machen sollen. Sie sehen, ich bin von dem Vorfall nicht im Mindesten berührt." „ES ist nicht allein der Wunsch, Ihnen zu danken, der mich zu Ihnen führt", sagte sie jetzt ruhiger, indem sie voll zu Herrn von Greifingen aufblickte, der die Bemerkung machte, daß die ehemalige Wirthschafterin auf dem väterlickcn Gute in ihrer eleganten Trauertoilette eine heinahe vornehm zu nennende Erscheinung war. Ihr Gesicht war nicht gerade schön, die Stirn etwas breit, aber sie besaß wundervolle braune Augen, die in Verbindung mit einem überaus zarten Teint und einem hübsch geformten Mund eine etwas ein gedrückte Nase uud ein zu stumpfes Kinn übersehen ließen. Ehemals hatte man sie eine Schönheit genannt, aber eine große Sckärse in ihren Zügen beeinträchtigte diese jetzt sehr und wirkte zu Zeiten unangenehm, wie auch in diesem Augenblick. „Womit kann ich dienen?" fragte jetzt Herr von Greifingen, als sie ihren Worten ein« längere Pause folgen ließ. Sie wurde roth. „Ich möchte von Ihnen in Erfahrung br-ngen, ob eS wahr ist, daß Sie das Testament Ihres verstorbenen Vaters anfechten wollen?" fragte sie leise und etwas zögernd. Herr von Greifingen'S Gesicht nahm einen zurückhaltenden Ausdruck an,' welcher sofort von Frau Hilligenfeld bemerkt wurde. „Ick richte die Frage nickt aus Eigennutz an Sie, Herr von Greifingen, sondern möchte mich Ihnen, im Fall das Gerücht, welches mir zu Ohren gekommen ist, sich bestätigen sollte, gern gefällig erweisen. Sie wollen mich als Zeugin in Vorschlag bringen." „Ack!" Er glaubte, sie zu verstehen. „Sie sind in dem Testament meines Vaters mit siebentausend und fünfhundert Mark bedacht worden." „Ja." „Sie fürchten, daß Ihnen diese Summe verloren geht?" Sie sah ihn beinahe erschrocken an. „Nein", sagte sie dann hart und fest. „Ich werde die Annahme des Geldes verweigern. Ich bin überzeugt, daß ich kein Recht daran habe". „Warum nicht? Es ist Ihnen für meinem Vater treu geleistete Dienste gewährt, also redlich verdientes Geld." „Nein, ich habe das Geld nicht verdient, sondern die Pflege reichlich bezahlt erhalten. Niemals werde ich daS Legat annebmen." Sie sprach ruhig und entschlossen. „Aber warum nicht, Frau Hilligenfeld?" „Weil es mir nicht zukommt. Der alte Herr hat daS Testament weder selbst »»gefaßt, noch angeordnet oder auch nur bei vollem Verstände unterzeichnet." Herr von Greifingen nickte nur beistimmend mit dem Kopfe. Martha Hilligenfeld sagte ihm nichts Neues, er übersah aber in diesem Augenblick noch nicht die Wichtigkeit der ihm gemachten Mittheilung. „Sie Haden aber das Gegentheil erzählt, Frau Hilligenfeld." „Ja — gewiß. Ach, Gott, wenn ich Ihnen nur klar machen könnte, wie daS alles so gekommen ist. Die Krankheit meines verstorbenen Mannes hat mich geschäftlich sehr zurück gebracht. Er hielt die Bücker in Ordnung, schrieb Rech nungen aus und cassirte ein, wie er Zahlungen leistete. So bat eS nie nack irgend einer Seite hin gefehlt, denn eS ist «in hübsckeS Geschäft. Seine Krankheit brachte die ersten Un regelmäßigkeiten, und ich fand mich nickt so schnell hinein, um All«n -«recht zu werdrn. Di« Gläubiger drängten, währenv es mir nicht möglich war, meine Außenstände sofort einzucassiren. Der Tod meines Mannes machte meine Lage noch schwieriger und der Concurs erschien unausbleiblich. In einem Augenblick großer Noth rietb mir der Gerichtsvollzieher Allmer, mick mit der Bitte um ein Darlehn von achthundert Mark an Gustav Biedermann zu wenden. Ich erhielt die Hälfte, und dadurch gelang eS mir, mich etwas über Wasser zu halten. Freilich nicht auf lange Zeit, bald war meine Lage schlimmer als je, und ich sah mich wieder der Gefahr gegenüber, mit meinen beiden Kindern brodloS dazustehen. Auf das Schrecklichste bedrängt, wandte ich mich an Herrn Georg von Greifingen mit der Bitte, mir beizustchen. Ich fand bereitwillig Gehör und abermals gelang es mir, mich aufzurichteu. Die Summe, die ich von ihm als Dar lehn empfangen, war aber nickt ausreichend gewesen, es blieb immer etwas haften, und ich konnte nicht wieder frei werben, weil mein Credit gelitten hatte. Es war mir llar geworden, daß es nur noch ein Hinhalten sei — nichts weiter —, ick sah auch nicht einmal mehr die Möglichkeit, meinen Ver pflichtungen nachzukommen. Am nächsten Tage sollte ich den ConcurS anmelden. Am Abend, als ich voll Verzweiflung in meinem Laden stand und noch einmal meine Casse überzählte, trat plötzlich Herr Georg bei mir ein, um Trauerhüte für seine Frau und Kinder zu bestellen. Er theilte mir mit, daß sein Vater gestorben sei und nun auch meine Noth ein Ende habe, da der Verstorbene mir in seinem Testament, in Anerkennung für ihm geleistete Krankenpflegerdienste ein Legat von siebentausend und fünf hundert Mark ausgesetzt habe. Ob ich eS ausgezahlt er halten würde, sei insofern nicht ganz gewiß, weil man nickt wissen könne, ob daS Testament nicht angefochten werde. Er seine« theils glaube ja nicht daran, daß eS einen Menschen gäbe, der bezweifele, daß der alte Herr stets im Besitz seiner vollen Verstandskräfte gewesen sei, und nur.in diesem Falle könne man Befürchtungen irgend welcher Art hegen. Für ihn seien solche nicht vorhanden, und au« diesem Grunde er kläre er sich bereit, mir sofort einen Vorschuß von tausend Mark zu gewähren, den ich ihm, nack Auszahlung des Legates, zurückerstatlen möge." Frau Hilligenfeld machte eine Pause. DaS Sprechen schien ihr Mühe verursacht zu haben, auch batte ihre Stimme einen heiseren Klang. Sie sah furchtbar bleich aus. „Ich nahm da« Geld, Herr von Greifingen", sagt« sir dann noch langsam, jede- Wort brtonend. Ti« sah abrr nicht mehr zu ihm auf, sondern batte den Blick zu Boden gesenkt und schien nun auf eine Entgegnung zu warten. Herr von Greifingen aber schwieg noch immer, als er warte er eine Fortsetzung ihrer Mittheilungen. „Begreifen Sie, daß man so weit sinken kann?" fragte sie dann wieder. „Erlassen Sie mir darauf die Antwort, Frau Hilligenfeld. Menschlich war es, daß Sie Ihre Hand nach dem Rettungs anker ausstreckten." „Ich danke Ihnen für das Wort, obgleich eS mir nicht zum Tröste gereicht. Keine friedvolle Stunde habe ich mcbr genossen, seitdem an jenem Abend Herr Georg von mir gegangen war. Unerträglich bedrückt aber habe ich mick erst von dem Augenblicke an gefühlt, als meine Lage sich wieder gebessert und ich andererseits Zeugin der Verfolgungen wurde, denen Sie und Ihre Angehörige» ausgesetzt waren. Mehr und mehr ist mir das Leben zur Qual geworden, jedes Mißgeschick erschien mir als eine Strafe, jedes Glück eine unverdiente Segnung. Von Gewissensbissen gequält habe ich begonnen, das Geld, welches ich nicht als mein Eigenthuni betrachten kann, zurückzuerstatten, aber ich weiß nicht, ob ich jemals den Muth gefunden haben würde, zu Ihnen zu geben, »m Ihnen meine Schuld zu bekennen, wenn nicht eine höhere Macht Sie mir an jenem Tage zur Rettung meine« Knaben in den Weg geführt. In demselben Augenblick bin ich zur Erkenntniß dessen gekommen, WaS mir zu thun übrig blieb. Und nun lassen Sic mich Ihnen sagen, daß der Geist des Verstorbenen schon seit mehr als sieben Jahren völlig umnachtet war, und daß ich nie mehr daö Licht der Vernunft an ihm wahr genommen. Herr von Greifingen war mit sehr gemischten Empfin dungen den Worten Martha Hilligenfeld « gefolgt. Es lag nichts Unklares in ihnen, er hatte ein Gefühl, als habe er nicht zum ersten Male diesen Mittheilungen sein Ohr ge liehen. Sie konnte vielleicht nur noch üher Nebensächliches Auskunft geben. „Sie sind also der Meinung, daß der Vater so vollkommen geistesschwach gewesen, daß er bei der Unterzeichnung des Testamentes nicht über den Inhalt desselben im Klaren ge wesen ist? Wie wollen Sie diese Behauptung aufrecht er halten, Frau Hilligenfeld? Wollen Sie das vor Gericht be- z«ugen?" „Ja, und ,ch hoffe mein Zeugniß wird nicht ohne Werth
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