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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.03.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960309014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896030901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896030901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-03
- Tag1896-03-09
- Monat1896-03
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Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/,? Uhr. die Abend-AuSgab« Wochentags um 5 Uhr. Bezugs-PreiS bl der Hau-texpedttion oder den im Stadt» deairk und den Bororten errichteten Aus» aaoestellen ab geholt: vierteljährlich.^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» 5.50. Durch die Post bezogen siir Deutschland und Oesterreich: viertehährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendung t«s Ausland: monatlich 7.50. Uedaciion und LrpeLitio»: Johanne»,esse 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen tzeSssilet von früh 8 bis Abend» 7 Uhr. Filialen: DU» Klemms Vortim. (Alfred Hahn), Universitätrstraße 1, Laut» Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und KänigSvlatz 7. Morgen-Ausgabe. die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reklamen unter demRedactionSstrich i4 - spalten) 50, vor den Fanntirnnachrichl- (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Prei-- verzeichniß. Tabellarischer und Zisfern'a:» nach höherem Tarif. (-Ptra-Vci lagen (gesalzt», nur mit le: Morgen »Ausgabe, o h n e Postbesörderun , L0.—, mit Poskbeförderung .^l 70.-. Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Molizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Ännahmeschluß für Än)kiykn: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 123. Montag den 9. März 1896. W. Jahrgang. Amtlicher Theil. Brennholz-Auction. Donnerstag, den 12. März d. Js., sollen von Nachmittags r Uhr an in Abth. 9b des Burgauer Forstreviers dicht an der Aluthrinne unterhalb des Leutzsch-Wahrener Fahrweges 5 Rmtr. Ahorn- s 2 - Rüstern-/ drcnn,che>te, 4O'/r - Ahorn-Nollen und 15 starke Abranmhaufen unter den im Termine aushängenden Bedingungen und gegen sofortige Baarzahlung an den Meistbietenden an Ort und Stelle verkauft werden. Zusammenkunft: Nachmittags 3 Uhr am früheren alten Wachlocal am Leutzsch-Wahrener Fahrweg und der Fluthrinne. Leipzig, am 6. März 1896. Des Raths Forstdepntatiou. Zonale iMer aus dem sächsischen Vorfleben. Von Johannes Corwey. Nachdruck Verbote». I. Die kernige Mahnung des alten Wortes: „Falls süß oder sauer, steh' fest, Bauer" ist auch heute in mancher Beziehung wieder berechtigt. Zwar hat der Bauer nicht mehr die Lasten und Plagen des Feudalstaatcs zu tragen, vor Plün derungen und anderen Brandschatzungen schützt ihn der herrschende Friede und die Rechtssicherheit, welche in der Gegenwart größer ist als in irgend einem Abschnitte der deutschen Vergangenheit. Aber dennoch ruht heute auch der Besitz in den Dörfern auf schwankendem Grunde, und manchem sorgenvollen Landmanne möchte man znrufen: „Steh' fest, Bauer!" - Die „Noth der Landwirthschaft" ist heute ein politisches Schlagwort, welches, hineingeworfen in den Jnteressenkampf unserer Tage, die Parteien scheidet und die Gesetzgebung vor die schwierigsten Aufgaben stellt. Es soll hier jedoch der »streit über den Umfang und die Ursache der bäuerlichen Nothlage nicht weitcrgesponnen werden. Wir wollen viel mehr nach einer sehr ausführlichen Studie, die sich im neuesten Heft des „Arbeiterfreundes" — herausgegeben durch den seit Hneist'S Tode vom Staatssecretair Herzog geleiteten „Centralverein für daö Wohl der arbeitenden Glasten" — findet, ein Bild deS bäuerlichen Lebens in allen seinen wich tigen Beziehungen entwerfen, wie es sich unter dem Druck der heutigen Verhältnisse in einem kleinen sächsischen Acker baudorfe entwickelte. DaS Dorf liegt mehrere Stunden von Dresden entfernt an einer Schmalspurbahn. Der Boden ist kaum mittelgut, vielfach sandig und steinig, etwa 4. bis 14. Bodenclasse. Er trägt keinen Weizen, und selbst die vereinzelt angebaute Gerste giebt einen spärlichen Ertrag. Der Gegensatz zwischen Stadt und Land tritt auch hier schroff zu Tage. Dieser Gegensatz ist weniger in de» äußeren Erscheinungen als in dem Geistes- und Seelenleben vor handen. Der Bauer hat sich noch immer nicht von den jahrhundertelang auf ihn wirkenden Einflüssen deS Feudal staates befreit. Ja, diese Einflüsse sind selbst heute noch so stark, daß sie ihn hindern, die Forderungen der Gegenwart und seine eigene Lage innerhalb derselben mit klarem Blick zu erkennen. Es wird ihm leider vielfach noch heute die geschichtliche Vergangenheit des deutschen Bauernstandes zum Verhängniß, denn sie hat sich in seinen Charakter mit so tiefen Zügen eiiigcgraben, daß dieselben noch unter den Formen des gegenwärtigen Lebens zu erkennen sind. Unter jenen Zügen fallen am ehesten daS Mißtrauen des Bauers und seine Heimlichkeitskrämereien auf. Was nicht vom eigenen Hof stammt oder nicht auö der „Freundschaft" ist, vas dünkt ihm unsicher und zweifelhaft. Mit großer Vorsicht sucht er seine materielle» Verhältnisse mit einem Schleier zn decken. Aber es leiten ihn hierbei wesentlich andere Beweg gründe als manchen großstädtischen Geschäftsmann, der von denselben Bestrebungen erfüllt ist. Jener Großstädter sucht vielleicht seine schlechte materielle Lage unter Luxus und großprablerischen Worten zu verbergen, bei dem Bauer kann man jedoch die Beobachtung machen, daß er Uneingeweihten gegenüber gern durch Klagen seinen Wohlstand zn be mänteln oder doch seine Lage schlechter darzustellen sucht, als sie wirklich ist. Der wohlhabende Bauer des von uns beobachteten, für die sächsischen Ackerbaudörfer mittlerer Bodenclasse typischen Ortes, handelt noch immer so, als dürfe er es ohne großen Schaden nicht öffentlich wissen lasten, daß er es zu einigem Wohlstand brachte. Aus seinen mit bemerkenswerther Treue gepflegten Familienüberlieferungen weiß er, wie die Voreltern srohnden und zehnten mußten, wie sie aus Furcht vor der eingebildeten oder wirklich vorhandenen Begehrlichkeit des Feudalherrn ihre wirthschaftliche Lage nach außen schlechter erscheinen ließen, als sie thatsächlich war. Auch dieser Charakterzug haftet dem heutigen Bauer noch an. Seine geistige Bildung ist häufig recht eng begrenzt. Er hat nur die Dorfschule und zu einer Zeit besucht, als das Lebrziel derselben noch ein weit geringeres war als heute. Die dort gesammelten dürftigen Kenntnisse sind nicht selten b'.' > kümmer.>ches Schreiben und Lesen wieder ver ¬ gessen. Geographie und Geschichte sind dem älteren Bauer kaum bekannt. Von unseren großen Denkern und Dichtern, von deutscher Kunst und Forschung weiß er fast nichts. Die Bauern des genannten Bezirks lesen nur vereinzelt eine Zeitung und auch nur im Winter; im Sommer fehlen Muße und Stimmung. Es wird meistens ein Blättchen ans dem benachbarten Städtchen gehalten, welches kritiklos Ausschnitte ans den größeren sächsischen Zeitungen zusammen stellt. Landwirthschaftliche Zeitungen werde» nicht gehalten; wo den Bauern einzelne Nummern derartiger Blätter mit wichtigen Facherörterungen geschenkt wurden, da sind dieselben wohl angenommen, aber nur ausnahmsweise gelesen worden. Es giebt in dem hier beschriebenen Dorfe eine Schulbibliothek mit einzelnen sehr guten Werken. Die Kinder benutzen dieselbe viel, auch mancher erwachsene Einwohner, doch unter ihnen die Bauern eigentlich gar nicht, obwohl das Leihen eines Buches nur einen Pfennig kostet, der in eine zur Ver größerung der Bibliothek bestimmte Caste fließt. Manche Bauerfrauen kaufen, wenn ein Colporteur ins Dors kommt, grelle Schilderungen irgend einer Mordthat oder eines großen Unglücks. Für diese „Literatur" bezahlen sie weit mehr, als heute irgend ein Musterstück deutschen Schriftthums in den bekannten billigen Ausgaben kostet. Eigentliche Col- portageromane gelangen selten in ein Bauernhaus, weil sie zn theuer sind. Der Segen einer tüchtigen land- wirthschaftlichen Schulbildung ist hier selbst von den wohlhabenden Bauern wenig erkannt. Nicht einer derselben sendet oder sandte seinen Sohn auf eine land wirthschaftliche Schule. Der Nutzen einer derartigen Schul bildung scheint überhaupt von vielen Landwirtheu unter schätzt zu werden. Es läßt sich dieses aus dem schlechten Besuch der landwirthschaftlichen Schulen schließ,». Zwar bestehen in Sachsen acht derartige Lehranstalten, aber die selben wnrden im vorletzten Winter zusammen von nur 504 Schülern besucht, und auch in jüngster Zeit hat sich der Besuch nicht gebessert. Das ist eine geradezu beschämende Ziffer. Die in Sachsen ganz besonders hochentwickelten und vor trefflich organisirten landwirthschaftlichen Vereine haben gleich falls auf die bäuerlichen Verhältnisse unseres Dorfes nur einen sehr mittelbaren Einfluß gewonnen. Kein Bauer gehört einem derartigen Verein an. Ein Besitzer erwiderte unseren Hinweis auf die Thätigkeit der landwirthschaftlichen Vereine mit dem Einwande, daß diese nur geeignet seien, „dem Bauer das Geld aus der Tasche zu ziehen". Es ist hier außer ordentlich schwer, derartige grobe Irrthümer aus einzelnen harten Köpfen herauszubringen. Zur Ehre der sächsischen Bauernschaft ist jedoch zu bemerken, daß sie im Allgemeinen den Nutzen der landwirthschaftlichen Vereine besser zu wür digen versteht. Schon die hohe Mitgliederzahi derselben ist hierfür ein Beweis. Bekanntlich giebt es in Sachsen 5 land wirthschaftliche Kreisvereine: Dresden, Leipzig, Chemnitz, Reichenbach und Bautzen. Im vorigen Jahre zählte der Kreis verein Dresden 130 Vereine mit 8131 Mitgliedern, Leipzig 82 Vereine und 5421 Mitglieder, Chemnitz 257 Vereine und 13 208 Mitglieder, Bautzen 79 Vereine und 6452 Mitglieder, Reichenbach 90 Vereine und 7016 Mitglieder; zusammen 638 Vereine und 10 258 Mitglieder. Weiter besitzt Sachsen einen bienenwirthschaftlichen Hauptverein mit 50Zweigvereinen und 1260Mitgliedern, einen Verband sächsischer Geflügelzüchter vereine mit 46 Zweigvereinen und 2734 Mitgliedern. Aber diese landwirthschaftlichen Vereine und auch andere sächsische genossenschaftliche Bestrebungen finden in dem Dorfe, um welches eS sich hier handelt, einen unfruchtbaren Boden. Kein Bauer ist an einem der in Sachsen bestehenden 13 landwirthschaftlichen Consum- und Rohstoffvereine be- theiligt. Zum Theil erklärt sich dies aus den schlimmen Er fahrungen, die man vor Jahren gemacht hat. Einige Bauern waren Mitglieder einer im nahen Städtchen bestehenden Vereinsbank mit unbeschränkter Haftpflicht. Die Bank brach zusammen, und die Bauern mußten wiederholt für ihre Ver hältnisse sehr erhebliche Nachschüffe leisten. Seitdem geht mau dem genossenschaftlichen Gedanken aus dem Wege. Selbst wo bei seiner Verwirklichung keine Gefahr für die Betheiligten ist, hegt man Mißtrauen. Ohnehin ist der Charakter des Bauern genossenschaftlichen Bestrebungen nicht günstig. Sein starkes individuelles Gefühl und die Furcht, sich an einer Sache zu betheiligen, die er nicht klar übersieht und die an seine Börse Anforderungen stellt, verhindern ibn vielfach, den Segen der genossenschaftlichen Vereinigung zu erkennen nnd den Genossenschaftsgedanken mit solchem Nack druck zn unterstützen, wie es die gegenwärtige bäuerliche Lage verlangt. Lieber verzichtet der Bauer im Bezirk auf inanckc Vortheile, als daß er sich in Geschäfte einläßt, die nach seiner Meinung unsicher sind. Die große Vorsicht, welche im Uebrigen im geschäftlichen Leben der Gegeuwarl durchaus gerechtfertigt ist, schlägt auf diesem Gebiet den Bauer selbst. Es ist daher anzuerkennen, daß seit kurzer Zeit namentlich der Verband der landwirthschaftlichen Gc nossenschaften im Königreich Sachsen bemüht ist, über d.. Vortheile des genossenschaftlichen Zusammenschlusses in den Dörfern Aufklärung zn verbreiten. Das ist ein schwerem Stück Arbeit, welches bei dem zähen Vorurtheil der Bauern nur sehr langsam gefördert werden kann. Auf dem Dorfe schätzt man den Pfennig mehr als in der Stadt. Selbst d;r wohlhabende Landwirth betrachtet jet. Geldausgabe als ein kleines Unglück. Nur bei besonderen Gelegenheiten wird brutal verschwendet, im gewöhnliche:: Lauf der Dinge jedoch selbst an unbedingt nvtbwendigen Ausgaben geknausert. Auch in unserem Ort ist dieser Cbarakterzug stark ausgebildet. Aber was in derartiger Weise erübrigt wird, streuen Unwissenheit und Mißtrauen wieder auseinander. So zahlen einzelne Bauern der Gegend für die aus ihr Gut eingetragene erste Hypothcl 4 Procent und vereinzelt erheblich darüber, während sie vom Landwirthschaftlichen Credilverein in Dresden tilgbar-. Hypothekengelker weit wohlfeiler erhalten könnten. Doch si kennen den Verein kaum dem Namen nach und cbensoweni. seine Bestrebungen. Ihr Vater hat das Geld bei irgcuc einem Privatmann geborgt, sie gehen den gleichen Weg. Se kommt ihnen die Verbilligung des Geldes nur zum Tbeil zu Nutze, während sic die Verbilligung der landwirthschaftlickc. Erzeugnisse voll empfinden müssen. Aehnlichc Beobachtung., scheint man auch in anderen sächsischen Gegenden machen zu können So wird ans den. Vvgtlande berichtet, das; dor. manche Bauern gleichfalls für die erste Hypothek 1 Pree. Zinsen zahlen, obgleich auch sie das Geld aus dem Credi: verein^ sür weniger erhalten könnten. In welchem Umsane die schlechten materiellen Verhältnisse mancher Bauern am jene Thatsache zurückzuführen sind, läßt sich hoffentlich klare: als heute erkennen, wenn die Ergebnisse der Erhebung vor liegen, die der „Verein für Socialpotitik" über die Cccdil Verhältnisse der ländlichen Kleingrundbesitzer in Deutschland veranstaltet. In unserem Dorfe ist die Verschuldung der Bauern erträglich; nur einige sind stark verschuldet, einer in Berücksichtigung der heutigen Preise landwirthschaftlick'r Erzeugnisse überschuldet. Vereinzelt sind die Güter übe. ihren wirklichen Werth von den gegenwärtigen Besitzern bezahlt. Es trifft auch hier die Ansicht des bekannten land- wirthschastlichen Schriftstellers Professor v. d. Goltz zu, daß schon vor deni Sinken der Reinerträge die Lage mancher Landwirthe durch zu Hobe hypothekarische Verschuldung ciuc bedenkliche war. Von 1825 bis etwa 1880 sind die Boden- werthe in Deutschland um 200—500Proc. gestiegen. In den Jahren 1851 — 1880 betrug der Durchschnittspreis des Weizens Feuilleton. ZUM 9. Mär). Kaiser Wilhelm s I. Jugendliebe. Bon vr. Ludwig Boas. Nachdruck verbot«», (Schluß.) Um den ersten Schmerz leichter zu überwinden, ging der Prinz auf Reisen, in der Hoffnung, nach der Rückkehr werde sich zwischen der Prinzessin Elise und ihm ein neues Verhältniß bilden. Wie wenig es ihm aber gelang, seiner Leidenschaft Herr zu werden, ersehen wir auS einem Briefe, den er vom Haag aus am 21. April 1822 an Natzmer richtete. Darin sagt er: „Die Reise bekommt mir zwar wohl, doch kann ich trotz der treuen Freundschaft, welche ich vorzüg lich hier gefunden habe, noch keine Fröhlichkeit in mir ver spüren; ich bin den Vergnügungen abgestorben, und da ich ohne angestrengte Beschäftigung bin, so schwelge ich in den glücklichen Und unglücklichen Augenblicken der Vergangenheit." Unter solchen Umständen mußte damals dem Prinzen der Geburt-tag zum Trauertage werden. Die Gemüthsstimmung übermannte ihn an jenem 22. März so, daß er krank ward und zwei Tage hindurch am Fieber litt. Aber der Zuver sicht, die er in die Gnade seines Gottes setzte, ist er auch in diesen schweren Stunden treu geblieben: „Ich vertraue dem Himmel und baue auf ihn; er hat mich nicht verlassen und mir Kraft und Stärke verliehen, seinen unerforschlichen Willen zu tragen, und in selbiger Noth hat er auch seine Segnungen über den mir entrissenen theuren Gegenstand er gossen!" Freilich, die Kraft, der Hochreit seiner Schwester Alexandrine mit dem Großherzog von Mecklenburg-Schwerin in Gemeinschaft mit Prinzeß Elise beizuwohnen, besaß er nicht. Das wäre zu viel verlangt, schrieb er an Natzmer. Und daher bat er den König, jein Ausbleiben bis nach der Hochzeit zu vertagen. Inzwischen rechnete er auf den Aus bruch eine» neuen russisch-türkischen Krieges, an dem er der Zerstreuung halber tbeilnehmen wollte. Aber statt der hierzu erbetenen väterlichen Erlaubniß traf vom König der Befehl zur Rückkehr ein. Auch der Wunsch deS Prinzen, eine letzte Zusammenkunft mit der Radziwill'schen Familie in Schlesien zu haben, wurde abgeschlagen. Der Prinz sollte nach Berlin kommen. „Zum Gluck sind die Festlichkeiten (der Vermählung seiner Schwester) dann vorbei!" äußerte Prinz Wilhelm in einem Briefe an Natzmer vom 29. Mai 1822. Die Aussicht auf die letzte Zusammenkunft mit der Geliebten vor emer dann gewiß langen und entscheidenden Trennung gewährte ihm „einen hohen Trost, wenngleich eS noch schwere Äugen» blicke geben wird."*) — Bon Berlin reiste Priuz Wilhelm zur *) Heber diese Begegnung ist uichtS bekannt geworden. Cur nach Teplitz, nahm nach Beendigung derselben am Rhein Besichtigungen vor und schloß sich dann dem König an, als dieser mit dem Prinzen Karl zum Congreß nach Verona ging und einer Einladung des Papstes nach Rom folgte. Die Eindrücke der Reise erfrischten ihn wohl, vermochten aber nicht, wie dem Briefe an Natzmer vom 3. April 1823 zu entnehmen, die Gefühle seines Herzens abzuschwächcn. Dem König entging das nicht, und er berief den Staats rath in der Hoffnung, daS Hinderniß, daS der Verbindung im Wege stand, doch noch zu beseitigen. Vergebens. Auch die Mehrheit des Staatsraths verneinte die Ebenbürtigkeit der Prinzessin Elise. Trotzdem faßte der König noch keinen endgiltigen Entschluß. Denn die Vermählung des Kron prinzen ließ die Bedeutung der Ehe des Prinzen Wilhelm für die Thronfolge vorläufig zurücktreten. Prinz Wilhelm da gegen drängte begreiflicher Weise auf eine Entscheidung; er fand „daS entsetzlich Peinliche seiner hoffnungslosen Lage", wie er sich in einem Briefe an Natzmer vom 22. Februar 1824 aus drückte, unerträglich. Eine tiefe Bitterkeit bemächtigte sich seiner. Und doch trug Wohl weniger Mangel an Energie die Schuld daran, wenn der König zu keinem Entschluß kam, als die Hoffnung, es könne noch Alles zum Besten gewandt werden. Es war nämlich der Vorschlag aufgetaucht, die Bedenken gegen die Ebenbürtigkeit dec Prinzessin Elise dadurch zu be seitigen, daß Prinz August von Preußen sie adoptire. Prinz Wilhelm erfuhr von diesem Vorhaben erst, als die Familie Radziwill schon ihre Einwilligung dazu gegeben hatte. „So konnte ich also nur das Opfer annehmen, waS die Radzi- will'sche Familie gebracht batte", schrieb er Natzmer am 1. April 1825. Die nächste Zukunft schien ihm die Erfüllung seiner heißen Wünsche ru verbürgen. Er besuchte die Radzi will in Posen und verlebte dort „glückselige" Tage, er fühlte sich glücklicher, als er eS sich „nur hätte träumen können".*) Um so furchtbarer war die Enttäuschung. Fünf Minister erklärten sich gegen die Ebenbürtigkeit der Prinzessin Elise, *) Prinz Wilhelm hat damals einen rührenden Beweis dafür gegeben, daß ihm die Pflicht über Alles ging. Es war ihm in Posen ein nicht ungefährlicher Unfall, über den seine Briefe keine näheren Angaben enthalten, zugrstoßen, und das Uebel war durch die Rückreise von Posen nach Berlin verschlimmert worden. In Bezug aus die Ver schlimmerung schreibt er an Natzmer: „Aber gereist zu sein, werden Sie mich nicht tadeln; mein Urlaub war um und jedes längere Ausbleiben hätte aus der Entfernung einen anderen Schein al- den der Nothwendigkeit ge tragen unter so bewandten Umständen. Wie schwer eS mir jedoch ward, mit der Uebrrzeuaung zu reisen, daß eS besser sei, zu bleiben, bedarf unter solchen Verhältnissen keiner Ver sicherung!" da die Adoption daS Blut nicht ersetzen könne. Gerade jetzt aber war diese Rechtsfrage von höchster praktischer Bedeutung. Des Kronprinzen Ehe blieb kinderlos; der dritte Sohn des Königs, Prinz Karl, hatte sich mit einer weimarischen Prinzessin vermählt, und der großherzoglich sächsische Hof beanspruchte für die Kinder aus dieser Ehe das Vorrecht, falls der ältere Bruder seiner Neigung folge. So drohte unter Umständen ein Streit um die Erbfolge, der vielleicht den Bestand der Dynastie gefährdete. Da faßte König Friedrich Wilhelm III., tiesbekümmert, nach wiederholten Vorstellungen seiner RLthe, den endgiltigen Beschluß. In einem von Zärt lichkeit überströmenden Briese stellte er seinen! Sohne vor, daß nach all' den vergeblichen Versuchen nichts übrig bleibe als die harte Pflicht, dem Wohle deS Staates und des könig lichen Hauses eine edle Neigung zu opfern. „Versteinert stand ich da, als ich die endliche Entscheidung gelesen hatte" schrieb der Prinz später dem Vertrauten Natzmer. Aber er raffte sich zusammen und beantwortete seines Vaters Brief noch am Abend desselben Tages — es war der 23. Juni des Jahres 1826 —, an dem er ihn erhalten hatte. Prinz Wilhelm schrieb: „ . . . Sie haben, theuerster Baker, die Entscheidung für mein Schicksal gegeben, die ich ahnden mußte, aber mich zu ahnden schenkte, so lang ein Strahl von Hoffnung mir noch blieb. . . . Lesen Sie in meinem Herzen, um in demselben den unaussprech lichen Dank zu finden, der es belebt für alle die unzähligen Beweise Ihrer Gnade, Liebe und Langmuth, die Sie mir in diesen bewegten fünf Jahren gaben, vor Allein aber noch für den unbeschreiblich tief mich ergriffen habenden Brief vom gestrigen Tage. Welchen Ein» druck er mir gemacht, bin ich nie im Stande zn schildern. Ihre väterliche Gnade, Liebe und Milde, Ihre liebevolle Theilnahine bei dem schweren Geschick, das mich trifft, das Vorhalten meiner Pflichten in meinem Stande, die Anerkennung der Würdigkeit des Gegen standes, dein ich meine Neigung geschenkt habe, die Erinnerung an alle Versuche, welche Ihre Liebe zn Ihren Kindern Sie unternehmen ließ, um die Wünsche meines Herzens zu erfüllen — Alles, Alles die» in den Zeilen zu finden, die mein Schicksal entschieden, mischte in mein tief erschüttertes Herz so viel Trost und so unaussprechliche» Daakgefühl, daß ich nur durch die kindlichste Liebe und durch mein ganze» Verhalten in meinem künftigen Leben im Stande sein werde, Ihnen, theuerster Vater, meine wahren Gesinnungen zu be» thätigen. Ich werde Ihr Vertrauen rechtfertigen, nnd durch Be kämpfung meine» tiefen Schmerzes und durch Standhaftigkeit in dem Unabänderlichen in dieser schweren Prüfung bestehen. Gottes Beistand werde ich anrufen. Er verließ mich in so vielen schmerz lich«, Augenblicken meine» Leben» nicht. Er wird mich auch jetzt nicht verlassen. ... So schließe ich dies« wichtig«, Zeilen zwar mit zerrissenem Herzen, aber mit einem Herze», daS Ihnen, theuerster Vater, inniger denn je anhängt! Denn Ihre väterliche Liebe war nie größer als in der Art der schweren Entscheidung." „Welch' ein Sohn! Welch' ein Vater!" schrieb der in den Briefwechsel eingeweihte damalige Chef deS Militair- cabiuets, General von Witzlebeu, in sein Tagebuch. Und fürwahr, es gehörte, wie Prinz Wilhelm bescheiden zn Natzmer sagte, eine „seltsame" Kraft dazu, die theurrsten und höchsten Wünsche s o aufzuopfern. Kein Wunder, wenn selbst er, der sich mit frommer, gottergebener Geduld dein herben Schicksal unterwarf, der Zeit bedurfte, ehe er, vom Strom deS Lebens und der Geschäfte fortgetragen, die rechte Berufsfreudigkeit wiederfand. Die ihm für immer Ent rissene suchte er weder, noch mied er sie, stets bemüht, ihr unbefangen zu begegnen. Auch Prinzessin Elise fügte sich entsagungsvoll in das Unabänderliche. Von der großen Welt meistens zurückgezogen, lebte sic künstlerischen Neigungen und Werken der Barmherzig- kcit. Vier Jahre nach dem Eintritt der Katastrophe stand sie im Schloßpark von Buchwald bei Hirschberg dein Prinzen Wilhelm und seiner jungen Gemahlin Augusta gegenüber. Drei weitere Jahre später begann sic den Hauch deS Todes zu spüren: ein Blntsturr, von dem sic im Palais deS Prinzen Wilhelm nach fröhlicher Tafel befallen wurde, war der Anfang vom Ende; am 27. September 1831 ist sie der Schwindsucht erlegen . . . In bitteren Seelenkämpfen bat Prinz Wilhelm den Sieg über sich selbst erstritten und sich hindnrchgcrnngcn zum Gehorsam gegen den Vater, zur Entsagung, um des Staates willen. Diese harte Schule der Selbstzucht hat während zweier Menschenalter kösttiche Frucht getragen, indem sie den zum alle Zeit opferwilligen Diener des Staates erzog, der be stimmt war, das neue Reich zn begründen. Ursprünglich einGegner der konstitutionellen Staatsform, stellte sich Prinz Wildeim sogleich ans den Boden der neuen Ordnung, als die Ent scheidung gefallen war. Liebebedürstigen Herzens, ertrug er als König die Entfremdung von seinen Preußen, weil er die Nothwendigkeit der HeereSreform als unabwendbar erkannte. Dem Hanse Habsburg-Lothringen seit Langem befreundet, entschloß er sich dennoch zum Kriege gegen Oesterreich, und mit der gleichen Selbstüberwindung ging er als Kaiser trotz seiner allen Vorliebe für Rußland den Dreibund ein. Denn immer war ihm daS Wohl d«S Staate- das höchste Gesetz. So ist er als Monarch daS Vorbild für unsere Fürsten geworden. Als Mensch aber hat er ein Beispiel der Pflicht erfüllung gegeben, da« einem Jeglichen unter nnS zurust: Gehe hin und thue desgleichen.
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