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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.03.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960310029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896031002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896031002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-03
- Tag1896-03-10
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Dann wurde die am Sonn abend ausgesetzte Abstimmung Uber den A 3-1 der Vorlage vorgenommen, der den Branntweinvertrieb in (Konsumvereinen betrifft. Tie Fassung der Regierungsvorlage fiel, angenommen wurde die klerikal-conservative Formulirung, wonach Consum- vereine als Schankbetriebe auch dann behandelt werden, wenn ihr Branntweinvertrieb sich auf den Kreis der Mitglieder beschränkt, wonach ferner die Landesregierungen auch andere Vereine, die nicht dem Genossenscbaflsgesetz unterstehen und deren Vertrieb sich aus den Kreis der Mitglieder beschränkt, diesen Bestimmungen unterwerfen können. Damit ist das, waS Staatssecretair v. Boelticher am Sonnabend als „For mulirung unklarer Wünsche" charakterisirte, zum Beschluß erhoben worden; wir bezweifeln sehr, daß seine Hoffnung, bei der dritten Lesung von den Antragstellern eine „einwandsfreie Fassung" zu erhalten, sich erfüllt. Weiter wurde über Art. 4 abgestimmt, der nach der Regierungsvorlage den Kleinhandel mit Bier und den Handel mit Drogn en und chemischen Präparaten untersagt, „wenn Thatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit deS betreffenden Gewerbtreibenden in Bezug auf diesen Gewerbebetrieb darthun". Diese Bestim mung wurde dahin abgeändert, daß der Kleinhandel mit Bier untersagt werden kann, wenn der Verkäufer wiederholt wegen unbefugten Schankbetriebes bestraft ist. Von der Regierung war darauf bingewiesen worden, daß die Fassung der Vorlage nicht allein den Winkelausschank, sondern auch die Verstöße gegen das Nahrungsmittelgesetz treffen solle. Weiter beschloß das Haus, den Handel mit Droguen und chemischen Präparaten zu untersagen, „wenn die Handhabung des Gewerbebetriebes Leben und Gesundheit der Menschen gefährdet". Diese Aenderungen bedeuten eine wesentliche Milderung der scharfen Bestimmungen der Vorlage; wer aber kann wissen, ob nicht in der dritten Lesung bei anderer Frequenz des Hauses diese Milderung wieder aufgehoben wird? Wie wir dem stenographischen Sitzungsbericht entnehmen, bat das bayerische Centrumsmilglied Or. Schädler in der Reichstagssitzung vom 3. d. M. seinem Hasse gegen den Fürsten Bismarck Luft gemacht. Es ist das nichts Un gewöhnliches in der von einer von Buol bis Bebel reichen den Gruppe beherrschten gloriosen Versammlung. Herr vr. Schädler hat aber für sich in Anspruch genommen, der Stimmung eines Theils des Volkes Ausdruck zu geben, und deshalb ist es der Mühe Werth, sich mit dieser Größe und ihrer Großthat einen Augenblick zu beschäftigen. Es war bei der Beralhung der Zuckersteuervvrlage. Graf Herbert Bis marck batte der Erwartung Ausdruck gegeben, der Süden werde keine Sonderpolitik treiben. Damit, bemerkte dazu der Abg. Schädler, sei der Sache der Vorlage kein besonderer Dienst erwiesen worden, „denn schon der Name dessen, der es ausgesprochen bat, ist für einen großen Theil des Südens, im Hinblick auf die Opfer, Vie noch mit etwas Anderem verbunden gewesen sind, gar nicht geeignet, ihn günstig zu stimmen". Wenn Schädler die süddeutschen Socialdcmokraten im Auge gehabt hat, so war er im Recht, aber dann hätte er es ausdrücklich sagen müssen, daß er deren Gefühle verdolmetschte. Sonst aber wird der pfälzische Geist liche außer seines Gleichen südlich des MaineS Niemand auf zuweiseu haben, der in wirthschastlichen — und in anderen Fragen nicht lieber auf den Fürsten BiSmarck hörte, als auf ihn, den Herrn I)r. Schädler. Gerade in diesen Tagen ist in der bayeri schen Kammer der Wirtbschaftspolitik des ersten Kanzlers un eingeschränktes Lob gespendet worden, und kein Centrums mitglied und kein Bauernbündler hat Verwahrung dagegen eingelegt. Und wenn es sich um Bismarck's sonstige Politik gehandelt und irgend ein bürgerlicher Parteimann proteslirt hätte, so würde er eben keinen Anklang im Lande gefunden haben. Die Daller, die Orterer, die Schädler mögen große Männer von unsterblichen Ver diensten sein, aber die Bayern, Bauern wie Städter, wissen noch nichts davon und stellen vorläufig Bismarck über sie. Selbst die zurückgerufene» Redemptoristen haben dieses Dunkel in den Köpfen noch nicht zu lichte» und die Centrumsheroen noch nicht in den Glanz ihrer Thaten zu rücken vermocht. Zn der englischen Presse wurde kürzlich gemeldet, Deutsch land habe die kleine Insel Lappa in der Bucht von Hong kong, die einen guten Hafen besitzt, von China erworben. In den portugiesischen Cortes erfolgte eine Anfrage, da Lappa dem portugiesischen Macao benachbart ist, doch konnte keine genaue Aufklärung ertheilt werden, ebestsowenig ist eine Aus knnft von deutscher Seite gegeben Wörden. Die „Voss. Ztg." erhält jetzt zu der Sache folgenden vom 31. Januar datirten Bericht aus Hongkong: Soeben trifft aus Macao hier die Nachricht ein, daß die chinesische Regierung ihren Vertrag s Hafen Lappa an Deutschland ab getreten hätte. Ob diese Metdung den Thatsachen entspricht, entzieht sich augenblicklich noch der Beurtheitung, doch scheint es erwiesen, daß etwa vierzig bis fünfzig deutsche Marinesoldaten augenblicklich eine Ausnahme des Hafens und der Insel Lappa machen und die Wege in Ordnung bringen, wobei es sich haupt sächlich darum handelt, ein« gute und sichere Ankerstelle zu finden, damit die deutschen Schiffe in Zukunft statt in Hongkong in dem zu gründenden deutschen Hafen Lappa direct aulegen können. Der deutsche Kriegsdampfer „Irene" hat am L5. Januar Hongkong verlassen und ist mit versiegelter Ordre nach Süden abgefahren. Lappa ist eine in der Bucht von Hongkong dem portugiesischen Hafen Macao vorgelagerte Insel, die durch die vereinigten Nord- und Westarme des Cautonslusses vom Festlande getrennt wird. Seit einer Reihe von Jahren ist der Hafen von Lappa von der chinesischen Regierung alS Zollhafen den fremden Mächten geöffnet worden und besitzt eine chinesische Zoll- und Hafenbehörde. Gleich- zeitig treffen auch aus Amoy Privatbriefe ein, denen zufolge die diesem Haien gegenüberliegende Insel Qucmoy als deutscher Hasen in Aussicht genommen wird. Die erforderlichen Ver messungen und Aufnahmen sind von deutichen Seeleuten bereits gemacht worden und die Besitzergreifung soll binnen Kurzem er folgen. Im Zusammenhang mit diesen deutschen Projekten wurde von einer Anzahl deutscher Kaufleute in Hongkong unter Begleitung eines deutschen Cousularbcaniten und mehrerer Sce- officicre kürzlich eine Rundreise durch das südwestlich von Hong kong gelegene chinesische Gebiet unternommen. Die Gesellschaft begab sich zu Dainpfer nach dem im Golf von Tonki» der Insel Hainan gegenüber am Festlande gelegenen chinesischen Zollhafen Pak-Hoi, reiste über Land bis zum Cantousluß, und fuhr auf kleinen Flußdampfern von dort flußabwärts bis Cantou. Die englischen Behörden von Hongkong verfolgen die deutschen Unter nehmungen mit aufmerksamen Augen, aber entscheidende Schritte zur Besitzergreifung von Lappa oder Queinoy oder beider Inseln sind bisher noch nicht unternommen worden. Das sind sehr interessante Mirtheilungen über die deutschen Unternehmungen in China. Hoffentlich setzen sich die deutschen Wünsche, welche sie widerspiegeln, bald in Thaten nm! Die Lösung der italienischen Ministerkrise, der schwersten, die das Land seit langen Jährest durchgemacht, wird allgemein so aufgefaßt, daß durch die Uebertrctgung der Cabinelsbiidung an Ricotti, der wahrscheinlich das Ministerium des Krieges übernimmt, eine Vermittelung zwischen dem König und Nudini, der das Präsidium erhalten soll, hergestellt ist. Auch Rudini würde sich nie zu einem völligen Verzicht auf die Colonial politik Italiens in Afrika verstehen — daS verlangen nur die socialistischeu Schreier —, er möchte sich aber mit einer Ausdehnung Erykhräas westwärts bis zum Mareb und südwärts bis zur Grenze von Tigre begnügen, aber das im Wege friedlicher Verträge mit Menelik, ohne besondere Unternehmungen znr Wahrung der nationalen Waffenehrc für nöthig zu halten, da Italiens Söhne sich aus afrikanischem Boden ja beldenmütbig genug geschlagen. In dieser Hinsicht ist, aller Wahrscheinlichkeit nach, auf Drängen des Königs, ein Compromiß zu Stande gekommen, demzufolge zunächst Ricotti's Programm, der zwar auch eine maßvolle Afrika - Politik für daS den finanzitllen Ver hältnissen einzig Entsprechende hält, aber den Krieg bis zu einem militairischen Erfolg fortgeführt wissen will, durch geführt werden soll. Die Verantwortung für diese Grund richtung deö Compromißcabinets wird auch nicht der künftige Ministerpräsident, sondern der Kriegsminister tragen, auf dessen Namen die Anwerbung der Minister geschieht. Ricotti, der frühere Kriegsminister, ist Soldat mit Leib und Seele, ein Feind der demokratischen Phrase von der „bewaffneten Nation"; er will Soldaten haben, „die daß Kriegshandwerk mit dem Ernst einer socialen Mission be treiben, nicht Sansculotten, deren Begeisterung die einzige Führerin sei". Er sagt, daß die „besten Cadres nichts nützen, wenn man keine Mannschaften hat", und will, worauf er jetzt allerdings verzichtet, lieber 10 tüchtige Armeecorps haben, als 12 zerfahrene,mit Rccrnten gepfropfte, die nicht gehörig aus gebildet sind. Von Seiten der Demokratie dürfte also die Voran stellung dieses Generals im neuen Cabinet keineswegs günstig ausgenommen werben, so wenig als die Verbindung desselben mit dem Marchese di Rudini, mit dem die Regierung nun wieder auf die rechte Seite deS Abgeordnetenhauses über geht. — Nach einem uns zugebenden Telegramm aus Rom soll das Cabinet folgendermaßen zusammengesetzt werden: di Rudini Präsidium und Inneres, Ga Llano Sermon eta Aenßeres, Ricotti Krieg, Br in Marine, Colomba Schatz, Bianca Finanzen, Costa Justiz, Panturcv Unterricht, Perazzi öffentliche Arbeiten, Guicci- arvini Ackerbau nud Carmine Post und Telegraphen. Das neue Cabinet wird noch heute endgiltig gebildet, nach dem Ricotti, di Rudini und Brin nochmals eine Zusammen kunft gehabt haben werden. Bekanntlich ist die Haltung der englischen Presse gegen über dem nationalen Unglück, das Italien als Mitglied des Dreibundes betroffen hat, die denkbar perfideste. Wir haben dieselbe bereits gewürdigt, kommen aber nochmals auf das unliebsame Thema zurück, da heute die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung", wie uns drahtlich gemeldet wird, anscheinend officiös schreibt: Für Deutschland und Oesterreich können die Zwischenfälle des afrikanischen Colonialkrieges keinen Einfluß auf die Stellung Italiens ini Dreibunde ausüben. In dem Gedankenaustausche Goluchowski's mit leitenden deutschen Staatsmännern könne an eine Lockerung der Beziehungen zu Italien nicht gednch: werden. Die gehässigen Auslassungen einzelner eng lischer Blätter seien lediglich ein neuer Ausfluß von Liebhaberei der englischen Presse für die Brandstiftungen auf dem europäischen Continente, ein Verfahren, welches dem Urlheile der besonnenen englischen Politiker überlassen bleiben kann. Das Frivolste, aber zugleich auch das Dümmste haben in letzterer Beziehung, wie erinnerlich, natürlich wieder die „Times" geleistet, deren Haß gegen Deutschland sie zu dem wiederholten Versuche reizt, Frankreich zum Revanchekrieg gegen Deutschland anzustacheln. Das City-Blati schrieb ja am Sonnabend wörtlich: „Wenn der Pact zwischen Frankreich und Rußland das wäre, wofür man ihn in Frankreich halte, dürften die Franzosen jetzt Beistand zur Zurückeroberung der 1870 verlorenen Provinzen erwarten und Deutschland dürfte sich beinahe verein samt finden. Aber der Zar werde zweifelsohne das sicherere und klügere Verfahren vorziehen und als wohlwollender Gönner und unparteiischer Schiedsrichter zwischen den zwei Rivalen Stellung nehmen." Einer klugen Politik darf man sich allerdings von dem jungen Zaren versehen und die wird u. A. auch darin bestehen, daß, falls Englands Hetzereien wirklich ein mal in Frankreich verfangen und Versuche zeitigen sollten, Rußland zum Werkzeug des französischen Chauvi niSmus zu degradiren, diesen an der Newa ein energisches Velo entgezengebalten werden wird. Schon deshalb kann es uns gleich gütig sein, daß beute der „Standard" zum hundertsten Male versichert, der Dreibund sei erschüttert, ob nun der Krieg in Abessinien fortgesetzt werde, oder nicht. Aber die Bündnißkrage steht nack vfsiciösen deutschen und österreichisch-ungarischen Verlautbarungen als solche gar nickt auf der Tagesordnung. Kein Mensch denkt in Berlin oder Wien daran, sie aufruwerfen, und wenn, was Italien betrifft, nicht Rudini der Nachfolger CriSpi's wäre, so müßte uns gerade die gegenwärtige Lage deS verbündeten Staates genügende Garantie sein, daß derselbe den Werth des Bünd nisses nie lebhafter empfinden kann, als eben jetzt. In London beginnt heute der Procetz Jameson und Genossen vor dem Bow - Street - Polizeigericktsbofe. Ter Generalanwalt Sir N. Webster wird persönlich die Anklage führen. Vier namhafte Advocaten werden ibn unterstützen Die Zahl der Cintrittsgesuche ist so groß, daß die Anklage bank weiter nach vorn geschoben worden ist. Nur solchen Personen ist der Eintritt in den Gerichtssaal gestattet, die die erforderliche Eintrittskarte vorzeigen können. Da gegen will man solchen pöblhaften Scenen, wie sie beim ersten Erscheinen Or. Jameson's in Bow Street vor kamen, Vorbeugen. — Auch der Generalbetriebsdirector der De Beers-Gruben in Kimberley ist, wie wir schon meldeten, am Freitag verhaftet worden auf die Anklage bin, Waffen ohne Erlanbniß fortgeschafft zu haben. Diese Waffen wurden in Cokes versteckt durch Transvaal geschafft. Nach anderen Berichten wurden sie in Petroleumbehältern ausbewabrl. Diese leckten sogar, damit man ja keinen Argwobn schöpfen sollte. Das Gcheimniß kam aber doch durch den Verrath deS Mannes, der die Waggons zu beaufsichtigen hatte, heraus, als sie durch den Freistaat fuhren. Die Absickt war, die Behälter von den Wagen abzunehmen und sie Feuilleton. Seine „dumme" kleine Frau. 201 Roman von F. Klinck-LütetSburg. Nachdruck verboten Das Gerücht wurde von der Tbatsache überholt, daß Herr von Z. seinem Leben ein Ende gemacht hat. Ich habe hier nur einen Fall herausgegriffen, ein weiterer ist der von Greifingen'schc. Damit ist aber das schreckliche Sünden register nicht abgeschlossen. G. genießt einen gewissen Ruf; kaum irgendwo giebt es so viele Betrugs- und Meineidsfälle, sie entspringen alle derselben Quelle, und doch spürt Niemand ihr nach. Auch ich sollte den Weg geben, den viele vor mir gegangen sind. Ich sollte einen Offenbarungseid ablegen, und wenn eS dazu hätte kommen müssen, dann würde sich wohl ein gefälliger Freund gefunden haben, der sich plötzlich erinnert, daß er mir noch Geld schulde, oder daß ich Dieses oder Jenes vor meinen Gläubigern hätte verheimlichen wollen, um mich zu einer Meineidigen zu stempeln." „Aber welchen Zweck hätte ein solches Vorgehen haben können?" fragte Assessor Raguhn. Er fragte noch, aber schon sah er klar — furchtbar klar. Keine physische Erschlaffung war ihm hinderlich gewesen, die Glieder einer Kette aneinander zu schließen, sondern der Zweifel an eine moralische Verworfenheit, wie sie ihm hier entgegengetreten war. Ueberzeugend drängte es sich ihm auf, daß diese Frau die volle unumwundene Wahrheit gesprochen. Nur daS Verlangen, das, was er dachte, in Worte gekleidet zu sehen, ließ ihn noch die Frage stellen. „Einen sehr deutlich erkennbaren Zweck, Herr Assessor, denselben, den der ganze gegen mich ins Werk gesetzte An sturm hatte. Man bat eS zunächst versucht, mich durch meinen geschäftlichen Ruin dahin zu bringen, den Gutsbesitzer Georg von Greisingen um Nachsicht und Beistand zu bitten, der mir überreich gewährt worden wäre, wenn ich mich zu gewissen Zusicherungen verpflichtet haben würde. DaS ist nickt geglückt, obwohl — ich muß es zu meiner Schande bekennen — mehr al» einmal die Versuchung an mich herangetreten ist, all der Oual ein Ende zu machen. Sie war beinahe zu groß. Dennoch konnte ich mich nicht abermals den Gewissens qualen überliefern, denen ich auSgesetzt gewesen bin. So blieb ich fest, und daß hat ihnen gezeigt, wie ernst eS mir mit meinem Vorhaben, die Wahrheit zu sagen, gewesen ist. Nun mußte das Aeußerste versucht werken, aber — ich ver fügte über größere Mittel, als sie geahnt. In den letzten ackt Tagen gingen fast säinmtliche Außenstände ein. Ich brauchte nicht zu schwören, man wird mich in Ruhe lassen müssen, ich bin keine Meineidige, nnd mein Wort, daß ich für Herrn Wolf von Greisingen zu sprechen gesonnen bi», wird vor Gericht volle Giltigkeit haben. Ick aber komme jetzt zum Frieden und Sie, Herr Assessor, Sie können sehen und urtheilen, wenn Sie wollen." Friedrich Raguhn aber war nicht durch das Gehörte be friedigt, er mußte mehr wissen, un, wirksam eingrcifen zu können. Die Dämmerung war bereingebrochcn, als er Frau Hilligenfeld verließ, nachdem er ihr seinen tiefgefühlten Tank für ihre Mittbeilungen ausgesprochen, die ihn in Stand setzten, mühelos die labyrinthischen Gänge grausamer und gewissenloser Verbrecher zu ver folgen. Er war fest überzeugt, daß auch die Vermuthung Allmer's, von welcher ibm am Nachmittag der Secrctair Mittbeilung gemacht, daß Frau Hilligenfeld wegen ver suchter Erpressung denuncirt werden solle, sich bewahrheiten würde. Die Sandmarie, die Botenfrau Nüstringen und Martha Hilligenfeld — die Zeuginnen, welche Wolf von Greisingen zu seinem Recht verhelfen sollten — Angeklagte! Wenn ihre Verurtheilung erfolgen würde! Der Gedanke jagte daS Blut schneller durch Friedrich Raguhn'S Adern und nur mit Muhe bekämpfte er die durch ihn hervorgerufene Aufregung, um desto mehr in seinem Entschluß zu erstarken, nichts unversucht zu lassen, dieses Wirrsal zu enthüllen und Licht in ein unheimliches Dunkel zu bringen. Zwölftes Capitel. Friedrich Raguhn'S Bestrebungen, den Freunden sich nützlich zu erweisen, waren sichtlich von Erfolg begleitet, und dieser belebte seinen Mutb, der mehr als einmal unter den sich auftbürmenden Widerwärtigkeiten zu erlahmen drohte. So war eS ihm zunächst gelungen die gegen die Sand- marie erhobene Anklage zu entkräften. Er batte keine Mühe und Arbeit gescheut, Zeugen, welche Fran Bergner'S Aussagen bestätigten, anfzntreibeu, und weder das Spottlächeln der Cvllegen, noch der Tadel des Vorgesetzten wegen einer un begründeten Weitschweifigkeit vermochte ihn von dem zurück- zuhalten, was er al» sein« Pflicht erkannt. Ungleich schwieriger noch gestalteten sich seine Bemühungen für die Botenfrau Nüstringen. Der von Gicht geplagten Frau war es in den letzten Jahren schlecht ergangen. Sie batte nickt mehr einem regelmäßigen Verdienst nackgehen können und war auf diese Weise immer mehr zurückgekommen. Von einem barten Gläubiger bedrängt, hatte sie einen Offen barungseid geleistet nud sollte zwei Scheffel Roggen und einige Centncr Kartoffeln verheimlicht haben. Sie behauptete nun zwar, Beides sei erst zwei Tage nach dem Termin ihr an ZahlungSstatt für eine Schuld, von welcher sie nichts ge wußt, von ihrem Herr» ausgekändigt worden, aber die Aus sagen der Frau Rüstringeu erschienen der Anklage und dem Zeugniß ihres ehemaligen Brodberrn gegenüber wenig glaub würdig, ihr fehlte scheinbar jeder Beweis für ihre Aussage, und wäre nicht gerade der Assessor Raguhn mit Führung der Voruntersuchung beauftragt gewesen, so würde unzweifelhaft sofort ein Termin für die Hauptverbandlung angesetzt und die deS MeineioS Angeklagte vernrtbeilt worden sein. Das durfte nicht geschehen; Friedrich Raguhn war vom ersten Augenblick an überzeugt, daß die Aussagen dieser Fran auf vollkommener Wahrheit beruhten, so wenig ihm bei dieser Anklage auch nach ruhiger Ueberlegung noch eine Absichtlich keit ins Auge springen wollte, weil die Verworfenheit, welche ihr zu Grunde gelegen haben würde, ibn zu groß dünkte. Die Sache sollte wohl nur eine paffende und vortbeilhafte Verwendung finden. Er war aber nicht optimistisch genug, um sich dem Glauben hinzugeben, daß Herr Georg von Greisingen viel zu einer Aufklärung beitragen werde. So mußte mit äußerster Vorsicht zn Werke gegangen werden. Persönlich an Ort und Stelle «ungezogene Erkundigungen sagten Friedrich Raguhn, daß er durch den gntert Eindruck, welchen ihn Frau Rüstringen gemacht, nicht getäuscht worden war. Sie hatte mit unermüdlichem Fleiß gearbeitet und bis vor etwa drei Jahren in guten Verhältnissen gelebt. Der Botenpostcn war nach nnd nach eingegangen, dock hatte eS ihr weder zur Sommers- noch Winterszeit an Arbeit gefehlt. Jeder batte sie gern genommen, weil sie ihr Brod und ihren Lohn immer reichlich verdiente. Ein monatelang andauernde» Krankenlager batte ihr den ersten Stoß versetzt, und nachher war's gewesen, als ob sie sich nicht Mehr davon habe erholen können, bis sie nun nichts übrig bebalten, und wenn der Gutsherr sie nicht unterstützt hätte, lebendigen Leibes verhungert wäre. In einem'weiteren Dermin batte Frau Rüstrinaen dann ausgesagt, daß der Großknecht ihr auf Vttanlaffunz de» Herrn das Korn eingemeffen und die Kartoffeln zuzewogen habe. Nickt der Verwalter habe den Auftrag gegeben. Hier war eine Differenz in den Aussagen, die, an sich unbedeutend, dock die Möglichkeit nahe legte, einen Entlastungszeugen zu gewinnen. Der Großknecht aber hatte den Dienst verlassen und Niemand Wollte wissen, wohin er gegangen war. Eine Vcr nehmung desselben erschien aber dem Vorgesetzten von keiner Bedeutung. Er gab Raguhn mit ziemlich deutlichen Worten zu verstehen, daß die Art und Weise, wie er die Vornnter suckungen zu leiten beliebe, durchaus nicht den Gewohnheiten eines tüchtigen Beamten entspreche. Die Arbeit banse sil> und es müsse doch vor allen Dingen auf eine schleunige Ec ledigung eines jeden einzelne» Falles gesehen werden. Friedrich Raqubn ließ sich nicht beirren, obwohl er sick nicht darüber tauschte, was die Worte des Amtsrichters ,üc ihn bedeuteten. Der deutlich ausgesprochene Vorwurf wirtlc nickt hindernd auf seine Entschlüsse. Er begann persönlich dem Verbleib deS Großknecktes nachzuforschen. Ein Nachmittagsspaziergang brachte ihm vollkommene Aufklärung. Der Knecht batte mir den Dienst gewechselt und war gegenwärtig auf dem Gute eines Land wirtbcs bei Quedlinburg. Friedrich Raguhn fühlte sich sehr beruhigt. Er beschloß eine Zengen-Vorladung, und wenn er dabei auf Widerstand stoßen würde, so wollte er wenigstens eine commissarische Vernehmung deS Knechtes beantragen. Frau Rüstringeu war überzeugt, daß er sich deS Tages noch erinnern werde. Der Knecht sei gerade an dem Tage sebr aufgeregt gewesen und er habe ihr dann auf ihre Frage mitgetbeilt, daß er einen Aerger mit dem Inspector gehabt, und da eS der fünf zehnte des Monats sei, gleich kündigen wollte. Auch diese Angelegenheit batte dann zur Befriedigung des Assessors seine Erledigung gefunden. Der Knecht stand mit seinen Aussagen nicht allein. Drei Tage vor dem fünfzehnten war er auf der Wiese mit sieben Personen beim Heu beschäftigt gewesen, als der Gerichtsvollzieher Allmer die Nüstringen nach der Stadt nnd aufs Amtsgericht gebracht. Sic habe einen Offenbarungseid leisten sollen, wie er gehört, und muffe die Nacht oder wohl gar ein paar Tage m der Frohnvrste bleiben. Er hab« sich dann sehr gewundert, al» die Rüstringeu drei Tage darauf den Roggen und die Kartoffeln geholt. Der Herr sei sonst nicht gerade weichmüthig gewesen, und daß er nut dem armen Weibsen ein Mitleid gehabt, habe er ihm
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