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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.03.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960312010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896031201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896031201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-03
- Tag1896-03-12
- Monat1896-03
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Haffe alsbald mittheilte, von anderer Seite; feine eigenen Ausführungen liegen unter der vorstehenden Uebersckrift erst in der neuesten Nummer jener Wochenschrift vor und zeichnen sich vor jenem Artikel,der sich bereits in erfreulichemGegensatz zu den überschwänglichen Kundgebungen in anderen Blättern durch maßvolle Vorschläge auSzeichnete, noch dadurch besonders auS, daß er nicht nur die Bedürfnißfrage noch genauer um schreibt, sondern auch die deutsche Leistungsfähigkeit in Betracht zieht. Wir theilen daher auch diesen Artikel mit und verzichten nur auf die Wiedergabe der Einleitung, die vielleicht den falschen Anschein erwecken könnte, als ob der Herr Verfasser auch eine Lanze für Pläne brechen wollte, die er im weiteren Verlaufe seiner Darstellung ausdrücklich von sich und dem Verbände abweist. Nach dieser Einleitung schreibt Herr Prof. Haffe: „Die im „Transvaal", oder, wie es unsere niederdeutschen Brüder lieber hören, in der „Südafrikanischen Republik" plötzlich eingetretenen Ereignisse sind nicht der Grund für den Wunsch nach Vergrößerung unserer Flotte. Auch mit einer größeren Flotte könnten wir einen Kampf gegen Eng land um den Einfluß in Südafrika nickt gewaltsam zum Austrag bringen. Die dortigen Ereignisse zeigten nur, daß Deutschland an einem Puncte, an dem es wichtige materielle Interessen zu vertreten hat, nicht mehr als ganze 50 Mann zu landen vermag, und auch das noch um den Preis der völligen Entblößung unseres ost afrikanischen Schutzgebietes von einer deutschen Seemacht. Von der Delagoabucht aus wnrde die Schwäche unserer Seemacht wie mit einem elektrischen Scheinwerfer plötzlich grell beleuchtet. Wir mußten uns fragen, ob wir denn im Falle eines, wie die Erfahrung lehrt, möglichen Conflictes mit irgend einer überseeischen Macht zweiten Ranges, etwa Brasilien, Argentinien, Chile, China oder Japan, in der Lage seien, unsere Interessen wirksam zu vertreten — und wir mußten diese Frage verneinen. Es ist aber ein Irrt hum, anzunehmen, daß die Vermehrung unserer Flotte durch den Besitz unserer jetzigen Schutzgebiete bedingt sei. Dem ostafrikanischen Ausstande und den Aufständen in Kamerun und in der Südsee ist unsere Flotte stets gewachsen gewesen. Keinesfalls sind hierfür Panzerkreuzer nöthig, höchstens einige kleine flinke Schiffe, die tief in die Küsten gewässer eindringen können. Einen etwaigen Kampf um den Besitz unserer Colonien mit einer europäischen Macht werden wir aber nicht an den Küsten dieser Colonien, sondern in den europäischen Meeren auSzufechten haben. Nur insofern kommen unsere Colonien bei einem künftigen europäischen Kriege und bei der Rolle, die in diesem unsere Flotte zu spielen haben wird, in Betracht, als unsere Colonien einen Tbeil dessen darstellen, was wir in der Welt als deutsches Gut zu vertheidigen haben werden, verlieren oder vermehren können. Und da entsteht die zweite Frage, ob unsere Marine der ihr in europäischen Kriegen zufallenden Aufgabe ge wachsen sein wird. Diese Frage ist ohne Weiteres zu ver neinen, wenn wir unsere Flotte mit der englischen und französischen vergleichen. Aber dahin zielt auch unser Ehrgeiz nicht. Dagegen ist eS doch eigentlich selbstverständlich, daß unsere Marine in der Lage sein muß, die Ostsee gegen eine russische und eine etwa mit dieser verbündete dänische Flotte zu halten. Und da behaupten nun leider unsere Fach leute, daß unsere Marine seit 1884 nicht mehr dazu im Stande sei. Sie behaupten ferner, daß die Kosten einer ausreichenden Befestigung der deutschen Küsten die Kosten einer ganz beträchtlichen Flottenvermehrung ganz wesentlich übersteigen. Wer also das Bedürfniß einer Vermehrung der deutschen Flotte leugnen will, der muß den Nachweis führen, daß wir in den südamerikanischen und ostasiatischen Meeren Flotteustationen mit Kreuzern stets genügend zu besetzen schon jetzt in der Lage find, und er muß ferner den Nach weis führen, daß unsere Marine auch beute noch der russischen überlegen ist, sowie endlich, daß unser vorhandener Küstenschutz wirklich genügt. Haben wir somit die Bedürfnißfrage anerkannt, aber auck genau umschrieben und uns hierbei von aller Uferlosigkeit fern gehalten, so können wir auch bei der Er örterung der deutschen Leistungsfähigkeit sehr schnell feste Ufer gewinnen. Diese sind die folgenden: Nach Ueberwindung der Anschauung, daß man auch Kriegs schiffe da zu kaufen hat, „wo cs am billigsten ist", kann eS beute als selbstverständlich gelten, daß der Bau deutscher Kriegsschiffe nur in dem Maße gefördert werden sollte, als die Entwickelung deutscher Schiffswerften und deutscher Walzwerke für Panzerplatten dies zuläßt. Diese Anstalten müßten allerdings baldigst an Erweiterungen denken, schon auch, um in der Lage zu sein, fremde Aufträge anzunehmen, wie diejenigen, die sich aus den heutigen Flottenbauplänen Japans und Chinas ergeben. Heute beruht die Leistungsfähigkeit unserer Marine vor Allem auf ihrem hervorragend tüchtigen Personalan Officieren und Mannschaften. Eine Vermehrung der Schiffs zahl nützt unS nichts, so lange wir diesen Zuwachs nicht bemannen können. Andererseits ist es die Nation ihren tüchtigen Seeleuten schuldig, ihnen an Stelle „alter Kasten" Material von allererster Güte unter die Füße zu geben. Aus diesen Einschränkungen ergiebt es sich schon, daß die Flottenvermehrung ein verhältnißmaßig langsames Tempo einschiagen muß, wenn auch ein schnelleres als bisher. Vollzieht sich aber der Schiffsbau allmählich, so brauchen wir auch keine großen Anleihen zu diesem Zwecke, und steht daher auch der Gedanke an eine zweihundert oder gar fünf hundert Millionenanleihe, der hier und da aufgetaucht sein mag, für uns gar nicht zur Frage. Im Gegen- theil: bei dem langsamen Tempo deS Schiffbaues und dem schnellen Tempo deS Veraltens der Schiffe müßten wir mit der Gewohnheit brechen, einen Theil des Marinebedarfs auf Anleihen zu übernehmen. Der Marinebedarf sollte mehr als jeder andere Reichsbedarf aus den laufenden Einnahmen gedeckt werden. Daß die Ausgaben für unsere Marine keine unpro ductiven sind und daß wir sie deshalb verantworten können, das hat schon am 7. Februar unter Hinweis auf unseren überseeischen Handel Herr Eiffe aus Hamburg schlagend nachgewiesen. Und wir gedenken diesen Beweis, wenn nöthig, in diesen Blättern später zu vervollständigen. Alles in Allem: Wir haben der im deutschen Volke er freulicher Weise sich mächtig regenden Bewegung für die Ver stärkung der deutschen Marine und einen neuen deutschen Flottenbauplan selbst in Vorstehendem feste Ufer gezeichnet. Aber innerhalb dieser Ufer ist eine lebhafte Be wegung, ist ein mächtiger Fortschritt möglich. Wer in den Tagen von KrügerSdorp noch gezögert hat, für diesen Fortschritt Stellung zu nehmen, der muß sich seit dem 18. Januar entschieden haben. Uns wenigstens sind die erhabenen Worte auS kaiserlichem Munde mehr als eine feierliche Kundgebung: uns sind sie ein politisches Pro gramm. Wenn aber dieses kaiserliche Programm kein anderes ist als das, wofür der Alldeutsche Verband schon seit Jahren kämpft, dann weiß jeder Alldeutsche im Reiche und draußen in der Fremde, daß er sich frei und fest ent schlossen zu dem alldeutschen Programm des Kaisers zu bekennen und alle sich daraus ergebenden Folgerungen muthig zu ziehen hat." AuS den bereits ausführlich mitgetheilten Erklärungen, die der StaatSsecretair v. Marschall bei der Berathung des Marine-EtatS in der Budgetcommission des Reichstags am 5. d. M. abgegeben hat, darf man schließen, daß die in Vor bereitung begriffene Flottenvorlage im Wesentlichen auf die selbe Beantwortung der Bedürfnißfrage sich aufbaut, die Herr Prof. vr. Hasse auf diese Frage giebt. Berücksichtigt die Vorlage auch ebenso die deutsche Leistungsfähigkeit in Bezug auf das Tempo der Ausführung, so halten wir es für kaum denkbar, daß die Mehrheit des Reichstags sich ab lehnend gegen die Forderung verhalten könnte. Allenfalls könnte bei der leidigen Gewohnheit, einen Theil deS Marine- bedarfS auf Anleihen zu übernehmen, die Neigung sich be kunden, denselben Weg auch in diesem Falle zu beschreiten. Bei der Schnelligkeit jedoch, mit der das Flottenmaterial sich abnutzt oder veraltet, ist dieser Weg der schlechteste. Es ist ein besonderes Verdienst deS Herrn Prof. Or. Haffe, aus diesen Punct hingewiesen zu haben. Deutsches Reich. * Leipzig, 11. März. Wie wir den „Nachrichten für den Buckhandel" entnehmen, ist an sämmtliche deutsche Ver leger beute nachstehendes Schreiben ergangen, dessen Be deutung in die Augen springt: „Sehr geehrter Herr College! Der Vorstand des Vereins der Buchhändler zu Leipzig bat gestern an den hier zusammengetretenen Vorstand deS Deutschen Buchdruckervereins folgendes Schreiben gerichtet: „„Leipzig, den 9. März 1896, Deutsches Buchhändlerhaus. An den Vorstand des Deutschen Buchdrucker-Vereins hier. Nus Anlaß der bevorstehenden Verhandlungen des Deutschen Buchdrucker-Vereins mit seiner Gebitfenschaft spricht der unter zeichnete Vorstand des Vereins der Buchhändler zu Leipzig die Erwartung aus. Laß keine Erhöhung der bestehenden Löhne und folglich der Druckpreise zugestanden werde, ohne daß der Buchhandel darüber gehört worden wäre. Als Hauptaufkraggeber der Druckereien glaubt der Buchhandel ein Recht aus diese Bitte zu haben. Sollte es sich in den Verhandlungen Herausstellen, daß wirth- schastlich berechtigte Gründe für eine Lohnerhöhung sprechen, so wirb der Buchhandel sicherlich sich nicht gegen eine ent- sprechende Erhöhung der Druckpreise sträuben. Andere Forde- rungen dagegen würden nach unserer Ansicht nicht zugestanden werden können. Für den Fall, daß aus nicht berechtigten Ursachen eine Arbeitseinstellung der Buchdruckerqehilfen erfolgen sollte, glauben wir in Aussicht stellen zu können, daß der Buchhandel die Buchdruckereien in jeder möglichen Weise unterstützen werde. Es sind bereits Schritte gethan worden, um in kurzer Zeit unter sämmtlichen deutschen Verlegern die nöthige Einmüthigkrit herbeizuführen. Hochachtungsvoll Der Vorstand des Vereins der Buchhändler zu Leipzig. vr. Oscar von Hase, Adolf Rost, Vorsitzender. Schriitsührer."" Die unterzeichneten Leipziger Verlagshandlungen treten dem Inhalt dieses Schreibens in allen Stücken bei. Sie sino fest entschlossen, bei einem Ausstand der Buchdrucker-Gehilfen ihre gesammte Berlags- thätigkeit, so weit sie nicht auf unabweisbaren Ver pflichtungen beruht, einzustellen, ungeachtet der für sie daraus erwachsenden unmittelbaren Nachtbeile. Wir bitten auch Sie, sehr geehrter Herr, für Ihre Firma durch Unter zeichnung der beiliegenden Postkarte den gleichen Entschluß zu bekunden und uns zu ermächtigen, davon öffentlichen Ge brauch zu machen. Wir stimmen durchaus der Absicht der Druckereibesitzer zu, mit ihren Gehilfen in ruhigem Meinungs austausch zu verhandeln, berechtigte und billige Forderungen zu bewilligen, aber der Drohung mit Arbeitseinstellung unter keinen Umständen nachzugeben. Wir halten es für ein Gebot der Klugheit und der Pflicht, ein dem Buchhandel nahe verwandtes Gewerbe bei einem drohenden Nothstande zu unterstützen und durch rechtzeitige Zusicherung dieser Unterstützung vielleicht zur Verhinderung eines AuS- standeS mit allen seinen Folgen beizutragen. Leipzig, den 10. März 1896. (gez.) C- F. Amelangs Verlag. Ioh. Ambrosius Barth. Breitkopf <k Härtel. AlphonS Dürr. Fr. Wilh. Grünow. I. C. Hinrichs'sche Buchhandlung. C. L. Hirschfeld. Ferd. Hirt L Sohn. B. G- Teubner. Georg Thieme. Veit L Comp. R. Doigtländer'S Verlag. Georg Wigand." Berlin, 11. März. Zu der Frage der Umwand lung der Reichs- und Staatsanleihen liefert der Reichstagsabgeordnete Or. v. Buchka einen beachtenSwerthen Beitrag. Die Rcichstagscommission für das Bürgerliche Gesetzbuch hat bekanntlich beschlossen, den Procentsatz für die Verzinsung von Sckulden, welche auf gesetzlicher Vorschrift be ruht, also insbesondere für Verzugs- und Proceßzinsen, von fünf auf vier Procent berabzusetzen, soweit nicht besondere Specialvorschriften ein Anderes bestimmen. Die Verfasser des Entwurfs und der Bundesrath hatten den seit Jahr hunderten gesetzlich bestehenden Zinsfuß von 5 Procent bei behalten. Herr v. Buchka mißbilligt den Beschluß und be merkt darüber in der „Kreuzzeitung": „Wenn man sich vergegenwärtigt, daß auf Perioden mit sinkendem Zins fuß, mögen sie auch immerhin lange dauern und den in ihnen lebenden Generationen unabsehbar erscheinen, doch schließlich wieder Zeiten folgen müssen, in denen der Zinsfuß wieder ein höherer werden wird, so scheint es Zweifel haft, ob «S wohlgethan ist, in einem Gesetzeswerke, welches nicht einem nur vorübergehenden Zeitbedürfniß dienen, sondern auf lange Zeit hinaus dir Grundlagen unseres Rechtslebens fixiren soll, neue Bestimmungen zu treffen, welche einem thatsächlichen Zustande entsprechen, der zwar zur Zeit anscheinend stabil geworden ist, dessen Ende aber doch über kurz oder lang einmal eintrrten muß." Herr von Buckka bezweifelt auch, daß die ZinS- Herabsetzung von den Verhältnissen der Gegenwart unbe dingt geboten sei. Daß diese Kritik auS dem konservativen Lager laut wird, wo die Befürworter einer Conversion der 4- und selbst der 3>/rprocentigen Consols stark vertreten sind, erhöht ihre Bedeutung. Verzugszinsen und Zinsen aus Renten sind wirthschaftlich allerdings nicht eines und dasselbe, da die Ersteren einen Ersatz für den in Folge der Nichtbezahlung der fälligen Schuld dem Gläubiger etwa entgangenen Gewinn enthalten sollen, während die Letzteren die frei vereinbarte, bestimmte Vergütung für ein vom Eigenthümer lediglich zum Zweck der Erlangung dieser Vergütung dargeliehenes Capital vorstellen. Aber aus schlaggebend für die volkSwirthschaftlich richtige Be messung des Zinsfußes ist bei der einen wie bei der anderen Art von Schuld der Werth deS Geldes und Herr v. Buchka hat auch für die Bestimmung der VerzugS- und Proceßzinsen das Moment in den Vordergrund gestellt, auf das es hier wie dort ankommt, die Frage nach der Stabilität des gegenwärtigen Zinsfußes. Man braucht mit ihm gar nicht der Ansicht zu sein, daß der Zinsfuß wieder ein höherer werden muß, der Widerstand gegen das nickt zur Ruhe kommende Drängen zur Conversion findet seine volle Be rechtigung schon in der Erwägung, daß der jetzige niedrige Zins fuß in näherer Zukunft wieder steigen kann. Findet diese Entwickelung statt und haben sich inzwischen Conversionen im großen Umfange vollzogen, so wird man zahllose Einzel existenzen, Corporationen und Communen, sowie wegen der unvermeidlichen Verluste an dem durch die Renten umwandelung inS Ausland oder zu gewagten inländischen Unternehmungen getriebenen Capital, das Nationalvermögen um vorübergehender Bortheile deS FiscuS willen ge schädigt haben. * Berlin, 11. März. Wie vor einiger Zeit die zuständige Stelle in Dresden, so tritt jetzt auch das „Militair- Wochenblatt" der unwahren Behauptung entgegen, daß das Heer eine Sckule der Unzucht sei. Das „Militair- Wochenblatt" schreibt nämlich zur „Abwehr": „Gelegentlich der Verhandlungen im Reichstage über den Militairetat ist neben den alljährlich sich wiederholenden, allmählich des Reizes der Neuheit entbehrenden Angriffen auf die HeereSemrichtungen auch der Vorwurf erhoben, die Unsittlichkeit sei im Heere ganz außerordentlich groß; ja es ist sogar unter Berufung auf die Aeußerung eines bockgestellten Geistlichen der Ausspruch ge fallen, das Heer sei für Viele eine Schule der Unzucht. Daß manche junge Leute, namentlich der Landbevölkerung, die, den häuslichen Einflüssen entrückt, zum ersten Male den Ver führungen der großen Städte ausgesetzt, diesen unterliegen, kann und soll nicht in Abrede gestellt werden, wohl aber, daß hierfür die Armee verantwortlich gemacht wird. In ihrem sittlichen Lebenswandel werden die einzelnen Bestanbtheile der Armee im Allgemeinen so sein wie die Kreise, aus denen sie hervorgegangen sind. Es ist nicht ganz leicht, einen unbedingt zuverlässigen Maßstab für die Beurtheilung dieser Verhältnisse herzustellen; aber nicht ohne Interesse wird das Studium der Verbreitung der venerischen Krankheiten, die Folge erscheinungen geschlechtlicher Ausschweifungen, sein, wozu der „SanitätSberickt über die königl. preußffche Armee rc", der im Jahre 1895 erschienen ist, ein vortreffliches Material bietet. Wir wollen zunächst die trockenen Zahlen, die eine beredte Sprache reden, mittheilen. Bon je 1000 Mann der Iststärke gingen an venerischen Erkrankungen der ärztlichen Behandlung zu in dem Zeitraum von 1873'78 .... 32,9 Mann 1878/83 .... 38,4 . 1883,88 .... 30,3 . 1888 92 .... 27,1 - Fsrrillstoii. Die Leipziger Lleiderordnungen. (Schluß.) Von 1596 an folgten sich die Kleiderordnungen in Leipzig überaus schnell und zahlreich. Bi« zum Jahr« 1698 finden sich im Original noch gegen zwanzig gedruckte Ordnungen vor. Sie wurden ausgegrben 1596, 1625 zwei, eine vom Rath und eine, lateinisch, von der Universität; 1634, 1637, 1640 drei, als zwei vom Rath, eine von der Universität; ferner 1642, 1643, 1649, 1652 zwei, beide vom Rath; 1661, 1664, 1667, 1673, 1680 und 1698 nachmals drei. Dazu kamen mehrere, die gelegentlich erwähnt werden, so von 1628, von 1636 und von 1674, sowie vor allen dir kurfürstliche Kleider ordnung vom Jahre 1612, die natürlich auch in Leipzig ver kündet wurde. Dir Beratbungen darüber waren drei Jahre vorher, am 20. März 1609, in Leipzig begonnen worden und dazu au« acht kursäckfischen Städten, al« Leipzig, Dresden, Zwickau, Torgau, Wittenberg, Chemnitz, Langensalza und Freiberg, Abgeordnete erschienen, von denen Leipzig den Vorsitz führte. Di« Versammlungen wurden auf dem Rathhause abgehalten und wahrt«» acht Tage. Den gefaßten Be schlüssen lagen die meiste« städtischen Kleiderordnungen Kur sachsen« zu Grunde. Die Hauptschuld, daß diese Ordnungen sich so oft wieder holten und wirku»g«lo« bliebe«, trugen wohl meisten« die höheren Stände, die RathSherren und reichen Handelsherren, di« den anderen Bürgern unserer Stadt mit schlechtem Bei spiel vorangingen, wozu ja auch Rücksichten auf ihre Ver wandten und Freunde kommen mochten. Freilich wurde manchmal scharf zugegriffen, am schärfsten wobl vom Kur fürsten Johann Georg I. im Jahre 1618. Da feierte Or. JonaS Möstel, der Sohn des Bürgermeisters vr. Theodor Möstel, seine glänzende Hochzeit, an der Graf Philipp Ernst zu Mansfeld als Vertreter der verwittweten Kurfürstin und Heinrich von Friesen als Vertreter deS Kur fürsten theilnahmen. Gegen einhundertzwanzig Reiter holten die Braut heim — man nannte dies „AuSritt". Bor der Reiterschaar zog der Stadtpfeifer von Naumburg mit seinen Leuten einher. Er war dazu bestellt worden, die Trompeten zu blasen, wie e« bei der Naumburger Kirchenmusik üblich, weil die Leipziger damit nicht geübt waren. Unter seinen Freunden und Verwandten ritt hoch zu Roß der Bräutigam in einem Kleide von braunem SeidenatlaS, Federn auf dem Hute und — unerhört! mit goldenen Sporen angethan. Auch sein Roß trug Federbüschte auf dem Kopfe und am Schweife, kostbares Zaumzeug, und über dem Sattel eine sammetne Decke mit goldenen Borten. Beim Kirchgänge trug der Bräutigam ein Kleid auS schwarzem Sammet, daran Aermel von goldenen Stücken nnd zur Hochzeit wurde drei Tage lang getafelt, Mittag« und Abend«. Der Kurfürst war entrüstet und forderte Bericht vom Rathe, vom Schösser und von seinem Abgesandten, Heinrich von Friesen. Die eingrschickten Berichte schienen den Kurfürsten noch nicht befriedigt zu haben, denn er forderte einen zweiten Bericht vom Rathe, vom Scköffer und statt Friesen'- von dem Ordinarius der Iuristenfacultät, vor welcher Letzterem der Miffethäter sich mit seinem Vater, dem Bürgermeister, ver antworten mußte. Der Vater gab zur Entschuldigung an, sein Sohn hätte sich die Kleider auf eigene Kosten anfertigen lassen und geglaubt, als ein Doctor dürfe er solche Kleidung und solche Sporen an seinem Ehrentage wohl einmal tragen. Der Sohn selbst bat um Verzeihung, wenn er auS Jugend oder Unvorsichtigkeit iu einem oder dem anderen zu weit ge gangen wäre. Der Kurfürst blieb jedoch unerbittlich. Doctor JonaS Möstel mußte eine Buße von 1000 Thalern bezahlen, für damalige Zeit eine bedeutende Summe. Aber solch ein energische« Ein,chreiten gegen den Luxus war eine Ausnahme. Im Allaemeinen waren die angedrohten Geldstrafen so ge ring, zehn bis zwanzig Thaler, daß der reiche Bürger sie ohne Verdruß bezahlen konnte. Wahrscheinlich wurden die Strafen selten genug eingetrieben, standen wohl auch nur auf dem Papier, und hatten somit für» Leben keine Geltung. Schließlich hätte man die ganze Stadt in Strafe nehmen müssen, da die anfängliche Aufpasser« nachließ, und endlich Niemand mehr gehorchte, wie dies ja auch in den Klagen, wie wenig die Verordnungen genützt, deutlich ausgesprochen wurde. Dergleichen Klagen sprach der Rath in der Kleider ordnung von 1625 aus, worin eS, nach dem Sündenregister der Mannsleute, vom „Weibesvolke" heißt „Frauen und Jungfrauen, die machten vollends den GarauS, und die Folgen davon wären, Alles würde an die leidige Hoffarth gehenkt. Dergleichen hochmütbige Jungfrauen dächten zwar durch solche ihre schönen Kleider desto eher zur Heirath zu kommen, aber in Wahrheit würde gerade dadurch mancher ehrliche Gesell stützig, sich an eine solche übermüthige Dirne zu verheiratben — dahero sie gemeiniglich sitzen blieben." Noch eindringlicher aber redete der Rath während deS dreißig jährigen Kriege« zu den Bürgern, indem wohl damal« der getriebene Luxus mit dem allgemeinen Elend in grellem Gegensatz stehen mochte, und der fromme Glaube herrschte, Deutschland würde von demselben um seiner Sünden heim gesucht. Auch später noch suchte der Rath die Bürger durch Vorstellungen vom Luxus abzuschrecken. Als im Jahre 1680 die Pest der Stadt Leipzig näher kam,wurde noch eine Kleiderordnung erlassen und noch die jüngste Kleiderordnung, die von 1698, droht mit der göttlichen ZorneSrutbe, die sich in der Ver hängung von Pestilenz. Kriegsgefahr, Theurrung und nabrungS losen, schweren und besorglichen Zeiten gezeiget habe, Beweis genug, daß die erlassenen Ordnungen erfolglos gewesen waren. War denn aber der Luxus damals wirklich so maßlos und sinnlos, wie ihn die Ordnungen darstellten? Es giebt keinen festen Maßstab, an den man den Luxu« einer Zeit be messen könnte. Was in einem reichen Haushalte als ver- hältnißmäßig einfache Lebensführung gilt, ist in einem ärmeren Haushalt bereits Lu^u«. WaS in dieser Beziehung in großen Städten nicht auffallt, erregt in kleinen Städten oder auf dem Lande Anstoß. Die Auffassung isi auch zu den ver schiedenen Zeiten verschieden. In friedlicher und reicher Zeit gewöhnt sich da« Volk an Genüsse, auf die eS in kriegerischen und ärmeren Zeiten verzichten muß. Unsere Vorfahren, die noch die Napoleonischen Kriege erlebten, würden wahrschein lich die Hände über dem Kopfe zusammenschlagen, wenn sie sehen könnten, wie wir jetzt leben. Hierzu kommt, daß die Menschen immer geneigt sind, über die Verderbtheit ihrer Zeit zu jammern. Diese- Jammern setzte sich aber seit dem Mittelalter fort bis zu den Zeiten unserer Großväter, doch schilderten diese Klagen nur da« Häßliche, während da« Gute an dem eS auch nicht fehlte, verschwiegen blieb. Wollen wir di« zahlreichen Klrid»rordanng«n, d» gerav«
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