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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.03.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960314014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896031401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896031401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-03
- Tag1896-03-14
- Monat1896-03
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Die Morgen-AuSgabe erscheint «m '/,7 Uhr. di« Abeud-Au-gabe Wochentags um 5 Uhr. NeLaction und Lrpe-Mon: JohanneSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: ktt» Klemm'« Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraste 1, LouiS Lösche. Natharinenstr. 14, pari, und König-Platz 7. Bezugs-Preis in der Hauptexpeditton oder den im Stadt» b«irk und den Bororten errichteten Aus gabestellen ab geholt: vierteljährlich bei zweimaliger täglicher Zustellung in« HauS ü.üO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertrstährlich k.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendung ins Ausland: monatlich 7.50. Morgen - Ausgabe. Wp^igtr TllgMM Anzeiger. Ämtsvtalt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Natljes und Nokizei-Amtes der Madl Leipzig. Sonnabend den 14. März 1896. AnzeigewPrei- die bgefpaltme Petitzeile 20 Psg. Reklamen unter demRedactionsskrtch (4ad» spalten) 50^, vor den Fcumlira^achrtchten (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichnist. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung »> 60.—, mit Postbeförderung ^ll 70.—. Ännahmeschluß für Aazeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine kalbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 90. Jahrgang. Der Gesetzentwurf über die ärztlichen Lezirksvereine. Li-n. Der Gesetzentwurf über die ärztlichen Bezirksvereine im Königreich Sachsen, den die Negierung dem Landtage vorgelegt bat, ist bereits von der Zweiten und der Ersten Kammer angenommen worden und wird voraussichtlich in kürzester Frist die königliche Sanktion erhalten. Er be deutet einen wichtigen Schritt vorwärts zur Festigung der Organisation und des Ansehens deS ärztlichen Standes Hervorgegangen ist der Entwurf aus Anträgen der sächsischen Acrztevereine. Die sächsische Standesorganisation setzt sich bekanntlich seit 1872 aus sechsundzwanzig Be zirksvereinen zusammen, die ihrerseits vier Kreisausschüsse wählen. Diese berathen die Vorlagen, die an die Spitze der Organisation, das Landes-Medicinalcollegium, gelangen sollen. Dieses Collegium bestehl cn S vom König ernannten ärztlichen Beamten, Vertretern d r Kreis vereine und einem Mitgliede der medicinischen Facrlt it der Universität Leipzig. Das neue Gesetz räumt nun diesen Bezirksvereinen über die StandeSgenofsen eine Disciplinar- gewalt ein, die bis zur Entziehung des Wahlrechts auf 5 Jahre und zur Verfügung einer Geldstrafe bis zu 1500 geht. Zugleich müssen in Zukunst alle prakticirenden Aerzte den Bezirkövereinen angehören. Ein TiSciplinarbof, aus drei gewählten Aerzten der Kreisvereins-Aiisscküsse und einem Regierungsvertreler als Vorsitzendem bestehend, befindet über die Berufungen gegen Urtbeile der ärztlichen Ebrenrälhe. Auch die Aufgaben der Bezirksvereine werben erweitert. Eine Standes- und Disciplinarordnung enthält der Ent wurf nicht, sondern überläßt den einzelnen Vereinen die Festsetzung ihrer Ordnungen. Vielleicht wäre hier ein anderer Weg zweckmäßiger gewesen; der Abgeordnete vr. S ck> i l l betonte in der Zweiten Kammer mit Recht, daß der Begriff der Ehre nirgends Verschiedenheiten zulasse und daß deshalb auch eine einheitliche Regelung der Frage zu erstreben sei. Herr vr. Schill warf zugleich die Frage ans, ob eS zur Wahrung der Ehre und deS Ansehens des Standes nicht möglich sei, von einer Standesordnung überhaupt abzuseben und sich blos, wie bei derartigen Entwürfen in anderen Staaten, mit einer allgemeinen Klausel zu begnügen und daS Uebrige dem diskretionären Ermessen der Ehrengerichte zu über lassen. Die sächsischen Aerzte wünschen allerdings eine kasuistisch gestaltete Standesordnung und meinen, daß die von den Vereinen der Regierung überreichte lediglich das enthält, was der Arzt als Schutz gegen bas bedrohte An sehen deS Standes verlangen muß: Verbot des Reclame- wesenS, Verhütung unlauterer Concurrenz, Verhinderung geschäftlicher Verbindung von Aerzten und Curpfuschern, Sicherung gegen Ausnutzung durch die Krankenkassen rc. Recht glücklich ist in dem Entwurf das DlSciplinar- verfahren gegen beamtete Aerzte und Sanitätsosficiere geregelt, eine Frage, an der in Preußen die Verleihung von weiteren DiSciplinarbefugnissen an die Aerztekammern gescheitert ist. Auch die beamteten Aerzte muffen den Bezirksvereinen beilreten, nur die SanitätS- officiere nicht; die Angelegenheiten der bereits einer staatlich geordneten TiSciplinarbebörde unterstellten Aerzte sind obne Weiteres an diese Behörde abzugeben und auch die Militairärzte unterliegen den Bestimmungen der SlandeS- ordnung. Das Kriegsministerium hat ausdrücklich zugesichert, darauf halten zu wollen, daß alle die CivilpraxiS betreibenden Militairärzte — eine übrigens verhältnißmäßig geringe An zahl — bei Ausübung dieser Praxis die Bestimmungen der StandeSordnungea beobachten. Die Gründe für den Gesetzentwurf sind in den bei gefügten Motiven deutlich gezeigt. „Durch die Curirfreiheit, die gesetzlich zugelaffene Ausbeutung deS Curpfuscbertbums sei der ärztliche Stand in eine schwierige Lage gerathen, die sich geradezu zu einem Nothstand entwickelt habe, seit dem die Organisation eines großen Tbeiles deS Publikums m Krankenkassen, die als mächtige Verbände den einzelnen Aerzten gegenüber ein unheilvolles Uebergewicht besitzen, unter den letzteren, die ohnehin bei dem Zudrange zum Medicinstudium eine Ueberzabl aufweisen, eine wilde Con currenz entfesselt, die Erwerb-verhältniffe in unwürdiger Weise gedrückt habe und in der Lage sei, ihren Aerzten, wie es vielfach geschehen sei, unwürdige Bedingungen aufzu erlegen." (Für die Construction dieses Schachtelsatzes bitten wir uns nicht verantwortlich zu macken; Or. Wustmann müßte seine grimmige Freude daran haben ) So sei es gekommen, daß den ihrer Standesekre und der Pflickten, die ihr verantwortungsreicker Beruf ihnen anferlege, eingedenken Aerzten vielfach solche gegenüber stehen, die ihren Erwerb in Ausbeulung des Publikums mittels schwindelhafter Reklamen und dadurch suchten und fänden, daß sie sich geradezu in den Dienst von Curpfuschern stellten. Unter diesen Mißständen habe der gesammte ärziliche Stand, und bei der wichtigen Stellung des Arztes innerhalb der Gesellschaft die letztere selbst zu leiden. Eine ähnliche Disciplinargewalt, wie die Rechtsanwälte sie haben, scheine der einzige Weg zur Abhilfe. Die Mißstände bei den Ortskrankenkassen sind somit ein Hauptgrund für das neue Gesetz. Daraus erklärt sich, daß bei der Berathung in der Zweiten Kammer lediglich die Socialdemokraten den Gesetzentwurf grundsätzlich verwarfen. Sie fürchten bei den in socialdemokratiscken Händen be findlichen Krankenkassen, z. B. in Dresden, Leipzig und Chemnitz, eine Verminderung ihres Einflusses. Offen sprach dies der Abgeordnete Fräßdorf auS; er erklärte u. A: „Ich ersuche Sie, die Krankenkassen, die Arbeiter zu schützen, indem Sie sie nicht an solche ärztliche Bezirksvereine ausliefern, die, wenn sie auch beute noch das Beste wollen, für die Zukunft doch einmal etwas ganz Anderes anstreben können, als jetzt der Fall ist." Der Redner rühmte dann noch das vorzügliche Wirken der eben genannten Ortskrankenkassen. Die Aerzte sind darüber häufig anderer Ansicht; ist dock bekanntlich die Chem nitzer Krankenkasse diejenige, die zuerst die Zulassung der Curpfuscker zur Behandlung der Cassenmitglierer durch eine eigenartige Auslegung deS Wortes „ärztliche" in H. 6 deS Krankenversicherungszesetzes vom 15. Juni l883 einzuführen ver suchte, wie denn auch unter den Jmpsgegnern die Socialbemo- kralen fick in ersterReihe Hervorthun. Dennoch können die Herren beruhigt sein. Der ärztliche Stand wird sicherlich seine Machtbefugnisse nicht überschreiten und nach wie vor im Interesse der Culmraufgabe der Krankenversickerung zu Opfern bereit sein. Nur eins wird er verlangen und jetzt besser durchsetzen können als vorher: daß er in seinen Existenz bedingungen und in seinem Ansehen nicht durch die Kranken kassen gefährdet wird. Bei der gefährdeten Lage, in welcher der Aerztestand sich befindet, ist eine Disciplinarordnung, wie sie Baden, Braun schweig und Hamburg bereits mit Erfolg durchgeführt haben, erforderlich und heilsam. Sie wird voraussichtlich in Sachsen den Aerzten wie der Allgemeinheit von Segen sein. Deutsches Reich. T>. Leipzig, 13. März. Die Revision, die der vom Landgericht Berlin I wegen Majestätsbeleidigung ver- urtherlte Redakteur der „Ethischen Cultur" I)r. K. Förster eingelegt hatte, ist heute vom Reichsgericht verworfen worden. * Leipzig, 13. Marz. Zu der von uns mitgetheilten Er klärung einer Anzahl Leipziger Verlagshandlungen über ihre Haltung gegenüber der gegenwärtigen Lohnbewegung der Buchdruckergehilfen waren, wie wir den „Nachr. f. d. Buchhandel" entnehmen, bis zum gestrigen Tage l70 Zu- stimmungSerklärungen anderer Verleger eingegangcn. Berlin, 13. März. Der Landwirthschaftskammer für Schlesien ist ein Gesetzentwurf, betreffend die Entschädi gung für Verluste durch Schweinekrankheiten, zur Begutachtung vorgelegt worden. Er unterscheidet sich von dem im vorigen Jahre dem Landtage unterbreiteten im Wesentlichen nur dadurch, daß er für den Fall, daß die Provinz als solche auf die ZwangSversiche- rung verzichtet, nicht« bestimmt. In der vorjährigen Vor lage war für diesen Fall einzelnen Kreisen oder Ver bänden von Kreisen die Einführung der Versicherung, vor behaltlich der Genehmigung der Minister des Innern und der Landwirthschaft, anheimgestellt. Die Vorlage war im Herrenhause angenommen, im Abgeordnetenhause aber in zweiter Lesung durch eine Resolution beseitigt worden, welche empfahl, erst die LandwirthschastSkammern bezw. die lantwirtbschaftlichen Provinzialvereine zu kören und die Versicherung dort einzuführen, wo diese Körper schaften es begutachten. Diesem Beschluß entspricht das Vorgeben der Regierung. Im klebrigen sind, wie gesagt die im Abgeordnetenhaus?, namentlich auf konservativer und freiconservaiiver Seite, laut gewordenen Wünsche nicht berücksichtigt. Insbesondere bleiben die Kosten der Versickerung der Gesammtheit der Schweine besitzer der Provinz überbürdet und sind nicht, wie unter einem Hinweise auj „das Interesse der Consumenten an der Gesunderhaltung des Sckweinebestandes" verlangt worden war, aus öffentlichen Mitteln anfzubringen. Mit dieser Be stimmung entspricht die schlesische Vorlage der von der nationalliberalen Partei kundgegebenen Auffassung von Recht und Billigkeit. * Berlin, 13. März. Die „Nordd. Allg. Zig." bringt beute an leitender Stelle gegen den konservativen Antrag auf Einführung der fakultativen Civilehe einen Artikel, in dem es heißt: „Kann es . . nicht zweifelhaft sein, daß die Annahme des konservativen Antrages weniger einen Portbeil gegenüber dem vom Entwürfe vorgeschlagenen Rechtszustanre vom religiösen Standpunkte aus bereuten, als vielmehr eine Principienfrage zu Gunsten der Antragsteller entscheiden würde, so erscheint die Eindringung des Antrages doppelt bedenklich, wenn erwogen wird, daß er, selbst wenn er in der Commission und im Plenum deS Reichstages eine Mehrheit finden sollte, auf die Zustimmung des BundesratbeS keinenfalls zu rechnen haben würde. Seine Annahme im Reichs tage würde das Zustandekommen des Bürgerlichen Gesetzbuches gefährden, ohne irgend welche Vortheile, vom Standpunkte der Antragsteller auS betrachtet, zu gewähren. Würde man sich gegenüber der ablehnenden Haltung des BundeSratbes dafür entsck-'eßen, daS Eherecht überhaupt auS dem Bürger lichen Gesetz.'vch auszuscheiden, so wäre hiermit für die Antrag steller nichts gewonnen; denn es müßte dann bei der be stehenden Regelung der Materie verbleiben, und auch für den Fall einer Neuregelung würde sie kaum zu einem dem An träge günstigen Ergebniß gelangen. Auf der anderen Seite unterliegt es den schwersten Bedenken, einen so wichtigen Tveil deS Familienrcchtes auS dem neu einzuführcnden Gesetz buch auszuscheiden; die Ausscheidung würbe eine nicht zu rechtfertigende Verstümmelung deS Werkes bedeuten. Würde aber unter diesem Gesichtspunkt der Bundesrath seine Zustimmung zu der Ausscheidung versagen, so stände man vor der Möglichkeit des Scheiterns deS ganzen so mühevoll entstandenen, großen Gesetzgebungswerkes." L. Berlin, 13. März. (Telegramm.) Der Kaiser besuchte gestern Abend bas Schauspielhaus. Heute Vormittag um 9»/, Uhr unternahmen beide Majestäten den gewohnten Spaziergang durch den Thiergarten. Auf dem Rückwege confrrirte der Kaiser mit dem StaatSsecretair de« Aus wärtigen, empfing, nach dem Schlosse zurückgekehrt, den deutschen Botschafter in Wien, Grafen Philipp zu Eulenburg, und begab sich um 12 Uhr zur Prüfung technischer Versuche nach dem Casernement des Garde- Pionier-Bataillons, wo er dann im Kreise de« Osficiercorps das Frühstück einnabm. Abends gedenkt der Kaiser dem ,Hubertu« - Diner" im Palast des Fürsten von Pleß dei- zuwohnen. Berlin, 13. März. (Telegramm.) Gegenüber der Mitkheilung einiger Blätter, daß Graf Goluchowski in Berlin auch über ein etwaiges österreichisch-englisches Zu sammengehen, insbesondere im Orient, mit den leitenden deutschen Staatsmännern in Meinungsaustausch getreten sei, versichert die „Nat.-Zlg.", daß hiervon an zuständiger Stelle nichts bekannt se». L. Berlin, 13. März. (Privattelegramm.) Der glück liche Abschluß der deutsch-chinesischen Anleihe wird in unter richteten Kreisen hauptsächlich den Bemühungen de« früheren Vertreters Deutschlands am Hofe zu Peking, Herrn ».Brandt, zugeschrieben. 8 Berlin, 13. März. (Privattelegramm.) Wegen Ausgabe einer neuen ttarnison-Berwaltuagsordnung Hal der Kaiser folgende Ordre erlassen: Ich genehmige unter Aushebung der entgegenstehenden Vor- sckrinen die beifolgende Garnison-Berwaltungsordnung mit der Be- siimmung. Laß dieselbe am 1. April 1896 in Kraft tritt. Zugleich spreche Ich die Erwarlung aus, daß die Verwaltungsbehörden in der Erfüllung der Pflicht zur ordnungsmäßigen Veunrthjchaftung und Erhaltung der Garnisonanflalten bei den Truppenbefehlshabern volle Unterstützung finden. Ich ermächtige das Kriegsministerium, alle erforderlichen Erläuterungen zu ertheilen, auch die in Folge allgemeiner Verwaltungsmaßregeln nothwendigen Abweichungen zu genehmigen und die Gebührniß an Verbrauchsgegenständen in Grenzen der durch den Etat dafür gewährten Mittel zu erhöhen. Tie Uebcrlassung der vollen Selbstbewirthjchastung ihrer Cajernen an die Truppentheile hört — soweit sie noch besteht — am 31. März 1897 auf. — Graf Goluckowski hat gestern einen Besuch im Reichstage abgestattet, wobei ihm der Staalsfecretair v. Boetticher als Cicerone diente. Der Minister begnügte sich damit, einen Blick auf die BundeSrathsplätze und den Sitzungssaal zu werfen, in dem gerate der socialdemokratische Abgeordnete Reißbaus in ödester Weise über die Frage des Impfzwanges sich erging. Sehr anziehend war daS nicht, und die leeren Bänke, auf denen sich nach dem Bekanntwerden deS Erscheinens des österreichischen Ministers noch vier bis fünf Dutzend Abgeordnete eingefunden batten (!), konnten auch keine Anziehungskraft ausüben. Deshalb entfernte sich Graf GoluchowSki bald wieder. — In der am 10. d. M. abgchaltenen Generalversamm lung des „Centralvereins für Arbeitsnachweis" erstattete der Vorsitzende I)r. Freund den Jahresbericht für 1895. Die Gesammtfreguenz betrug: Eingeschriebene arbeits lose Personen 23 500, besetzte Stellen 17 000. Von der Einschreibung zurückgewiesen wurden 1100 von auswärts zugereiste Arbeitslose; außerdem nahmen 2000 einheimische Arbeitslose von der Einschreibung freiwillig Abstand. Der Voranschlag für das Jahr 1896 schließt in Einnahme und Ausgabe mit 21 000 ab. — Der schon erwähnte Antrag, den der Abg. v. Mendel- SteinfelS mit Unterstützung der beiden conservativen Fraktionen und des Ccntrums im preußischen Abgeordneten hause eingebracht, bat folgenden Wortlaut: „Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: In Anbetracht dessen, Laß die Großstadt Leipzig ihre Schleußenwässer säst ausnahmslos in die Elster und Luppe leitet und damit das Wasser vieler Flüsse so verunreinigt, daß Gesundheit und Leben von Mensch und Thier der an diesen Flüssen liegenden preußischen Ort schaften schwer gefährdet sind, in Anbetracht ferner, Laß mit der steigenden Bevölkerungszahl und der Vermehrung der industriellen Etablissements Leipzigs dieser Uebelstand von Jahr zu Jahr sich vergrößert und heute bereits einen nahezu unerträglichen Grad er reicht hat, wird die königliche Staatsregierung ersucht: bei der königlich sächsischen Staatsregierung unverweill und nachdrücklich dahin zu wirken, daß die Stadt Leipzig veranlaßt werde, ihre Ab- wässerungsverhälmisfe bald und gründlich zu ordnen. * Kiel, 13. März. (Telegramm.) Die auf der Heim reise befindlichen, vom Mittelmeer bezw. Westindien zurück kehrenden Schulschiffe „Stein", „Stosck", „Moltke" und „Gneisen»»" haben den Befehl erhalten, nicht Wilhelmshaven anzulaufen, sondern durch den Kaiser-Wilhelmcanal direkt nach Kiel zu fahren, wo sie spätesten« am 3l. März eintreffen werden. (B. L.-A.) * Bielefeld, l2. März. Herr Hofprediger a. D. Stöcker und Herr vr. Klasing veröffentlichen in einem westfälischen Blatte gegen einander Erklärungen. Herr Stöcker behauptet in der seinigen erneut, daß er hinauSgedrängt worden sei und es an Bereitwilligkeit zu persönlichem Entgegenkommen nickt bei ihm gefehlt habe. vr. Klasing wiederholt, Herr Stöcker habe von der conservativen Partei fort gewollt. Beide Erklärungen berusen sich auf die Wahrheit, zur Sache dringen sie nichts Neues. * Detmold, 11. März. Die heute von allen 21 Land- tagSadgeordnrten eingebrachte Interpellation wegen der lippischcn Thron so lgefrage hat zu stürmischen Debatten geführt, die noch nicht beendet sind. * Elberfeld, 12. März. Am Montag hielt in der Sitzung de-Schwurgerichts der Erste Staatsanwalt Ehrenberg ^eirilloton. Leipziger Mönche. Der letzte Mönchsorden, der Vertreter nach Leipzig schickte, war der der Franciskaner. Diejenigen, die sich hier am Neukirchhofe niederließen, neigten der milderen Regel der Martinisten zu und arteten endlich so au«, daß sich Herzog Albrecht der Beherzte von Sachsen im Jahre 1487 mit einer Beschwerde über sie an den Papst Jnnocenz VUI. wandte. Dieser gab den Befehl, die Martinisten aus der Stadt zu vertreiben und ibr Kloster mit FranciSkanern der strengen Observanz, mit Vicaristen zu besetzen. Die Martinisten ge horchten und zogen die Mönchskutte auS, aber sie schrieben, wüthend über da« Vorgehen Hegen sie, von ihren Zuflucht-- statten au« an die UniversitätSprofefsorrn und die Zünfte Leipzig- eine Menge Briefe, in denen sie sich gegen den Vor wurf vertheidigten, da« den Bürgern abgebetirlte Almosen zum eigenen Nutzen verwandt zu haben; sie hätten damit ihr Kloster erweitert und auSgebaut, um unter sicherem Obdach den Frieden Gotte« und da« Wohlergehen Aller zu erflehen. Gegen jede« göttliche und menschliche Recht habe man sie vertrieben, sie seien schuldlos und nur insofern treffe sie rin Tadel, daß sie nicht 6000 rheinische Gulden hätten nach Rom schicken können, wie da« jene Leute getban batten, die un schuldige Menschen in ihrer Bosheit und Gottlosigkeit beim Papste verklagt hätten. Um sich dafür zu rächen, drobten sie nicht nur ihren Vertreibern, sondern auch deren Beschützern, Leipzig an allen vier Ecken in Brand zu stecken. Sie würden da« schon längst getban haben, wenn sie nicht Mitleid gehabt hätten mit dem unschuldigen Volke, ihnen vordem immer Willig Almosen gereicht babe. Wenn man aber künftighin den unrechtmäßigen Besi"*rn ihrer Güter ungerechterweise Hilfe und Schutz gewähre, so sähen sie sich wider ihren Willen genvthigt, mit den Schuldigen zusammen auch die Unschuldigen in die Flamme de« Verderbens zu stürzen. Der Schluß eines Briefe« lautet: Aller Uebel Urheber aber sind Wild, Breitenbach und Bauer. DaS waren die Namen des Bürgermeister« und zweier RathSherren von Leipzig. Zu derer und ihrer AmiSgenoffen Verbannung forderten andere Briese auf, damit nicht die verjagten Martinisten gezwungen seien, sich an ihren Feinden durch den Untergang Aller zu rächen. Sogar gegen die Person deS Herzogs richteten die gehässigen Mönche ihre An griffe: sie hofften zwar nicht, daß der Herzog einc Vertheidigung ihrer Gegner unternommen habe, sollte er aber dies thun, so würden sie auch gegen ivn und seine Rätbe vorzugeben wissen. In der nächsten Herbstmesse werde Leipzig an mehreren Stellen brennen ; sie nähmen weniger Rücksicht auf ibr Leben als auf den Verlust ihrer Würde, und Ruhe sei für sie erst nach Vertilgung ihrer Feinde vorhanden. Der Schluß dieses Briefe- lautete: Gehab' Dich Wohl, Wild, der Du Ver brechen anstiftest und leitest; nicht lange, und der Satan wird Dir den Hals umdrehen! Auf diese Drohbriefe ant wortete Georg, der Sohn des in den Niederlanden als Be- feblShaber deS kaiserlichen HeereS zur Befreiung de- römischen König- Maximilian au« der Gefangenschaft der Brügger weilenden Albrecht, durch öffentliche Widerlegungen aller gegen seinen Vater ausgesprochenen Beschuldigungen. Darauf ließen die Martinianer eine Sckmäbschrift aus die herzoglichen Rätbe und den Leipziger Ratb, besonder« aber auf den Bürger meister Wild in deutscher Sprache erscheinen. Der Leipziger Ratb wandte sich an die Franciskaner, die damals gerade eine Ver sammlung nach Norbhausen berufen batten, mir dem Ersuchen, daß die Martinianer entweder ihre Unschuld eidlich erhärten oder Widerruf leisten, wenn sie aber kcinS von beiden thun wollten, zu gebührender Strafe gezogen werden sollten. Da dieser Schritt keinen Erfolg hatte, so richteten als Vertreter de« noch abwesenden Albrecht die Bischöfe Johann von Meißen und Thilo von Merseburg und die sächsischen Rätbe an den Provinzial de« FranciSkanerorden« Johann Hemstadt die Aufforderung, im September nach Grimma zu kommen und einige Franciskaner von anerkannter Frömmig keit mitzubringen. Hemstadt gab zur Antwort, seine Geschäfte erlaubten ihm nicht, zu dem angegebenen Termine zu erscheinen, und bat um Aufschub. Die beiden Bischöfe bestimmten nun den Oktober als Zeit und Leipzig als Ort der Zusammenkunft. Hochmütbig ver langte darauf Hemstadt, die Bischöfe sollten zu ibm nach Erfurt kommen. Gutmüthig und voll Selbstverleugnung erwiderten Jobann von Meißen und Thilo von Merseburg, eine Reise nach Erfurt mache ihnen zu viel Schwierigkeit, sie schlügen da- von ihm auch einmal erwähnte Zeitz al« Treff punkt vor und versprächen ihm dahin freie« Geleit. Wieder machte Hemstadt Ausflüchte: er müsse sich zu den Fürsten Magnu« und Balthasar von Mecklenburg begeben und werte einige Mönche seines Ordens zur Erledigung deS Geschäftes nach Zeitz senden Al« der Leipziger Rath von diesen Winkel zügen eine« Mönche« gegenüber den Vertretern eine« Lande- vernabm, rirlh er in gerechter Empörung und in der Er- kenntniß, daß die Gesandten Hemstadt'« die Sacke in die Lange zu ziehen verstehen würden, die ganze Angelegenheit auf passendere Zeit zu verschieben. Die Vertreter deS Herzog« billigten dies« Ansickt und theilten dem Franciskaner mit, er solle Niemanden schicken, sie würden an ihren Herrn Bericht erstatten. Dadurch bedenklich gemacht, schrieb Hem stadt von Stendal au« an den Herzog Albrecht, führte die Gründe für seine Ablehnungen an und erklärte, er babe überall den Befehl ertheilt, die au« Leipzig vertriebenen Martinianer, wenn man ihrer habhaft werden könne, zu er greifen und inS Gefängniß zu werfen; übriaenS kenne er jene Leute gar nickt, sie hätten ohne sein Wissen und ohne seinen Rath gehandelt, auch dürfe man nicht zu scharf vorgeben, da man Schuldige sowohl wie auch Unschuldige vor sich habe; Kain sei Abels, Ham Japbets Bruder und Jscharioth einst der Jünger des Heiland« gewesen. Die Anzeige von dem Treiben der Leipziger Martinisten hätten die Vicaristen gemacht und er habe einen strengen Verweis von seinem Vorgesetzten in Rom erhalten, daß er nicht genauer den Lebenswandel jener beobachtete, mit ibm habe mau niemals Umstände gemacht und dies wisse der Leipziger Bürgermeister Johann Wild recht gut. Ehe noch dieser Brief in die Hände Albrecht s kam, schlug sich eine Frau, die Aebtissin de« St. Clarenkloster zu Seußlitz an der Elbe, zu Gunsten Hemstadt'- und der Martinisten ins Mittel. Sie setzte auseinander, sämmtliche FrauziScaner Sachsru« hätten een Befehl erhalten, den au« Leipzig vertriebenen Ordensbrüdern nackzuspürrn, sie zu greifen und einzusperren, kurz, sie brachte eS dahin, daß der Herzog Georg auf Hem stadt'S Schreiben freundlich antwortete, e« sei ja nicht« gegen die Gesetze geschehen und den Vertriebenen kein Unrecht zu gefügt worden, sie wären erst laut geworden, al« er nach Preußen gereist sei, und erst in seiner Abwesenheit hätten sie in angeklebten Schmähschriften, von denen er Exemplare bei lege, den Leipziger Bürgern den Krieg erklärt; er verlange eine strenge Beflrafung der Schuldigen, sonst müsse er sich an den Papst wenden oder selbst die Ausschreitungen verruchter Menschen auf eine strenge Art ahnden. Von hier an schweigt die Chronik, wir wissen nicht« von weiteren Drohbriefen, aber auch nicht« von einer Bestrafung dieser heißblütigen Mönche. Sie werden wohl in dem Dunkel irgend eine« Kloster« verschwunden sein. l>—».
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