01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.03.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960313012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896031301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896031301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-03
- Tag1896-03-13
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Beseitigt ist die in manchen Gebieten, so in den neuen preußischen Provinzen, den thüringischen und norddeutschen Staaten, mit Ausnahme der Hansastädie, zulässige Ehescheidung „aus landesherrlicher Machtvollkommenheit". Dieselbe bildet gegenwärtig eine Er gänzung der gerichtlichen Ehescheidung für Fälle, in denen eS an einem gesetzlichen ScheidungSgrund fehlt. Auch der bisherige Unterschied zwischen Scheidung der Ehe, d. h. deren Auflösung dem Bande nach, und vorübergehender Trennung von Tisch und Bett, ist beseitigt, indem auf eine bloße Tren nung nicht mehr soll erkannt werden können, sondern das Gericht fortan lediglich befugt ist, das Proceßverfahren bis auf zwei Jahre auszusetzen, wenn es die Versöhnung der Parteien für nicht ausgeschlossen erachtet. Von katholischer Seite war unter Bezugnahme auf den Beschluß der General versammlung der Katholiken Deutschlands in Freiburg 1888 beantragt, den Zusatz aufzunehmen, daß für einen der katho lischen Kirche angebörenden Ehegatten die Scheidung nur die Auflösung der häuslichen und ebelichen Gemeinschaft bewirke, nicht aber ihn berechtige, während deS Lebens des anderen Gatten eine neue Ehe einzuzehen. Dieser Antrag wurde jedoch von der überwiegenden Mehrheit der Commission ab gelehnt, da er mit dem im Reiche seit dem Personenstands gesetze geltenden Rechte in Widerspruch stehe. Was die Scheidungsgründe selbst betrifft, so ist der bestehende Rechtszustand in den einzelnen Staaten bekanntlich sehr verschieden. Am weitesten in der Zulassung der Schei dung ist das preußische allgemeine Landreckl gegangen, indem dasselbe die Scheidung in ausgedehntem Maße nicht nur im Falle der Verschuldung eines Tbeiles gestattet, sondern auch in Fällen eines dem anderen Theil widerfahrenen Unglücks, r. B. unheilbarer körperlicher Gebrechen, und in zwei Fällen sogar aus Willkür zuläßt, nämlich auf Grund gegenseitiger Einwilligung bei kinderlosen Ehen, sowie auf Grund ein seitiger Abneigung, wenn der Widerwille tief eingewurzelt und zu einer Aussöhnung keine Hoffnung ist. Gleiche An schauungen, wenn auch etwas strenger, vertritt die Nürn berger Ehescheidungsordnung, der cocke civil und das badische Landrecht. Der Entwurf steht auf einem anderen Standpunkte. Er schließt sich der in den übrigen deutschen Staaten neuerdings vorwiegend zur Geltung gekommenen Auffassung des protestantischen Eherechts an, daß ein Ehegatte nur wegen fchweren Verschuldens deS anderen Ehegatten die Scheidung zu verlangen berechtigt ist. Unzulässig soll also die Scheidung auf Grund gegenseitiger Einwilligung sein. Die Motive des ersten Entwurfs weisen darauf bin, daß nicht nur die sämmtlichen preußischen Entwürfe über die Reform des landrechtlichen Ebescheidungsrechts die Scheidung aus Grund gegenseitiger Einwilligung, auch in der Be schränkung auf kinderlose Ehen, nicht ausgenommen haben, und dies gleichmäßig vom Herrenhause wie vom Abgeordneten bause gebilligt ist, sondern daß auch selbst das französische Gesetz von 1884 Anstand genommen hat, jenes ScheidungS- recht in Frankreich wieder herzustellen, weil es mit dem Wesen der Ehe unvereinbar sei. Ebensowenig ist die Scheidung „wegen unüberwindlicher Abneigung" für zulässig erachtet, weil die Ehe eine über der Willkür der Ehegatten stehende sittliche und rechtliche Ordnung sei. Die Scheidung wegen körperlicher Gebrechen ist verworfen, weil die sittliche Natur der Ehe es mit sich bringe, daß die Gatten wie Freude und Glück, so auch Leid und Unglück mit einander tragen müssen. Zu gleichem Ergebnisse kam der I. Entwurf noch bezüglich der Geisteskrankheit, indem er sich dem gemeinen deutschen und dem französischen Recht anschloß. Die II. Commission hat die Ehescheidung wegen Geisteskrankheit aber mit Rücksicht auf die wirthschaftlichrn Nachtheile und die sitt lichen Gefahren für Gatten und Kinder zugelassen, wenn die Krankheit während der Ehe mindestens drei Jahre gedauert und einen solchen Grad erreicht hat, daß die geistige Gemein schaft zwischen den Ehegatten aufgehoben, auch jede Aussicht auf Wiederherstellung ausgeschlossen ist. Schließlich ist auch die in gewissen Grenzen beute verschiedentlich zulässige Schei dung wegen Religionwechsels verworfen, weil letztere kein Verjchulden enthalte. Es sollen danach, außer unheilbarer, schwerer Geisteskrank heit, folgende drei Handlungen eines Gatten den anderen zur Scheidung berechtigen: Ehebruch, Lebensnachstellung, bösliche Verlassung; letztere liegt vor, wenn ein Gatte in böslicher Absicht sich gegen den Willen deS anderen ein Jahr lang von der häuslichen Gemeinschaft fern gehalten hat. Außer diesen ausdrücklich namhaft gemachten Vergehungen eines Gatten enthält der Entwurf aber noch eine generelle, um fassendere Bestimmung. Die Scheidung kann nämlich stets bann verlangt werden, „wenn der andere Ehegatte durch schwere Verletzung der durch die Ehe begründeten Pflichten oder durch ehrloses oder unsittliches Verhalten eine so tiefe Zerrüttung des ebelichen Verhältnisses verschuldet hat, daß dem Ehegatten die Fortsetzung der Ehe nicht zugemuthet werden kann. Als schwere Verletzung gilt insbesondere grobe Mißhandlung". Es ist zu erwarten, daß diese Bestimmung, welche dem richterlichen Ermessen weiten Spielraum läßt, wesentlich in dem von der bisherigen, gemeinschaftlichen Praxis angenommenen Sinne aufgefaßl werden, also außer auf grobe Mißhandlung besonders auf hartnäckige Verweigerung der ehelichen Pflicht und auf den Fall einer Verurtheilung zu mehrjähriger Freiheitsstrafe wegen eines entehrenden Ver brechens angewandt werden wird. Deutsches Reich. Berlin, 12. März. Auf dem Bund der Land wirt he beruht bekanntlich die Macht deS Reiches, er ist die Stütze des Königtbums, das ohne ihn zusammenbrechen müßte. So täglich in seiner Zeitung zu lesen und unzählige Male in seinen Versammlungen zu hören, freilich immer nur inmitten von halbverhüllten Drohungen deS Abfalls vom Reichs gedanken und der Krone. WaS von Beider« ernst gemeint ist, die Betheuerung oder Drohung, daS verräth die BundeSlcitung jetzt mit einer augenbrißenden Deutlichkeit. Weil der preußische CultuSminister in den ElatSdebatten den ultramontanen Znmutbuogen auf Unterwerfung deS Königs unter die Geist lichkeit Widerstand geleistet hat, stachelt die Presse des königö- treuen Bundes durch Spott und Hohn daS Centrum auf, sich seinen patriotischen Aufgaben als große Partei noch mehr zu entziehen, als bisher. Zn der „Correspondenz deS Bundes der Landwirthe" wird beute gesagt, daS Centrum habe „um Lea statt um die schöne Radel gedient", sich von dem Herrn CultuSminister den Löffel weg nehmen lassen, als eS sich zu Tische setzen wollte. Folgt die Aufforderung, der ReichSregierung, die ohne das Centrum „wie ein Fisch auf trockenem Sande" sei, die Hypo thek zu kündigen, womit sie jetzt im Reichstage ihre Feste feiere und wofür Herr Bosse die Zinsen zu zahlen sich weigere. DaS schreiben Deutsche, Preußen, Leute, die nicht oft genug zu behaupten wissen, die deutsche Wehrkraft beruhe auf ihnen. Dabei hat daS Centrum dem Reiche so gut wie gar nichts „vorgeschossen", eS bat die letzte HeereSverstärkung verwei gert und diejenigen seiner Mitglieder, die sie bewilligen wollten, verdrängt. Die Finanzreform ist an seinem Wider stände gescheitert und da- Zustandekommen deS Bürgerlichen Gesetzbuches wird von ihm in Frage gestellt. Nur für die Evlonialpolitik sind die Ultramontanen au» Rücksichten katho lischer Propaganda zu Haden gewesen und wegen ihre- Zu sammenhanges mit dieser Politik für Aufwendung zu Marine zwecken. Und das macht da- Organ eines Mitgliedes der conservativen ReickStag-fraction dem Eentrum beute zum höhnischen Borwurf, um morgen wieder den Antrag Kauitz um der Existenzfähigkeit de» Reiche- willen zu fordern! Man siebt, seine Logik steht auf derselben Stufe wie seine politische Moral. Berlin, 12. März. Die Behandlung der an sich schwierigen Materie der Börsenrrform wird wahrlich dadurch nicht erleichtert, daß Wortführer der Kaufmannschaft mehr und mehr den Ehrenpunct in den Vordergrund stellen. Wenn in der vorgestrigen Versammlung des deutschen HandelS- tages zugegeben wurde, daß im Börsenverkehr Ausschreitungen der Speculation, also doch wohl gemeinschädliche Ausschreitungen vorkommen, und andererseits von dem durch die Börsenvorlage der Handelswelt erweckten Gefühl gesagt wurde, aus daS Fehlen einer kränkenden Absicht bei den Urhebern des Ent wurfs käme nichts an, da Kränkung und Beleidigung Sache des Empfindens sei, so wird die Gesetzgebung in dieser doppelten Feststellung eine Richtschnur für ihr Vorgehen vergeblich suchen. Es darf auch wohl gehofft werden, daß das Gefühl der Kränkung in der Kaufmannswelt nicht so tief wurzelt, wie die Kundgebungen einer durch gehässige Angriffe auf die Börse sehr erklärlich gemachten Erregung erscheinen lassen. So wird man sich beispielsweise gewiß nicht dauernd von der Er bitterung beherrschen lassen wollen, die auf dem Haudelstage darüber zum Ausdruck kam, daß die Vorlage die Börsen- Ehrengerichte nicht nach dem Muster der — selbst von ein ander sehr verschiedenen — Ehrengerichte der Officiere und Rechtsanwälte bildet. Der Unterschied zwischen dem Modus der Zusammensetzung dieser Berufsstände und dem der Entstehung der Gesammtniilgliederschast einer Börse springt denn doch zu deutlich in die Augen. Während die Erwerbung der Osficierseigenschaft von dem Willen des durch höchst verant wortliche Gutachten über die Persönlichkeiten informirten Monarchen abhängig gemacht und die Ausübung der Rechtsanwaltschaft an die Voraussetzung eines erfolg reichen Studiums und einer unter den Augen der nickt nur das berufliche Leben controlirenden Justiz behörde zurückgelegten drei- oder vierjährigen Vorbereitungs praxis geknüpft ist, wird nach ß. 7 der Börsenvorlage zum Geschäftsbetrieb an der Börse jede männliche Person zugelassen, die die bürgerlichen Ehrenrechte besitzt, sich nicht im Concurs befindet und nicht wegen Bankerutls ver- urtheilt ist. Daß diese Cautelen gegen bas Eindringen un geeigneter Elemente nickt mit denen für den Ossiciers- und den RechtsanwaltSstand verglichen werden können, liegt ebenso klar auf der Hand, wie der Unterschied, der sich daraus ergiebt, daß die BerufSthätigkeit der Officiere der ständigen Ueberwachung der Vorgesetzten unterliegt, und der Rechtsanwalt sich in einem vom Gesetz für ihn besonders ge zogenen Pflichtenkreis bewegt. Die Äörsenbesucher unterliegen ähnlichen Beschränkungen nicht und können ihnen nicht unterliegen. Erst dieser Tage ist in einem der Börse keineswegs unfreundlich gesinnten Berliner Blatte auSeinandergesetzl worden, wie zwei Kaufleute, die an der dortigen Börse „weder Ansehen, noch Credit genossen", auf derselben Börse zu einer überaus mächtigen und in der Oeffentlichkeit — ob mit Recht oder Unrecht, ist hier gleickgiltig — viel angefochtenen Position im Getreioebandel gelangt sind. Daß der Mißbrauch der Börsen einrichtungen die Interessen der Allgemeinheit viel näher berühren kann, als Pflichtwidrigkeiten von Anwälten oder im Friedens dienst stebenven Officieren, wird gleichfalls nickt geleugnet werden. ES kann daher auch aus diesem Grunde nicht ernst lich als eine Verletzung der Ehre LeS KaufmannSstanbcs angesehen werden, wenn das ehrengerichtliche Verfahren für Börsenbesucher anders geregelt wirb, als für die Angehörigen jener Stände. * Berlin, 12. März. Der Gesetzentwurf, betreffend die Regelung der Richteraehäl ter in Preußen, bezweckt die Einführung deS DienstalterSftufensystemS auch für die Besoldung der richterlichen Beamten. Die neue Gehalts ordnung konnte bei den Richtern nicht, wie bei den übrigen! Beamten, durch den Staatshaushaltsetat eingeführt werden,! weil die für die Bestimmung des Dienstalters gegenwärtig maßgebende königl. Verordnung nur im Wege des Gesetzes abgeändert werden darf. Es sind im Ganzen vier Gehalts- claflen in Aussicht genommen: 1) Senalspräsidenten, Ober staatsanwälte (einschließlich des Ersten Staatsanwalts bei dem Landgericht I. in Berlin), Landgerichtspräsidenten und Präsident des Amtsgerichts I. in Berlin. Gehalt: 7500 bis 9900 ^4; vier Zulagen zu 600 .4 Erreichung des Höchst gehalts in zwölf Äakren. 2) Oberlandesgerichtsräthe, Vandgerichtsdirecloren, Erste Staatsanwälte. Gehalt: 4800 bis 6600 -4!; die zwei ersten Zulagen zu 500 .4, die zwei späteren zu 400 Erreichung de» Höchst gehalt- in zwölf Jahren. 3) Land- und Amtsrichter. Gehalt 2400 bis 6000 die zwei ersten Zulagen zu 600 Mark, die sechs späteren Zulagen zu 400 Erreichung deS Höchstgehalts in 24 Jahren. 4) Staatsanwälte. Gehali 2400 bis 4800 -4; vier Zulagen zu 600 -4 Erreichung des Höchstgehalts in 12 Jahren. Zu 3) und 4) ist zu beachten, daß das Besolbungsdienstalter nicht mehr von der Prüfung, sondern von der ersten Anstellunaan berechnet wird. Der durch den Entwurf verursachte Mehraufwand beträgt jährlich: bei den Senatsprasidenken zunächst 9000 -4 (dauernd, d. i. nach Wegfall der Mehrbezüge 8400 -4), bei den Ober staatsanwälten 1800 -4 (1800), bei den Landgericht- Präsidenten 7200 -4 (6000), bei den Oberlandesgerickttz räthen 40 600 -4 (22 900), bei den Landgerichts- directoren 58 700 (50 300), bei den Ersten Staats anwälten 6800 -4 (2800), bei den Land- und Amtsrichtern 465 700 -4 (169 200) und bei den Staatsanwälten 25 800 (13 800), zusammen zunächst 615 600 und dauernd 275 200 Gegenüber der Gruppirung der Richter in den bisherigen Gehaltsclassen hat die neue Gehaltsordnung naturgemäß für eine Anzahl von Beamten Nachtheile, für andere Vor theile im Gefolge. Letztere kommen in erster Reihe den älteren Richtern zu Statten, von welchen z. B. beim Inkraft treten des Entwurfs 376 Land- und Amtsgerichtsräthe sofort daö ihnen nach dem jetzigen System erst nach Zähren zu gängliche Höchstgehalt erlangen würden. V. Berlin, 12. März. (Telegramm.) Ter Kaiser beehrte gestern Abend das Diner beim italienischen Botschafter, Grafen Lanza, mit seinem Besuche. Heute Vormittag unter nahm er von 9 Uhr ab den gewohnten Spaziergang durch den Thiergarten und conserirte auf dem Rückwege mit dem Staatssccretair des Auswärtigen Freiherrn von Marschall Nach dem königl. Schloß zurückgekehrt, empfing er den Maler Professor Toepler in kurzer Audienz, hörte darauf den Vortrag des Kriegsministers und arbeitete dann längere Zeit mit dem Chef deS Miltaircabinets. Um 1 Uhr hatte der Präsident der königl. Regierung zu Coblenz, I)r. Wentzel, die Ebre, empfangen zu werden. Um 1^/4 Uhr fand im Schlosse aus Anlaß des Geburtstages des Prinzregenten Luitpold von Bayern eine Frübstückstafel statt, zu welcher u. A. geladen waren: der kgfi bayerische Gesandte Graf von Lerckenfeld Köfering, der Legationsratb Freiherr von und zu Gutten berg, der LegationSsecretair Freiherr von Ritter zu Grünslein, Militair-Bevollmächtigrer Freiherr von Neichlin, Kammer junker Freiherr von Axter, kgl. bayerischer Ministerial- director Freiherr von Stengel, stellvertretender Bevollmäch tigter zum Bundesrath. Heute Nachmittag um 5'/r Ubr werden die Majestäten der Trauung des diensttbuenden Flügeladjutanlen Majors Grafen von Moltke mit Frau Lily Kruse geb. von Heyden in der Dreifaltigkeitskirche beiwohnen. (>) Berlin, 12. März. (Telegramm.) Der österreichisch ungarische Minister der auswärtigen Angelegenheiten Graf (Koluchowski batte beute Vormittag sowohl mit dem Reichs kanzler, als auch mit dem Staatssecretair Freiherr« von Marschall eine längere Unterredung. DaS Frühstück nahm der Minister beim österreichisch-ungarischen Botschafter von Szöayenyi-Marich im engsten Kreise ein. Er besuchte darauf Nachmittags das Halat'sche Marine-Panorama in der Herwarlbstraße und beabsichtigte, da- ReichStagSgebäude in Augenschein zu nehmen. Zm Laufe deS Nachmittags wird der Minister von der Kaiserin Friedrich empfangen werden und Abends einer Einladung des Reichskanzler zum Diner entsprechen. (D Berlin, 12. März. (Telegramm.) Vor der kaiser lichen Tisriplinarkammer in Potsdam kam heute der Fall des Bauinspectors Lchran rur Verhandlung. Derselbe hatte seiner Zeit 10 000 -4, welche ihm für die Colonialabtheilung der Gewerbeausstellung übergeben waren, unterschlagen. Der Gerichtshof erkannte auf Dienstentlassung und Ersetzung der baaren Kosten. — Die „Germania" stellt sich sehr erstaunt, daß die preußische Regierung, speciell der CultuSminister, an der obliaatorischen Civilehe festhält. Sie erblickt darin einen Ausfluß Les gefährlichen Staatskirchenthums und verlangt nach einem „christlichen" CultuSminister. — Bei den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses über den Cultusetat wurde vom Centrum darüber Klage geführt, daß in Schöneberg für die etwa 200 katholischen Kinder Feieilletsn. Florence. Bon H. vom Walde. Nachdruck verboten. Mademoiselle Florence Civard ist eine zierliche Französin, Waise, zwanzig Jahre alt, mit vollem, schwarzem Haar, großen, schwarzen Kinderaugen und einem allerliebsten Gesicht, aus welchem ein von kirschrothen Lippen gebildeter kleiner Mund alle Welt fröhlich anlacht. Mademoiselle stammt au» Pari-, au- einer evangelischen Familie; sie ist seit vier Monaten Gesellschaftsdame der Gräfin Rothenstein in Schloß TaraS bei Breslau, spricht bereit- ziemlich gut deutsch und bat die Eigentbümlichkeit, überall und nirgend» zu sein. Soeben flattert sie durch die lange Reihe der Zimmer, huscht aus dem Schlosse und flattert in den Park binüber. Sie wirbelt durch die Laubgänge und tänzelt über den Rasen, sie läßt sich auf eine Bank nieder, blickt in ein Buch und springt wieder auf. Es ist langweilig im Park heute Nach mittag, Mademoiselle weiß etwa- Bessere-, al- hier berum- zubüpfen, zu lesen oder gar zu schlafen, sie wird an den Ser gehen und ein köstliche« Bad nehmen. Za, da« ist eS, allons ckone. rasch zum Schloß zurück, holen wir die Badewäscke. Und Mademoiselle machte sich geflügelten Fußes auf den Weg. ,Mov ckieu.« Sir batte die Worte laut und in plötzlichem Schrecken gerufen, denn beim raschen Umbiegrn um ein vorspringendes Gebüsch war gleichfalls raschen Schrittes der Dame ein schwarzgekleideter Herr so unerwartet entgegengetreten, daß Beide an einander prallten. „Oba", erschallte e» von den Lippen de» Schwarzgekleideten,! dessen Nasenbein von Mademoiselles breitem Hutrande empfind lich getroffen worden war. ^lon äiviL', wiederholte diese, „wie bin ich erschruckenl" Der Schrecken schien aber keine schädliche Wirkung auf sie au-geübt zu haben, denn Mademoiselle lachte plötzlich laut aus. Vor ihr stand, den Hut in der Hand, mit hockgeröthetem Antlitz und in seiner Bestürzung umsonst nach Worten ringend, der junge Geistliche der Gemeinde TaraS, Herr Pfarrer Braumann. Dieser Herr hatte vor einer halben Stunde sein Arbeitszimmer verlassen, um, in den schattigen Gängen de» Parke- auf- und abwandelnd, über seine Predigt für den morgenden Sonntag nachzudenken. Aber merkwürdig, er vermochte durchaus keine Sammlung zu finden; während er langsam dahinschritt, bemühte er sich vergeblich, Herr seiner Gedanken zu werden, es störte ihn etwa-. Bald glaubte er Jemanden in der Ferne vorüber gehen zu sehen, dem er nachblicken mußte, bald war e» ihm, al» ob Zemand versuche, ihm in seine Predigt bineinzureden, immer aber fand er dann, daß er sich getäuscht haben müsse und daß er ganz allein sei. Pfarrer Braumann machte eine kräftige Anstrengung, um au- seiner Zerstreutheit berauSzukommen, und begann aber mals über seine Predigt nachzudenken. Al- er aber kaum über die einleitenden Worte binau-gekommen war, glaubte er ganz deutlich zu vernehmen, daß Jemand ihn spöttisch auSlachtr. Da steckte er verzweifelnd den Entwurf der Predigt in die Brusttasche seine- Rocke« und sprach seufzend zu sich selbst: „Es ist unmöglich; anstatt Herr meiner Predigt zu werden, gerathe ich mit derselben noch völlig in Verwirrung. — WaS soll da- werden? — Wo will daS hinaus? Höre, Carl Braumann, Pfarrer von TaraS, es muß endlich einmal frei heraus ge sagt werden. Du bist verliebt bis über die Ohren und aller Wahrscheinlichkeit nach hoffnungslos verliebt!" Wer hätte in jungen Jahren nicht irgend wann einmal geglaubt, hoffnung-lo« verliebt zu sein? Der junge Geistliche war stehen geblieben und blickte betrübt nach dem durch die Baumgruppen freundlich herüberschimmern- den Dach seines traulichen Pfarrhauses. „Nein", fuhr er in Gedanken fort, „nein, verschließen kann ich diese Seelenpein nicht länger, mein ganzes Innere drängt mich mächtig, ihr zu sagen, daß ich ihr angehöre mit Herz und Gemüth, daß e« ohne sie für mich kein volles Glück auf Erden gebe» kann. Und vielleicht würde sie mich erbören, vielleicht meine ehrliche und innige Liebe erwidern. Auf denn, Carl Branmann, fasse Muth, weiche ihr nickt länger au», wie Du e» seither gethan hast, sondern rede zu rhr." Und Pfarrer Braumann, dem eS bei seinen Gedanken zuletzt etwa» heiß geworden war, nahm den Hut vom Haupte, wandte sich um und schritt rasch von dannen ,Hlov cklevi" — „Oha"l „Nvn ckleu" erklang e» nochmals, dann folgte ein sslber- helle« Gelächter. „Ah — da« sind ja Sir, Err Pfarrär, ich abe Ihnen wehe gethan an ter Nase, verzeihen Sie mir." Vor Pfarrer Braumann'S Auaen aber begann eö zu wirbeln, er mußte sie schließen. Da stand sie za vor ihm, die alle sein« Gedanken so unbarmherzig gefangen genommen hatte, sie, welche die seitherige glückliche Ruhe seines Ge- mütbeS in solche Unruhe verwandelt hatte, daß er kaum noch vermag, die nöthige Sammlung für sein Amt zu finden, sie, welcher er künftig nicht mehr auSweichcn, sondern sich erklären will, sie, Florence Civard, die unumschränkte Beherrscherin seine« Herzens und die Seele seiner Hoffnungen. Als Mademoiselle den jungen Geistlichen so vor sich er blickte, wie er da stand mit geschloffenen Augen, hock- gerölbetem Antlitz und halbgeöffnetem Munde, aus welchem trotz ersichtlicher Anstrengungen noch immer keine Worte kommen wollten, erschrak sie ernstlich. „Sicherlich bat ihn ein plötzliches Unwohlsein überfallen, wenn er nur nicht gar noch ohnmächtig wird." Zn ihrer Sorge um den leidenden Mann legte sie eine Hand auf dessen Schulter unk> rief ängst lich: „Aber Err Pfarrär — won ckien — WaS)fehlt Ihnen nur? O bitte, bitte, kommen Sie doch zu sich/ Pfarrer Braumann war bereits wieder zu Ich gekommen. „Jetzt oder nie", rief eS in ihm. Er schlug Üe Augen auf, blickte tief in diejenigen von Mademoiselle, ergrlff deren zier liche, noch auf seiner Schulter ruhende Hand, und entledigte sich der nunmehr unabweisbar an ihn herangetretenen Pflicht, der Dame seines Herzen« die ibn beseelenden Gefühle offen baren zu müssen, mit feuriger Begeisterung. Jetzt nun begann eS Mademoiselle vor den Augen zu wirbeln, wie eben zuvor dem Herrn Pfarrer, sie senkte die Blicke zu Boden und hörte in tiefster Verwirrung die aus dem Herzen gesprochenen Worte Braumann'S an ikr Ohr klingen. Und al« der junge Geistliche mit der feierlichen Frage schloß, ob sie sein Weib werden und diese- stille Dorf zu ihrer Heimath machen wolle, blickte sie wieder auf und antwortete nicht«. Pfarrer Braumann aber legte einen Arm um sie und drückte hastig, als ob er fürchte, zu spät kommen zu können, einen Kuß aus ihre blühenden Lippen. E« vermochte später nicht außer Zweifel gestellt zu werden, ob dieser Kuß damals eine, wenn auch nur ganz leise, Er widerung gefunden batte, wie Braumann ernsthaft behauptete, und die Gegenpartei eifrig verneinte. Aber soviel ist gewiß, daß Mademoiselle plötzlich ebenso roth wurde, wie vorhin der Herr Pfarrer, tag sie sich rasch von seiner Hand ls-riß^
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