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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.03.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960318012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896031801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896031801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-03
- Tag1896-03-18
- Monat1896-03
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichntß. Tabellarischer und Zisserniatz nach höherem Taris. Extra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmtschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde frnher. Anzeigen silld stet- an di» Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Mittwoch den 18. März 1896. W. Jahrgang. vr. Peters und die Flottenbewegung. 2m Leitartikel unserer Morgenausgabe vom 23. Februar d. I. schrieben wir: „Da« bereit« von der Socialdemvkratie mit Eifer aufgegriffene und auf das Wirksamste verwerthete Geschrei von Marine-Dilettanten nach einer Riesenflotte wird dem Reiche keine Schiffsplanke eintragen, Wohl aber ist eS bereits die Ursache eines in der Entwicklung des deutschen Eolonialwesens höchst bedenklichen Zerwürfnisses geworben. Prinz Aren berg, dessen Verdienste um unsere Colonial- politik von Niemandem höher geschätzt werden, als von seinen politischen Gegnern, ist aus der Abtheilung Berlin der Deutschen Colonialgesellschaft ausgetreten. So bedauerlich der Schritt ist, so kann man ihn dem Gekränkten kaum verargen. Es ist aber dringend zu wünschen, daß die gleich ihm Empfindenden ihn nicht nachthun, sondern aus- balten, bis Herr Or. Peters im Verein abgewirth schäftet bat; allzu großer Geduld wird es dazu kaum bedürfen." Und im Leitartikel unserer Morgenausgabe vom 1. März dieses Jahres erklärten wir: „Es kommt in der Marine frage sehr viel darauf an, in welcher Gesellschaft man sich befindet. So möchten wir z. B den Urheber deS Irr- thumS über den Inhalt eines Danktelegramms des Herzogs Johann Albrecht zu Mecklenburg „im Ernstfälle" nicht auf unserer Seite wissen." Auch diese Bemerkung bezog sich auf I)r. PeterS. Man hat uns wegen dieser Auslassungen Vorwürfe ge macht. Jetzt, nachdem Herr I)r. Peters im Reichstage mehrere Tage lang die Zielscheibe schärfster Angriffe ge worden und selbst von dem Director de« Colonialamtes in einer Weise verlheidigt worden ist, die einer Verurtheilung nicht unähnlich sab, werden diese Vorwürfe wohl verstummen. Wa« Herrn Or. PeterS im Reichstage zur Last gelegt wurde, war bis auf den angeblichen Brief an den Bischof Tucker in ziemlich weiten Kreisen seit Jahr und Tag bekannt, und wenn auch vorsichtige Beurtheiler des Anklagematerials die Frage offen ließen, ob Herr vr. Peters minder strenge hätte handeln können, ohne die Sicherheit der ihm anvertrauten Position zu gefährd«», und ihm auf alle Fälle mildernde Umstande zu billigten, so waren sie doch darin einig, daß der Führer der Emia-Pascha-Expedition eine zu herrische und ungebundene Natur sei, um mit ruhiger und sicherer Hand im Vaterlande Körperschaften leiten und mit zweifellosem Erfolge an die Spitze einer nationalen Agitation sich stellen zu können. Vor Allem aber waren wir mit diesen vorsichtigen Be- urtheilern der Ansicht, daß eS unzweckmäßig sei, Herrn I)r. Peters an die Spitze der Berliner Abtheilung der deutschen Eolonialgesellsckaft zu stellen und ihm eine Rolle in der Führung der Agitation für eine Verstärkung der Deutschen Flotte zu stellen, bevor der Sturm, der sich im Stillen gegen den früheren ReichScommifsar vorbereitete, sich ausgetobt und volle Klarheit über den Grund oder Ungrund des wider ihn ge sammelten parlamentarischen Anklagematerials geschaffen batte. Denn jeder Sturm, der sich gegen eine Person erhebt, wird mit wehr oder weniger Geschick und Erfolg auch gegen die Sache gelenkt, der diese Person ihre Dienste weiht. Und das ist geschehen. Nicht nur gegen unsere Colonialpolitik über- baupt hat man den „Fall Peters" im Reichstage auSzubruten gesucht, sondern auch gegen die sogen. Flottenbewegung. Za, eS scheint, als ob Herr Bebel seine scharfen Angriffe hauptsächlich gerade deshalb und gerade jetzt gegen PeterS gerichtet hätte, um die von diesem Manne mit mehr Eifer als Geschick geförderte Flottenbrwegung zu discreditiren. Schon am Sonntag schrieb die „Rhein.-Westf. Ztg." am Schluffe eines Artikels über die am Freitag und Sonnabend im Reichstage gegen Peters gerichteten Anklagen: „Erfreulich sind diese Vorgänge keineswegs, man merkt jedoch, woher der Wind pfeift, wenn Bebel einleitend bemerkt, Peters be- schäftigeffick mit der Flottenagitation und er (Bebel) habe daraus Veranlassung genommen, sich etwas naher mit der Vergangenheit des Herrn Peters zu beschäftigen. Diese Tendenz durchzieht auch die ganze Bebcl'sche Rede, er schlägt auf PeterS und meint die Flotte, und hierzu paßt, wenn anschließend an die Rede Bebel s nunmehr Or. Lieber aufsteht und ebenfalls in seiner Beweisführung mit der agitatorischen Thätigkeil des Herrn vr. Peters beginnt. „Peters", sagt er, „ist selbst daran schuld, daß er die Aufmerksamkeit der Oeffentlichkeit dadurch auf sich lenkt, daß er jetzt gegen die Politik des Reichskanzlers lebhafte Agitation treibt." Wir haben eS also im vorliegenden Falle mit einem geschickten Angriff aus die volkstümliche Strömung zur Vermehrung der Flotte zu thun. Centrum und Socialdemokraten er teilen Herrn Peters die Quittung für die auch von uns be dauerten Vorgänge in der Berliner Colonial-Abtheilung, welche den ultramontanen Prinzen von Arenberg aus dem Vorsitz drängten und Peters auf den Stuhl setzten. Die Dis- creditirung Peters' soll gleichzeitig die Rehabilitirung des Prinzen sein. Wir müssen geliehen, daß diese Verquickung einer hockernsten Angelegenheit mit Personal-Fragen und mit der Frage der Flottenvermehrung uns bedauerlich er scheint. Aber noch nach einer andern Seite ist die Sache interessant. Herr Bebel sagt: er habe sich erst neuerdings mit Herrn Peters beschäftigt, was, wenn diese Behauptung ernst gemeint ist, eine unerhörte Lüge wäre. Bereits im September 1894 ist Herr Bebel über die beiden Herrn Peters vorgeworfenen Thatsachen genau unterrichtet worden. Er hat dieses Material anderthalb Jahre unbenutzt gelassen und tritt erst in einem Augenblick damit hervor, wo es ihm günstig er scheint, einer der Flottenvrrmehrung günstigen Voltsströmung den Boden zu entziehen. Gegen diesen Versuch einer Ver quickung zweier völlig auseinander liegenden Angelegenheiten, bei dem klar die Absicht zu Tage tritt, die eine durch die Verzettelung mit der anderen in ein möglichst ungünstiges Licht zu setzen, legen wir entschieden Verwahrung ein." Seitdem haben die Auslastungen der socialdemokratischen Presse die Annahme bestärkt, daß die Schläge, die Herr Bebel nach dem Haupte des vr. Peters führte, nicht sowohl den Zweck verfolgten, diesen Mann moralisch zu vernichten, als vielmehr seine Thätigkeil als Agitator für die Flotten bewegung lahmzulcgen. Es liegt auch nicht in der Natur der Socialdemvkratie, eine große Action in Scene zu setzen, lediglich um einen Mann zu beseitigen, der sich in der Bekämpfung der Umsturzbewegung wenig hervorgetban hat. Solche Actionen leisten sich die Führer der letzteren Bewegung nur, wenn es gilt, eine andere Bewegung zu hemmen, die im Stande ist, die bürger lichen Elemente aller Parteien nach einem gemeinsamen nationalen Ziele zu leiten. Um so mehr aber ist es Pflicht der gesummten nationalen Presse, Verwahrung gegen ein Ge bühren einzulegen, das in perfidester Weise Vie wirklichen oder angeblichen Schwächen und Fehler eines einzelnen Menschen zu Schwächen und Fehlern einer nationalen Bewegung um zustempeln versucht. Und gerade wir, die wir eine solcke Berwerthung des gegen vr. Peters angesammelten Anklage material« vorauSsahen und deshalb mit Sorge und Mißbehagen die Wahl dieses Mannes zum Vor sitzenden der Berliner Abtheilung der Deutschen Colonialgesellsckaft und sein Hervortreten in der Agitation zu Gunsten einer nothwendigen und genügenden Flottenverstärkung verfolgten, protestiren mit größter Ent schiedenheit gegen jede Verwerthung des „Falles Peters" zum Nachtheil der Floltenbewegung. Wie auch daS Eudurtheil über Vr. PeterS ausfallen mag, seine Fehler und Vergeben haben nicht das Geringste zu thun mit dem, was Deutsch land dem Schutze seines Handels schuldig ist; es ist Fälschung und Berratb am Vaterlande, wenn der gesunden Be wegung zu Gunsten einer Verstärkung unserer Wehrkraft zur See der Fall Pelerö als Knüppel in die Bahn geworfen wird. Deutsches Reich. * Leipzig, 17. März. Vor einiger Zeit theilten wir mit, daß der ehemalige Sergeant Sckmidt-Konz in Metz wegen land esverrätberischer Umtriebe in Haft ge nommen worden sei. Hierzu ist weiter zu berichten, daß man den Mann bald nach der Verhaftung wieder sreigelassen halte, weil sich die Verdachtsgründe damals nicht als schwer wiegend genug herausstellten. Neuerdings ist jedoch Schmidt- Konz wieder verhaftet worden, da sich, wie wir ver nehmen, die Verdachtsgründe gegen ihn bedeutend vermehrt haben. Auch gegen einen anderen Einwohner von Metz soll wegen landesverrätherischer Umtriebe eingeschritten wordensein. * Leipzig, 17. März. Der Ausschuß der Deutschen Turnerschaft erklärt, daß die Musterriege von 10 Mann, welche laut einem Artikel der „Deutschen Warte" da- „Berliner Comitö für die Betheiligung an den olympischen Spielen in Athen, Leiter vr. Gebhardt" gewonnen hat, um nach Athen zu gehen, von der deutschen Turnerschaft einen Auftrag nicht erhalten und überhaupt mit dieser nichts zu thun hat. Die deutscke Turnerschaft hat eine Vertretung in Athen abgelehnt; von einer Vertretung des deutschen Turnens in Athen durch jene unbekannte Riege kann also nicht die Rede sein. v. Leipzig, 17. März. Wegen Majestät sbeleidigung war der antisemitische Redacteur Karl Sedlatzek am 23. December 1895 vom Landgericht BerlinI zu 3 Monaten Festungshaft verurtheilt worden. Die von ihm eingelegte Revision wurde vom Reichsgericht verworfen, da eS die Feststellungen des angefochtenen Urtheils nach der objectiven wie nach der subjectiven Seite hin für ausreichend erachtete. -r- ithemuitz, 17. März. Die hiesigen Socialdemo- kraten hielten vorgestern Nachmittag im Saale deS Schützen hauses eine öffentliche Volksversammlung ab, in der Herr Landtagsabgeordneter Otto von hier über die Mandats- niederlegung der socialbemokratischen Abgeordneten sprach. Die Versammlung stimmte den Vorschlägen vr. Schönlank'S, der bekanntlich in der „Leipziger Volkszeitung" die sofortige Niederlegung der Mandate gefordert hat, durchaus n ich t bei, sondern erklärte, daß es Sache der Landeskonferenz wäre, über die Mandatsniederlegung Beschluß zu fassen; zugleich beschloß man, auch in Zukunft an den LandtagSwablen lebhaft sich zu betheillgen. Berlin, 17. März. Die Frage des Zollcred its und der gemischten Transitläger, die kürzlich aus Anlaß einer Interpellation Gegenstand der Erörterung im Reichs tage gewesen ist, wird dieses Haus in dieser Session noch ein mal beschäftigen. Die Abgg.Grafv. Schwerin-Löwitz, vr. Paasche und Szmula haben bekanntlich einen Gesetzentwurf ein gebracht, der den Zweck verfolgt, die Vortheile zu beseitigen, die den Getreideimporteuren und großen einheimischen Mühlen gegenüber den inländischen Gelreideproducenten und kleineren Müllern aus der Stundung deS Zolles erwachsen. Es be steht kein Zweifel, daß die Zinsaewinne auS der Crediti- rung groß genug sind, um einen Anreiz zur Getreideeinfuhr ru bilden. Verkauft der Importeur bei der Einfuhr, so ge schiebt dies gegen Caffa, der Käufer zahlt ihm mithin auck den Zoll, den der Importeur selbst erst nach drei Monaten zu entrichten hat. Die Zinsersparniß ist sehr beträchtlich, da ter Zvllbetrag bei Weizen bis zu einem Drittel, bei Roggen bis zur Hälfte des außerdeutschen Einkaufspreises ausmacht. Tie Benachtheiliguna der kleinen Händler und Müller, die zum Inlandpreise (Weltmarktpreis plus 35 Zoll) kaufen müssen, liegt auf der Hand. Die Folge dieser Erschwerung der Ver werthung des inländischen Erzeugnisses ist aber selbstverständ lich ein Druck aus seinen Preis, eine Begünstigung des ausländischen Getreides mit Hilfe desselben Zolles, dessen Bestimmung eS ist, dem heimischen Getreidebau den Einfluß der günstigeren ProductionSverhaltniffe der Concurrenzländer weniger fühlbar zu machen. Noch empfindlicher gestalten sich für die deutsche Landwirthschaft und die kleinen inländischen Mühlen die Wirkungen des außerordentlichen Zollcredits, der mit den Einrichtungen der gemischten Transit läger und der Mühlenconten zusammenhängt. Dieser erweiterte Zollcredit setzt den Spekulanten in die Lage, unverzolltes Getreide im Lande auszuspeichern, um es jeden Augenblick auf den Markt zu werfen. Dieses Getreide beeinflußt, so lange es eingelagcrt ist, die inländische Preisbildung gerade so, al« ob es fick im freien Verkehr befände, und wenn cs in diesen Verkehr übertritt, drückt es stärker auf den Preis, als die sonstige Waare; denn sein Besitzer vermag auf einen Theil seines ZinsgewinnS, der sich bis zu einer Mark per Tonne steigern kann, zu verzichten, ohne sich dadurch seines Vortheilß gegenüber dem inländischen Angebot zu begeben. Dieses widersinnige Verbältniß rübrt daher, daß die gemischten Trasitläger nicht, wie sie sollten, regelmäßig dem Transit- und nur ausnahmsweise dem inneren Verkehr dienen, sondern gerade umgekehrt functioniren. Sie tragen den Namen Transttläaer a non ti-sn8euuäo. Im Jahre 1894 zählte man im Reiche an 39 Plätzen 2o2 ge mischte Transitläger. Von diesen haben im gedachten Jahr viele so gut wie gar nicht exportirt, andere 50—75 Proceiil ihrer Vorrätbe ins Inland geworfen. Ebenso haben eS die Contenmüblen gehalten. Ihr Import betrug 1894 5»/r Mill. Doppelcentner Getreide. Von dem hieraus gewonnenen Mebl sind nur rund 37 Proc. wieder ins Ausland gegangen, zwei Drittel also in Deutschland geblieben. Seitdem haben die Regierungen allerdings dem Mißbrauch etwas gesteuert, es ist eine Anzahl von Transitlägern ausgehoben und namentlich etwa dem vierten Theil der 149 Contenmüblen daS Zollconto entzogen worden. Diese Einschränkungen sind jedoch nickt ausreichend, und selbst wenn sie es wären, so würde es begreiflich erscheinen, daß man den Regierungen nicht länger eineBcfugniß belassen will, von der sie, wie die angegebenen Zahlen zeigen, bis vor zwei Jahren einen nichts weniger als sachgemäßen Gebrauch gemacht haben. Der erwähnte Gesetzentwurf läßt übrigens die gemischten Läger und die Mühlenconten, die beide nützliche Einrichtungen sein können, bestehen, er trifft nur Vorkehrungen dagegen, daß aus Transitlägern und Contenmüblen in den inneren Verkehr eingesührles Getreide und Mehl weiter deu Vortheil der ZinSersparniß aus der Stundung deS Zolles genießt. Er schreibt vor, daß die Zoll beträge vom Tage der ersten Abfertigung zu einem Lager, gegen die göttliche Ordnung, und besonders die ausgewandertcn Prinzen und Edelleute, so lüderlick sie sich auch aufführten, betrachteten die französischen Revolutionsbeere nicht als eine kriegführende Macht, sondern als eine Bande von Buben und Verbrechern, die gezüchtigt werden müßten. Von solchem Fanatismus war unter dem neuen Cäsar nicht mehr die Rede; später freilich ließ er sich, wie die alt- römiscken Cäsaren, den Weihrauch gern gefallen, unter dessen betäubendem Gewölle die Beamten und Schergen deS Kaiser reichs ihn vergötterten. Damals aber batte Napoleon s Ehr geiz diese Höhe noch nicht erstiegen, und noch ganz profane Motive waren bei seiner Feldherrnlaufbahn leitend. Nament lich einem Friedrich II., „dem Philosophen auf dem Throne" und Freunde Voltaire'-, gegenüber wäre eine mystische Trieb feder und Gesinnung gar nicht am Platze gewesen. Wohl aber hatte der Sieger von Austerlitz und Jena die höchste Achtung vor dem größten Feldherrn de» achtzehnten Jahr hundert«, und mit Respect trat er an seinen Sarg. Wa- mochte der Kaiser von Frankreich hier empfinden, welche Gedanken mochten da durch seine Seele gehen, als er in die todesstarren Züge des gewaltigen Preußenkönigs blickte! Ein wirklich authentischer sicherer Bericht von den Worten, die Napoleon hier gesprochen hat, fehlt uns, nur mit annähernder Zuverlässigkeit sind sie wiedergegeben worden. Der gründlichste Geschichtschreiber dieser Epoche ist vor der Hand nock immer Thier«; au- dessen Werke theilte denn auch der Pariser „Figaro" am 7. September 1895 einen Auszug mit, überschrieben war derselbe: „Der Einzug Napoleon'- I. in Berlin. Napoleon in Potsdam." „Er kam am 24. October in Potsdam an. Sofort be suchte er den letzten Ruheort des großen Feldherrn, de- großen Königs, der sich den Philosophen von Sans-Souci nannte. Er durchschritt das große und daS kleine Palai« von Potsdam. . . Dann ging er in die Kirche von Pot-dam, um da- bescheidene Plätzchen zu sehen, wo der Gründer von Preußen ruht. Man bewahrte in Potsdam den Degen Friedrich'«, sein Degengehenk, sein Großordensband vom Schwarzen Adler. Napoleon ergriff sie, indem er au-rief: „Das ist ein schönes Geschenk für die Invaliden, besonder- für die, welche bei der Armee von Hannover gestanden haben I Sir werden sich ohne Zweifel glücklich fühlen, wenn sie in unserer Ge walt den Degen desjenigen erblicken, der sie bei Roßbach besiegte!" Önder* er sich mit solcher Hochachtung dieser kostbaren Reliquien bemächtigte, beleidigte er sicherlich weder Friedrich noch di« prrußisch« Nation. Ab«r wie auß«rordrntlich und de« Nachdenken- würdig ist die geheimnißvolle Verkettung, welche die Dinge der Welt verbindet, vermengt, trennt oder einander nähert! Friedrich und Napoleon begegneten sich hier auf eine gar seltsame Weise! Dieser König und Philosoph, der, ohne eS zu ahnen, von der Höbe deS Thrones herab sich zu einem der Förderer der französischen Revolution gemacht batte und nun in seinem Sarge lag, empfing den Besuch des Generals dieser Revolution, der Kaiser geworden war und Berlin und Potsdam erobert hatte! Der Sieger von Roßbach empfing den Besuch des Siegers von Jena! Welches Schauspiel! Unglücklicher Weise war dieser Schicksalswechsel nicht der letzte." Warum bat aber der Geschichtschreiber nicht gesagt, wer denn diese Worte aus Napoleon'« Munde gehört, wer sie zuerst berichtet hat? Sie klingen allerdings so natürlich, daß Napoleon sie Wohl gesprochen haben kann. Nun haben wir dir „Llsmvires ä« ^oustsut, kremier vulet äs cbawbis äe I'Lwpvreur", erschienen 1830. Dieser war beim Kaiser und hätte die Personen nennen können, die zugegen gewesen waren; er sagt aber kurz: „Als er in Potsdam ankam, fand der Kaiser daselbst den Degen deS Großen Friedrich, seinen Ringkragen, seine Groß- ordenSbänder und seinen Wecker. Er ließ sie nach Pari bringen, um im Jnvalidenhotel aufbewahrt zu werden. „Ich ziehe diese Trophäen", sprach Seine Majestät, „allen Schätzen deS König« von Preußen vor. Ich werde sie meinen alten Soldaten au« den Feldzügen in Hannover schicken." Da wären so ziemlich dieselben Worte, die Thier- vielleicht au« dem Grdächtniß nachgtsckrieben hat. Constant erzählt weiterhin eine andere Scene, der er bei gewohnt hat: „Al« der Kaiser vor der Büste (Friedrich'-II.) angekommen war, lief er im Galopp im Halbkreis vor ihr herum, gefolgt von seinem Stabe, und indem er die Spitze seine» DegenS senkte, nahm er zu gleicher Zeit seinen Hut ab und grüßte, er zuerst, da» Bild Friedrich s II. Sein Stab folgte seinem Beispiele." Besser unterrichtet konnte doch wohl Niemand sein, al« de» Kaisers Kammerdiener. Trotzdem suchte ich noch in anderen Werken nach und hoffte eine genaue Darstellung der Scene in einem höchst interessanten neueren Werke zu finden, da« einen früheren Ministerialbeamter, zum Verfasser hat, den ich einen GeschichtSpsvchologen nennen möchte. Der Titel ist: „Dog wouologues äs ci»pol4ou I. kari». lädreäri« mili- taire äs I-. Lauäoiu 1891.-. Der Verfasser, der sich nicht ge nannt bat, beißt Maurice La Ehesoai«. Da« Buck» hat einen dramatischen Übarakter und beruht aus langjährigen eingehenden Forschungen. Der Historiker, denn so kann man den Verfasser nennen, hat die Hauptmomente aus dem Leben Napoleon's herausgeboben und sich dabei in die Seele seines Helden versetzt, der gewissermaßen vor ihm seine Beichte ab legt. „So", sagt sich M. la CbesnaiS, „muß in diesem Augen blick Napoleon gedacht haben, diese Empfindungen und Pläne müssen durch seine Seele gegangen sein, so muß er nach dem Rückblick aus seine Vergangenheit die Welt betrachtet haben." Man mag dem Historiker nicht überall beistimmen, aber mit besteckender psychologischer Schärfe sind alle seine Skizzen ausgearbeitet; er nimmt Gesichtspunkte ein, an dir gewiß auch die gelehrtesten Geschichtschreiber nicht immer ge dacht baben. Scharfsinnig legt er dar, warum Napoleon bei seinem Feldzug in Syrien nicht nach Jerusalem hat gehen wollen „Oe qüi s'est IL, touode ü äes prol>löms8 üo,8 äo wS3 ajckituäs3." Ueberzeugend scheint mir das bittere Urtbeil deS Psychologen über den Staatsstreich vom 18. Brumaire. Von Interesse noch für heute sind die Betrachtungen, die ei seinen Helden beim ersten Anblick de« Oceans anstellen läßt Ueberschrieben ist daS Capitel mit den Worten aus dem „MSmorial": „Wenn ich anstatt deS Feldzug» nach Aegvpten den nach Irland gemacht hätte, wenn nicht geringe Stö rungen meinem Unternehmen von Boulogne Hindernisse in den Weg gelegt hätten, waS könnt« Wohl England heule sein! Wa« Ware der Eontinent, dir politische Welt heute!" Vielleicht stellt fick die« Problem der Zukunft noch einmal. Vor der Hand stehen wir mit Napoleon „vor dem Grab mal Friedrich'- de» Großen in Potsdam", wie das Capitel bei M. La Che-nai- überschrieben ist. An die Spitze desselben hat der Verfasser einen Satz au» dem 18. Bulletin der großen Armee gestellt: „Der Kaiser kam am 24. October 1806 in Potsdam an. Am Abend desselben Tage- durchschritt er das Schloß SanS- Souei. Eine Zeit lang und wie in tiefrS Nachdenken ver sunken verweilte er in dem Zimmer des Großen Friedrich, da« sich noch ganz möblirt und tapezirt, so wie e« bei seinem Tode war, vorfand. Am folgenden Tage, dem 2b., besuchte er, nachdem er über die kaiserliche Garde zu Fuß Revue ab gebalten hatte, daS Grabmal Friedrich'»." Daraus folgen noch die Worte de« Marschall» Laune« an Napoleon im October 1806: „Sire, Ihr« Soldaten rufen: E« lebe der Kaiser de» OccidrntS! Sollen wir von jetzt an unsere Briefe an Sir unter diesem Titel absenden?" Und nun laßt M. La EheSuai« den Kaiser «iarn Monolog halt«». Im nächst«» Artikel bericht«« wir darübtr. F-rerlletsir. Napoleon I. un- -le HohenMern. l. Berlin! E« War natürlich, daß, als im vorigen Jahre die deutschen Zeitungen zahlreiche Erinnerungen au« dem Kriege von 1870—1871 von Kampf- und Zeitgenossen veröffentlichten, die Pariser Press« ebenfalls Rückblicke auf die Vergangenheit warf. Da nun die Menge auf den Boulevard« vergeben« .,L Lsrlin" gerufen hatte, so suchte man si« durch die Er zählung von dem Einzug Napoleon'« I. in der preußischen Hauptstadt zu trösten. Ja, die Residenz de« großen Preußen könig«, Friedrich'« II., war von dem gewaltigen „Parvenü" eingenommen worden. Goethe'» prophetisches Wort am Abend de» Tage« von Balmy, 20. September 1792, war in Erfüllung gegangen; da» monarchische Princip unterlag im Kampfe gegen die französische Volk«souverainetät, und der Sohn Friedrich Wilhelm'« II. von Preußen, der diesen Kampf im Bunde mit Oesterreich begonnen hatte, Friedrich Wcl- delm M., war vor Napoleon, dem Erben der französischen Revolution, bi« an di« äußerste Ostgrenze seine« Reiches geflohen. Die Pariser Journalisten hoben in der Erzählung dieser Ereignisse rühmend hervor, mit welcher Schonung Napoleon bei seinem Einzug die preußische Hauptstadt behandelt habe, welche MannSzucht in dem franrösischrn Heere geherrscht habe. Nur die Abgeordneten der Stadt Braunschweig, die ihn um eine milde Behandlung anflehtrn, ließ er hart an. „Wenn ich gegen Die nun mit derStrenge verfahren wollte, mit der Ihr Herzog die Stadt Pari« bedroht bat?" antwortet« er ihnen m herrischem, fast zornigem Tone. Napoleon bedachte hierbei nicht, wie verändert die ganze Zritlage war. Ab gesehen davon, daß da« bekannte Manifest de« Herzog« von vraunschweig, worin er den Parisern, wenn dem König Ludwig LVl. ein Leid angethan würde, angedroht hatte, daß kein Stein auf dem andern in ihrer Stadt bleiben würde, wohl von den wüthrndr» Emigranten redigirt oder doch kingeaeben »ar, so hatte e« sich 1792 um einen politisch religiösen Principienkampf gehandelt, der zu einer Art 8»»ati«m»« gesteigert worden war. Da« monarchische örincip da« sich göttlichen Ursvrung« nannte, sah in dem Grundsatz der VolkSsouverainetat ein« fr«v«lhaftt Empörung
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