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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.03.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960319016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896031901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896031901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-03
- Tag1896-03-19
- Monat1896-03
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Größere Schristen laut uuserrm Preis- verzeichniß. Tabellarischer uud Zissernjatz nach höherem Taris. Eptra-Veilaqcn (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung -M 60.—, mit Postbesörderung -Zt 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen. Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig .1° 142. Donnerstag den 19. März 1896. W. Jahrgang. Arbeitslosenunterstützung durch Arbeiterverbände in Frankreich. io. Der Eifer, mit welchem die civilisirten Nationen mit der Arbeitslosigkeit und ihrer Bekämpfung sich beschäftigen, beweist, welche Bedeutung man dieser für das Wohl der arbeitenden Classen so schwerwiegenden Frage beimißt. Auch die französische Regierung hat sich in der letzten Zeit mit verschiedenen Vorschlägen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beschäftigt. Die französischen Orlsgemeinden haben Hilfs- EomitsS gegründet, um beschäftigungslose Arbeiter vor Hunger und Elend zu schützen, und zahlreiche Berufsgenossen- schaflen, Gewerkvereine und ähnliche Arbeiterverbände der französischen Republik haben ebenfalls begonnen, die Arbeits losigkeit und ihre Folgen, sei es durch Versicherungscassen oder kostenfreien Arbeitsnachweis, zu bekämpfen. Dre Zahl der Arbeiterverbände (szcackicktts ouvriors) belief sich am 1. Juli 1894 in Frankreich auf 2178 mit 408 025 Mitgliedern. In den Statuten von 487 dieser Arbeiterverbände war schon von Anfang eine pecuniäre Unterstützung beschäftigungsloser Mitglieder in Aussicht genommen worben, während 184 Verbände sogar den Geldbetrag festgesetzt hatten, den jedes Mitglied im Falle eintretender Arbeitslosigkeit täglich resp. wöchentlich erhalten sollte. Das „Oüieo äu trnvail" (staatliches Arbeitsamt) bat nun im vergangenen Jahre an diese 487 Arbeiterverbände gleich lautende Fragebogen gesandt, um für jeden Verband die im Jahre 1894 für Arbeitslose verausgabte Total-Unterstützungs- summe, die Anzahl der Arbeitslosen, welche unterstützt wurden, die Anzahl der Tage, während welcher pecuniäre Hilfe gewährt wurde, festzustellen, sowie in Erfahrung zu bringen, für welche Dauer der Verband überhaupt solche Unterstützungen bewilligt, wie hoch sich die tägliche Unter stützung für jedes beschäftigungslose Mitglied beläuft, ob der Arbeiterverband eine Specialcasse für beschäftigungslose Mit glieder besitzt und ob, wenn letzteres nicht der Fall, die Unterstützungsbeträge aus der Vereinscasse genommen werden. Jeder Arbeiterverbanb wurde außerdem ersucht, durch Arbeitsmangel entstandene Fälle von ArbeitSlosikeit anzugeben und durch Krankheit, Unfall oder Zwist mit dem Arbeitgeber hervorgerufene „Arbeitslosigkeit" nicht in Betracht zu ziehen. Auf diese 487 Anfragen hin erhielt daS „Oküois äu truvuU" 216 Antworten. 159 Arbeiterverbände und davon 34, die schon in ihren Statuten die an ihre Mitglieder im Falle von Arbeitslosigkeit zu zahlenden täglichen Geldbeträge vermerkt hatten, hatten es nur bei der guten Absicht bewenden lassen, oder das Projekt nach dem ersten Versuch aufgegeben. Die Gründe hierfür waren verschiedene. In einigen Industrie zweigen hatte man neue Maschinen eingeführt, die Fabrikations methoden hatten in kurzer Zeil eine vollständige Umwälzung durchgemacht, wodurch Arbeitslosigkeit in bedenklichem Maße entstanden war, so daß die betreffenden Verbände ihre Cassen rasch geleert haben würden, ohne die Mitttel zu besitzen, sie wieder zu füllen. Andere hatten mit den die Controls führenden Beamten schlechte Erfahrungen gemacht. Unter den 159 Arbeiterrerbänven, welche erklärten, keine Dispositionen behufs Unterstützusg beschäftigungsloser Mit glieder getroffen zu haben, befinden sich indessen 12, die kürzlich begonnen haben, doch einen Versuch zu machen, 10, welche unter ihre arbeitslosen Mitglieder den Ertrag von Specialsubscriptionen vertheilen, 2, welche Darlehncafsen für Arbeitslose gegründet haben, und 2, welche in der sogen, „stillen Zeit" die Arbeit in jeder Werkstatt auf die Arbeiter, welche darin beschäftigt sind, gleichmäßig vertheilen. Wenn hierdurch auch der Verdienst für jeden Arbeiter geringer wird, so ist doch keiner gezwungen, die Arbeit gänzlich niederzulegen. 87 Arbeiterverbände mit 16 250 Mitgliedern bewilligen irreguläre Unterstützungen, 21 unter diesen haben zu diesem Zwecke eine Specialcasse eingerichtet. 15 Verbände mit 750 Mitgliedern zahlten im Jahre 1894 keine Unterstützungen an arbeitslose Mitglieder, weil eS entweder keine solche gab, oder weil die Casse erschöpft war; 6 andere mit 899 Mitgliedern haben erst im Jahre 1895 begonnen» ihre Mitglieder im Falle von Arbeitslosigkeit zu unterstützen. An regulären Unterstützungen für beschäftigungslose Mitglieder haben 66 Arbeiterverbände mit 14 601 Mitgliedern im Jahre 1894 75 450,65 Francs (60 552,52 ^k) verausgabt. Die Anzahl von Arbeitslosen, welche daS „Okties äu travnil" nur für 62 Arbeiterverbände in Erfahrung bringen konnte, belief sich für diese 1894 auf 1251 Köpfe, während 65 Verbände in demselben Jahre 36 419 Unterstützungstage zu vermerken hatten. Die Dauer, für welche den beschäftigungslosen Mitgliedern pecuniäre Unterstützungen gewährt werden, ist bei den einzelnen Arbeiterverbänden verschieden. So bewilligt ein Gewerkverein nur während 3 Tagen Unterstühungen, 3 wahrend einer Woche, 6 während 14 Tagen, 8 während 3 Wochen, 20 während einer Dauer von 4 Wochen, 9 während 6 Wochen, 4 für 2 Monate, 11 während Monaten und ein Arbeiterverband unterstützt seine beschäftigungslosen Mitglieder sogar während eines Zeitraumes von 15 Wochen. Im Allgemeinen haben dir BerbandSmitglieder, wenn sie arbeitslos find, die ersten Tage für sich selbst zu sorgen, denn 2 Arbeiterverbände be willigen solche Geldunterstützungen erst nach 14 tägiger Arbeits losigkeit, 2 nach 18 tägiger, 20 nach 8 tägiger, 4 nach 4 tägiger, 3 nach 3 tägiger und einer nach 2tägiger Beschäftigungs losigkeit. Die Zahl der Arbeiterverbände, welche sich die Unter stützung von beschäftigungslosen Mitgliedern zum Princip macken, vergrößern sich in Frankreich mehr und mehr, zum Wohle der gefammten arbeitenden Classen. Die Buchdrucker- und Buchbindergenoffenschast, welche augenblicklich 7022 Mit glieder uud 147 Local-Seclionen zählt, hat sich in der letzten Zeit mit dem Projekt beschäftigt, eine UnterstützungScaffe für beschäftigungslose Mitglieder einzuführen, und zwar sollen alle Mitglieder nach einjähriger Mitgliedschaft, bei eintreten der Arbeitslosigkeit, für 5 Wochen im Jahr ein Anrecht auf eine wöchentliche Unterstützung von 9 FrcS. (7,02 ^») haben. Dieses Project wurde im Monat September 1895 auf einem VuwffenschaftScongreß geaehmigt und soll nun den verschiede nen Sektionen zur speciellen Begutachtung unterbreitet werden. Die Annahme desselben scheint zweifellos zu sein. Bis jetzt bewilligte diese Genossenschaft nur sogenannte Reiseunterstüyungen, und die Summe, welche für diesen Zweck im Jahre 1894 auSgegeben wurde, belief sich auf 8142,35 Francs (6513,88 -6), welche Summe an 379 beschäftigungs lose reisende Berufsgenossen vertheilt wurde. Diese Reise unterstützungen belaufen sich für die ersten 40 km auf 1,50 Francs (1,20 und steigen für jede weitere zurückgelegte Strecke von 20 km auf 50 Centimes oder 40 ^s, bis sie, wenn der reisende Handwerker oder Arbeiter 200 km zurück gelegt hatte, gerade die Distanz von einer Sektion zur anderen, mit 5,50 Francs (4,40 ^) das Maximum erreichen. Außer dieser haben noch sechs andere Arbeiterverbände Einrichtungen zur Unterstützung von beschäftigungslosen wandernden Berufs genoffen getroffen. Deutsches Reich. 6. ll. Berlin, 18. März. Der diesmalige Parteitag der österreichischen Socialdemokratie verdient ganz besondere Beachtung. Ursprünglich wollten die österreichischen Socialdemokraten nach Linz gehen, aber aus bestimmten, höchst bemerkenswerthen Gründen haben sie beschlossen, sich Anfang April in Prag zu treffen. Die deutsche Social demokratie wird in Prag nicht unvertreten sein. Der schroffe Gegensatz zwischen Deutschthum und Tschechen- thum machte sich Anfangs auch in der österreichischen Social demokratie gellend, und es gab eine Zeit, iu der einzelne deutsche socialdemokratische Abgeordnete sich mit Wärme der Deutschen annahmen. Aber diese Zeit ist längst vergangen; heute weiß sich die deutsche Socialdemokratie von solchen nationalen Anwandlungen durchaus frei, und in Prag bei dem österreichischen Parteitag wird sie ihren Segen dazu geben, wenn dem Tschechenthum die Führerschaft in der österreichischen Socialdemokratie eingeräumt und den Deutschen der Kopf gewaschen werden wird, weil sie ein viel schwächeres Contingent in der österreichischen Social demokratie bilden als die Tschechen. Es ist bekannt, daß namentlich in den beiden letzten Jahren die tschechischen Arbeiter in Hellen Haufen zur Socialdemokratie über gelaufen sind, während die Deutschen in Böhmen vielleicht gerade deshalb, weil die Tschechen in so starker Zahl der rothen Fahne zu folgen anfingen, von dem socialdemokratischen Evangelium herzlich wenig wissen wollten. In der Wiener Socialdemokratie spielen die tschechischen Führer eine große Rolle, sie lassen zwar äußerlich dem eitlen vr. Adler die obere Leitung, aber sie haben ihn und seine Genossen am Gängelbande, und auf ihr Betreiben ist es hauptsächlich zurückzuführen, daß die österreichische Socialdemokratie Prag zum Versammlungsort ausersehen Hal und bereit ist, dort dem Tschechenthum seine Reverenz zu machen. Deutsche socialdemokratische Abgeordnete werden bei diesem feierlichen Acte als Zeugen zugegen sein. Berlin, 18. März. Dem im preußischen Abgeordneten hause eingebrachlen Gesetzentwurf, betreffend die Regelung der Richtergehälter, ist in der Presse fast aller Parteien ein übler Empfang bereitet worden. Nicht seines hauptsächlichen Zweckes, der Einführung des ziemlich allgemein willkommenen Dienstallersstufensystems, wegen, sondern weil er die Zulassung zum Richterdienste auf anfecht bare Weise zu regeln und den vorgeschlagenen MovuS auf noch anfechtbarere Art zu empfehlen unternimmt. Der gegen wärtige Zustand ist der, daß jeder Jurist, der die zweite Staatsprüfung bestanden hat,zum Gerichtsassessor ernannt wird und damit die Anwartschaft auf eine Slaalsanstellung erlangt. Ein rechtlicher Anspruch auf ein Amt wird zwar durch die Ab legung der Prüfung nicht erworben, thalsächtich stellt aber die Justizverwaltung jeden Gerichtsassessor, der nicht eine andere Laufbahn zu ergreifen wünscht oder gegen dessen Ausnahme in den Richterstand nicht Bedenken außerordentlicher Art obwalten, innerhalb ihres Ressorts an; der Rcchls- candidat, der die große Staatsprüfung bestanden hat, darf also auf die Verleihung eines Amtes zählen. Der Gesetz entwurf will nun die moralische Verpflichtung, die die Justiz verwaltung bei dieser Sachlage zu haben glaubt, beseitigen, indem er bestimmt, daß Gerichtsassessoren nur noch nach dem voraussichtlichen Bedarf ernannt und die übrigen jungen Juristen mit einem Zeugniß über das Bestehen der Prüfung und dem Recht, die Be zeichnung „Assessor" zu führen, aus dem Iustizdienst aussckeiden. Man wird sich bei der Beurtheilung dieses Vorschlages vor allen Dingen zu vergegenwärtigen haben, daß er einen höchst erstrebenswerthen Zweck verfolgt. Der gegenwärtige Zustand, das Hal bis zum Erscheinen dieses Gesetzentwurfs auch die linksliberale Presse eingeräumt, ist unhaltbar. Der Zwang, in der Regel jede Person, die im zweiten Staatsexamen nicht durchgefallen ist, in den Iustiz dienst aufzunehmen, verursacht zunächst einen bedenklichen Zudrang zum RechtSstuvium, sodann eine Ueberfüllung des IustizdiensteS und demgemäß eine Verschlechterung der An- stellungsverhältnisse, die gerade den besten Kräften daS Unter kommen in einem anderen Verwaltungszweig wünschenS- werth macht. Man sagt nicht zu viel mit der Prophezeiung, daß bei der unveränderten Beibehaltung des jetzigen Verfahren» in naher Zeit die Justiz hinsichtlich der Qualität ihrer Beamten auf die vom Tisch der anderen Verwaltungen fallenden Brosamen angewiesen sein wird. Muß die- anerkannt werden, so ist e» um so mehr zu be dauern, daß der vorgelegte Gesetzentwurf die Reform aus einem Wege sucht, aus dem man ihn nicht bis zum Ende begleiten kann. Der Inhalt seine- tz 8, den wir oben mit- getheilt haben, schafft Juristen erster und zweiter Classe und verweist in die letztere alle künftig dem Anwallstand hinzu tretenden. Seine Begründung aber heftet allen Juristen, die nicht zu GerichtSaffessoren ernannt worden sind, auch einen Makel sürS bürgerliche Leben an. Die Regierung erklärt nämlich den Art. 8 zu gebrauchen zur Fern haltung „minderwerthiger Elemente", von Assessoren, die „ungeachtet des Nachweise- der wissenschaftlichen Befähigung und ungeachtet einer von groben ViSciplinarischen Ver stößen freien Dienstführung nicht die Gewähr bieten, daß sie dasjenige Maß von praktischer Lebenserfahrung, von Tact und Umsicht und von Unabhängigkeit gegenüber ihrer Umgebung besitzen, welches als Voraussetzung einer gedeih lichen, das Ansehen der Rechtspflege fördernden Ausübung des Richteramles erfordert werden muß". Diese Motivirung würde, wenn der Entwurf Gesetzeskraft erlangte, für die Dauer seiner Geltung allen Juristen, die nicht einmal eine Zeit lang mit dem Gerichtsassessorstempel gestempelt waren, zeitlebens das Stigma der Minberwerthigkeit ausvrücken. Sie ist grausam, indem sie es in einem für die Bos heit und Niedertracht wohlthätigen Dunkel läßt, ob sie mehr die juristische oder mehr die menschliche „Minder- werthigkeit" im Auge hat, und sie discredilirt nicht die frag würdigen Erscheinungen im RechtSanwaltstand, sondern diesen ganzen Stand osficiell, indem sie es in negativer Form aus spricht, daß es zu einer gedeihlichen Ausübung des Anwalts berufs nicht des Maßes von Tact, Umsicht u. s. w. bedarf, dessen der Richter benöthigt. Die Begründung giebl der Justizverwaltung mit dem H 8 eine sociale Richlergewalt, die die Bestimmung unannehmbar macht. Hier ist m der Thal ein Fall, wo über die Motive abzuslimmen wäre, wenn der Paragraph seine jetzige Gestalt bis zum entscheidenden Augenblick behalten hätte. Wir hegen jedoch diese Befürchtung nicht und glauben, daß sich m der Commission für die positive gesetzliche Bekräftigung des nolhwendigen Rechts der Justiz verwaltung, ihre Beamten auszuwählen, eine Form finden läßt, die nicht generell verletzt. * Berlin, 18. März. Im Anschluß an den Proceß Schoren bespricht man, wie man dem „B. T." mittheilt, in militairischen Kreisen gegenwärtig sehr lebhaft die Conse quenzen, die aus dem Proceß sich ergeben. Man macht gel tend, daß der Proceß Schoren in klarster Weise die Noth- wenbigkeit dargelhan habe, daß die Militairbehörden, die doch gezwungen sind, bei größeren industriellen Etablissements arbei ten zu lassen, bestimmte Garantien dafür verlangen müssen, daß die militairischen Geheimnisse, die zur Kenntniß der Angestellten dieser Etablissements gelangen, streng secret gehalten werden. Gerade im Proceß Schoren hat es sich gezeigt, daß sehr häufig untergeordnete Personen in den Besitz mancher für die LandeSvertheidigung rc. hoch wichtigen Documente gelangen und daß diese Personen nicht immer die erforderliche moralische Zuverlässigkeit oder das Bewußtsein von der Bedeutung der zu ihrer Kennt niß gelangenden Schriftstücke haben. Die Militairbehörden werben daher ihr Augenmerk darauf zu richten haben, daß bei der Auswahl jener Beamten in den industriellen Etablisse ments rc. mit größerer Vorsicht zu Werke gegangen wird; insbesondere dort, wo eS sich um die Anstellung von Aus ländern handelt. Es soll zwar hier über die Ausländer im Allgemeinen nicht der Stab gebrochen werden, aber gerade bei ihnen ist die Gefahr, daß sie die Kenntniß secreter, die Lanbesvertheidigung betreffender Schriftstücke, Pläne rc. wider rechtlich verwerlhen, naturgemäß größer. Eine Anzahl von Hochverrathsprocessen der letzten Jahre hat das erwiesen, und auch Schoren und Pfeiffer sind Ausländer. Es wird in jenen Kreisen, in welchen gegenwärtig erwogen wird, in welcher Weise sich derartige Garantien erzielen lassen, unter Anderm auch darauf hingewiesen, daß man z. B. in Frank reich viel rigoroser vorgeht, und daß man dort in solchen Etablissements, in denen Gegenstände für die Landes- verlheidigung hergestellt werden und wo demzufolge die Gefahr hochverrätherischer Indiskretionen untergeordneter ober auch höherer Beamter nicht ausgeschlossen ist, niemals einen Aus länder anstellen würbe. V. Berlin, 18. März. (Telegramm.) Der Kaiser und die Kaiserin unternahmen heute früh den üblichen ge meinsamen Spaziergang durch den Thiergarten. Nach dem Schlosse zurückgekehrt, hörte der Kaiser den Vortrag des Wirklichen Geh. Raths vr. von LucanuS und wohnte um H* */r Uhr einem Concurrenz - Reiten im Tattersal in der Luisenstraße bei. Später empfing der Kaiser den Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen und den Chef des Geheimen Civilcabinets zum Vortrage; beide Herren wurden mit einer Einladung zur Frühstückstafel beehrt, zu welcher auch der Finanzminister Vr. Miquel und der Ober-Baurath Franzius aus Bremen sowie Fräulein von Veltheim geladen waren. AbendS um 7 Uhr gedenkt der Kaiser beim Staatssecretair Vice-Admiral Hollmann das Diner einzunehmen. (-) Berlin, 18. März. (Telegramm.) Wolffs Bureau erklärt die Meldung, daß daS Kaiserpaar von Genua nach Rom gehe, für völlig unbegründet, ebenso die Behauptung, daß Graf v. Posadowski demissioniren werde. (Wdrvlt.) — Berlin, 18. März. (Telegramm.) Nach Infor mationen der „Nordd. Allgem. Zta." dürfte die Meldung einiger Blätter über eine in der StaatSministerial-Sitzung am 16. dieses Monats zwischen dem preußischen Finanz minister vr. Miquel und dem ReichSschatzsecretair Grafen v. PosadotvSky hervorgetretene tiefgehende Meinungs verschiedenheit den thalsächlichen Verbaltnissen ebenso wenig entsprechen, wie die weitere Nachricht von einem EntlassungSgrsuche des ReichSschatzsecretair». Berlin, 18. März. (Telegramm.) Die „Nord deutsche Allgem. Ztg." schreibt: England hatte an die jenigen Mächte, welche Antbeil an der Controle der eghptischen Schuldverwaltung haben, den Antrag gerichtet, einen Theil de» au» egyptischrn Ersparnissen ge bildeten Reservefonds für die Expedition nach Tongola verwenden zu können. Nachdem die Regierung des KaiferS festgestellr hat, daß die Annahme de» Anträge- den An sichten der beiden anderen DreibuudS-Cabinete und insbesondere den Wünschen der italienischen Regierung entspricht, ist der deutsche Commissar in Kairo demgemäß verständigt worden. v. ü. Berlin, 18. März. (Privattelegramm.) Nach einer Mittheilung de» Auswärtigen Amt- hat der Präsident der Republik Peru, Nicola- de Pierola, dem Kaiser seine Wahl angezeigt. (Wiederholt.) S. Berlin, 18. März. (Privattelegramm.) In Betreff der Verleihung der «ar»inal»wärde an den Erz ¬ bischof vr. v. Stablcwskt wird, wie die „Nat.-Ztg." berichtet, der „Gazeta TorunSka" aus Berlin gemeldet, daß diese Nachricht im Wesentlichen richtig sei; der Vorschlag sei nicht vom Kaiser, sondern vom Vatikan ausgegangen, doch habe der Kaiser auf eine Anfrage des Baticans erklärt, er habe nichts dagegen. — Jedenfalls hat die preußische Staatsgewalt kein Interesse an einer Erhöhung des Ranges und Ansehens des „PrimaS von Polen". L. Berlin, 18. März. (Privattelegramm.) Die heutige socialdemokratischc Temonstratio» auf dem Kirchhof der Märzgefallene» ist, der „Nat.-Ztg." zufolge, ruhig ver laufen. Die ersten Besucher waren schon um 4 Uhr er schienen, die Pforte des Kirchhofes wurde aber erst gegen 7 Uhr geöffnet. Durch reiche Kranzspenden thaten sich namentlich die jetzt im Streik liegenden Gewerkschaften hervor. Die Vororte waren fast ausnahmslos an der Demonstration betbeiligt. Eine schwarz-roth-goldene Schleife trug die Kranz spende des fortschrittlichen Vereins Walbeck sowie des deutsch freisinnigen Arbeitervereins, eine Widmung in polnischer Sprache der Kranz der polnischen Socialisten Berlins. Auch die iu Berlin wohnenden dänischen Socialdemokraten halten einen Kranz gewidmet. Die Inschriften mancher Kränze wurden von der Polizei confiscirt. Sistirt wurde nm 6 Uhr früh ein Arbeiter, der einen Kranz mit rother Schleife auf das Kriegerdenkmal am Landsberger Platz nieder zulegen versuchte. — Zu dem Festessen im Reichstage am 21. März haben, der „Freis. Zlg." zusolge, 140 Mitglieder aus früheren Wahlperioden ihre Bettieiligung zugesagt, darunter 41 Mitglieder aus der ersten Session 1871. In dieser letzteren Zahl sind indeß auch diejenigen Mitglieder einbegriffen, welche noch gegenwärtig dem Reichstag an gehören. Im Ganzen haben aus früheren Perioden ihre Betheili gung zugesagt 25 Conservative, 22 Freiconservative, 50 National liberale, 36 Freisinnige, 6 Wilde, 1 Pole. Unter den früheren Mit gliedern der Fraclionen nehmen u. A. Theil der Reichskanzler, die Minister v. Boelticher, Miquel, sodann v. Wedel, v. Hellvorff-Bebra, Ackermann, Prof. Delbrück, Frhr. v. Zedlitz, v. jteudell, Wehren- pfennig, Pros. Dove, Planck, Lesse, Oechelhäuser, Prof. Oncken, Prof. Meyer, Hobrecht, Pogge, Kalle, Ober-Landgerlchts-PräsiLent Struckmann, Wilbrandt, Hänel und Hausburg. * Königsberg t. Pr., 17. März. Die bereits früher er wähnte Petition der Littauer um Einführung des litlauischen Sprachunterrichts bat, ostpreußischen Blättern zufolge, in sieben littauischen Blättern gegen 30 000 Unterschriften gefunden. Die Bittschrift soll durch eine Deputation dem Kaiser überreicht werden. Jeder der sieben Kreise wählt einen Deputirlen. * Tanzig, 17. März. Enie Versammlung westpreußischer SpirituSllileressenten gründete eine Spirit uSverkaufs- Genosjenschaft. — Prinz Heinrich kürzt seine AuS- landreise ab und nimmt an den Manöver» in der Danziger Bucht Theil. (F. Z.) * Münster, 17. März. Anläßlich der Schrift des Professors v. Below „Das Duell und der germanische Ehrbegriff" ist in mehreren Blättern behauptet worben, daß die Familie v. Below sich in einem Blatte öffenttich von ihrem Namensvetter losgesagt Hube, weil er die Duellforderung eines Berliner Privatdoceinen ab lehnte Herr v. Below theilt jetzt in einer Zuschrift an die „Posener Zeitung" mit, Laß jene Erklärung nicht von der Familie oder auch nur von einem namhaften Theile derselben au-gegangen sei, sondern von einem Anonymus. Dieser habe es für gut befunden, sich trotz einer von Professor v. Below in den Zeitungen veröffentlichten Gegenerklärung in Dunkel zu hüllen. * Cottbus, 17. März. Die hiesige erste Strafkammer verhandelte gestern gegen den Tuchmacher Gottlob Kölbel wegen Beleidigung und Vergehens gegen tz. 153 der Gewerbe-Ordnung. Als Vertreter des Nebenklägers, des Fabrikanten Hirschmann, trat Iustizrath Dedolph auf. Bei den Verhandlungen iu der Graß <L Hirschmann'schen Fabrik war Kölbel mit in der Commission der Arbeiter und ließ sich gegen Hirschmann, als dieser sagte, er könne die geforderten Lohnerhöhungen nicht bewilligen, wiederholt Beleidigungen zu Schulden kommen. Nachdem die Hirschmann'schen Arbeiter in den Ausstand getreten waren, hatte u. A. ein Arbeiter Kuchenbäcker bei Hirschmann Arbeit genommen. Als er Mittags wieder zur Arbeit gehen wollte, wurde er von aus ständigen Arbeitern angehalten und er begab sich in das Ausstandsbureau der Arbeiter. Dort sagte Kölbel zu ihm: „es sei sein Glück, daß er nicht mehr in die Fabrik gegangen, ginge er noch einmal hin, so käme er nicht mehr lebendig nach Hause". Die Anklagebebörde sah hierin die Merkmale des tz. 240 des Strafgesetzbuches und beantragte wegen Nöthigung und Beleidigung eine Gesammtstrafe von neun Monaten Gefängniß. DaS Gericht erkannte wegen Nötbi gung und Beleidigung auf sechs Monate uud eine Woche Gefängniß. tki. Ilmenau, 18. März. Wie aus Iauer in Schlesien berichtet wird, ist der Wahl unseres Bürgermeister» Eckardt zum Bürgermeister der Stadt Iauer die Allerhöchste Be stätigung versagt worden. * Wiesbaden, 17. März. In der vorgestern hier ab gehaltenen Hauptversammlung deS Wahlvereins der nationalliberalen Partei des II. nassauischen Wahlkreises erstattete, wie der „Rheinische Kurier" mit- tbeilk, Professor vr. Fresenius Bericht über die Sitzung des CentralvorstandeS der nationalliberalen Partei am 26. Januar diese» Jahre- und theilte unter Anderm mit, baß in dieser Sitzung die Unterstützung des Anträge» Kanitz durch Mitglieder der Partei zu einer lebhaften Debatte geführt habe. Um derartigen Vorkommnissen für die Zukunft vorzubeugen, sei schon vor dieser Sitzung de» Central vorstandes eine Aenderung ihrer Geschäft-srdnung dahin beschlossen worden, daß künftig Initiativanträge, wenn Fractionsmitglieder sie unterstützen wollen, zunächst dem Vor stande der Fraktion unterbreitet werden müsse» und erst nach Kenntnißnahme und Besprechung in der Fraction unter zeichnet werden können. Diese Aenderuna sei ia der Sitzung vom 26. Januar mitgetheilt worden. In der Debatte, dir sich daran geknüpft hab«, sei e» allgemein al» besonder» wÜnschenSwerth bezeichnet worden, daß man auch ia wirth- schastlichea Fragen zu einem möglichst klaren Parteiprogramm
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