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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.03.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960320017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896032001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896032001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-03
- Tag1896-03-20
- Monat1896-03
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Der Reichstag ist heute so ziemlich bas Gegentbeil von dem, als was man ihn bei seinem Entstehen mit Jubel begrüßt hat, als die Verkörperung des Einheitsgedankens gegenüber den partikularen Bestrebungen. Zum Glücke Deutschlands hat der BundeSrath gleichfalls hier die Er wartungen, dort die Befürchtungen in so weit getäuscht, als er nicht der Sitz jener Tendenzen, sondern ein die gemeinsamen deutschen Interessen nicht minder sorglich als die Rechte der Fürsten und Staaten wahrendes Centralorgan geworden ist. Doch ist auch im Reichstag der Geist, dem er seine Schöpfung ver dankt, wenn schon unterdrückt, so doch nicht dergestalt ver drängt, daß man heute an die Gesammlheit seiner Mitglieder die Frage des Dichters richten dürfte: „Doch was das große Fest bedeute, weiß es denn jetzt noch irgend wer?" Und auch daS darf nicht vergessen werben, daß der Reichstag in seinen Iugendjahren von einer Nation gebildet wurde, die unter dem frischen Eindrücke begeisternder Ereignisse und Errungen schaften stand. Die Annalen der ersten Tagung deS ersten Reichstags weisen noch unmittelbar auf den großen Krieg zurück. Tie Einberufungsverordnungen des Kaisers — es sind deren zwei, da ursprünglich der Zusammentritt für den 9. März in Aus sicht genommen war — sind beide vom Großen Hauptquartier zu Versailles datirt, und als Kaiser Wilhelm die Eröffnung am 21. März vornabm, war er erst wenige Tage vorher aus Frankreich zurückgekehrt. Bei dem Eintritt in den Weißen Saal trugen ihm die großen Kriegsmeister Moltke und Roon Reichsschwert und Scepter voran, während der Sieger von Weißenburg und Wörth an seiner Seite schritt. Die Tbronrrde beschäftigte sich ausschließlich mit den abgeschlossenen wunder baren Ereignissen und ihren herrlichen Folgen. Der Eröff nung folgte au demselben Tage die erste Sitzung des Reichstags. Sie wurde präsidirl von dem ältesten Mitglied« de» Hause-, dem 1785 geborenen (1878 verstorbenen) Ober appellationsgerichtspräsidenten a. D. von Frankenberg- Ludwigsdorff, conservativen Abgeordneten für den schlesi schen Wahlkreis Guhrau-Wohlau, der, als er später dem ge wählten Präsidenten Simson seinen Platz einräumte, daran erinnern durste, daß er den nunmehrigen 1. Präsidenten deS deutschen Reichstags 21 Jahre früher zu dem Präsidentensitz des Erfurter Parlaments als Alterspräsident geleitet Halle. Herr von Frankenberg konnte noch eine zweite merkwürdige Thatsache ins Gedächtniß rufen. Er hatte auch die erste Sitzung deS Norddeutschen Reichstags eröffnet unv dabei „daS neue Deutschland in Aussicht genommen". Damals von der französischen Presse mit Spott überschüttet, stand er nun in der That an der Spitze der Volksvertretung eines neuen, in Frankreich neugewordenen Deutschlands. Der greise Parlamentarier unterließ nicht, den französischen Hoch» muth zu geißeln, dem von jeder der Gedanke, Deutschland einig zu wissen, unerträglich gewesen, und wandte sich hierauf mit freundlichen Begrüßungsworten an die süddeutschen Mit glieder, deren Eintritt den norddeutschen zum deutschen Reichs tag gemacht hatte. DaS Neue der Situation kam zum Vor schein, als der Alterspräsident die Schriftführer für die Sitzung nominirte. Er fügte den Namen die Herkunft hinzu: „Frhr. Schenk v. Stauffenberg aus Bayern, 0r. Eysold aus Sachsen, Schöning und v. Unruhe- Bomst auS Preußen." Die Auszäh lung deS Hauses hatte daS für uns beinahe märchenhaft gewordene Ergebniß, daß von den 382 Mitgliedern (die 15 elsaß lothringischen Abge ordneten traten erst nach der am 9. Juni erfolgten Ver einigung ihres Landes mit dem Reiche hinzu) 274 anwesend und drei entschuldigt waren. Da auf den nächstfolgenden Tag der 74. Geburtstag Kaiser Wilhelm'S I. fiel, machte der Präsident den mit Begeisterung aufgenommenen Vorschlag, den theueren Herrscher an dem ersten Wiegenfeste, das er als Kaiser feiere, in corpora zu beglückwünschen. Die zweite Sitzung wurde deshalb aus den 23. März angesetzt. Nur die Abtheilungen sollten am kommenden Tage zusammen treten. Gegen diesen letzteren Vorschlag sprach aber Windt- horst, der sich dadurch zu dem Rang deS „ersten" Redners deS deutschen Reichstags emporschwang. Er siegte auch, denn die Abtheilungen verschoben ihre Arbeit. In der zweiten Sitzung fand die Präsidentenwahl statt, Martin Ed. Simson, der heute Fünfundachtzig jährige, wurde mit 276 von 284 Stimmen gewählt; auf kein anderes Mitglied fiel mehr als eine Stimme. Simson vermied einen Hinweis auf die Vorgänger deS Reichstages in Frankfurt und Erfurt, denen er gleichfalls al« Präsident vorgestanden, und begnügte sich damit, in großen Zügen die Aufgaben des Reiches zu bezeichnen. Dagegen halte die Antrittsrede des zum ersten Vicepräsidenten gewählten Fürsten zu Hohenlohe, deS gegenwärtigen Reichskanzlers, schon einigen politischen Beigeschmack. Der Abgeordnete aus Bayern bemerkte, er lege um so höheren Werth auf das ihm bewiesene Vertrauen, als er dem Lande angehöre, „dessen Vertretung die letzte gewesen ist, welche den Verträgen beistimmte, deren Abschluß unS hier zusammenführt. Laßen Sie mich daher in Ihrer Wahl eine günstige Vorbedeutung erblicken." Bei der Wahl des zur deutschen Reichspartti ge hörigen Fürsten Hohenlohe hatte die Einmüthigkeit, die Simson auf den Präsidentenfluhl brachte, nicht mehr voll geherrscht. Die Klerikalen hatten ihm in dem Freiherrn v. Aretin, gleichfalls einem Bayern, einen Gegencandidaten entgegengestellt, der 60 Stimmen aus sich vereinigte. Eine weitere Stimmenzersplitterung fand bei der Wahl des zweiten Vicepräsidenten statt, da außer den Klerikalen, die für August Reichrnsperger (Crefeld) 65 Stimmen abgaben, auch die Conservativen mit dem Pommern Moritz von Blankenburg als Candidaten die Wahl des württem- bergischeu Nationalliberalen v. Weber bestritten, jedoch ohne Erfolg; Blankenburg erhielt 70 Stimmen, Weber wurde mit 156 Stimmen gewählt. Die dritte Sitzung wurde mit Verhandlungen über Wahlanfechtungen ausgefüllt. Die erste Versündigung gegen das Wahlgesetz, die im deutschen Reickslag gerügt wurde, ist recht unterhaltsam. In der Stadt Liebenwalde des Wahlkreises Niederbarnim war die — Garnison, „nach allen Regeln der Kunst", wie der Referent Georg v. Bunsen fick ausdrückte, in die Wählerliste eingetragen worden und hatte lebhaft gewählt! Dem Abgeordneten des Wahlkreises geschah jedoch nichts, weil er auch ohne die kriegerischen Stimmen eine große Mehrheit hatte. Der Vorfall wurde von Franz Duncker tragisch behandelt, Heiterkeit und zwar die allererste Heiterkeit im Reichstag verzeichnet der Bericht über diese Sitzung erst, als ein Protest gegen die beiden Münchener Wahlen mit der Thalsache begründet wurde, daß die Wahllocale fast ausschließlich in Gastwirlhschasten auf geschlagen worden waren. Auch diese Mandate wurden nicht cassirt. Der erste Gesetzentwurf gelangte in der vierten Sitzung zur Berathung. Es war die Reichsverfassung, die jedoch schon rechtskräftig vom Norddeutschen Reichstag und den süddeutschen Landtagen beschlossen worden war und in der, abgesehen von einer Bayern betreffenden Bestimmung, lediglich die Bezeichnung „Kaiser" und „Reich" an die Stelle von „Präsidium" und „Bund" zu setzen, sowie redaktionelle Aenderungen vorzunehmen waren. Bei der zweiten Be rathung, die an seinem Geburtstag stattfand, ergriff Fürst Bismarck, damals noch „Bundeskanzler", zum ersten Male im neuen Parlament das Wort. Seine Bemerkungen waren überwiegend philologischer Natur — so bekämpfte er die Bezeichnung „Reichsgebiet" — er halte aber doch schon damals Veranlassung, eine polnische Prätension zurück zuweisen. Die erste hochpolitische Debatte hatte vorher, in der siebenten Sitzung vom 31. März, stattgefunden, in der zwei Entwürfe zu Adressen an den Kaiser zur Berathung standen — der eine von Herrn v. Bennigsen, der andere von Reichensperger eingebracht. Der letztere richtete sich im päpstlichen Interesse gegen die Betonung des Nicht- interventionSprincips und rollte damit die Erörterung des fundamentalen Unterschieds zwischen dem alten und dem neuen deutschen Reiche auf. Manchen mag es vielleicht noch inter- essiren, daß der erste Gesetzentwurf, der nächst der Reichs verfassung vorgelegt wurde, ein Handelsvertrag, mit der Republik Salvador — gewesen ist. Deutsches Reich. * Berlin, 19. März. Herr Hofprediger a. D. Stöcker versendet als Erster Vorsitzender des Gesammtvorstandes der christlich-socialen Partei das Programm der neugebildeten Partei, in welchem folgende Forderungen aufgestellt werden: I. An die Staatspolitik. 1) Eine starke Monarchie als Trägerin der socialen Reform im Reiche wie in den Einzelstaaten. 2) Bolle Selbstständigkeit der Kirche. Leitung des Re ligionsunterrichts durch die Kirche. 3) Confejjionalität derSchule. Möglichste Durchführung einer einheitlichen Volkserziehung in den ersten Schuljahren. Gesetzliche Zulassung freier Schulen unter staatlicher Aussicht. Ausreichende Staatsbeihilfe zum Besuch höherer Schulen für begabte Kinder der unbemittelten Stände. 4) Gesetzliche Neuordnung des Verhältnisses von Kirche und Schule. Fachliche Schulaufsicht. 5) Einrichtung der Staatsbetriebe zu arbeiterfreundlichen Musterbetrieben. 6) Verstaatlichung geeigneter Berufszweige und Betriebe da, wo es das Interesse des Gemein- wohls erfordert. 7) Verminderung der Proceß- und Anwallskosten und dadurch Erleichterung der Proceßsührung für die ärmere Be völkerung. 8) Reichsgesetzliche Regelung des Vereins- und Ver sammlungsrechts. II. An die Wirthjchasts- und Gewerbe- Politik. 1) Staatliche Maßregeln zur Erhaltung eines gesunden und zur Einschränkung eines übergroßen Grundbesitzes. 2) Reform des Hypothekenwesens im ländlichen Grundbesitz. Festsetzung der Verschuldungsgrenze. Anjäjsigmachung der ländlichen Arbeiter. Innere Colonisation. Herstellung eines gerechteren Verhältnisses in der Besteuerung der Geschäfte über Mobilien und Immobilien. 3) Obligatorische Fachgenossenschasten be- ziehungsweise Innungen, gemäß dem Bedürfnis des Handwerks. Befähigungsnachweis. Errichtung von Handwerkerkammern. Sicherung der Bauhandwerker in ihren Forderungen. Einichränkung der Concurrenz durch die Gefängnißarbeit. 4) Beseitigung des un- lauteren Wettbewerbs. 5) Reform der Börse. Einschränkung des Dlfferenzgeschäftes und Verbot desselben in Producten. III. An die Socialpolitik. 1) Staatlich anerkannte Berufsvereine als Ueber- gang zu obligatorischen Genossenschaften. 2) Staatliche Förderung genossenschaftlicher Production. 3) Festsetzung der Arbeitszeit nach Fachgenossenschaften. 4) Schutz der Arbeiterbevölkerung gegen gesund heitswidrige Zustände in den Arbeitslocalen. 5) Zweckmäßigere und gerechtere Regelung der bestehenden Versicherungsgesetzgebung und Er- greisung von Maßregeln zur Sicherung gegen unverschuldete Arbeits- josigkeit. 6) Unentgeltlicher Arbeitsnachweis. 7) Ausdehnung des Arbeiterschutzes auf die Hausindustrie. 8) Thunlichste Durchführung der 36 stündigen Sonntagsruhe. 9) Ausdehnung der Sonntagsruhe auf die Angestellten des Verkehrs- und Schankgewerbes. 10) Weib liche Assistenten der Fabrikinfpectoren. Il) Staatliche Regelung und Beaufsichtigung der Wohnungsverhältnisse. IV. An die Steuer- Politik. 1) Progression der Einkommen- und Vermögens steuer unter Berücksichtigung LeS Familienstandes. 2) Ausbildung der Erbschaftssteuer. 3) Luxussteuern. V. Energische Colonial politik. VI. In der Judenfrage. 1) Ausschluß der Juden aus allen obrigkeitlichen Aemtern. 2) Zulassung der Juden zu den anderen Aemtern und zur Advocatur nach dem Bevölkerungs- verhältniß. 3) Verhinderung des Ueberwuchrrn« der Juden an den christlichen höheren Knaben- und Mädchenschulen und der jüdischen Lehrkräfte an den Universitäten. 4) Verbot der Judrneinwanderung. VII. In der Frauen frage. 1) Ausdehnung der weiblichen Berufsarten. 2) Einschränkung der Fabrikarbeit verheiratheter Frauen. * Berlin, 19. März. Die ReichStagS-Commission für daS Bürgerliche Gesetzbuch hat bisher in 16 Sitzungen 617 Paragraphen des Entwurfs berathen. In den letzten drei Sitzungen hat sie nur je drei Paragraphen erledigt. Finden fernerhin vier Sitzungen wöchentlich statt, so können bis Pfingsten noch 31 Sitzungen abgehallen werden. Soll auch nur die erste Lesung des Entwurf« in der Commission bis zu diesem Zeitpunct beendigt sei» — und daS wäre daS Mindeste, wa« zu geschehen hätte, um die Verabschiedung des Gesetzbuchs in der gegenwärtigen ReichStagstagung zu ermöglichen —, so wären in jeder Sitzung etwa 56 Para graphen zu erledigen. Bis heut« aber ist nur eine Durch schnittszahl von 38 erzielt worden. Die Aenderungen, die die Commission an dem Entwurf vorgenommen hat, stehen, abgesehen von dem Vereinsrecht, der Zahl und Bedeutun nach außer Verhältniß zu der darauf verwandten Zeit. Bis jetzt besteht indessen noch kein Anlaß, das bedauerlich langsame und schlimme Befürcktungen hervorrufende Fortrücken der Beratbungen auf die Absicht der Verschleppung oder auf grundsätzliche Abneigung gegen den Entwurf zurückzuführen. Der Gesammteindruck gebt vielmehr zur Zeit noch dahin, daß die Commission den Wunsck hat, das Bürgerliche Gesetz buch zu Stande zu bringen. Leider werden aber Fragen von geringer Bedeutung zum Gegenstände von Anträgen gemacht, und über wichtige unv unwichtige Dinge wird oft länger als nolhwendig und ohne Rücksicht auf das schon sicher voraus- zusehende Ergebniß der Abstimmung geredet, wobei ins besondere die AuSsübrungen von socialbemokratischer Seite manchmal ungebührlich viel Raum beanspruchen. Damit verkennt die Commission ihre Aufgabe und bringt sich selbst um die Anerkennung, die sonst ihrem Fleiße zu zollen wäre. Es kann sich nicht darum handeln, nachdem zwei Commissionen der auserlesensten und hervorragendsten deutschen Sach verständigen 22 Jahre lang, darunter die letzten fünf Jahre unter Mitwirkung von Parlamentariern aus allen größer» Par teien des Reichstags, die 2359 Paragraphen des Entwurfs mit peinlichster Genauigkeit durchberaihen haben, nun in einer dritten Commission möglichst viele Einzelheiten aufs Neue zu erörtern. Die Prüfung sollte sich vielmehr aus politische und wirthschaftliche Fragen von grundsätzlich erheblicherer Tragweite beschränken. Diese Erkennlniß, die bei der Be rathung des allgemeinen Theils in erfreulicher Weise hervor trat, wird, wie noch immer gehofft werden darf, bei den ferneren Verhandlungen der Commission wieder zu ihrem Rechte kommen. In den juristischen Einzelheiten, in der Einheitlichkeit des Gedankenganges hat sich der Entwurf bisher so widerstandsfähig gezeigt, daß die Mehrheit der Commission sich nur ganz ausnahmsweise dazu entschließen konnte, einem Abänderungsantrage den Vorzug vor dem Entwurf zu geben. Man darf erwarten, daß nack dieser Erfahrung Zeit uud Mühe, die die Versucke, die Zahl dieser Fälle zu vermehren, in Anspruch genommen haben, künftig wichtigern Dingen zu Gute kommen werden. (Köln. Ztg.) V Berlin, 19. März. (Telegramm.) Der Kaiser machte heute Vormittag mit der Kaiserin einen Spaziergang durch den Thiergarten. Von 10 >/z Uhr ab nahm er im Schlosse den Vortrag des Kriegsministers entgegen, arbeitete mit dem General v. Habnke und conferirte sodann mit dem Minister Freiherrn v. Hammerstein-Loxten. Mittags empfing er den neu ernannten rumänischen Gesandten Beldiman behufs Entgegennahme seines Beglaubigungs schreibens. Abends gedenkt er cas Diner bei dem Ofsicier- corps des Garde-Kürassierregiments einzunehmen. — Den Kammcrherrndienst bei der Kaiserin hat vom 15. ab bis auf Weiteres der königliche Kammerherr und Ceremonienmeister von Veltheim-Schönfließ übernommen. (») Berlin, l 8. März. (Telegramm.) In der heutigen Sitzung des BundesrathcS wurde der Gesetz-Entwurf über die Zwangsversteigerung und die Zwangs-Ver waltung sowie der zugehörige Entwurf eines Einführungs gesetzes dem zuständigen Ausschüsse überwiesen. Dem münd lichen Ausschußberichle über den Gesetz-Entwurf, betr. den Abgabentarif für den Kaiser-Wilhelm-Canal, wurde die Zustimmung ertheilt. Ferner wurde der mündliche Aus- schußbericht über den Reichstagsbeschluß zu den Petitionen, betr. das Verbot der Vivisektion dem Reichskanzler überwiesen. (») Berlin, 18. März. (Telegramm.) In dem Straf- processe wegen des Diebstahls bcS „ Armee-BcrorSnungS- blattes" vom 18. Januar er. erhielten Buchbinder Zetsche 6 Monate, Buchbinder Hillert 3 Monate und Hausdiener Tscheunert 1 Monat Gefängniß. Das Gericht nahm an, daß ein Diebstahl vorliege. Als strafmildernd für die Angeklagten galt deren bisherige Unbescholtenheit. — Die socialdemokratischen Unternehmer sorgen für die „Concenlration des Capital«". Der „Vorwärts" meldet nämlich: „Unser bremisches Parteiorgan, die „B ürg er z ei tu n g", geht demnächst in den Verlag der Firma Auer <L Co. (in Hamburg. Red.) über." — Wie der „D.- u. W.-Ztg." mitgetheilt wird, ist auf den Einspruch wegen Zulassung des Pastors Werckshagen zum Amte eines Predigers in Hameln seitens des Con- sistoriumS in Hannover die Entscheidung abgegeben worden, daß dem Einspruch Folge zu geben, die Zulassung des Herrn Werckshagen also abzulehnen sei. — Die gestern zur Feier des 18. März von den Socialdemokratrn veranstalteten elf Versammlungen waren im Ganzen nur mittelmäßig besucht. Die Gesammlzahl der Besucher mochte sich auf etwa 5000 Personen belaufen. Liebknecht regte in der Versammluog im Kolberger Salon eine telegraphische ZustimmungStundgedung an die Pariser Socialisten an. Die Anarchisten waren bei Bolz ver sammelt. * Prenzlau, 19. März. (Telegramm.) Bei der heutigen Landtagsersatzwahl un Wahlkreise Prenzlau-Angermünde an Stelle des verstorbenen Abgeordneten Landgericptsrath Alisch wurdeHauptritterschaflsdirectorKammerherr v. Arnim- Züsedom (konservativ) einstimmig gewählt. * Hannover, 18. März. Zur Frage der Beamten- Consum vereine wird dem „Hannov. Cour." aus West falen geschrieben: In Paderborn nimmt der Eisenbahn- beamten-Consumverein, dem aber Beamte aller Rangstufen und Verwaltungszweige von Paderborn und Umgegend an gehören, einen immer größeren Umfang an. Der Vorstand de« Vereins schlägt jetzt den Mitgliedern sogar den Ankauf eines eigenen Grundstücks vor, um darauf ein großes WaarenhauS zu bauen. Die Kaufleute und Hand werker sehen mit Besorgniß der weiteren Entwickelung der Dinge entgegen. Schon jetzt ist ihre Lage keine beneidenSwerthe; wenn aber der Verein seine Thätigkeit noch weiter auSdehnt, so werden viele dieser selbstständigen Gewerbetreibende» sich nicht mehr länger behaupten können. Eine Vorstellung bei der Eisenbahndirection Münster ist SV. Jahrgang. erfolglos geblieben. Daß es gerade die Beamten sind, die in solcher Weise viele selbstständige Existenzen mit dem Unter gänge bedrohen, ist recht bedauerlich, um so mehr, als von vielen Seiten, u. A. auch auf der bekannten Handelskammer- conferenz in Osnabrück, darauf hingewiesen wird, daß die Beamten — namentlich von der Eisenbahn und der Pcst — infolge ihrer Stellung von Geschäftsverbindungen (zum Beispiel Bezugsquellen) der Gewerbetreibenden sebr leicht Kenntniß erlangen können. * Brannschwcig, 18. März. (Telegramm.) TerLand- tag genehmigte einstimmig oie grundlegenden Paragraphen des neuen Einkommensteuer-Gesetzes nach einer be friedigenden Erklärung des Staatsministers Otto über die Weiterführung der Steuerreform. * Breslau, l8. März. Der vollziehende Ausschuß für die Errichtung eines Kaiser Wilhelm-Denkmals in Breslau beschloß beute, die Reiterfigur nicht zu vergolden und an den unteren Seiten der Pylonen bekannte Aussprüche des verstorbenen Kaisers anzubrinaen. Das Postament er hält an der Vorderseite die Inschrift „Wilhelm I.", an der Rückseite „Dem großen Kaiser bas dankbare Schlesien." Die Enthüllung des Denkmals findet im September in Anwesen heit des Kaisers statt. * Coburg, 18. März. Hier ist die Nachricht eingelaufen, daß das Kaiserpaar bestimmt den Hochzeilsfeierlichkeiicn beiwohnen werde. * Fürth, 18. März. Der Streik nimmt weitere Dimensionen an, da er sich auch auf Nebengewerbe erstreckt; so mußten z. B. in einer Fabrik die Glasschleifer entlassen werden, weil die Glasschneider die Arbeit eingestellt haben. Die Zahl derStreikenden beträgt bereits über 1300. (M.N.N.) * München, 18. März. Zu der untergerichtlicken Ver handlung gegen den Secondelieutenant Frhrn. v. Gutten berg wird ossiciös mitgetheilt: „Gegenüber der in ver schiedenen hiesigen Blättern enthaltenen Behauptung, die Gerichtsverhandlung über den Secondelieutenant Freiherrn v. Guttenberg des Infanterie-Leib-Regiments habe, entgegen der sonstigen Gepflogenheit, nicht im Commandanlurgebänre, sondern in der Türkenkaserne stattgefunden, ist darauf hin zuweisen, daß im hiesigen Commandanturgebäude nur die Verhandlungen deS Militairuntergerichts der Commandantur München abgehalten werden, daß dagegen die Verhandlungen des Militairuntergerichts der Regimenter rc. sämintlich in den Gerichtslocalen der letzteren in den betreffenden Kasernen stattfinden und von jeher dort stattgefunden babeu." — Mit dieser Erklärung ist allerdings der in der Presse erhobene Vorwurf noch nicht entkräftet, daß zwar formell die Oeffenl- lichkeit gewahrt, thatsächlich aber der Zutritt zu der Ver handlung außerordentlich erschwert, ja nahezu unmöglich gemacht worden sei, zumal da die Verhandlungen niemals, wie das bei den Civilgerichten regelmäßig der Fall sei, ösfentlick bekannt gemacht würden. — Das städtische Arbeitsamt hat in den Monaten November, December, Januar, Februar 878, 1087, 1451 und 1569 Frauen und 499, 628, 673, 722 Männern Arbeit verschafft. Arbeit gesucht haben in den vier Monaten 370, 3012, 3351, 2351 Männer und 5621, 4040, 4742, 3601 Frauen. Einer großen Anzahl konnte also keine Arbeit zugewiesen werden. Oesterreich-Ungarn. Saiserbesuch. * Wien, 18. März. (Telegramm.) Das „Fremden blatt" erfährt aus Berlin: der deutsche Kaiser werde gelegentlich seiner Reise nach Italien Wien besuchen. * Wien, 19. März. (Telegramm.) Der diesseitige Botschafter in Konstantinopel Freiherr v. Calice ist beule Vormittag vom Kaiser in Audienz empfangen worden. * Pcst, 18. März. (Telegramm.) DasMagnaten- haus bewilligte einstimmig das Budget-Provisorium. — Bei dem heutigen Säbelduell zwischen dem Minister Baron Josika und dem Grafen Zdenko KlebelSberg erhielt Letzterer einen schweren Stirnhieb. Josika wurde unbedeutend an der Hand verletzt. Frankreich. „Jrrthümer" und Verstimmungen. * Paris, 19. März. (Telegramm.) Einer hiesigen englischen Quelle zufolge wird am Quai d'Orsay erklärt, d! gestrige Note der„AgenceHavaS" habe keinerlei osß ciellen oder warnenden Charakter gehabt, welcher ibr irr thümlich beigelegt worden sei. Die französische Regie rung habe nur genau klarstellen wollen, daß sie nickt gewillt sei, auf ihr Interesse an der egyplischen Frage zu verzichten, und sie verlange Aufklärung darüber, wie weit die Sicherheit Egyptens gefährdet sei. Die Haltung Frank reichs in dieser Frage gegenüber England sei keineswegs eine feindliche, die politischen Beziehungen Englands zu Frankreich seien nach wie vor dir freundschaft lichsten. (Wiederholt.) * Part», 19. März. (Telegramm.) Die Mittheilung der „Nordd. Allg. Ztg." über Deutschland» Stellung nahme zum englisch-ägyptischen Dongolazug wirkt bier stark verstimmend. Man begreift, daß der französisch russische Einspruch erfolglos bleiben, also zu einer schmerz lichen diplomatischen Niederlage führen muß, wenn der ganze Dreibund England unterstützt. Die» veranlaßt „GaulviS" und andere RegierungSgeaner, Berthelot des Leichtsinns zu beschuldigen, weil er sein« bekannte Mittheilung über die Unterredung mit Dufferin veröffentlichte, ohne sich vorher über dir Haltung der deutschen Reichsrrgierung unterrichtet zu haben. (Voss. Ztg.) * r»ul»iise, 18. März. (Telegramm.) Der CorrrctionS- gericht«hof wir» den Direktor der Glasfabrik in Earmaux mit seinem Anträge ab, den Deputirten Iaurr» und diejenigen Blätter zur Zahlung eine« Schadenersätze» zu verurthnlen, welche di» Streikenden unterstützt hatte«.
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