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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.03.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960330019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896033001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896033001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-03
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Großer» Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer und Zifirraiup nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen»Au-gabe, ohne Postbesörderung ^ll 60.—, mit Postbesörderung ^4 70.—. Druck und Berlaq von E. Polz in Leipzig Äonahmeschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen »Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige« find stets an die Expedition zu richten. 90. Jahrgang. Amtlicher Theil. Konkursverfahren. Ueber das Vermögen deS Eigarrenhändlers Friedrich August Herrler hier, Albertstraße Nr. 13, Wohnung: Gr. Fleischergasse Nr. 23, wird heute am 11. März 1896, Vormittags 10 Uhr, das Konkurtverfahren eröffnet. Herr Rechtsanwalt Kretschmer hier wird zum Konkursverwalter rrnamtt. Konkurtforderungen sind bis zum 14. April 1896 bei dem Gerichte anzumelden. Es wird zur Beschlußfassung über die Wahl eines anderen Ver walters, sowie über die Bestellung einet EläubigerauSschuffe» und eintretruden Fallet über die in ff 120 der Sonkursordnung be» zeichneten Gegenstände auf den 1. April 18VS, Bormittag» 11 Uhr, und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen auf den 24. April 18SS, vormittags 11 Uhr, vor dem unterzeichneten Gerichte Termin anberaumt. Allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwa- schuldig sind, wird aufgegebe», nicht- an den Gemeinschuldner zu verabfolgen oder zu leisten, auch di» Verpflichtung auserlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für welche sie auS der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkursverwalter bis zum 11. April 1896 Anzeige zu machen. Königliches Amtsgericht zu Leipzig, Abth. II'., L. 31./S6. Xo. 2. am 11. März 1896. Bekannt gemacht durch den Gerichtsschreibrr Secr. Beck. Zur Geschichte -es sächsischen Landtags. Von Curt Thümmler. Nachdruck verboten. I. Die Frage, wie weit die geschichtlichen Spuren der alt ständischen Verfassung Sachsens zurück zu verfolgen sind, ist noch als eine von der Wissenschaft unentschiedene zu be zeichnen. Es bandelt sich dabei besonder- darum, ob ein Zusammenhang besteht zwischen den Landtagen, wie sie die sächsischen Chronisten seit der Mitte des XV. Jahrhundert- kennen, und den Landesversammlungen, von denen wir zuerst auS der Zeit Konrad'S deS Großen hören. Diese letzteren, pmcitL xroviu cmlia genannt, waren Versammlungen, auf denen vor allen Dingen tie Gerichtsbarkeit vom Fürsten auSgeübt wurde, auf welchen dieser Streitigkeiten entschied, Verträge bestätigte u. s. w. Von solchen Meilis wird uns seit dem Jahre 1123 des Orftrren von sächsischen Geschichtsschreibern berichtet, und zwar wurden sie, wie auch der Name besagt, in den verschiedenen Provinzen oder bester Bestandtheilen der damaligen sächsischen Lande abgebalten. Auch der Name Landtag kommt seit 1185 vor, was aber Wohl nur als eine andere Bezeichnung für die Mcitu anzusehen ist; denn im Charakter dieser Landesversammlungen tritt damit keine wesentliche Aendernng ein. Im Laufe deS XIV. Jahrhunderts werden nur in großen Pausen Landtage abgehalten, und die selben verlieren in dieser Zeit die Eigenschaft als Gerichts tage, bis dann im Jahre 1438 in Leipzig ein Landtag ab- aehalten wird, der als erster Landtag im Sinne der alt ständischen Verfassung gelten kann. ES ist nicht die Ausgabe dieser Ausführungen, auf die oben berührte Frage bez. eines Zusammenhanges der Mait» mit den sich nunmehr (nach 1438) entwickelnden Landtagen näher einzuzeben, aber darauf will ich doch Hinweisen, daß der Grund deS Verschwindens der Meit» darin lag, daß dir Gerichtsbarkeit Ende des XIV. Jahrhunderts besonderen Ge richten, namentlich den sog. Hofgerichten, übertragen wurde, was meiner Meinung nach ein Beweis dafür ist, daß die placita nicht« weiter alt Gerichtstage waren, die mit der Ablösung deS wesentlichen Elements (der Gerichtsbar keit) aufhörten uud infolge besten dem Wesen nach nicht al- geschichtlicher Au-gang-punct der sächsischen Landtage betrachtet werden können. Bezüglich der Zusammensetzung der Meit» ergiebt sich, daß auf denselben die Geistlichkeit, die unmittelbaren größeren Grundbesitzer und freien Landsasten (Herren), endlich die Vasallen und Ministerialen erschienen. Das Recht und die Pflicht der Geistlichkeit bezw. ihre- Erscheinen« auf den Landtagen war begründet in dem dinglichen Berhältniß, in welchem sie al- Besitzerin großer liegender Gründe zum Landes herrn stand. Von Geistlichen finden wir auf den ältesten Landesversammlungen z. Ä. im Jahre 1200 den Bischof Dietrich von Meißen, den Propst Dietrich von Wurzen, im Jahre 1207 den Bischof Dietrich von Merseburg, im Jahre 1254 den Propst Berthold von Budissin u. A. Die unmittelbaren größeren Grundbesitzer und freien Laudsassen sind solche freie Edle, die in der Periode der Aus bildung der markgräflichen Landeshoheit trotz ihres Strebens, reichSunmitte..ar zu werden, doch zu Landsasten wurden, waS für sie hauptsächlich die Bedeutung hatte, daß sie dem Heerbann deS Markgrafen folgen mußten. Von solchen un mittelbaren Landsasten wohnten den alten Landtagen z. B. bei: die Burggrafen von Meißen, von Wettin, Altenburg, Gebauenstein, Greutsch, Dewin u. A., die Herren zu Kittlitz, Drvßig, Reinstein, Döbeln, Mildenstein, Drehna, Schladen- bach u. A. Die Ministerialen der damaligen Zeit leiteu ihren ge schichtlichen Ursprung von dem Umstande her, daß der schwere Reiterdirast nicht mehr von allen zur HeereSfolgr Ver pflichteten geleistet wurde, sondern nur der Adel dies mit ge übten Kriegern, welche die Dienstmannschaft bildeten, that. Diese Dieastleute widmeten auch in Friedenszeiten ihre Dienste am Hofe ihre- Gebieters diesem unmittelbar als sogenannte Ministerialen, und ihre Anfangs fast der Unfreiheit nahe kom mend« Abhängigkeit entwickelte sich mit der Zeit zur Freiheit, besonder- dadurch, daß sie bald auch Lehnsgüter vom Fürsten bekamen und sich damit den freien Begüterten näherten. Diese letzteren wiederum nahmen häufig um der kriegerischen Ehre Willen die Dienstmannschaft eines Fürsten auf sich und wur den zu Vasallen. Städte nahmen an den alten Landtagen nicht Theil, was seinen Grund hatte in der damals noch nicht vollzogenen Ver schmelzung derselben mit dem LehnSstaate. Erst als diese Ver einigung Ende de- XIV. und Anfang deS XV. Jahrhunderts zu Stande gekommen war, konnte sich die ausländische Ver fassung entwickeln wie sie, allerdings mit Modifikationen, bis zum Jahre 1831 bestanden hat. Die Hauptursache lag in dem wachsenden Bedürfniß der Fürsten, ihre Einkünfte zu vermehren, zu welchem Zwecke e- nothwendig wurde, nicht nur wie bisher von einzelnen Bezirken und Städten, sondern vom ganzen Lande Abgaben zu erheben. Durch diese Noth- wendigkeit wurden im Jahre 1438 Kurfürst Friedrich II. der Sanftmüthige und Herzog Wilhelm veranlaßt, einen allgemeinen Landtag nach Leipzig einzuberufen, der, wie schon oben angedeutet, zum ersten Male den wesentlichen Charakter der altständischen Landtage zeigte, besonders waS die Zusam mensetzung anbetrifft. Nach den Urkunden erscheinen auf diesem und den folgenden Landtagen die Geistlichkeit, Grafen und Herren, Mannschaft oder Ritterschaft und Städte. Welche Glieder der Geistlichkeit vertreten waren, lehrt unt ein Blick auf ein Landtagtverzeichniß der damaligen Zeit. Wir legen da- der „Landschaft Vereinigung in dem Bruderkriege zwi schen Churfürst Friedrich II. und Hertzog Wilhelm zu Sachsen cke ^uoo 1445" zu Grunde. An der Spitze der Geistlichen, wie über haupt der Landtag-Mitglieder stehen die Bischöfe zu Meißen, Merseburg und Naumburg. Diese waren gleichzeitig Ver treter ihrer Domkapitel, wie au- einer Stelle d-r „Landschafft Vereinigung" hervorgeht, wo e-heißt: „Und wir Thumproste, Dechanten und Capitule der obgeschriebenen Kirchen und Gestifte Misen, Merseburg und Naumburg bekennen, daß sollich Verbracht und Eynunge, die unser gnedige Herrn, die Bischoven, mit andern Prelaten, Grafen, Herren, Landschafft und Staten obgenannten gethan habin, mit unseren Willen und Misten geschehen ist." Ferner führt da- LandtazSverzeichniß sieben Aebte auf (von Chemnitz, Saalfeld, Pegau, Zella, Buch, Grünhahn und Bürgel), die damals gewöhnlich unter dem Namen Prälaten begriffen wurden. Ob endlich die niedere Geistlichkeit, damals als „gemeine Pfaffheit" bezeichnet, eigene Abgeordnete geschickt hat oder ob die Bischöfe und Prälaten als ihre Stellvertreter anzusehen sind, ist nicht nachweisbar. In dem LandtazSverzeichniß von 1445 fehlen solche Abgeordnete, während aus den Land tagen von 1428 und 1466 ausdrücklich welche erwähnt werden. BemerkenSwerlh ist noch, daß die sächsischen Landesfürsten das Erscheinen der Bischöfe auf den Landtagen gegenüber den Bestrebungen derselben, sich der fürstlichen Landeshoheit zu entziehen und sich eine reichsunmittelbare Stellung zu verschaffen, staatsrechtlich als Anerkennung ihrer Landeshoheit vetrachteten und dementsvrechend die Bemühungen der Biscböfe mit Erfolg bekämpften. Was die Grafen und Herren betrifft, so haben sich diese aus den in der Periode der Meita erwähnten unmittel baren, größeren Grundbesitzern und freien Laudsassen entwickelt. Der Titel „Gras" war eine Zeit lang von verschiedenen Geschlechtern aufgegeben worden und viele Grafen nannten sich nur nach ihrem Hauptbesitzthum. Erst als man anfing, den niederen Adel von dem höheren zu unterscheiden, kam der Titel „Graf" wieder auf, um damit die Zugehörigkeit zum höheren Adel zu bezeichnen, zu welchem sich übrigens auch Bischöfe, Aebte und Pröpste zählten. Als Vertreter der Grafen und Herren finden wir im Landtagsverzeichniß von 1445: Otto und Albrecht, Burggrafen zu Leisnig und Herren zu Penig und Rochsburg, Heinrich und Heinrich, Herren zu Gera und Lobenstein, Heinrich Reuß der Aeltere, Herr zu Greiz, Veit und Friedrich von Schönburg, Herren zu Glauchau und Waldenburg, Hensel und Friedrich von Dohna, Herren zu Auerbach, Rudolf Ludwig und Buffe, sowie HanS, Gebrüder, Schenken, Herren zu Tautenburg. DieMannschaft oder Ritterschaft war entstanden aus den oben erwähnten Vasallen und Ministerialen. Der Uuter- schikü zwischen beiden hatte sich im Laufe der Zei: mehr und mehr verwischt und für sie wurde bald der Name Adel oder auch Ritterschaft gebräuchlich. Dabei ist jedoch nicht zu vergessen, daß früher ein wesentlicher Unterschied bestand zwischen einem freien Landsassen (Vasallen) und einem Ritter. Der erstere war ein freier Besitzer eines Landgutes, der deswegen mit zu den Landtagen kommen durfte, während ein Ritter (miles) ein Kriegsmann war, der meist statt seiner Besoldung ein Landgut als Lehn zur Nutznießung bekam. Dadurch aber, daß viele Landsassen in die Dienstmannschaft eine« Fürsten eintraten, hörte nach und nach der Unterschied auf, und, indem man sie verallgemeinerte, wurde die Bezeichnung Ritterschaft angewendet auf die adligen Besitzer von Ritter gütern, wie man nuu auch deren Güter so nannte. Die letzteren nun waren entweder schriftsässige oder amtsässige Rittergüter. Der Ursprung dieser staatsrechtlichen Begriffe ist noch auf die alten Zeiten der Grafschaften zurückzuführen und hängt zusammen mit dem Aufgebot zur HeereSfolgr. Solche Landsaffen nämlich, die nur vom Markgrasen oder Grafen aufgeboten werden konnten, waren Schriftsassen. Daneben batten auch dir Burggrafen das Recht, die freien Eingesessenen ihres BurgbezirkeS zur Heeresfolge auszurufen. Als später diese Burgbezirke zu Aemtern und die Vorsteher zu Amtsleuten wurden, nannte man die Eingesessenen Amt - sassen. Der Unterschied zwischen Schrift- und Amtösaffen ist besonder- wichtig bezügl. der LandtagSfähigkrit der Rittergutsbesitzer; denn die Schrift sassen hatten das Recht, persönlich auf den Landtagen er scheinen zu können, während die Besitzer amtsässiger Ritter güter durch Abgeordnete (gewöhnlich 2 aus jedem Amte) vertreten waren. Ueber die LandtagSfäbigkeit von bürger lichen Besitzern schriftsässiger oder amtSsassiger Rittergüter läßt sich nicht- Genaues ermitteln. Durch kaiserliches Dekret vom 24. Juni 1329 (bestätigt 1350) war allerdings den Bürgern in Meißen und Thüringen da- Recht ertheilt worden, Ritterlebne erwerben zu können, ob sie aber damit auch das Recht erhielten, auf den Land tagen erscheinen zu dürsten, ist fraglich. Von der Ritterschaft waren aus dem Landtage von 1445 im Ganzen 111 Ritter gutSbesitzer zugegen. AuS dem Verzeichnisse ist nickt M er sehen, wer Schristsasse und wer Vertreter von Amtsassen ist. Endlich sind im mehrerwähnlen Landtag-Verzeichnisse 37 Städte aufgeführt, die durch Abgeordnete, welche aus den Stadtmagistratrn gewählt wurden, vertreten waren. Derartig war also die Zusammensetzung der säcksiscken Landtage fett 1438. Dies Bild erleidet aber im Laufe der Zeit mannigfache Veränderungen, die wir in Kürze dar stellen wollen. Zuerst wird von diesen Veränderungen die Geistlichkeit betroffen. Durch die Reformation und die dadurch ver ursachte Säcularisirung von Bislhümern, Abteien, Klöstern rc. fielen die Bischöfe, die Aebte und sonstigen Vorsteher von Klöstern weg, dagegen die Domkapitel, die ja nach und nach ihren rein kirchlichen Charakter verloren, behielten ihre Ver tretung und zwar jetzt durch besondere Abgeordnete. In Betracht kommen die drei Domkapitel der Stifter Meißen mit Wurzen, Merseburg und Naumburg mit Zeitz. Seit dem Jahre 1552 finden sich auch Spuren einer Einladung beiderUuiversitäten Leipzig und Wittenberg zu den Landtagen, während ihr wirkliches Erscheinen daselbst durch Abgeordnete vom Landtag 1587 an belegt ist. Sie schloffen sich zunächst den Geistlichen an und bildeten mit diesen den Stand der Prälaten. Aber bald erhoben sick Rangstreiligkeiten zwischen den Universitäten und den Grafen uud Herren, da letztere den Platz gleich nach der Geistlich kett für sich in Anspruch nahmen. Durch kurfürstliches Dekret vom 19. April 1666 wurde dahin entschieden, daß die Vertreter der Universitäten zwar bei Eröffnung und beim Schluß des Landtags ihren Platz nach den geistlichen Prälaten haben sollten, aber im Uebrioen grs'.ndc.le Derathi-ngen abzuhalten hätten. Im Laufe des XVII. Jahrhundert- vollzog sich ein näherer Anschluß der Grafen und Herren an die Prälaten, mit welchen sie hinfort die I. Elaste oder Curie der land schaftlichen Bereinigung bildeten. Anfangs stand diese 1 Curie noch mit der Ritterschaft und den Städten in Verbindung, indem die beiderseitige Mittheilung der Beschlüsse stattfand, aber am Ende des XVII. Jahrhunderts Hörle diese Com munication vollständig auf, wodurch einerseits eine größere Absonderung der 1. Elaste, andererseits ein festeres Zusammen schließen der Ritterschaft und der Städte bewirkt wurde. Diese Vereinigung der 2. und 3. Elaste der Landstände fand ihren Ausdruck in der Bildung von Ausschüssen innerhalb dieser Curien. Schon im XV. Jahrhundert kommen Abtheilungen vor, die aber nicht bleibend waren. Dann finden sich, verursacht durch die Häufung der Ge schäfte deS Landtags, größere und kleinere Ausschüsse der Ritterschaft, deren Aufgabe war, bestimmte Gegenstände einer Vorberathuog zu unterziehen und sie dann der allgemeinen Ritterschaft vorzulegen. Bleibenden Charakter batten diese Ausschüsse ebenfalls noch nicht. Endlich wurden am Anfänge des XVI. Jahrhunderts von der Ritterschaft zwei Depu tationen uiedergesetzt, die erst der große und der kleine, später (Ende des XVI. Jahrhunderts) der weitere und der engere Ausschuß hießen. Beide waren bleibende Institutionen, wenn auch ihre Mitglieder anfangs noch wechselten; denn auf jedem Landtage wurden sie neugewählt, und zwar wählte die ge- Fsttillrtsn Der geliehene Hochzeitsrock. Humoretke von Graf Günther-Rosenhagen. Nachdruck verbot«». Zu meiner Schande sei cs bekannt: als ich an meinem Hochzeitstag Morgen- erwachte, hatte ich einen mordsmäßigen Katzenjammer. Man wird c- vielleicht unästhetisch und un begreiflich finden, aber geschehene Dinge lassen sich leider nicht rückgängig macken, und so bleibt mein Jammer historisch bestehen, wenngleich er schon lange verflogen ist. Ein jede« Ding auf Erden hat bekanntlich auch seine Ur sache, so auch die Stimmung, in der ich mich an jenem Morgen befand. Als ich mich verlobt hatte, war mein erste- Wort, al- ich auch beim besten Willen nicht mehr küssen konnte: „In spätestens vier Mocken wird geheirathet." Aber schon Fritz Reuter sagt: „Min Söbn, nimm Di nicks vör, denn griht Di nick- fehl." Hätte ich nach diesem weisen Rath gehandelt, so wäre mit viel Aerger und Verdruß erspart geblieben. Immer neue Hindernisse traten der Festsetzung de- Hochzeitstage« entgegen; Krankheit, Tov «ine- nahen Verwandten, Trauer und wa« e« sonst noch Unangenehme« auf dieser Welt girbt. Endlich glaubten wir, beirathen zu können, da stellte e« sich heraus, daß bei dem ringerrichten Gesuch um Ertheilung de« Eonsense- — ich war damalt nocy Officier — ein Formfehler sich ringeschlicken habe. Dat Gesuch kam zurück — wieder vergingen Wochen und endlich wurde da« erlösende Wort gesprochen: „Morgen wird gr- hrirathet." Na, da- mußte ja am Vorabend gefriert werden und so kam denn, wa« nach dem alten Wort kommen mußte: „Auf Sonnenschein folgt Regen, auf Glück und Freud' — Jammer und Notb." Um 1l Uhr Morgen- trat der Lohndiener zu mir int Zimmer und meldete, der Wagen, der mich zum Standesamt fahren sollte, stände vor der Thür. Ich sprang auS den Kiffen, goß alles Wasser, dessen ich habhaft werden konnte, über meine sterblichen Gliedmaßen, schlüpfte in die Uniform, die mein Bursche mir entgegen hielt, trank anstatt deS KasfeeS eine Flasche Pilsener Bier, saß fünf Pkinuten später in dem festlich geschmückten Wagen und eine halbe Stunde später war ich nicht mehr ich, sondern der Mann meiner Frau. Ich bitt« dies richtig verstehen zu wollen und nicht in dem gewöhnlichen Sinn, al« ob ich fortan die Absicht gehabt hatte, von dem Gelbe meiner Frau zu leben und auf der ganzen weiten Welt sonst nicht- zu tbun. Um Gotte- Willen nicht — aber da- „Ich", daS ich früher gewesen, war gestorben, als ich zum letzten Mal die Thür meiner Juuggrsellenwohnung — sie kostete mit Morgenkaffee fünf undvierzig Mark monatlich — hinter mir zumachte. Alle- wa« ich an Unsolidität, galanten Abenteuern und sonstigen Schlechtigkeiten auf dem Gewissen hatte, blieb hinter mir liegen und al- altsr egv, neu erstanden wie rin Phönix au« der Asche, ging ich au« meiner Klause heraus. Der standesamtlichen Trauung folgte das übliche Früh stück. Um 2 Uhr erhoben sich die Damen, um für die kirch liche Frier Toilette zu machen, und ich blieb allein in dem mir zum Ankleiden überwiesenen Zimmer im Hause meiner Schwiegereltern zurück — ich war also streng genommen schon Strobwittwer, bevor ich ordentlich verbeirathet war, denn ob die Frau verreist oder für den Mann nicht sichtbar ist, bleibt sick doch ganz gleich. Um ein Viertel nach 2 Uhr hatte ich mir meinen Diener bestellt, der mir die neuen Uniformen bringen sollte. Mit militairiscker Pünktlichkeit trat er in mein Zimmer. „Anziehen", besabl ich, „hole die Sachen herein." Aber der gute Franz machte ein sehr traurige« Gesicht und sagte: „Herr Lieutenant, die Sachen sind immer noch nicht angekommen." Um da- ganze Unglück dieser Botschaft zu begreifen, bedarf r- einiger erläuternder Worte. Ich batte mir bei meinem Berliner Schneider für die kirchlich« Trauung einen neuen Paradeanzug bestellt und, um ganz sicher zu «in, die Sachen rechtzeitig zu erhalten, so fortig« Baarzah ung versprochen. Hoch erfreut über diese ihm märchenhaft klingende Nachricht — Militairschnridrr leben nur von Dem, wa« Andere ihnen schulden — hatte er vünctliche Lieferung versprochen. Am Tage vor meiner Hoch zeit war ich über da- Ausbleiben ver Uniformen beunruhigt worden und hatte telegraphisch angefraat. „Sachen treffen rechtzeitig ein", lautete die Antwort. DaS aber beruhigte mich nicht. „Schon abgeschickt?" fragte ich per Draht an. „Nein, noch nicht", lautete der Bescheid. „Warum nicht?" erkundigte ich mich. „Weil noch nicht fertig", kam e« telegraphisch zurück. Wenn ich mich recht entsinne, wechselte ich an diesem Tag mit meinem Schneider sechsundzwanzig Eiltelegramme und verausgabte dafür einen nicht unbeträchtlichen Theil deS mir von meinem guten Onkel für die Hochzeitsreise gespen deten MammonS. Das letzte Telegramm brachte mir den Bescheid, daß die Uniformen Abends um 8 Uhr al« Eilgut von Berlin ab gehen und am nächsten Morgen um 11 Uhr in meinen Händen sein würden. Und nun war es gleich ein halb 3 Uhr und da- Packet war noch nicht da. WaS nun, wenn cS überhaupt nicht kam? Für den Officier ist ganz genau der Anzug vorge schrieben, in dem er sich trauen lassen muß; höbe Stiefel, Waffenrock, Epaulette«, Schärpe und Helm. Alle« batte ich — nur keinen Waffenrock. Ich hatte alle meine Uniformen bereit« al« Frachtgut in meine neue Garnison, in die ich ver setzt worden war, geschickt, nur einen Ueberrock für die standesamtliche Frier hatte ich zurückbehalten. „Wa- nun?" fragte ich Franz — der aber schüttelte nur sein Haupt, da war er wenigsten- sicher, keine Dummheit zu sagen. Ich gebot Franz, hier im Zimmer auf mich zu warten und stürzte dann zu der nahe gelegenen Post und dem eben- fall- nur eine kleine Viertelstunde entfernten Bahnhof. Dem mir persönlich bekannten Postdirector und dem Stations vorsteher — ich hatte fünf Jahre in der Geburt-stadt meiner Frau in Garnison gestanden — schilderte ich meine Notb. Tbeilnehmend hörten sie mir zu — aber ein Packet war für mich nicht da. Aber et konnte noch kommen — um drei Udr fünfzehn Minuten kam der Schnellzug von Berlin, der würde sicher da- Packet mitbringen, und ich sollte e« dann sofort erhalten. „Aber um halb vier Uhr muß ich ja schon in der Kirche sein!" jammerte ich: doch eS ließ sich nichts ändern. Ick bestellte am Bahnhof eine Droschke, die den Auftrag erhielt, den Bahnbeamten, der im Voraus bestimmt wurde, mir das Packet zu bringen, mit sechsfacher Geschwindigkeit gegen zwölsfache Taxe vor das Hau- zu fahren. Sollte der Gaul unterwegs stürzen, so sollte der Beamte sofort aus dem Wagen springen und sich lieber auf seine, al« des Pferde- Beine verlassen. Für den Fall, daß auch ihm ein Unglück zustießr, stellte ich ein Relais von Dienstlruten, die einander das Packet zuwerfen sollten, der Letzte sollte es mir in die Stube bringen. Nie wieder ist mir die Zeit so langsam vergangen, wie an diesem Nachmittag, da ich voll Ungeduld auf mein hochzeitlich Gewand wartete. Um drei Uhr fünfzehn Minuten rauschten meine Frau und meine Schwiegermutter in mein Zimmer und waren aus da« Höchste erstaunt, mich noch nicht angerogen zn finden, um drei Ubr zwanzig batte ich ihnen den Sachverhalt erklärt, um drei Uhr sünfuudzwanzig meldete der Diener, der Hochzeits wagen stände vor der Thür und um drei Uhr siebenundrwanzig stürzte der Bahnbeamte zu mir ins Zimmer mit der Meldung, et sei kein Packet für mich angekommen! Ich drückte dem Boten den versprochenen Lohn und daS Geld für den Kutscher in die Haud uud sank kann vernichtet auf einen Stuhl. „Liebes Kind", sprach ich zu meiner Frau, „die Götter wollen eS nicht, daß ick Dich beirathe. Al- Officier muß ich nicht nur standesamtlich, sondern auch kirchlich getraut sein, wenn die Ehe Giltigkeit haben soll — kirchlich trauen lassen kann ich mich aber nicht, weil ich keinen Rock habe, folglich — guock entt ckewoustrnuckum — kann ich Dich über haupt nicht heirathen." Meine Frau brach in einen Thränenstrom auS und fiel ihrer Mutter um den Hal«, die ihre strengste Miene aufsrtzte. „Mein lieber Herr Schwiegersohn — ich glaube, der Zeitpunct ist zum Scherzen schlecht gewählt — der Wagen steht vor der Thür, der Pastor wartet in der Kirche, ich bitte, daß Sie unS begleiten." Verzweifelt rang ich die Hände: „Aber WaS soll ich denn nur machen? Ich wünsche nicht- sehnlicher, al- zu hei-
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