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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.03.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960330021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896033002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896033002
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- LDP: Zeitungen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-03
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Reckamen unter dem Redactivnöstrich (4 ge spalten- 50^, vor den Familirnnachrichte» (6gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Prris- vrrzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne PoslbefSrderung X SO.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeige«: Abrnd-Au-gabr: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an dl» Ertzetzitian zu richte». Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 90. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. März. Wenn e« noch eine« Beweise« dafür bedurft hätte, daß der preußische Finanzminister vr. Mtgnel nur mit schwerem Herzen zu der Ausarbeitung des Gesetzentwürfe«, betr. die Ver wendung von Uebrr schlissen der Jahre 1895/97 zur Schuldentilgung im Reiche, sich entschlossen hat und an eine solche Ausarbeitung nicht gegangen sein würde, wenn er nicht durch die Haltung de« Reichstag« gegenüber dem Anträge Lieber in eine Zwangslage sich versetzt gefunden hätte, so wäre dieser Beweis durch eine Rede erbracht, die er am Freitag im preußischen Herrenbause hielt. „Bisher",so sagte er in dieser Rede, „batten die Einzelstaaten nur da« an und für sich bedenkliche Risico, für die Matricularumlagen, die im Reiche schwankend festgesetzt werden, aufzukommen, und eine geord nete und planmäßige Finanzverwaltung wurde in den ein zelnen Staaten dadurch recht erschwert. Wenn nun auch die Ueberweisungen, welche nach der Franckenstein'schen Klausel den Einzelstaaten zustehen, alterirt werden, dann ist die Un sicherheit in den Finanzzuständen der Einzelstaaten noch größer." Das ist die bitterste Kritik, die Herr vr. Miquel an dem ihm abgedrängten Gesetzentwürfe üben konnte. Seine weiteren Ausführungen beweisen auch, daß er an eine Bereit willigkeit des jetzigen Reichstags, eine reichsgesetzliche Finanz reform herbeifllhren zu helfen, die auf eine reinliche Schei dung der Finanzen de« Reiches und der Einstelstaaten binauSIäuft, nicht glaubt. Um so beberzigenSwertber sind für Preußen nicht nur, sondern für alle Einzelstaaten die Pläne, durch die Herr Or. Miquel eine Sicherheit der preußischen Finanzen gegen Schwankunaen in den Einnahmen zu schaffen hofft, die durch Zugriffe des Reiche« nach Art der jetzigen noch bedenklicher ge staltet werden. Herr Miquel stellte nämlich die Vorlegung eines Gesetzentwurfs im preußischen Landtage in Aussicht, der die Einrichtung eine- Ausgleichsfonds bezweckt, welcher die Deckung etwaiger Fehlbeträge im Staatshaushalt aus den Uebrrschüfsen guter Jahre ermöglichen soll. Damit ist die schon früher verlautbarte Meldung bestätigt, daß die preußische Regierung von einer bloßen Umgestaltung de« Eisenbabn- aarantiegesetzeS Abstand zu nehmen gedenkt, um den einer solchen zu Grunde gelegten Gedanken in allgemeiner Form zur Durchführung zu bringen. Freilich werden auch unter diesen Umständen, bei der Heranziehung aller Ueberschuß- verwaltungen, die StaatSeisrnbahnen nach wie vor die Hauptrolle spielen, und rS bleibt zu erwägen, in wie weit der zweite der dem Wunsche nach Abänderung deS Gesetzes vom 27. März 1882 zu Grunde liegenden Gedanken, die stärkere Nutzbarmachung der Eisenbahnüberscküsse im Interesse von Handel und Verkehr, zu verwirklichen sein wird; in der Hauptsache aber wird man die Idee eines allgemeinen Au«- gleichSfondS, die ja auch in Sachsen schon angeregt worden ist, nur billigen können. Finanzminister Miquel sprach die Hoffnung aus, daß die angekündigtr Vorlage eine günstige Ausnahme finden werde. Mit Bezug auf den größten Tbeil der preußischen Volksvertretung wird das unzweifelhaft der Fall sein, nämlich bei allen denen, welche das Schlagwort vom „Automaten" noch nicht blind gemacht hat gegen die bedenklichen Seiten der bisherigen Finanzgrbahrung unter dem Einflüsse einer weitgehenden Verquickung zwischen Reichs- und Staat«finanzen. Auch Herr Richter hat im Kampfe gegen die Reichsfinanzreform einmal den Ausspruch gethaa, man solle e« den Finanz ministern der Einzelstaatea überlassen, sich au« den ihnen vom Reich zufließenden Überschüssen „Automaten" anzulegen. Wir haben indeß guten Grund zu der Annahme, daß Herr Richter e« ablehnen wird, sich auf die Consequenz dieser Anschauung festnageln zu lassen; es wird ihm trotz derselben ebensowenig schwer fallen, heute gegen die„Töpfchenwirkbschaft" auszutreten, wir e« ihm schwer gefallen ist, im Reichstag für den Antrag Lieber einzutreten, obwohl er bis dahin immer versichert hatte: „Die Klausel Franckenstein muß ungeschwächt forlbesteben." Wie das preußische Centrum zu der Idee des AuSgleichSsondS sich stellen wird, bleibt abzuwarten. Zum Glück liegen die Verhältnisse im preußischen Landtag für «ine besonnene „Finanzreform" günstiger, als im Reichstag. Wir zweifeln nicht daran, daß es möglich sein wird, Vie Idee in eine Form zu kleiden, der eine Mehrheit deS preußischen Abgeordnetenhauses die Zustimmung geben kann. In Süddeutschland sieht man dem Kampf gegen die obligatorische Civilehe, der gelegentlich der Berathung des Bürgerlichen Gesetzbuches ins Werk gesetzt wird, mit ernsterem Auge zu, als bei unS. So schreibt der „Schwäb. Merk.": „Daß der Standpunkt des ultramontanen CentrumS, der von einer bürgerlichen EkeschließunH überhaupt nichts wissen will, im Reichstage durchdringen konnte, ist allerdings nicht zu befürchten; anders steht eS mit dein konservativen Anträge, der auf die Einführung der fakultativen Civilehe hinauSläuft. Nack streng ultramontaner Auf fassung ist die letztere freilich principiell ebenso verwerflich, wie die obligatorische Civilehe; allein das Centrum würde den konservativen Antrag mit Vergnügen annehmen, in der Hoffnung, daß derselbe die thatsächliche Auf hebung der Civilehe bewirken und dann die rechtliche Auf Hebung derselben nur noch eine Frage der Zeit sein würde. Die Freunde der Civilehe rechnen auf die Ablehnung de« kon servativen Antrags in der Commission für das Bürgerliche Gesetzbuch, wenn auch nur mit sehr geringer Mehrheit. Ab solut sicher erscheint diese Rechnung keineswegs; angenommen aber auch, sie erwiese sich als zutreffend, so würde der An trag im Plenum jedenfalls wiederholt werden, und dort sind die Aussichten, vorausgesetzt, daß die konservative Fraktion sich nicht spaltet, ganz und gar zweifelhaft. Es wird darauf ankommen, ob und w,e viel Mitglieder der Reichs partei und der Antisemiten sich dem konservativen Anträge anschlirßen werden." In Centrumökreisen scheint man in der That eine Mehrheit für zweifellos zu ballen, und für die als dann sich ergebende Aussicht eines vollständigen Scheiterns des Bürgerlichen Gesetzbuches hat man dort nur ein verständniß- innigeS Lächeln. Man glaubt nämlich nicht an die in officiösen Kundgebungen schon wiederholt au-gesprochenen Drohungen, daß der BundeSrath auf einen solchen Reichstags beschluß unter keinen Umständen eingehen werde. Die „Köln. Volksz." sagt rund herau«: „Wir meinen, der Reichstag sollte es doch einmal darauf ankommen lassen." Da daS Centrum, wie nicht mehr bezweifelt werben kann, durchaus gewillt ist, seiner „Führung" im Reichstag durch daS Bürger- jiche Gesetzbuch ein mvuumeutum aero pereouius zu setzen, so ersieht man au« einer solchen Acußerung, wie fest cS davon überzeugt ist, daß die verbünveten Regierungen ihre Drohung nicht wahr machen würden. Offenbar ist diese Ueberzeugunz, wenn nicht erst hervorgerufen, so doch bestärkt worben durch daS über raschende Entgegenkommen, welche« der BundeSrath soeben gegenüber einer finanzpolitischen Laune des CentrumS bewiesen hat. In offiriösrn Auslassungen wird ja auch ganz offen zugegeben, daß namentlich Vie preußische Regierung sich in den Antrag Lieber s, wie er schließlich in dem besonderen Gesetzesentwurfe gestaltet war, nur gefügt habe, um Diffe renzen mit dem Reichstage zu vermeiden. Ist e« da zu verwundern, wenn man hofft, daß die Abneigung gegen „Differenzen" den BundeSrath noch zu ganz anderen Zu geständnissen treiben werde? Daß dem Centrum der Appetit über dem Essen kommt, hat man ja schon öfter erfahren. DaS Hochgefühl, sein 25 jähriges Jubiläum im Zenith der parlamentarischen Macht zu feiern, läßt ihm die kühnsten Wünsche erfüllbar erscheinen. Anfangs haben die CentrumSpolitiker schwerlich an etwas Anderes gedacht, al« sich bei der Berathung deS Eherecht« im Bürgerlichen Gesetz buche mit einem akademischen Proteste gegen die Civilehe zu begnügen; jetzt geht man in allem Ernst an die Arbeit, einen großen Erfolg zu erringen, „da» Culturkampfwerk zu revi» Viren", wie die „Köln. VolkSztg." sagt. Die Zuversicht dazu hat man durch die kaum erwartete Unterstützung aus konservativen Kreisen gewonnen. In keiner anderen Partei bat man so, wie in der konservativen, seil Jahr und Tag auf den Zerfall de« CentrumS speculirt. In der Thal konnte eS eine Weile scheinen, als ob die agrarische Bewegung eine unheilbare Spaltung in die klerikale Partei tragen würde. Wenn das abgewenvet worden ist, so hat sich daS Centrum dafür in erster Linie bei den Conservativen zu bedanken, die ihm durch den Schulgesetzantrag in der betr. Commission des preußischen Abgeordnetenhauses und den Civileheantrag in der Commission des Reichstag« so wirksame Vorspanndienste zur Herbeiiübung einer umgekehrten Culturkampfbewegung geleistet haben, durch welche die ultramontanen Schaaren wieder fest zusammen gekittet werden sollen. Wir wollen hoffen, daß eS vie ver bündeten Regierungen dieser Bewegung gegenüber an der in Aussicht gestellten Festigkeit nicht fehlen lassen. Inzwischen aber sollten die Gegner jever klerikalen Reaktion im Volke nicht unterlassen, sich auch ihrerseits zu rühren. Bei der politischen Bedeutung, welche der geplanten Erhöhung der Gehälter der österreichischen Staats beamten innewohnt, ist e« angezeigt, auf vie betreffende Regierungsvorlage näher einzugehen. Sie war eine Noth- wendigkeit, nachdem vor 23 Jahren, unter wesentlich anderen allgemeinen wirtbschaftlichrn Bedingungen, zum letzten Mal die Beamtengebälter geregelt worben waren, und sie ist die willkommene Ergänzung der bereits im ReichSrath vor- berathenen Vorlage über eine anständige Versorgung der Beamten-Wittwcn unv Waisen. Aach die zum Tbeil recht ärmlichen Bezüge der katholischen Seelsorgegeistlichkeit und der Katecheten, sowie des griechisch-orientalischen Klerus in Dalmatien wurden aufgebeffert und neben dem gesammten Lebrpersonal wurden auch die armen Diener nicht vergessen. Die eingreifendsten Aenverungen bringt die Regierungsvorlage für Vie Hochschulprofessoren, die den Beamten der sechsten Rangclasse mit den Gevaltstufen von 3200, 3600 unv 4000 Gulven gleichgestellt werben. Es sollen überdies an ven Hochschulen zusammen 60 ordentliche Professoren HofratbS- gehälter, also 5000 und 6000 Gulden nebst den AclivitätS- zulagen beziehen. Dafürwird in Bezug auf die Colleg irri ge lder den Professoren freigestellt, binnen eines halben JahreS sich zu entscheiden, ob sie da« erhöhte Gebalt ohne Collegiengeld oder das bisherige mit den bisherigen Collegiengeldern beziehen wollen. Zum ersteren werden sich zweifellos die Professoren der Philosophie und Theologie ohne Ausnahme anmelden. Während auch die besoldeten außerordentlichen Professoren, mit Gebältern von 1600 bis 2000 Gulden, diese« Recht der Wahl haben, beziehen die unbesoldeten außerordentlichen Professoren und Privat- docenten auch in Zukunft die Collegiengelder. Die Gehalts ¬ unterschiede für die einzelnen Hochschulen Oesterreichs sind aufgehoben und der einzige Unterschied wird nur noch in der Activitätszulage bestehen. Der Ueberschlag Uber die für diese neue Gehaltsordnung nöthigen Geldmittel stellt sich auf die achtunggebietende Summe von 13 Millionen Gulden. Hier, bei ter Frage der Ausbringung der Mittel, macken sich nun allerdings starke Meinungsverschiedenheiten geltend. Wie neulich der Eisen- babnminister die Ausführung einer neuen Bahnverbindung mit Triest von der Erhöhung der Verbrauchsabgabe für Brannt wein und Bier abhängig machte, so verweist die Regierung jetzt auch noch auf die bereits im Zuge befindliche Erhöhung der Börsensteuer. Nun können aber die Steuern auf Bier und Branntwein nur im Zusammenhang mit den zwischen Oesterreich und Ungarn schwebenden Ausgleichsfragen durck- gefübrt werden, wodurch die Gehaltserhöhung wieder in Frage gestellt werden kann. Unwillig, aber sehr mit Recht, fragt die „N. Fr. Pr": „Sollen die Beamten sich die Bissen vom Munde abkargen, weil daS österreichische Parlament die Parität im Gencralratb der Bank verwirft, oder eine höhere Ouote fordert, als Ungarn zugestehen will?" Bei einem Jahresbudget von 660 Millionen erscheint eS überhaupt fraglich, ob man zu einer Steuererhöhung zu greifen ge- nöthigt ist. Das französische Ministerium hat einen bedenklichen Riß erhalten und zwar durch einen Stoß von innen herau«. Der Minister deS Aeußeren Berthe lot bat, wie gemeldet, seinen Posten niedergelegt, und Minister präsident Bourgeois, der am liebsten von vornherein das Portefeuille des Auswärtigen mit übernommen bätte, ist in die Bresche gesprungen. An die vorgeschützten Gesundheits rücksichten glaubt natürlich Niemand, vielmehr steht außer Zweifel, daß die Dongola - Angelegenheit den unmittel baren Anlaß zum Rücktritt Berthelot'S gegeben hat. Welches im Einzelnen die Vorgänge gewesen sind, welche zu dieser Entscheidung in so ernstem Augen blick geführt haben, entzieht sich noch der öffentlichen Kenniniß. Darin aber stimmen alle Berichte überein, daß Differenzen zwischen Bourgeois und Berthelot daS Verbleiben deS Letzteren unmöglich machten. Man erinnert sich der officiösen „HavaS"- Note über die Unterredung zwischen dem Minister des Aeußern und dem englischen Botschafter Lord Dufferin. In jener Note wurde bekanntlich behauptet, Bertbelol hätte auf die Ankündigung der Dongola-Expedition Lord Dufferin gegen über erklärt, dieselbe werde von „schweren Folgen" (grav68 cousäguvuees) begleitet sein. Der englische Unterslaatssecretair Curzon bestritt hierauf im Unterbause, daß eine solche Aeußerung überhaupt gefallen sei, welches Dementi von Berthelot in der „Havas"-Note bestätigt wurde. Damals hieß cs sofort, und diese Version ist nicht dementirl worden, Bourgeois sei cs gewesen, welcher jene „Droh"-Note in dir Presse lancirt habe. Dem nach wäre Bourgeois mit der milderen Tonart Berthelot'S, die angeblich zu der Haltung deS Petersburger Cabinets stimmt, nicht einverstanden gewesen und hätte über den Kopf deS Außenministers hinweg gebandelt, eine Eigenmächtigkeit, welche nur mit dem Rücktritt Berthelot'S beantwortet werken konnte. Mitbestimmend mögen auch die Angriffe gewesen sein, welchen der Minister in der Presse der eigenen Partei ausgesetzt war. Diese erklärte vie in Kairo befolgte Taktik für unsicher, nutzlos unv ungenügend und billigte durchaus nicht die Zurückhaltung Frankreichs bei der Abstimmung in der Commission, wozu noch Vorwürfe darüber kamen, daß Berthelot die Okkupation Madagaskars den Großmächten noch nicht notificirt hatte, nachdem das französische Gelbbuch dieselbe schon als vollzogene Thatsache behandelt hatte, eine FrniHetoir. Gottbegnadet. 18) Roman von Konrad Trlmann. Nachdruck verboten. Frau von Sennfeldt lachte kurz und hart auf. „Nach Allem sehen Sie in Harry's Werbung gar nicht einmal eine große, Ihrem Hause widerfahrene Ehre, Frau Lindbeim?" „Ich wüßte nicht, weshalb, gnädige Frau. Ich würde — wenn diese Werbung überhaupt ernsthaft zu nehmen wäre, waS nach Ihrer vorherigen Aeußerung ja nicht der Fall ist — im Gegentheil an unsere — meines Manne« und meine — Einwilligung zu einem so bedenklichen Schritt erst die Er füllung einer Reihe von Bedingungen knüpfen, ohne welche wir dieselbe versagen müßten." „Ahl" Frau von Sennfeldt rang förmlich nach Athem, ihr blasses Gesicht hatte eine bläuliche Farbe angenommen, wie wenn sie am Ersticken wäre. „DaS wird ja immer schöner. Auch noch Bedingungen würden Sir stellen. Köstlich! Köstlich! Nun, um so besser, wenn wir unS darin einig sind, daß auS dieser Verbindung lieber nicht« werden soll. Und damit wäre der Zweck meine« Besuche« ja wobl erfüllt." Sie wollte ausstehen, besann sich dann aber und setzte scheinbar obenhin im Gesprächston hinzu: „Sie werden meinem Sohne also die Hand Ihrer Tochter verweigern. Da« ist daS Ein fachste. Er wird sich dann am raschesten trösten. Beleidigter Stolz hilft am besten, solche kleinen Hrrzen«wunden zum Heilen zu bringen." „Verzeihung, gnädige Frau", fiel Frau Marcella rasch ein, noch ehe die Sprecherin sich nun erheben konnte. „Sie haben mich mißverstanden. Ich habe Ihnen offen erklärt, daß und warum mir — ich darf ohne Weitere« hinzusetzen: und meinem Manne — die Werbung Ihre« Herrn Sohne« unwillkommen ist. Wir haben aber hier noch nach Anderem zu fragen al« nach unseren eigenen Wünschen. Meine Tochter erwidert, wie sie mir gestanden hat, die Neigung Ihre« Herrn Sohne«. Wenn derselbe un« also die Garantien bieten will, die wir von ihm fordern werden und müssen, so würden wir dem Glück meiner Tochter — Dem, wa« sie für ihr Glück hält — nicht im Wege stehen. Wollen Sie daher Ihren Herrn Sohn an seiner Werbung hindern, womit Sie, wie gesagt, unseren elterlichen Wünschen ja nur entgegenkommen, so müßte ich da« ganz Ihnen und den Mitteln überlassen, über welche Sie verfügen, gnädige Frau. Ich hoffe, ich habe Ihnen unseren Standpunkt in der Sache nunmehr deutlich genug präcisirt." Eia paar Mal hatte Frau von Sennfeldt während Vieser Worte die Achseln gezuckt und ein ironische« Lächeln umglitt ihre Lippen. „So, so", sagte sie nun mit einem stechenden Blick auf Frau Marcella. „Also das Töchterchen wenigstens möchte ibn. Und nur die liebenden Eltern sind als vor sichtige Geschäftsleute erst noch um die nöthigen Bürgschaften besorgt. Ihr Gatte ist ja Wohl Kaufmann, Frau Lindheim?" „In der That, ja." „Und darf man fragen, welcher Art die Bedingungen sind, die Sie stellen würden, Frau Lindheim? Vielleicht würden Sie wünschen, daß Harry in daS Geschäft seines Herrn Schwiegervater« eintritt? Wohl ein Stettiner Herinasgeschäft, gnädige Frau?" „Nein, ein Getreidegeschäft, Frau von Sennfeldt." Noch immer bewahrte Frau Marcella ihre kühle, überlegene, höfliche Ruhe, wenn auch manchmal ihre Unterlippe leickt zuckte unv die Abern an ihren Schläfen zu schwellen schienen. „UebrigenS irren Sie in Ihrer Annahme. Nur daß Herr von Sennfeldt überhaupt einen Beruf ergreift, — das aller dings würden wir voraussetzen müssen." ,,«h!" „Da« kann Sie kaum verwundern, gnädige Frau. Ich weiß nicht, ob selbst Sie Ihre Tochter einem Manne geben würden, dessen einzige Lebensaufgabe und Beschäftigung darin besteht, gelegentlich in einem WohlthätigkeitSconcert oder in einem Privatcirkel zu singen." Frau von Sennfeldt lachte nervös „Für einen so gott begnadeten Menschen sind eben die Alltagsbegriffe nicht an wendbar, für den bestehen die üblichen Vorschriften und Gesichtspunkte nicht. Man mißt solche Ausnahmenaturen nicht mit der DurchschnittSelle. WaS wollen Sie von ihm? Soll er hinter den Ladentisch? Oder in die Uniform? Er taugt zu alledem nickt. Er ist, wie er ist. Solche Menschen dürfen nicht „arbeiten", wie Sie da« nennen. — UebrigenS, WaS streit ich mich mit Ihnen? Sie sind natürlich in den Vorurtbeilen Ihres Standes befangen. Gelderwerb, da« ist die einzige Lebensaufgabe! Für Harry kann man in Ihren Kreisen natürlich kein Derständniß haben. Und es ist ja auch gut so. Er gehört da nicht hinein. Ich brauche eine ganz andere Frau für ibn. Bor allem muß Harry eine Frau au« unfern Kreisen haben. Und dann noch en», waS vermuiklich bei Jhneu vollend« den AuSschlaa geben wird, Frau Lind heim: Sie halten Harry wohl für reich, nicht wahr? Er ist e« aber keineswegs, er braucht vielmehr dringend eine reiche Frau. Sie sehen, es läßt sich eine unpassendere Partie kaum auSdenken, auf beiden Seiten nicht. Auch für Ihr Töchterchen werden Sie einen anderen Freier wünschen. Gleich zu gleich, — daS bleibt doch die Grundbedingung für alles Eheglück. Und deshalb bleib ich dabei, daß wir eigentlich Bundes genossen sind, Frau Lindheim. Sie werden mir beisteben, nicht wahr? Diese Verbindung muß um jeden Preis ver hindert werden. Versprechen Sie mir, vas Ihrige dazu zu thun, ja?" Sie war aufgestanden und hatte Frau Marcella ihre lange schmale Hand in dem schwarzen Handschub entgegen gestreckt. Aber Frau Marcella, die sich nun gleichfalls erhob, ergriff sie nicht. „Gnädige Frau", sagte sie kübl, „ich kann nur wiederbolen, was ich Ihnen vorher erklärt habe. Ihre Auseinandersetzungen haben mich nicht anderen Sinnes ge macht. Wirken Sie auf Ihren Herrn Sohn, wie Sie können und wollen! Ich meinestheilS kann nur ihm selber gegen über handeln, so lange Sie nicht in seinem Auftrag unv Namen kommen. Sie kennen nun meine Antwort." Frau von Sennfeldt preßte die Lippen zusammen. Ein zorniger, haßerfüllter Blick streifte die hoch vor ibr auf gerichtete, mit kaltem, ruhigem Auge sie messende Frauen gestalt. Sekundenlang standen sie sich gegenüber, ohne zu sprechen, beide miteinander wetteifernd an Stolz, und beide fühlten, daß sie Gegnerinnen seien, sein müßten für immer. Wie zwei Kämpfer, von denen keiner sich den Sieg zu zuschreiben nagt, trennten sie sich. Zwei kühle Verneigungen, und Frau von Sennfeldt batte ohne ein weiteres Wort das Gemach verlassen. Man börte noch «inen Augenblick draußen auf dem Corrivor da« Rauschen und Knistern ihre« Kleide«, dann war alles still. Frau Marcella war mit nachdenklich gefurchter Stirn mitten im Zimmer stehen geblieben. So pflegt da« Glück sich nicht einzuleiten, sagte sie sich trübe. Da« war mebr als Kampf, — eS war erbitterter Widerstand, der zu Haß und Feindschaft auSartrt. Und e« wäre wohl wirklich am besten, wenn — Sie konnte den Gedanken nicht zu Ende denken, denn die Thür deS Nebenzimmers hatte sich rasch geöffnet und Tbea stürmte Herrin, um ihrer Mutter an den Hals zu fliegen. Sie küßte sie zärtlich. Ich habe Alle- gehört, Mama. Bist Du mir böse? Frau Marcella schüttelte langsam den Kopf und lächelte zerstreut. „Es war nicht recht, Thea. Ader nun e« einmal geschehen ist, ist eS vielleicht gut so. Du weist nun selbst, wie es steht." „Und wie stolz und gut Du gesprochen bast, Mama, ja. Ich war noch nie so eitel auf Dick wie beute." „Ja, Kind, wir Kaufmannsfrauen haben auch unfern Stolz. Und ob unser Geschlecht — ich meine jetzt da«, aus dem ich stamme — nicht älter ist al« daS der Sennfeldts oder gar der Witzlebens — wer weiß? In den Chroniken deS vierzehnten Jahrhundert-, hat man mir gesagt, ist der Name unseres Hauses bereits erwähnt. Und Arbeit, denke ich, schändet ja wohl nicht. Aber Du hast nun selber gehört, was Du zu erwarten hast: Widerstand bis zum Letzten und Aeußersten — auS tausend Gründen." Thea'S Augen blitzten. „Wenn Harry ein Mann ist, wird er diesen und jeden Widerstand besiegen, Mutter! Ich könnt eS!" Frau Marcella sah ihre Tochter mit erstauntem Lächeln an. WaS war aus dem sanften stillen Kinde geworden durch die Liebe! „Wenn er ein Mann ist, ja" — wiederholte sic leise. Dann fügte sie lauter hinzu: „Es ist schwer, ein Mann zu werden und zu bleiben, glaub' ich, bei solcher Erziehung. Und — selbst wenn alles gut gebt, Kind, — wirst Du Dir klar darüber werden müssen, ob Du den Kampf um Harry gegen seine Mutter aufnebmcn willst und kannst, — denn dieser Kampf wird, wenn Du ihn beirathest, unvermeidlich sein, und er wird dauernd sein, fürchte ich." „Ich fürchte mick vor nicht« in der Welt, Mutter, wenn ich bei ihm bin!" Und wieder warf Thea sich in Frau Mar cella'« Arme. Eine Weile hielt diese sie so an ihrem Herzen und fühlte das des Mädchens dagegen klopfen. E« waren ernste und heilige Empfindungen, die sie beide durchwogten. Dann sagte Frau Marcella: „Ich will jetzt Deinem Vater telegraphiren, Kind. Er muß kommen, um in dieser bedeutungsvollen Zeit au Deiner — an unserer Seite zu sein. Und dann wollen wir in den Wald gehen. Es wird unS beiden gut thun in der einsamen Stille dort. Komm!" — Als Mutter und Tochter gegen Abend heimkebrten — sie batten Wege ringeschlagen, auf denen sie Niemandem begegnet waren, und Thea batte sich ihr Herz dort vollend« frei- gesprochen —, meldete ihnen das Mädchen, daß der Herr, der schon öfter» dagewesen sei, bereit« seit geraumer Zeit im Salon sitze und auf sie warte, er habe nicht wieder Weggehen wollen. Thea drückte di« Hand ihrer Mutter, die sie wie
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