01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.04.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960404013
- PURL
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- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896040401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-04
- Tag1896-04-04
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Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petrtzeüe M Psg. ^»clumea uater dem Aeduetiouvfmch (^ao- ioaltt'N) öO^, vor den F«unlle»n«ckrm>i^i (6-ejpaUeni 40,^ Größere Schriften laut imjere» Prei«. verzeichn ch. Ladellurischer uvd Zifferma? nach höherem Tarif. Eptra-Beilagen (gefal-t), our mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbeforderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ubrud-AuSgab«: Vormittag« 10 Uhr Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle« je ein» Halde Stunde früher. Anreißen sind stet« an die Extzehitian zu richten. Druck und Verlag voa E. Pol» in Leipzig SV. Jahrgang. Anzeigen für die Frühnunriner von Dienstag, den I. d. Mts. erbitten wir bis spätestens heute Abend 5 Ahr. Amtlicher Theil. Konkursverfahren. Ueber das Vermögen des Zimmermeisters Carl Heinrich Christian Fricke hier, Dresdner Strohe 2, wird heute am 18. März 1896, Vormittags 12 Uhr, Las Konkursverfahren eröffnet. Herr Justizrath Vr. Röutfch hier wird zum Konkursverwalter ernannt. KonkurSforderungen sind bi» zum 81. April 1896 bei dem Berichte anzumelden. Es wird zur Beschlußfassung über die Wahl eines anderen Ver- Walter», sowie über die Bestellung eines Gläubiger-Ausschusses und rintretrnden Falles über die in 8 120 der Konkursordnung be- zeichneten Gegenstände auf Ven 8. April 1896, Vormittags 11 Uhr, und zur Prüfung der ongemeldeten Forderungen aus den 1. Mat 1896, Vormittags 11 Uhr, vor dem unterzeichneten Gerichte, Zimmer 206, Termin anberaumt. Allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird ausgegeben, nichts an den Gemeinschuldner zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auferlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkursverwalter bis zum 18. April 1896 Anzeige zu machen. Königliches Amtsgericht Leipzig, Abth. II', L. 35/96. Nr. 3. am 18. März 1896. Bekannt gemacht durch den Gerichtsschreiber Seer. Beck. Zur Geschichte Les sächsischen Landtags. Bon Eurt Thümmler. Nachdruck verboten. II. Wenn es nun unsere Aufgabe ist, die Zusammensetz ung der Landtage von 1815—1831 darzustellen, so müssen wiralsAuSgangspunctdafürdieOrganisationderständischenVer- sammlungennehmen, wie wir sieunmittelbarvordieserPeriode finden. Der letzte Landtag vor der Landeslheiiung von 1815 fand vom 6. Januar bis 12. Mai 18I1unter König Friedrich August I. in Dresden stglt. Dieser Landtag zeigt in seiner Zusammen» setzung noch eine vollkommene Uebereinstimmung mit der Landtagsordnung von 1728, und wir wollen im Folgenden näher auf diese Zusammensetzung einHehen. Die Landtagsordnung hält die Eintheilung der Stände in drei Classen oder Curien fest. Darnach gehören zur erst en Curie die Prälaten und die Grafen und Herren. Die Prälaten werden gebildet durch die Vertreter der Domcapitel zu Meißen mit Wurzen, Merseburg und Naum burg mit Zeitz, sowie die Deputaten der beiden Landes universitäten Leipzig und Wittenberg. Zu den Grafen und Herren gehören: 1) Die Fürsten von Schwarzburg wegen der Herrschaft Schwarzburg; 2) die Grafen v. Solms-Wildenfels; 3) diel Grafen von Solms-Baruth; 4) die Grafen von Solms-1 Sonnenwalde; 5) der Graf von Stollberg-Roßla; 6) der Graf von Stollberg-Stollberg; 7) der Fürst von Anhalt-f Zerbst wegen der Kursächsischen Herrschaft Walternienburg; 8) die Grasen und Herren von Schönburg; 9) die Fürsten von Schwarzburg wegen Ebeleben; 10) die Grafen von Barby. Hierzu ist zu bemerken, daß die Fürsten von Schwarzburg laut Vergleich vom Jahre 1720 keine Deputirten wegen ter Herrschaft Schwarzburg, sondern nur einen Abgeordneten wegen Ebeleben schicken. Ferner übt gewöhnlich der Fürst von Anhalt-Zerbst sein Recht als Landstaud auf den Kur sächsischen Landtage nicht aus. Endl.ch fallen weg die Grafen von Barby, deren Haus 1659 ausgestorben ist. Die zweite Classe brr Landstände bildet die Ritter schaft. Gemäß ihrem Charakter als allgemeines Gesetz formulirt die Landtagsorbnung Vie Bedingungen zur Landtagssäbigkeit der Rittergutsbesitzer in zusammenhängender Weise, während dafür bisher ja die verschiedenen Decrele, das Herkommen rc. maßgebend waren. AlS Lauplerforderniß der Zugehörigkeit zur Ritterschaft auf den Landtagen gilt natürlich der Besitz eines schriflsässizen Rittergutes. Dann muß bezüglich der lanvständischen Rechte der Schriftsafsen unterschieden werden das Recht der Berufung (durch besondere geschlossene Missiven), ferner das Sitz- und Stimmrecht und endlich das Recht, Auslösung zu erhalten. Das Recht, zu den Land tagen berufen zu werden, haben alle Schriftsafsen; denn es ist dies Recht als ein dingliches, auf den Gütern hastendes zu betrachten. Dagegen ist das Sitz- und Stimmrecht, sowie das Reckt auf Auslösung an ver schiedene persönliche Qualitäten der Schriftsassen ge bunden, und zwar ist dazu erforderlich: 1) die Beibringung eine- stiftSmätzigen Adels durch einen von zwei landtags fähigen Ecetieuteii auf Ehrenwort attestirlen Stummbaum von vier Ahnen väterlicher- und von ebenso viel mütterlicker- seils. Diejenigen Adeligen, welche die Ahnen nicht beibringen können, aber dafür entweder Kurfürstliche Wirkliche Geheim- räthe oder wirkliche Obersten, die in kursäcksiscken Diensten gestanden und im Felde commandirt haben, sind für ihre Person von der Abnenprobe befreit. Durch diese Bestimmung wird die Landtagssäbigkeit zu einem Vorrechte des Adels und zwar des alten schrisiiässigen Adels. Bürger liche waren oo ipso ausgeschlossen, und die Besitzer neu- schriftsässiger Güter wurde» zwar berufen, erhielten aber keine Auslösung,wie denn überhaupt die angeführte Bestimmung in tz 33 sich zunächst nur auf das Recht der Auslösung bezieht. Daß aber der Verlust dieses Rechtes gleichbedeutend war mit dem Verlust des Sitz- und Stimmrechts zeigt sich darin, daß fast kein neuer Schriftsasse, da er die Auslösung nicht bekam, auf den Landtagen erschien. Nur als Ausnahme ist es anzusehen, wenn die Schristsässigkeit mit der Bcdmaung ertheilt wurde, baß der neue Schriflsaffe auch Sitz und Aus lösung bei den Ständeversammlungen haben sollte, was ja auch einige Male vorgekommen ist. Da sich nun im Lause der Zeit durch Ueberbandnehmen der ungleichen Eben und durch das Wachsen der Zabl der bürgerlichen Ritterguts besitzer die landtagsfähigc Ritterschaft sehr verminderte, so stellten die Stände auf den Landtagen 1792 und 1799 zwei Anträge behufs Abänderung der HZ 32 und 33 der Land- tagsordnung. Der erste Antrag ging dabi», daß auch die Besitzer neuschriftsässiger Güter Auslösung erhalten sollten. Der zweite Antrag verlangte die Herabsetzung der geforderten Ahnenzahl auf 4 von väterlicher oder mütterlicher Seite, oder man sollte auf die mütterliche Herkunft gar keine Rücksicht nehmen, sondern einen lOOiährigen Familien adel väterlicherseits als genügend ansehen. Der zweite Antrag wurde von der Negierung abgelehnt, dagegen der erste in der Fassung beS Decrets vom 6. April 1805 ge nehmigt, indem die Landlagsfähigkeit auf alle Ritterguts besitzer ausgedehnt wurde, deren Güter bis zum Jahre 1804 die Schriftsässigkeit erlangt hatten, inwiefern sie nur für ihre Person zum Erscheinen aus Landtagen sich qualificirten. Ein weiteres persönliches Erforderniß zur LandtagSfabig- keit ist nach der Landtagsorbnung die evang. - lutherische Religion nach der ungeanderten Augsburger Consession. Diese Bestimmung wurde movificirt durch die Gleichstellung der Katholiken (durch Mandat vom 16. Februar 1807) und der Reformirten (Mandat vom 18. März 1811) mit den Protestanten. Endlich werden nach der Landtagsordnung zu den Sessionen diejenigen Personen nicht zugelassen, welche in einem Proceß wegen ehrenrühriger Dinge (causis t'umcwis) verurthellt worden sind, oder gegen welche ein der artiger Proceß anhängig gemacht worden ist: endlich auch diejenigen nicht, über deren Vermögen eia Concurs- verfahren schwebt. Bezüglich des Erscheinens der Schrift sassen ist noch z» erwähnen, daß sie entweder persön lich zu erscheinen haben, oder, wenn sie verhindert sind, haben sie einem anderen, persönlich anwesenden Landstand ihre Stimme zu übergeben. Der Grund zu dieser Bestimmung war das Bestreben, die großen Auslösungskosten zu beschränken. Die Mitglieder der 1. Curie können, wie hier nachgetragen sein mag, durch Abgeordnete erscheinen. Neben den schriflsässizen Rittergutsbesitzern sind auf den Landtagen auch die Amtsassen, und zwar nicht persönlich, sondern durch landtagsfähige Abgeordnete (1—3 aus jedem Bezirk, denen sowohl die adligen, als auch die bürgerlichen Beptzer amtsässiger Güler Vollmacht ertbeilen) vertreten. Die dritte Classe der Lanbstände bilden endlich die Städte, welche „herkömmlicher Maßen" Sitz und Stimme auf den Landtagen hatten. Für dieses Herkommen war der Landtag von 1716 maßgebend, und dementsprechend ist das Verzeichnis der 128 Städte abgefaßt, welches als Anhang der Landtags ordnung von 1728 beigegeben ist. AuS jeder Stadt werden zwei oder mehr Teputirte geschickt, die Mitglieder des Stadt magistrats sein müssen. Was nun die weitere Organisation der Ständeversamm lung betrifft, so theilen sich die 2. und 3. Clafs« der Land stände jede in den engeren, den weiteren Ausschuß und eie allgemeine Ritterschaft und die allgemeinen Städte. Die Landtagsordnung enthält genaue Bestimmungen über die Zusammensetzung der Ausschüsse. Dabei wird Be zug genommen auf die Einthcilung der kursächsifchen Lande in Kreise. Diese Eintheilung datirt seit den Jahren 1547 und 1552 und wurde veranlaßt durch Uebelstäade in der Steuererhebung und in der Aufsicht über das Münzwesen. Nack ihr zerfällt Kursachsen, und zwar nur die incorporirten Lande oder Erblande, in den ChurkreiS (seit 1807 der Wittenberger KreiS), den Meißnischen, den Erzgebirgischen, den Thüringischen und den Osterländischen oder Leipziger Kreis. Dazu kam 1570 der Voigtlandische und 1588 der Neuftädter Kreis. Wenden wir unS nun zu der Zusammensetzung der Ausschüsse. In dem engeren Ausschuss« der Ritterschaft haben Sitz und Stimme: и. Kurkreis: Der Erbmarschall, 4 adlige Landstände; d. Thüringer Kreis: Der Statthalter der OrdenSballey in Thüringen, der Comthur von Griffstädt, 9 adliee Landstände; c. Meißnischer Kreis: 5 adlige Landstände; ck. Erzgebirgisckrr KreiS: 4 adlige Landstände; e. Leipziger KreiS: 1 Deputirter des Stift« zu Wurzen, 8 adlige Landslände; к. Poigtländischer KreiS: 4 adlige Lanbstände; 8- Neustädter Kreis: 2 adlige Landstände; zusammen 40 Stellen. Das Directorium des engeren Ausschusses führt der Erb marschall, ebenso das der ganzen Landesversammlung; nur die 1. Curie ist ihm nicht unterworfen. DieS Amt war dis 1805 in der Familie der Grasen von Löser erblich, ron 1805 bis 1820 führte daS Amt erst der Geheime Rath Ludwig von Röder, dann der Freiherr voa Friesen auf Rötha (kiese beiden als Verweser), endlich von 1820 an Gras Günther von Bünau. Die Ergänzung der vacanten Stellen im engeren Ausschuß geschieht durch diesen selbst auS dem weiteren Ausschüsse, wobei die Stände des Kreises, in dem die Stelle frei ist, das Vorschlagsrecht haben. Im weiteren Ausschüsse der Ritterschaft haben Sitz und Stimme: a. Kurkreis: 6 adlige Landstände; d. Tbüringer Kreis: 15 adlige Lanbstände; c. Meißnsicher KreiS: 9 adlige Landstände; ck. Erzgebirgischer Kreis: 6 adlige Landstände; e. Leipziger Kreis: 1 Deputirter beS Grafen Herrn v. Schönburg, 2 Deputirte au« dem Stift Wurzen, 9 adlige Landstände; t. Voigiländischer Kreis: 8 adlige Landstände; 8- Neustädter KreiS: 4 adlige Landstände; zusammen 60 Stellen. Tas Directorium in diesem Au-schufse führt ein Director mit einem Condirector, die auS dem Weiteren durch Feuilleton. vr. Marlin Luther's Griefe an sächsische Geistliche. IV. Leider ist unS der erste Brief, den Luther nach Freiberg, wohin wir heute unsere Leser führen wollen, schrieb, nicht mehr erhalten. Herzog Heinrich hatte sich im Frühjahr 1521 an Luther brieflich gewandt, vermuthlich um bei ihm sich Raths zu erholen, wie er sich bez. der päpstlichen Bannbulle gegen die Wittenberger verhalten solle. Luther bat ihm auch in der Angelegenheit geantwortet. Leider ließ sich Heinrich, der innerlich sich von Luther angezogen fühlte, zu sehr von seinem Bruder Georg beeinflussen, als daß er eS in den nächsten Jahren gewagt hätte, mit seiner reformationSsreundlichen Gesinnung ohne Scheu hervor^utreten. Ja, er ließ sich be wegen, im Jahre 1523 drei Hoffräulein aus der Umgebung seiner Gemahlin zu entfernen, weil sie Schriften Luther s gelesen hatten. Diese scheinen übrigens auch sonst von den Frauen eifrig studirt worden zu sein, so daß man es für nöthig fand, es geradezu ru verbieten, dieselben in Nonnen klöster einzuschmuggeln. Lutbrr richtete an jene vertriebenen Hoffräulein Hanna von Draschwitz, Milia von OelSnitz und Ursula von Feilitzsch einen Trostbrief. Trotz jene« Ezempels, vielleicht mit durch dasselbe veranlaßt, la« man seitdem in Freiberg Luther s Schriften eifrig. Die Herzogin lehnte die >hr zugedachte Widmung einer Uebersetzung einer lateinischen Schrift Luther'« nur deshalb ab, weil sie sich „besorgt, sy macht eyn ungenadiaen Hern erlangen und an Hertzock Jorgen dergleichen." Vier Jahre spater entfloh auS einem Freiberger Kloster die Herzogin Ursula von Münsterberg, die gleichfalls durch da« Studium von Luther's Schriften der Reformation zugeführt worben war. Man sieht, in Freiberg wehte trotz aller Verfolgung schon frühzeitig evangelische Luft, war doch Teyel den Freiberger Bergleuten, die sonst seine guten Kunden gewesen, — 1507 hatte er in zwei Tagen 2000 Gulden ein- gekommen — nur mit Mühe entronnen, als er eS bald nach dem Brkanntwerden von Luther'« Thesen wagt«, wiederum dort sein Glück zu versuchen. Herzog Heinrich sah Wohl ein, daß «in dauernder Wider stand gegen die Reformation ein Ding der Unmöglichkeit wäre. Seit 1537 trat er offen auf di« Seite der Evangelischen über. Jakob Schenk kam von Wittenberg nach Freiberg, um daS Kirchen- und Schulwesen io evangelischem Sinne zu ordnen. Die Namen der Geistlichen Freibergs in jenen Jahrzehnten spiegeln die innigen Beziehungen wider, in denen diese Stabt zu Wittenberg stand. Von Nikolaus Hausmann, der 1538 kurz nach seiner ersten Predigt auf der Freiberger Dom kanzel starb, soll an anderer Stelle die Rede sein. Nicht weniger als fünfzehn Geistliche der Freiberger Gemeinden ließen sich anführen, die zwischen 1539 und 1560 in Witten berg ordinirt worden sind, einer unter ihnen von Luther selbst: Pancratius Zieher, gebürtig aus Herzogenaurach in Franken, bis 1539 „deudschcr Schulmeister auffm Marienberg"; die meisten von Luther's Freund Bugenhagen, z. B. Wendelin Gyrrich aus Hcureuth in Baden, den die Universität Witten berg im April 1539 gern als Pfarrer nach Orlamünde ge schickt hätte, der aber im Juli desselben Jahres „gein Freyberg zum Hoffpredigambt im Tbum" bestellt wurde. Auch ein Wirtenberger Kind finden wir unter den Freiberger Geistlichen deS Reformationszeitalters, den Archidiakonus Andreas Balduin. Er war ein Sohn des Wittenberger Stadtschreibers Urban Balduin, dessen zahlreiche Briefe an seinen Zwickauer Collegen Stephan Roth un« ein anschauliche« Bild des Wittenberger Lebens zu Luther's Zeit geben. Doch wir beschränken unS auf diejenigen Freiberger Geistlichen, die wir in Briefwechsel mit Luther finden. Da ist zuerst der Prediger an St. Peter, Bernhard von TLblen. Seit 1531 war er Pfarrer zu Sitten, dann in Weißenborn bei Freiberg, 15S7 wurde er AmkSprediger zu St. Petri in Freiberg. Wir haben mehrere Briest Luther's an ihn. Den ersten, der unS erhalten ist, schrieb Luther im Auftrage seiner „Domina Ketha". Bernhard von Döhlen hatte die Absicht, sich mit einer gewissen Hanna Zetsch zu vermählen, die, wie e« scheint, in irgend einem Wittenberger Haust eine dienende Stellung bekleidete. Luther empfiehlt daS wirthschaftliche Mädchen, die eine strenge Herrin gehabt habe, rieth abrr seinem Freund«, dieselbe doch erst persönlich kennen zu lernen, da sie sich durch besonder« Schönheit nicht auszeichne, falls nämlich jener überhaupt «twa« darauf gäbe: auck möge die Hochzeit nicht eher stattfinden, al« bis das Pfarrhaus fertig wäre. Der zweite Brief Luther's ist «in Trostbrief. Der Pfarrer voa Döhlen litt an mancherlei Anfechtung. Der Freund verweist ihn auf Christum und lädt ibn zu sich, der auch manche Anfechtung zu bestehen gehabt, rin. Frühzeitig batte Brrnbard von Dohlen stin« Gattin verloren. Er trug sich mit dem Gedanken riner zweiten Verheirathung. Luther räth ihm in einem Bries« vom 3l. August 1538 dringend ab, indem er bemerkt: „Und wenn mir nach meiner Kalbe ein« Königin angeboten würde, so wollt ich lieber sterben, al« eia zweites Mal Ehemann werden." Von Briefen jenes Pfarrers an Luther ist unS nichts erhalten. Aber als Nicolaus Haus mann gestorben war, schrieb er einen langen Brief über den Tob deS «Jonatha» Luther's" nach Wittenberg. Er richtete sein Schreiben an Justus Jonas, obgleich es für Luther be stimmt war: „Solcks hab ich euch (und nicht l). Martino) nicht unangezeigt wollen lassen, das ihr bescheiden mit unserm lieben v. Martino von dieser sacken redet, auch das er der armen stadt mit einem briflein der lerc halben Wolde zu hälfst kommen und den teufel steuern." Auch der erste evangelische Superintendent Freiberg's, Caspar Zeuner, hat mit Luther in Briefwechsel gestanden. Dieser hatte fick im Jahre 1519 — er war damals bereits Priester — in Wittenberg immatriculiren lassen. Seit 1521 finden wir ihn als Pfarrer zu Trebsen, wo er sich verbeiratkcte. Der Bischof von Merseburg citirte ihn deshalb im Jahre 1523 vor stin Tribunal. 1534 ward Zeuner Prediger in Sckneeberg — mit seinem Vorgänger Nicolaus Hausmann war er nachweislich frühzeitig befreundet — 1539 wurde er Superintendent zu Freiberg. Ei» Brief Luther's an Zeuner betrifft die Gestaltung kirchlicher Ceremonien. Aber wie könnte man von Beziehungen Luther's zur Stadt Freiberg reden, ohne Hieronymus Weller's zu gedenken? Super intendent v. Nobb« in LeiSniz hat diesen „Freund und Schüler Luther's" in einer sorgfältigen Monographie „nach seinem evangelischen Leben und Wirken" eingehend bargestelll. Weller, am 5. September 1499 in Freiberg geboren, besuchte die Naumburger Domschule und kam m jungen Jabren nach Wittenberg. Dahin kebrte er auch wieder zurück, nachdem er längere Zeit in Zwickau und Sckneeberg Lebrer gewesen war. Äetzt wollte er der Jurisprudenz sich zuwenden. Aber eine KateckiSmuspredigt Lutber's, die er körte, führt« ibn zur Theologie und in Luther's HauS. 1539 berief den inzwischen rum Doctor der Theologie Promovirten die Vaterstadt zur Uebernahme der theologischen Lectur in Freiberg, dort starb er am 20. März. 1572. Im Dome vor dem hohen Altar hat man ihn begraben. Von dem innigen Berbältniß, da« zwischen Luther und Weller bestand, legen Lutber's Briest an den Freund beredtes Zeugniß ab. Don Lutber's Aufenthalt auf der Coburg be sitzen wir zwei köstliche Briefe: der eine ist an stin HänScken, der andere an seine „Tischgenoffen" zu Wittenberg gerichtet und an Weller adressirt. Beide Briest sind Perlen unter den deutschen Briefen aller Zeit«». Seinen Lisckgesell«n schildert er da« Treiben der Vögel um ibn her als einen „Reichstag der Malztürken". Der zweite Brief, den Weller von Luther auf der Coburg erhielt, war wobl von jenem Briefe an HänSchen begleitet. Denn Luther dankt vor Allem dem Freunde für seinen Brief, „darin Ihr mir von meinem Sohn Johanne« schreibt, daß Ihr stin Lehrer seid, er aber Euer eifriger und fleißiger Schüler" — und der Brief an Hänschen beginnt: „Ich sehe gern, daß Du wol lernest und fleißig betest". Sonst besitzen wir noch einige Trostbriefe Luther's an Weller. AuS dem einen mag hier eine Stelle mitaetheilt werden: „Bester Hieronymus, solche Anfechtung ist Euch nöthiger, denn Speise und Trank. Ich will Euch erzählen, waS mir begegnet ist, als ick ungefähr in den Jahren stand, in denen Ihr jetzt seid. Zuerst, da ich mich ins Kloster begeben hatte ging ich immer traurig und betrübt einher und konnte solche Traurigkeit niemals ablegen. Deshalb zog ich zu Rathe und beichtete dem Herrn Staupitz, jenem Manne, des ich gar gern gedenke, und eröffnete ihm, was für Grauen und Schreckenerregende Gc danken ich hätte. Er aber erwiderte: Martinu«, Ihr wisset nicht, wie nölbia und nützlich Euch solche Anfechtung ist. Denn Gott übt Euck also nicht auf- Geratbewol. Jbr werdet sehen, daß Er Euck zu großen Dingen al- einen Knecht ge brauchen will. Und so ist r« geschehen. So wird eS auch mit Euck ohne Zweifel werden." Nicht ohne Humor sind Luther's Briefe an Weller betr. der Hochzeit de- Freunde-, die Luther mit seiner Fran ihm au-rickten sollte. In Luther's Hause hatte auch schon Welttr'S Doctorsckmaus stattgefnnden. „Ihr habt gesehen, wie wir un beschränkten, schreibt Luther, als Ihr Doctor wurdet, »ins nur die Männer einluden, Frauen und Kinder aber wegließen, und doch wurde es eine große Gesellschaft zu sieben oder acht Tischen. Was soll «S werden, wenn wir auck noch die Fronen, Kinder und das ganre Haus von diesen Allen speisen nnd trunken sollen?" Luther gab schließlich Weller d«n Rath, die Hochzeit in Freiberg zu halten — di« Brant Anna Anifleig war eine Freibergerin — »oder, wenn das nicht geschehen kann, daß Jbr dort ein ansehnliche« Abschiedsessln von mög lichst viel Tischen g«bt nnd dann hierher kommt mit »enigrn Begleitern und «in Mabl oder Frühstück z« zwei oder kr«i Tifcken veranstaltet". Schließlich schetnt hoch die Hochzeit in Lutber s Hause gehalten worden zu fem, wenigsten» schreibt auch Liberio» Magdeburg einmal an einen Freund von den ernstlickrn Vorbereitungen zu derselben: „ V«v Dtctor Mar tino byn ick zot lob in große gunft kommen und solle« itzunv mit eynander dem Doctor Weller stine hochzey« au-ricktsn, ver hat ihm eine grsreyet zu Freyb«rzk, wirt in drei Wochen bochzeyt baden mit George am steigen tochtrr. Indes» muß ich ihm fort und fort fein statt vvrwefen im schloß Mit predigen. Gott vvrley mir anade barzu!" Weller hat übrigen« Luther mit Dank treu gelohnt. Er nahm sich der Hinterlassenen deS Reformator«, übet die manche Nolh hereinbrach, mit liebender Sorge au.
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