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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.04.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960408011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896040801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896040801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-04
- Tag1896-04-08
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Rerlamen unter dem Redactionsstrich l4ge. spalten) 50-H, vor den Aamittrnnachrichten (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichnih. Tabellarischer und Ziffürnla- nach höherem TarH. Extra-Veilagru (gefalzt), nur mit dm Morgen-Ausgab», ohne Postbesördernag 60—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Annahmeschtnß für Anzeige«: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 17k. Mittwoch den 8. April 1896. Sv. Jahrgang. Geborene Streiker. 6. Wenn im Frühling die jungen Knospen sprießen, dann „tagt" auch der „clafsenbewußte Arbeiter" überall in großen und kleinen Bersammlungen, um die Lobnfrage zu berathen. Dieselbe wird in Zeiten günstigen Geschäftslebens als ganz besonders „brennend" angesehen; der Streik wird zum Sport, zu einer Modesache. Nicht bei allen Arbeitern; viele unter ihnen besitzen Einsicht und Charakterstärke genug, um den leichtfertigen und unberechtigten Streik mit derselben Ent schiedenheit wie die von ihm betroffenen Unternehmer zu verurtheilen. Aber diese Arbeiter scheinen nicht die Mehrheit zu bilden. Sie werden fast regelmäßig mit ihren Anschauungen von jenen Leuten in den Hintergrund gedrängt, Vie sofort vom Streikhunger befallen werden, sobald sie verspüren, daß die ErwerdSverhältnisse sich bessern. Unter diesen Arbeitern gicbl eS gewissermaßen geborene Streiker. Sie sitzen in schlechter Zeit in einer Werkstatt still oder ziehen wandernd durch die Lande. Wird jedoch die Geschäftöthätigkeil günstiger, da hält e» sie nicht mehr an ihrem Arbeitsplätze. Sie verlieren Ruhe und Selbstbeherrschung; der heiße Kopf steckt ihnen voll von halbverstandenen rothen Redensarten, und der höchste Lohn und die besten Arbeitsbedingungen können bei diesen Leuten nicht Verbindern, daß sie plötzlich die Erkämpfung eines „menschenwürdigen Daseins" für ihre heiligste Pflicht halten. DaS sind die Streik simpel, die ruhigen Auseinander setzungen und Vernunftgründen meistens unzugänglich sind. Bei ihnen ist der Streik ein Bedürfmß, welches sich ganz unabhängig von Lohnfragen und anderen Verhältnissen ihres Arbeitsplatzes mit unabänderlicher Regelmäßigkeit ein stellt. Sie müssen streiken, und ein Grund ist bald gefunden. Nach der Ansicht dieser Arbeiter hat der Unter nehmer überhaupt kein Recht auf eigenen Willen. Besitzt er die Anmaßung, Herr in seiner Fabrik bleiben zu wollen, erlaubt er sich Anordnungen, die nicht den Beifall der „Ziel bewußten" finden, vergißt er sich selbst so weit, einen dieser angenehmen Mitarbeiter vor die Thür zu setzen, so ist der Kriegsfall gegeben. Der Streiksimpel prüft nicht lange, wo Recht oder Unrecht ist; nach seiner Ueberzeugung hat der Unternehmer stets Unrecht. In einem Betriebe denkt viel leicht kein Anderer daran, die Arbeit niederzulrgen, aber der Streiksimpel wühlt, stochert und stichelt, bis eines Tages die „Lohncommission" gewählt und der Unter nehmer zu der Ueberzeugung gebracht wird, daß die Gewährung hoher Löhne und günstiger Arbeits- Bedingungen ihn nicht vor plötzlich aufgestachelten Streik leidenschaften zu schützen vermag. Der geborene Strecker hält die Niederlegung der Arbeit für nothwendig, sobald die Möglichkeit vorhanden ist, daß über den Unternehmer ein augenblicklicher Vortheil errungen werden kann. Die Er fahrung lehrt, wie groß die Zahl dieser Leute und wie weit gehend und verhängnißvoll ihr Einfluß auf die Mitarbeiter ist. Bei vernünftiger Betrachtung ihrer allgemeinen Lage haben die Streiklustigen vielleicht keinen Anlaß, zu klagen. Sie besitzen oft bei nicht außergewöhnlich langer Arbeitszeit ein höheres Einkommen alsLehrer und kleine Beamte, auch erfreuen sie sich einer befserenBehandlung als den Angehörigen höherer Berufsstände oft zu Theil wird — das Alles hindert nicht, daß Streikhetzer in günstiger Geschäftszeit bei ihnen ein offenes Ohr finden. Man faselt ihnen etwas vor von Ehren pflicht und Classenbewußtsein. Selbst alte und im Uebrigen verständige Leute sehen bann häufig nicht ein, daß es ihre „Ehrenpflicht" Weib und Kind gegenüber wäre, die günstige Geschäftszeit mit doppeltem Fleiß auszunutzen, an vorhandenen guten Arbeitsbedingungen nicht ungerechtfertigt zu mäkeln oder doch, bei etwaigen Wünschen, dem Arbeitgeber ein gutes Wort zu gönnen. Statt dessen wird rbm bei dem heute beliebten Brauch von einer ,Zoyncommissivn", deren Mitglieder er kaum kennt, oft das Knie auf die Brust gesetzt. Gegenwärtig hat fast jede Stadt mit einigem Handel und Wandel ihre Lohncommission, in größeren Gemeinwesen sind derartige Vertretungen der Arbeiter zu ständigen Einrichtungen geworden. Die Wahl einer „Lohn ¬ commission" ist der heißeste Wl nsch des StreilsimpelS. In dieser führen meistens nicht etwa die ältesten, einsichtigsten und tüchtigsten Arbeiter daS Wort, sondern leider häufig genug junge, unerfahrene Menschen, die vielfach alle Ursache hätten, etwas Tüchtiges zu lernen, statt den Streikpascha zu spielen. Einsichtige Arbeitskameraden gelangen in der Com mission überhaupt nicht zum Wort, oder sie werden so kurz abgefertigt, daß sie leicht den Muth verlieren, noch mit zusprechen. Der Einfluß fällt den lautesten Schreiern zu, und Trumpf ist fast regelmäßig die weitestgehende Forderung. Die deutschen Arbeiter könnten in dieser Beziehung von ihren englischen Kameraden viel lernen; vor Allem auch die Pflicht der Selbsterziehung. Zahlreiche Beispiele lehren es, daß dort bei ArberterauSstanden nicht die Schreier und Hetzer, sondern meistens ruhige, besonnene Männer die Leitung haben, die im Arbeitgeber nicht ohne Weiteres den „Blut sauger" sehen, sondern auch die wirthschaftliche Nolhwendig- keit, die feine Entschlüsse bestimmt, zu würdigen wissen. Man rechnet kühl und läßt auch dem Arbeitgeber Gerechtigkeit widerfahren. Die deutschen Streiksimpel, unter denen wir ausdrücklich nur Leute verstehen, die ohne triftige Ursache die Arbeiter drangsaliren, in die „Lohnbewegung" einzulreten, sind meistens fanalisirle Naturen, die jedes Ding auf die Spitze treiben müssen; meistens gelten sie in ihren Kreisen als „principienfeste Genossen". Tausend Gründe vermögen sie nicht zu überzeugen, daß es vernünftig sei, weiter zu arbeiten oder mit dem etwa Gewährten zufrieden zu sein. Nach ihrer rotben Philosophie verachten sie die Zufriedenheit als ein Hinderniß aller Cultur. Auch in Deutschland ist glücklicherweise die Zahl der wohlwollenden Arbeitgeber, die sich scheuen, in böser Zeit einen Arbeiter zu entlassen, größer, als Thoren und Uebelwollende behaupten. Viele dieser Unternehmer strengen sich erheblich an, um in schlechten Iabren ihre Leute durch zuschleppen. Sie übernehmen zu diesem Zweck oft Auf träge zu Preisen, die ihnen das Geld aus der Tasche stehlen. Manche Arbeiter wissen daS ehrlich anzuerkennen, andere jedoch denken wie der Fuchs in der Fabel. Unter dem Einfluß der Streckleidenschaft sind ihnen dieselben Unternehmer lediglich „Ausbeuter", die mit den Kräften der Arbeiter Wucher treiben. Jene „Bourgeois" haben in der früheren schlechten Zeit, um für ihre sämmtlichen Leut» Beschäftigung zu schaffen, vielleicht erhebliche Verluste ge habt und daneben die eigene Arbeit umsonst geleistet — ist die richtige Streikstimmung einmal vorhanden, so sind die erregten Köpfe jeder billigen Beurtheilung derartiger Ver hältnisse unzugänglich. Als Tbatkrast gilt cs, wenn die For derungen so hoch und die Redensarten gegen den Unter nehmer so beleidigend als möglich sind. Da die erregtesten Charaktere bei derartigen Gelegenheiten, wie schon gesagt, meistens die führende Stelle einnehmen und bei den oft noch recht jugendlichen Arbeitervertretern häufig jede Selbstzucht fehlt, so prägen sie ost der ganzen „Lohnbewegung" einer Apbeitergruppe den Stempel der Gehässigkeit und Rüdigkeit auf. Natürlich geschiebt das vielfach zum Nachtheil der eigenen Sache. In solchen Zeiten ist der Brodherr im Großgewerbe einfach der „Tchlotbaron", im Kleinhand werk der „Krauter". Sie mögen sehen, wo sie bleiben, wenn der „clafsenbewußte Arbeiter" Feierabend macht. So lange die eigenen Spargroschen reichen und die auch bei en faulsten Streiks selten ausbleibenden Unterstützungen fließen, thun sich die Streikenden etwas darauf zu Gute, die Unternehmer empfinden zu lassen, „daß der clafsenbewußte Arbeiter eine Macht ist". Draußen im Lande wird von den Genoffen meistens nicht ernst und vorurlbeilsloS geprüft, ob ein Streik berechtigt ist oder ob er leichtfertig vom Zaun gebrochen wurde. Der Arbeitgeber ist von vornherein ver dammt und dreimal verdammt. Die fleißige Lobncommission erläßt einen bombastischen Aufruf, um das „Solidaritäts gefühl der Genossen" zu wecken, d. h. ihnen Hände und Taschen zu öffnen; die bekanntlich von Hamburg aus wirkende „Generalcommifsion deutscher Gewerkschaften" ist meistens auch leicht von der Gerechtigkeit und Unterstützungswürvig- keit des AuSstandeS überzeugt, und „alle Räder sieben still". Man hat schon mehrfach ausgerechnet, um welche Summen durch leichtfertige Arbeitseinstellungen das deutsche National vermögen und der Wohlstand der Arbeiter geschädigt ist. Eine auch nur annähernd richtige Feststellung ist jedoch nicht möglich, da es an zuverlässigen Unterlagen fehlt. Doch bat man einen Maßstab für die Beträge, um welche es sich bei Streikunterstützungen bandelt, wenn man berücksichtigt, daß allein aus den Mitteln der deutschen Arbeitergewerkschaften in den letzten fünf Jahren für den genannten Zweck 3 209 953 verwendet sind. Jetzt hat man die Absicht, für die Erhebung der Streiksteuer noch eine bessere Regel als bisher einzuführen. Der im Mai in Berlin zusammentretende zweite Congreß der deutschen Gewerkschaften soll bekanntlich eine allgemeine Streikkasse gründen, in die fortlaufende Beiträge zu zahlen, als moralische Pflicht jedes Mitgliedes einer deutschen Gewerkschaft bezeichnet wird. Tie genannte General commission will vorsichtig rechnen. Sie nimmt an, daß nur 150 000 Arbeiter in jedem Vierteljahr 50 an die Streik kasse zahlen. DaS würden in fünf Iabren 1 500 000 sein, die gewissermaßen als Streik-Kriegsschatz gelten sollen. An Kostgängern wird es diesem Schatz nicht fehlen. Be sonders wenn der Streiksport so blüht wie gegenwärtig, wird die Nachfrage vielleicht bald größer als die Mittel, sie zu befriedigen, sein. Auch in diesem Frühling hat der erste Lerchenschlag die Streiklust in der Brust zielbewußier Genoffen überall mächtig geweckt. Von einzelnen der jüngsten Arbeits einstellungen sind ja die näheren Umstände in den weitesten Kreisen bekannt geworden. Jeder Freund der Arbeiter wird wünschen, daß wirkliche Uebelstände im ArbeitSverbälrniß be seitigt werden. Wo diese vorhanden waren, hat es den Streikenden bekanntlich an warmer Tbeilnahme und Unter stützung auS allen Schichten des deutschen Volkes nickt ge fehlt. Aber richtet man den Blick auf die allgemeinen Ver hältnisse, so drängt sich bald die Ueberzeugung auf, daß die Streiksimpel auch in diesem Jahre eine bedenkliche Rolle spielen. Man kann wieder einmal alle schlimmen Seiten überschwänglicher Streikleidenschaften kennen lernen. Viele Arbeiter handeln auch gegenwärtig wieder einsichts los. Sie lassen sich durch augenblickliche Stimmungen, unklare Vorstellungen und pbrasenreiche Reden statt durch klare Ueberlegung leiten. Günstige Löhne werden ohne ver nünftigen Grund auf das Spiel gesetzt, alte gute Arbeits plätze r erlassen, Sorgen und Elend über zahlreiche Familien gebracht, um bei dem Unternehmer Forderungen durchzudrücken, die nach der ganzen Geschäftslage unbillig sind. Die Arbeiter berücksichtigen nicht, daß alle ungerechtfertigten Zugeständnisse, welche sie in einem günstigen Augenblick erringen, eben auch nur Augenblickserfolge sind, die im Allgemeinen das Verbältniß zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in un erwünschter Weise beeinflussen und zwar schließlich doch zum Nachtheil der Letzteren. Schon die Rücksicht auf das eigene Wohl sollte daher die Arbeiter bewegen, nicht so leichten Herzens, wie es auch heute vielfach wieder geschieht, sich zu Arbeitseinstellungen hinreißen zu lassen. Deutsches Reich. tk. Leipzig, 7. April, vr. Hans Gruner hat seinen Aufenthalt in der Heimath noch um einige Tage verlängert. Er hat sich gestern von Jena nach Berlin begeben und wird am 10. April mit dem Dampfer „Marie Wörmann" von Hamburg nach Togo abreisen. OH. Berlin, 7. April. Die Meldung, daß zum Chef der Kreuzerdivisivn in den ost asiatisch en Gewässern an Stelle des Contreadmirals Hoffmann der Contreadmiral Tirpitz ernannt sei, ist nicht überraschend gekommen; die Er nennung wurdeschon seit längererZeit erwartet. Tirpitz ist längere Zeit Stabschef des Oberkommandos der Marine gewesen und als solcher ein in Berlin sehr bekannter Marineofsicier geworden In der kaiserlichen Ordre an Len damaligen Commandirenden Admiral Freiherrn v. d. Goltz über die großen Marinemanöver von Swinemünde 1894 sind ausdrücklich die großen Verdienste des Capitains zur See Tirpitz hervorgehoben. Es ist all gemein bekannt, daß die hervorragende technische Entwickelung des Torpedowesens hauptsächlich das Verdienst deS neuen Chefs der Kreuzerdivision ist. Als Tirpitz Ende August 1895 auS seiner Stellung als Stabschef dcSObercommandos schied und durch den bisherigen Jnspeclor ter ersten MarineinspectionContreadmiral von Diederichs ersetzt wurde, war für ihn ein bestimmtes Commando nicht frei. Jetzt nach einem halben Jahre minder angestrengter Tbätigkeit geht er nach Ostasien, um das Com mando der Kreuzerdivision zu übernehmen. Tirpitz kann ans eine außergewöhnlich rasche militairiscke Carriöre zurückblicken; er ist am 22. September 1869 Unterlieutenant geworden und wurde bereits am 13. Mai 1895 zum Contreadmiral ernannt, bat es also in 25^/z Jahren zum Flaggofficier gebracht. In dem Commando zweier Schiffe der Kreuzerdivision ist ebenfalls ein Wechsel eingetrcken; das Flaggschiff des Panzers H. Classe „Kaiser" commandirt jetzt an Stelle des Capitains zur See Jaesckke der Corvellencapitain Zehe und den Kreuzer II. Classe „Irene" an Stelle des Capitains zur See v. Drcskv der Corvellencapitain du Bois. — Wie jetzt als ganz sicher angenommen werden kann, wird Prinz Heinrich am 1. August das Commando der Reservedivision, be stehend aus den Panzern IV. Classe „Hildebrand", „Beowulf", „Siegfried" und „Frithjof" übernehmen. * Berlin, 7. April. Die Agitation für ein „christ liches Schulgesetz" ri la Zedlitz-Trützschler ist bereits aus den Punct gekommen, daß die konservativ-klerikalen Brüder einander in die Haare geratben und damit bestätigen, wie es mit ihrer Behauptung stebl, daß es nur des Entschlusses der Regierung bedürfe, um ein solches Gesetz im Handumdrehen fix und fertig zu macken. Diese Behauptung bat der „ReichSbote" in einer neuen Variation vorgetragen, indem er dem Cultusminister den Rath gab, den Entwurf des Grafen Zedlitz — aber Loch mit einigen Aenderungen! — wieder einzubringen, eine Mehrheit Lasür sei vorhanden; die Regierung möge die beiden Aufgaben lösen, die „wie reife Birnen" am Baume der Zeit hingen und nach denen die Minister nur die Hand auszustrecken brauchten: die christliche Schule und die christliche Ehe. Wie es mit diesen „reifen Birnen" stellt, wenigstens was die Schulfrage anlangt, mag der „Reichsbote" aus der folgenden Antwort entnehmen, welche ihm die ultramontane „Kölnische Volks zeitung" in Bezug auf die von ihm gemachten Vorbehalte ertheilt: „Für ein „christliches Schulgesetz" schwärmt auch der konservativ orthodoxe „Reichst,.", aber er erklärt mit einer auffallenden Rück sichtslosigkeit von vornherein, daß der Zedlitz'iche Entwurf „bei der Prüfung und Anstellung der Lehrer dem katholischen Klerus einen zu weitgehenden Einfluß zugewiesen" habe, daß diese Bestimmungen „auch der eigentliche Stein des Anstoßes für Leu Kaiser" gewesen seien und in dem neuen Entwurf wegbleiben müßten. Also das Biscken Rücksichtnahme aus den Katho- li cismuS soll fortfallen, das Schulgesetz soll ganz nach protestantischen Anschauungen und Interessen zugeschnitten werden, und das Centrum soll zu weiter nichts berufen jein, als in uneigennütziger Weise den Conscrvativen die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Diese „Methode" ist freilich nicht die richtige, um zu einem wirklich christ lichen Schulgesetz zu kommen. Das läßt sich nur Lurch ein ein trächtiges, ehrliches Zusammenarbeiten der Christen beider Con sessionen erreichen. Einseitigkeit und Rücksichtslosigkeit nach Art des „Reichsboten" arbeiten nur Len Mittelparteilern in dir Hände, denen Herr vr. Bosse — längst kein Gras Zedlitz — ja auch leider viel zu nahe steht, trotz aller diplomatischen Redewendungen im Herren hause. WaS Gras Zedlitz uns bot, war das Mindeste, was wir vom katholischen Standpuuct fordern mußten." Berlin, 7. April. (Telegramm.) Die „National- Zeitung" stellt nach eingezogenen Erkundigungen fest, raß die Nachricht auswärtiger Blätter über eine neue Marinc-Bor- lagc, die angeblich dem Reichstage im Spät derbste zu gehen soll, vollständig unbegründet ist. Die „National- Zeitnng" fügt hinzu, daß nicht nur die Marine-Vorlage nock nicht ausgearbeitet, sondern Laß vor der Hand überhaupt noch nicht abzuschen ist, wann die Vorarbeiten abgeschlossen sein werden. Deshalb konnte also dem Kaiser vor seiner Abreise Feuilleton. Vom deutschen Lüchermarkt. Bon Hugo Nötiger (Hildesheim). (Nachdruck verbotkn.) Um die Tiefen und Höhen der Cultur der Völker abzu schätzen, hat man verschiedene Arten von Maßen empfohlen; der Eine erklärt hier den jährlichen Durchschnittsverbrauch von Seife für maßgebend, ein Anderer meint, die mehr oder minder gute Behandlung, die die verschiedenen Volksschichten der Frau angedeihen lassen, könne ein getreues Bild von der kulturellen Entwickelung gewähren. Tie Fachgelehrten kommen mit statistischen Angaben Uber die Wobnungsverhältniffe in den einzelnen Ländern, über den Schulbesuch, Uber die Ver- breitung von Zeitschriften und Zeitungen und schließlich auch Uber die Production und den Verbrauch von Buchern in aller Herren Länder, um auf diesem Wege das Culturniveau der Nationen festzustellen und zu vergleichen. Daß die Benutzung von Drucksachen aller Art einen brauchbaren Wertbmeffer in dem erwähnten Sinne abgeben kann, ist wobl nicht zu bestreiten, die Schwierigkeiten liegen nur in der Unzulänglichkeit der vorhandenen Statistik: nicht jeder Buchhandel ist so vortrefflich einheitlich und übersichtlich organisirt wie der deutsche, und nicht überall läßt sich ein so wohlgeordfieteS statistisches Material darüber gewinnen wie hier. Es ist in der That ein gewaltiger, achtung gebietender Organismus, dieser deutsche Büchermarkt, und würden auf diesem Gebiete einmal die Waffen der Cultur- nationen geprüft und verglichen, wir würden ohne Zweifel auch hier mit Ehren bestehen. DaS Adreßbuch des deutschen Buchhandels führt in 1745 Städten 8245 Firmen auf, dir am deutschen Buchhandel be- theiligt find; hiervon kommen aus die VerlagSgeschäste 1874, aus da» gemischte Sortiment 4984 Firmen, die übrigen ver- theclen sich aus Kunst» und MusikalienbanLel. Colpcieagc- und Landkartengeschäfte. Es sorgten ferner für die geistige Nahrung der Deutschen 1240 Leihbibliotheken und 1014 Journal- und Bücherlesezirkel. Rastlos, Tag und Nacht, mit Feder, Setz kasten und Druckmaschine wird gearbeitet, auS Riesenmassen von Schriftzeichen und Manuskripten werden alljährlich die Legionen von Büchern und Broschüren geboren, die den geistigen Verkehr der Menschen untereinander vermitteln. Ueber den Werth aller dieser Erzeugnisse und über ihr Schicksal wissen unS die Zahlen nichts zu sagen. Neben geistigen Goldbarren liegt Tas, wofür der Böblinger RapS- bauer Scheffel'S eine sehr drastische Bezeichnung hat; deS einen Werkes Ruhm wird der Zeiten Sturme überdauern, trotz Hoffen und Harren wandert so manches andere Erzeugniß deS Büchermarktes schon über Jahr und Tag den Weg zur Makulatur. Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist hier oft weit weniger als ein Schritt. 22 570 Werke sind im Jahre 1894 auf den Markt gebracht worden; ist in dieser Ziffer auch jede Broschüre, jede Dissertation, jede einzelne Predigt und Erbauungsschrift mit enthalten, so zählen andererseits auch bändereiche Werke, die viele Jahre emsiger Forschungen gekostet haben, nur als einzelne Nummern mit, so daß wir im Geiste also eine sehr stattliche Bibliothek als daS Product eines einzigen BuckhändlerjahreS vor uns stehen sehen können. Der Löwenantheil fällt hiervon auf Erziehung, Unterricht und Jugendschriften mit 3811, auf die Theologie mit 2073 und aus RechtS- und StaatSwiffenschaften mit 2180 Werken; die „schöne Literatur" beanspruchte 1791 neue Erzeugnisse; am bescheidensten war, wenigstens was die Zahl angeht, die Philosophie: in ihr Fach kamen nur 240 neue Werke. Gedanken und Bücher sind zollfrei, und eS kann daher von Land zu Land ungehemmt ein reger Austausch von Meinungen und geistigen Erzeugnissen stattfinden. Bon Interesse wird eS nun sein, zu erfahren, wie die Völker davon Gebrauch macken, wer von un- am meisten geistige Waare bezieht und welches Land uns wiederum am aus giebigsten mit seiner Literatur und Wissenschaft versieht. Bt« der Einfuhr nach Deutschland waren 1891 bctbeiligt Oesterreich mit 41,1 Proc., die Schweiz mit 17,2 Proc., Frank reich mit 13,9 Proc., Großbritannien mit 6,4 Proc., Nieder lande mit 5,4 Proc., Vereinigte Staaten mit 4,1 Proc., Rußland mit 3,8 Proc. Die Ausfuhr von Deutschland betrug nach Oesterreich 44,2 Proc., nach den Vereinigten Staaten 12 Proc., nach der Schweiz 10,1 Proc., nach Ruß land 8,6 Proc., nach Großbritannien 5,1 Proc., nach den Niederlanden 5 Proc., nach Frankreich 3,3 Proc. Aber 22 570 neue Schriften wollen nicht nur geschrieben, gedruckt und verlegt, sie wollen auch inS Volk gebracht, sie wollen „vertrieben" sein, wie der technische Ausdruck lautet, und dieser Vertrieb mit seiner feinentwickelten Organisation, mit seiner großartig ausgebildeten Arbeitstheilung ist eS, der dem deutschen Büchermarkt -und Buchhandel seine besondere und wir dürfen wohl sagen hervorragende Stellung in der Welt verbürgt, und der es lohnend erscheinen läßt, sich mit seinen Einrichtungen ein wenig bekannt zu machen. Die Erfindung der Kunst des Druckens mit beweglichen Typen hat, wenn sie auch nicht erst einen Buchhandel ge schaffen hat — dieser bestand schon seit Langem an den Mittelpunkten gelehrten Lebens, in Paris, Bologna und an den übrigen hohen Schulen — doch einen großen Einfluß aus den Vertrieb der geistigen Erzeugnisse auSgeübt, da diese jetzt erst in größeren Mengen in die Welt eingesübrt werden konnten. Es waren sogenannte „Buckführer", Agenten der Drucker und Verleger — wir würden sie Colporteure heißen — die zunächst mit Bückervorräthen an Orten um- berreisten, wo sie sich Absatz versprachen, so in volkreicken Gegenden mit vielen Klerikern und regem Handelsverkehr. Sie bevorzugten mit ihren Besuchen die Zeiten der Kirchen feste und Messen, da sie alsdann viele Fremde in einem Orte anzutreffen hofften. Durch geschriebene oder gedruckte Anschläge, die ein Verzeichniß der vorhandenen Bücher mit Preisen ,c. enthielten, suchten sie ihr Publicum anzuiocken. Nebenbei gab es auch ansässige „Buchführer", die jedoch zu nächst entschieden in der Minderheit blieben; der Gewerbe betrieb im Umberzieben, die vielgesckolrene Colportage, ist also die erste Form eines ausgedehnteren Buchhandels Frankfurt a. M. war lange Zeit ein Centrum des deutschen Buchhandels, außerdem kamen noch Köln, Straßburg, Augs burg, Nürnberg und Basel in Betracht, letztere Stadt mit lebhaftem Verkehr nach Frankreich und Italien hin. In Norkdeutschland kam erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts Leipzig als Buchbändlerstadt auf, das dann nach dem 16. Jahr hundert Frankfurt a. M. und die übrigen Orte allmählich überflügelte. Mit der Zeit, und zwar seit der Mitte de» vorigen Jahr Hunderts, ist also Leipzig der Hauptplatz deS Buchhandels geworden, nachdem inzwischen auch der Geschäftsverkehr zwischen Verlegern und Absatzvermittlern und dem kaufenden Publi cum andere, mehr seßhafte Formen angenommen hatte. Dem ConvitionSgeschäfte, das jetzt sozusagen die Seele des Buch handels ist, ist das Tauschgeschäft, der Cbangehandel, das „Stechen" voraufgegangen, womit auf der Leipziger Messe der Hauptgewinn erzielt werden konnte, wenn man besonders geschickt verfuhr. Es war zum wirtbschaftlichen Gedeihen einer Buchhandlung unbedingt erforderlich, daß sie eigenen Verlag besaß, also selbst Bücher Herstellen ließ; den eigenen Verlag gegen fremden in Leipzig umzutauschen und hierbei ein gutes Geschäft zu machen, war die Kunst des Cbange- handels. Erst in der zweiten Hälfte deS vorigen Jahr hunderts vollzog sich der Umschwung vom Tauschhandel zum ConditionSgeschaft und erhielt der deutsche Buchhandel un gefähr die Gestalt, die er jetzt hat. Es bildeten sich ver schiedene Berufsgruppen heran«: der Verleger, der die Werke von Len Verfassern ankauft, die Werke drucken läßt und in den Handel bringt, der Sortimenter, der den Zwischenhandel ver siebt, der die Bücher direct an seine Kunden verkauft, und der Commissionair, der in den großen VerlagScentren den Verkehr zwischen Sortimenter und Verleger vermittelt. Nach Leipzig senden die Verleger ihre Neuerscheinungen, der Sortimenter bestellt dort bei seinem Commissionair, wa» er braucht, und erhält in wöchentlichen großen Ballen daS Verlangte. Der Verkehr über Leipzig ermöglicht» «S jedem Verleger und jedem
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