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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.04.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960414025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896041402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896041402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-04
- Tag1896-04-14
- Monat1896-04
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Rrclamcn unter dem NedactiviiSstrich ltge- spalten) 50-H, vor den Aamiliennachrichten (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffer,i'ap nach höhereu, Tarif. (^rtra-Veilagcn (gefalzt), nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung Xl 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an dir Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 90. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Ja nächster Zeit werden Noten der Retchsbank zu 1000 und 100 zur Ausgabe gelangen, welche vom 10. April 1896 datirt sind und deren Unterschrift lautet: Rcichsbank-Directorium. Look, ttalleulcanip, klammer, von Olaaeuapp, voa Llidrillx, Sobmieckielce, Korn, Ovtrmaim. Die Noten zu 100 gleichen im Uebrigen völlig den in unserer Bekanntmachung vom 9. Januar d. I. beschriebenen. Die Noten zu 1000 weisen dagegen noch folgende Unterscheidungsmerkmale von den zuletzt ausgegebenen (vgl. unsere Bekanntmachung vom 9. October 1895) auf: 1) Das Guillochemuster erstreckt sich in völlig gleichmäßiger Weise über die ganze Schauseite, so daß die ellipsenförmige Unterbrechung, in welcher bisher die Unterschriften standen, wegsällt: 2) der Unterdruck-Adler zeigt eine neue heraldisch richtigere Gestalt; 3) der bräunliche Farbenton ist ein dunklerer. Berlin, den 11. April 1896. Rcichsbank-Directorium. Koch. Gallrnkamp. Frommer, von Glasenapp. von Klitzing. Schmiedicke. Korn. Gotzmann. Politische Tagesschau. * Leipzig, 14. April. Es liegt etwas Symbolisches darin, daß der Kaiser Wilhelm unmittelbar nach den Tagen von Venedig, nach der Zusammenkunft mit dem italienischen Herrscher, in Wien weilt, um die enge Freundschaft, die ihn mit deni oster reichischen Kaiserhause verknüpft, zu erneuern. Es liegt in dieser Thatsache der erneute Beweis dafür, daß Deutschland den Mittelpunkt des Dreibundes bildet, daß es daS ver bindende Glied zwischen der österreichisch-ungarischen Mon archie und Italien Dvrstellt. Wenn daS Wort: awiL cke U08 LMI8 80Qt MS8 »Wl8« jemals zugetroffen hat, ,s ist es hier eine Wahrheit; denn nur die Freundschaft Deutsch lands mit Oesterreich und Italien bildtt die Brücke der Verständigung und der Freundschaft zwischen diesen beiden Staaten. Daß diese Brücke aber recht fest gebaut ist, das beweisen von Neuem die Zusammenkünfte in Venedig und Wien, die darthun, daß der Dreibund sich auch durch be trübende Zufälligkeiten, wie es der Tag von Adua war, nicht erschüttern läßt. Und darin liegt nicht zum kleinsten Theile die hohe Bedeutung des Besuches des deutschen Kaisers in der alten Donaustadt. Dieser Bestick gewinnt aber auch durch einen andern Umstand ein erhöhtes Interesse. Er trifft nämlich zeitlich zufällig gerade mit dem Besuche des Fürsten Ferdinand von Bulgarien in Peters burg und der Anwesenheit des jugendlichen Herrschers von Serbien in Athen zusammen. Diese Besuche können in Wien wenig Freude erwecken. Die Anwesenheit des Fürsten Ferdinand in der Residenz an der Newa, die hoben Ehren, die ihm erwiesen werden und die weit über die Bedeutung hinausgehen, die der Machtstellung seines Landes zukommen — wie weit sie über die Bedeutung hinauSgehen, die seiner Persönlichkeit zukommen, läßt sich weder in Worten, noch in Zahlen auSdrucken — alles daS beweist, daß Rußland, das jahrelang eine passive Zuschauerrolle gegenüber den Er eignissen in Bulgarien gespielt hat, nunmehr gewillt ist, eine active Rolle in dem Balkanlande zu spielen; daß es aber diese Rolle nicht zur Freude Oesterreicks spielen wird, liegt auf der Hand. Aber auch die Anwesenheit des jugendlichen Königs von Serbien in Athen ist für Oesterreich nicht an genehm. Serbien schwimmt seit einigen Jahren im russischen Fahrwasser, Griechenland ist schon längst den russischen Interessen ergeben. Wenn nun durch den Besuch des serbischen Königs am griechischen Hofe die Beziehungen zwischen beiden von russischem Einfluß erfüllten Staaten enger geknüpft werden, so kann dadurch die Position Oester reichs auf der Balkanhalbinsel, die ohnehin von Jahr zu Jahr eine schwierigere wird, natürlick nicht gewinnen. In dieser für Oesterreich so wenig bequemen Situation ist nun das durch die Anwesenheit des deutschen Kaisers in Wien ver körperte und neubefestigte Bündniß mit Deutschland eine Be ruhigung für Oesterreich. Denn wenn man in Oesterreich auck sehr wobl weiß, daß Deutschland Len Grundsatz, sich in die orientalischen Wirren nicht verstricken zu lassen, niemals aufgeben wird, so weiß man doch andererseits, daß Deutsch land eine tödtliche Umarmung Oesterreichs durch einen über mächtigen Nachbarn niemals dulden wird. Nach wie vor sind die Fürsten und die Völker Deutschlands und Oester reichs durch das feste Band inniger Freundschaft und Zu neigung mit einander verbunden, und der Besuch Kaiser Wilhelm's in Wien liefert einen erneuten Beweis dafür, daß diese Freundschaft mit den Jahren nicht an Kraft verliert, sondern immer fester, inniger, selbstverständlicher wird. Der tragische Ausgang des Duells Kotze-Schrader bildet begreiflicherweise auch heute noch das Haupltbema der Er örterungen der gesummten deutschen Presse. Es kann nicht befremden, daß in den meisten dieser Erörterungen eine weh- müthige Sympathie für die beklagenswerthe Familie des Gerödteten und für Liesen selbst zu Tage tritt und das Urtheil zu Gunsten des Ueberlebenden trübt. Desto verdienst licher ist es, daß ein Berliner Mitarbeiter der Münchener „Allgem. Ztg." auf den Zwang hinweist, der Herrn v. Kotze zur Herausforderung seines College» nöthigt«: „Er hat ,« bekanntlich vermeiden und sich mit dem Manne, in welchem er — mit Recht oder mit Unrecht — den Urheber der schweren Krisis sah, in die sein öffentliches und privates Leben in so seltsamer Weise hineingerissen wurde, anscheinend vor dem Strafrichter auseinandersetzen wollen. Diese Absicht verstieß aber gegen den zur Zeit noch für ihn und seine Standesgen offen maßgebenden Ehrencodex, und es bedurfte eines wieder holten Gnadenactes des Kaisers, um die für seine gesellschaft liche Existenz vernichtende» Folgen derselben von ihm abzu wenden und ihn wieder in den Stand zu setzen, von seinem Gegner die übliche Genugthuung zu verlangen. Was er nun wieder lhun konnte, mußte er thun. Daß es aber, wenn er nun einmal seinem Feinde Auge in Auge, Waffe gegen Waffe gegenübertrat, nicht um eine der in Frankreich üblichen Duell komödien sich handeln, sondern blutiger Ernst sein würde, das ver stand sich von selbst, und man hat keinen Grund, sich darüber zu entsetzen. Nach der Lage der Dinge Kat .Herr v. Kotze unter einem Zwange gehandelt, der ihm seine Handlungsweise bis aus das Ein zelnste vorschrieb; cs wäre also Unrecht, deshalb einen Stein auf ihn zu werfen, weil seine Kugel ihr Ziel sicherer getroffen, als die seines Gegners." Gerade dann aber, wenn man diese Sachlage anerkennt, muß man auf die Mängel unseres konventionellen Ehrbegriffes Hinweisen, die zu so erschütternden Consequenzen führen. DaS thut auch der Verfasser deS Artikels der „Allgem. Ztg." und er unterscheidet dabei, um zu einem klaren Ergebniß zu ge langen, zwei verschiedene Fragen: die des Zweikampfes als solchen und die des Zwanges zum Zweikampf, wie ihn bekanntlich der OfficierSstand als ein Staat im Staate unter gewissen Umständen übt und wie er auch im vorliegenden Falle wenigstens indirect geübt worden ist. Ueber beide Fragen äußert sich der Verfasser folgendermaßen: „Was den Zweikampf betrifft, so sind wir der Ansicht, daß er nicht gänzlich aus der Welt zu schaffen und nicht schlechthin zu entbehren ist; aber er sollte betrachtet und angewendet werden als das, was er seiner Natur nach ist: als die ultima ratio, zu der man greift, wenn alle anderen Mittel versagen, nicht als eine nor- male Einrichtung der Gesellschaft, als ein vornehmer Sport, als eine mehr oder minder ernste Spielerei niit eigenem und fremden, Leben. In der Zurückdrängunq auf einen derartig kleinen Rest könnte man ihn als eine Privatangelegenheit der unmittelbar bctheiligten Personen gelten und bestehen lassen, als eine Gesetzwidrigkeit, bedroht von dem Strafrichter und nach dem Maße der vorhandenen Schuld seinem Spruche verfallen; alS ein sociales Uebel, das im Interesse der Allgemeinheit bekämpft und ausgerottet werden müßte, wäre er dann nicht mehr zu betrachten. An der Herbeiführung dieses Zustandes muß neben dem Staat auch die Gesellschaft mit den ihr zu stehenden Mitteln arbeiten. Der gewohnheitsmäßige Rauf bold sollte ebenso gewiß der gesellschaftlichen Aechtung verfallen, wie der gewerbsmäßige Spieler, und das leichtsinnige Provociren von Ehrenhändeln vor allem im Heere ebenso be straft werden, wie leichtsinniges Schuldenmachen. Nun weiß man allerdings in unterrichteten Kreisen, daß die Osficier- ehrcngerichte weit mehr Zweikämpfe verhindern als zulasfen und daß ihre Gcsammtthätigkeit deshalb ein wesentlich anderes Gepräge trägt, als man sich gemeinhin verstellt; aber ter Wunsch ist wohl trotzdem berechtigt, daß in dieser Hinsicht noch mehr geschehen und den grundsätzlichen Gegnern und Hassern des Heeres und des OsficierstandeS die Gelegenheit zu den bekannten rüden Angriffen noch seltener als bisher gegeben werben möge. Vor Allem aber sollte der in den weitesten Kreisen des Volkes Aergerniß erregende Zwang zum Zweikamps auf dasjenige Minimum reducirt werden, das unseres Erachtens in einem Stande, der von feinen Angehörigen außer der inneren Ehren haftigkeit auch einen strengen formellen Ehrbegriff verlangt und in dem die schwerste Sünde die Feigheit ist, vor läufig nicht entbehrt werden kann. Mit einem leichten Sophisma wird von Zeit zu Zeit von autoritativer Seite erklärt, Laß ein solcher Zwang gar nicht geübt werde; aber Jedermann weiß, wie die Dinge in Wahrheit liegen und daß hier thatsächlich noch Manches zu bessern ist. Das Mittel zur Besserung besteht in der Ent wickelung und Ausdehnung deS Institut- der Ehren gerichte, dessen Fortbildung längst auch von dem Deutschen Adelstage in erfreulicher Weise erörtert und empfohlen worden ist." Andere Blätter geben in der Beantwortung beider Fragen viel weiter und wollen nickt nur den Zwang zum Zweikampf, sondern auch diesen selbst durch Anwendung der schärfsten Mittel radikal beseitigt wissen. Besonders die klerikalen Blätter stehen auf diesem Standpunkte; so die „Kölnische Volkszeitung", die über den ganzen „Duellblödsinn" mit folgenden Worten den Stab bricht: „Der Kotze'sche „Ehrenhandel" leitet sich bekanntlich her aus den schmutzigen und gemeinen Briefen, die von einem Unbekannten in der Hof-Gesellfchast verbreitet wurden. So sind es in der Regel recht saubere Geschichten, dir in einem „Ehrenhandel" ausgetragen werden. Verhältnißmäßig selten ist der Streit entstanden aus einer übereilten Beleidigung, die einer in angeheiterter oder gereizter Stimmung begangen hat. Aber merkwürdig, während man sonst so kitzelig ist im Puncte der „Satisfactionssähigkeit": ein Wüstling, Spieler, Schuldrnmachrr ist an sich durchaus noch nicht satisfactionsunfähig, sondern berechtigt, einen anständigen Menschen vor seine Pistole zu fordern und todt zu schießen. Kreise, die so viel aus ihre „Ehre" halten, weisen es durchaus nicht ab, einen Menschen, de» sie als verkommenes Subject verachten, zu einem Zweikampf auszufordern und sich von ihm todtschießen zu lassen." Der demokratischen „Franks. Ztg." ist mit dieser Schilderung veS Duellunfugs noch bei Weitem nicht erschöpft; sie fügt hinzu: „Das Allerunsinnigste dabei ist, daß der „Ehrencodex" irgend einen Lumpen, der einen Andern an seiner Ehre gekränkt hat, sei es, daß er frevelnd seinen Hausfrieden stört ober ihn persönlich ver leumdet, noch dazu berechtigt, den von ihm Verletzten über den Hausen zu schießen, und letzteren, wenn er sich sein Recht aus andere Weise suchen will, für ehrlos erklärt. Gerade in diesem Absprechen der persönlichen Ehre liegt die schwerste Ehrverletzung: sie auszu sprechen, zeugt von einem verkehrten Ehrempfinden, das nicht schau genug verurtheilt werden kann." Den radikalen Gegnern des Duells und des Duellzwanges kommt eine Schrift deS Du. E. v. B e low, Professors an rcr Akademie in Münster, zu Hilfe. Below erschüttert in dieser Schrift durch eine Reihe gewichtiger Gründe die allgemein geltende Ansicht, daß daS Duell einen germanischen und ritterlichen Ursprung habe. Zunächst sei es trotz aller äußern Aebnlichkcit von dem gerichtlichen Zweikampf des Mittelalters durchaus verschieden, denn dieser sei ein gerichtlicher Act, eine Form des Beweisverfabrens gewesen, wogegen das moderne Duell auf einer grundsätzlichen Verachtung des Rechtsweges beruhe. Auch der Hinweis auf das altgermanische Fchde- reckt sei hinfällig, weil dieses zu keiner Zeil die gericht liche Klage ausgeschlossen, ja später sogar die Fehde nur dann für statthaft erklärt habe, wenn vorher die Beschreitung LeS Rechtsweges versucht worden war. Ebensowenig lasse das Duell sich auf das mittelalterliche Turnier zurück führen, welches nach guter Rittersitte ein unblutiges Waffen spiel sein sollte, so daß man eS als rohe Ausartung ver- urthcilte, wenn es dabei allzu blutig herging. Der Ursprung Les modernen Duells sei also nicht in das deutsche Mittel alter zu verlegen, sondern seine Heimath sei zugleich das Vaterland — der Stierkämpfe und des Don Quixote! Hier, in Spanien, tauche es am Ende des fünfzehnten Jahr hunderts auf, von da gelange es zuerst in die übrigen romanischen Länder; in Deutschland erscheine es vereinzelt im Laufe des sechzehnten Jahrhunderts, aber von einer Ein bürgerung könne erst nach dem dreißigjährigen Kriege die Rede sein. Wer demnach heute gegen das Duell auftrete, der bekämpfe nicht etwa einen Rest von Einrichtungen des deutschen Nilterthums, sondern von Liebhabereien einer Gesellschaft, wie sie trauriger und erbärmlicher kaum in einer anderen Epoche des Mittelalters und der Neuzeit anzutreffen sei. „Es sollten darum alle adeligen Familien, auch die nobilitirten, sich ängstlich hüten, den Duellstandpunct für ein unentbehrliches Kennzeichen der Ritterlichkeit auszugeben. Sie könnten sonst eine unritterliche Herkunft bescheinige-« müssen." Weiter heißt es dann in der Schrift: „Wenn man die adelige Haltung von dem Bekenntniß zum Duellstandpunct abhängig macht, dann wird man in Deutschland nur einen sehr kleinen Kreis von Familien ausfindig machen können, deren Mitglieder stets eine „adelige" Haltung eingenommen haben, und diese adeligen Familien würden von äußerst jungem Alter, vielleicht noch nicht einmal durchweg von germanischer Herkunft jein. Die Hohen zollern würden nicht zu diesem Kreise gerechnet werden können. Ein Hohenzoller hat sich nie durllirt, trotzdem die Hohenzollern oft beleidigt worden sind. Weitaus die Mehr zahl der Hohenzollern Hal auch nicht einmal theoretisch den Duellstandpunct vertreten." Das mag richtig sein, aber jedenfalls haben die Hohenzollern ebensowenig wie eine andere Dynastie LaS Duellwesen völlig auszurotlen oder auck nur vor schlimmer Entartung zu be wahren vermocht. Es giebt eben Sitten und Unsitten, oie nur die Zeit und eine allmählich sich vollziehende Wandelung der Anschauungen von Grund aus umzugeftalten vermögen. Jedenfalls aber ist dem energischen Versuche, eine solche Um gestaltung anzubahnen, kein Zeitpunct günstiger gewesen, als der jetzige, in dem die ganze deutsche Nation unter dem erschütternden Eindrücke des Duelles Kotze-Schrader siebt und der Einsicht in das Unsittliche und Zweckwidrige der artiger „Ehrenhändel" und besonders des Zwanges zum Zweikampfe sich öffnet. Wenn daher der kraftvolle Hohen- Feuilleton. Gottbegnadet. 23) Roman von Konrad Telmann. Nachdruck verboten. Harry war aufgesprungen, während die junge Frau me chanisch einen Schritt gegen die Thür deS Nebenzimmers gemacht hatte. Ihre Augen funkelten die Eintretende wild an, indeß Harry erblaßt war und unsicher stotterte: „Aber gar nicht —. Wieso denn? Mama war noch nicht zu Hause, als Frau von Hake kam, und da hatte sie die Güte, einstweilen mit mir vorlieb zu nehmen. Mama aber muß jeden Augenblick kommen. Wolltest Du sie sprechen? Dann könntest Du ja . . ." „Nein, nein," sagte Thea ruhig, ihm ins Wort fallend, „ich wiederhole, ich will nicht stören. Guten Abend." Und sie ging wirklich, die Thür schloß sich hinter ihr. An dem erschrocken dreinstarrenden Mädchen vorüber schritt sie lang sam die Treppen hinab; nur als sie auf die Straße kam, spürte sie etwa« wie einen jähen Schwindel. Aber auch der ging vorüber. Zu Ende! klang eS noch einmal in ihr. Dann fühlte sie plötzlich einen Arm in dem ihrigen, und neben ihr schritt Asta von Flügge, die hier unten irgendwo auf sie gewartet haben mußte, die Straße hinab. Thea wollte sich von ihr befreien, aber sie hatte plötzlich keinen Widerstand mehr. Es war merkwürdig dunkel um sie her geworden, es war ihr, als tappte sie nur mehr mühsam vor wärts. Und dann schlug Asta'S Stimme an ihr Ohr, „sie solle eS nur nicht gar zu schwer nehmen, warum sei sie auch trotz aller dringlichen Warnung hinaufgegangen? Sie, Asta, habe es ja so kommen sehen. So seien die Männer nun einmal, man müsse immer ein Auge bei ihnen zudrücken, und bei Harry sogar zwei. ES sei übrigens natürlick nicht da« erste Mal, daß die beiden dort ein Rendezvous hatten, Frau Lydia von Sennseldt scheine die Sache ja geradezu ru protegiren und ihre Wohnung dazu berzligeben. Die alte Liebe habe offenbar nicht rosten wollen. Denn Thea wisse doch wobl, daß Else von Hake die geborene Zietlow sei, di« Harry früher so rasend angeschwarmt habe und die mit ihrem Manne dann so todtunglücklich geworden sei, daß sie nun in der Scheidung mit ibm liege. Und was Harry be treffe, ob der in seiner Ebe besonder« glücklich sei, ei- rer überhaupt je in einer Ebe glücklich werden könne, wolle sie dahingestellt sein lassen, man dürfe einer solchen Künstler natur gegenüber jedenfalls ja nicht den gewöhnlichen Maßstab anlegen und deshalb . . ." Das klang Alles mild und einschmeichelnd aus Asta'S Munde und rauschte an Tbea vorüber, bis sie plötzlich auf fahrend jetzt sagte: „Laß! Nicht daS! Ueberhaupt nichts — laß mich allein. Ich will nichts hören. Ich weiß überdies gar nicht, wovon Du eigentlich sprichst und was das Alles soll — ick habe Frau von Hake gar nicht gesehen. Geh' jetzt, ich bitte Dich. Ich kann Dich nicht auffordern, mit mir heraufzukommen, Lydia ist krank. Auf morgen also, — auf ein ander Mal!" Sie drückte Asta flüchtig die Hand, ließ sie stehen und ging. Sie stieg die Treppen in ihrem Hause hinauf, wie eine Schwerkranke. Sie wankte, mußte sich am Geländer fest halten und schleppte sich mühsam. Als sie endlich oben an gelangt war, waren ihre Kräfte z» Ende. Sie warf sich neben dem Bett ihres Kindes in die Kniee und schluchzte herzbrechend. Abends ließ sich Frau Lydia bei ihr melden. Aber Thea ließ ihr hinauSsagen, sie könne sie nicht sehen; falls sie im Auftrage von Harry komme, möge sie ihm sagen, daß sie nur mit ihm selber zu sprechen gesonnen sei und jede Mittels person ablehne. Als Frau Lydia dann gegangen war, schickte Thea ein Telegramm an ihre Eltern. Sie wußte, daß ihre Mutter daraufhin zu ihr kommen werde, und wenn sie auch Alles, waS nun kommen mußte, allein ausmachen wollte und mußte, fühlte sie dock, daß sie darnach einer Stütze be dürfen werde, um nicht znsammenznbrechen. Als Harry am nächsten Vormittage kam, war Frau Marcella bereits angelangt. Aber Thea empfing ibn allein. Sie war jetzt äußerlich wieder ganz ruhig, kein Nerv zuckte an ihr. Harry seinerseits schien mit Hilfe seiner Mutter eine Rolle einsludirt zu baben, die ihn mit einer gewissen Selbstsicherbeit erfüllte, dann aber doch nicht Stand halten wollte, weil sie auf Vorwürfe und verzweifelte Anklagen hin zugespitzt war, die erfolgen sollten, während Tbea sich so kübl und klar zeigte, daß Harry sie offenbar kaum wieder erkannte, sich jedenfalls in ihr nicht zmcechtzusinden vermochte. So versuchte er eS denn, sich mit einer Art von Trotz zu wappnen, der ziemlich kläglich anSsiel, auch Tbea nicht mehr neu erscheinen konnte. Obne daß sie noch eine Rechtfertigung von ibm verlangt batte, sing er mit seinen blumigen Phrasen wirr von „ge raubter Freiheit", vom „Recht des Künstlers", von „jenem andern, idealen Maßstab, mit dem man gottbegnadete Naturen messen müsse", zu sprechen an. Es konnte ibm aber nicht entgehen, baß das Alles gar keinen Eindruck auf sie machte. Sie ließ ihn ruhig zu Ende reden, obne ei» Wort einzuwerfen, und fragte erst dann ganz kühl: „Und was denkst Du, was nun werden soll?" Diese Frage verwirrte ihn sichtlich noch mehr. Er gab sich nun vollends die Miene eines unglücklichen Menschen, eine Rolle, die er schon von Anfang an in Aussehen und Mimik zu spielen versucht hatte. Nie war ihr seine Comödiantennatur so klar gewefen wie in diesem Augenblick, wo sie überhaupt merkwürdig scharf in ihn hincinblickte, wo er mit einem Male ganz so vor ihr dastand, wie er wirklich war. Die blonden Locken, durch die seine nervösen Finger immer auf's Neue hinfuhren, dingen ibm wüst in die ge furchte Stirn, er war blaß, seine gesenkten Augen halb ver schleiert, seine Stimme raub, wie gebrochen. „Ich habe mehr und mebr eingeseben", sagte er und warf sich in einen Sessel, bald trübe vor sich hinstarrend, bald unruhig mit den Händen durch die Luft fuchtelnd, „daß wir zwei zu einander nickt passen. Ihr habt mich in eine spießbürgerliche Existenz ein zwängen wollen und daS gebt nickt Man darf mir dir Flügel nicht beschneiden. Ich muß frei sein." „Ich gebe Dich frei," sagte Thea ruhig. Er antwortete nicht, sondern warf ihr nur einen scheuen Blick unter den müden Lidern zu. „Welchen Gebrauch gedenkst Du von Deiner Freiheit zu macken?" fragte Thea nach einer Weile. „Ich gehe nach Amerika," versetzte er rasch. Es klang wie da« leere unbesonnene Gerede eines Knaben. Thea aber mußte daran denken, daß er einst gesagt hatte, er würde sich nur aufs Wasser wagen, vor dem ihm graute, wenn er einmal todeSunglücklick sei. Jetzt also war dieser Zeitpunct gekommen, und alles galt ibm schon gleich. Er verband offenbar gar keinen klären Gedanken nut diesem „Nach Amerika gehen", er hatte nur Freiheit, Ruhm, Glanz und Ehren in der Vorstellung, die seiner dort harren würden. Er wollte nur fort und nur frei sein. Er hatte sich ja immer in dieser Idee gesonnt, sich als Märtyrer gefühlt, daß er daS Alles, was er hätte sein nennen können, verschmähte und auSschlug. Es war wie seine Zuflucht gewesen, di« ibm immer blieb. „Und — drese Frau?" fragte Thea, sich überwindend, al« spräche sie von dem Schicksal fernstehender, ihr gleichgiltizer Menschen. Harry war roth geworden. Er vergrub sein Gesicht in beide Hände, die er auf die Knie stützte. „WaS willst Du? Ich habe sie einst geliebt und sie ging mir verloren durch einen schnöden Schacher. Nun ist sie unglücklich geworden wie ich. Uebrigens" — seine Stimme verlor sich in einem kaum mehr verständlichen Gemurmel — „Du brauchst nicht zu glauben, daß — ich weiß, was ich Dir schuldig bin — ick habe eS immer gewußt — Du bist ganz im Jrrthum, wenn Du nach dem Schein urtheilen willst und darnach aunimmst — es ist nichts geschehen — es war Zufall . . ." Sie machte mit der Hand eine unwillig abwinkende Gc bärde. Ein verächtliches Lächeln lag um ihre Lippen. „Du gedenkst diese Frau zu heirathen, nicht wahr?" fragte sie kalr. Harry war fassungslos über ibre Ruhe. Er starrte sie eine Weile an wie ein Wunder. Dann murmelte er halb verschämt: „Ich könnte ja, selbst wenn sie und ick scheu völlig frei wären, gar nicht daran denken — vorläufig gewiß nicht." „Warum nicht." „Weil — mein Gott, das liegt dock auf der Hand: sic hat ihren Mann ja damals nur geheirathet, weil ibr Vater eine Geldspeculation damit verband. Leo von Hake aber bat das große Familienvermögen inzwischen durchgebrackt, durch Sport und Spiel. Wenn die Scheidung jetzt ausgesprochen wird, ist Else arm wie eine Kirchenmaus. Nun, und ich" — er zuckte die Achseln. „Wenn ich also überhaupt daran je gedacht hätte . . ." Tbea batte ein paar Mal die Lippen bewegt, als ob ibc das Athmen schwer werde. Nun sagte sie leise aber fest: „Wenn eS nur das ist — ich werde dafür sorgen, daß Dir die Mittel zur Verfügung stehen, um diese Verbindung zu schließen, sobald eS die gesetzlichen Vorschriften nur irgend erlauben. ES versteht sich, daß ich Dir kein Geschenk damit anbiete. Du wirst daS Geliehene zurückerstatten, wenn Du dazu in der Lage bist, und daS wird ja nicht lange dauern, nach dem, was Dl« sagst. Von dieser Seite sehe ich also kein Hinderniß." Harry war plötzlich aufgesprungen. Er lief ein paar Mal im Zimmer hin und wieder, Schani, Zorn und Er staunen rangen in ihm um die Oberhand. Dieses Aner bieten hätte er denn doch nicht erwartet, am allerwenigsten etzt und so. So also gab Thea ihn Preis! Sie wollte es ich sogar noch etwa- kosten lassen, wenn sie nur von ihn, oSkam und er sich anderweitig band. O, der Schmach, rcr Schmack! Stand e« so? Hielt sie ibn dessen für fähig?
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