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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.04.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960417011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896041701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896041701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-04
- Tag1896-04-17
- Monat1896-04
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes «nd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeige»-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 2t) Pfg. -ierlamen unter demRedactionssntL (4ae» spalten) Sv-H, vor den tzamtltinnachrkchtea (6 gespalten) 40 Vro-ert Schriften laut unserem Prrie »erzetchntß. Tabellarischer und Merksatz «ach höherem Laris. Rrtra»Beilagen (gefalzt), nur mit der viorgen-Ausgabe, ohne Pvstbefssd«ru»g SO.—, mit Postbesörderuug 70.—. A«nah»eschl»ß fSr A«;eige«: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittags 4Uhr. Vit den Filiale« und Annahmestellen je »ine halb» Gtuud« früher. Anzeigen sind stets an di« Expedition zu richt«». Druck und Verlag von E. Pol» iu Leipzig Freitag den 17. April 1896. SV. Jahrgang. Duell unL Mensur. Der durch den erschütternden AuSgang deS Duells zwischen den beiden kaiserlichen Ceremonienmeistern v. Kotze und v. Schrader hervorgerufrne fast allgemeine Ansturm der Tages preise gegen das Duellunwrsen erinnert uns an eine im ver flossenen Äahre im Schottländer'schenVerlag(BreSlau) erschienene kleine Schrift „Briefe eines Vaters an seinen Sohn nach dessen Abgang auf die Universität", auf die wir alsbald nach ihrem Erscheinen mit warmer Empfehlung hingewiesen haben, weil sie auf jeder Seite die reiche Lebens erfahrung des Verfasser» und sein abgeklärtes Urtheil über die wichtigsten Lebensfragen bekundet. Dieser Vorzug zeichnet auch den Brief auS, der sich über das Duell und die Mensur ausläßt und der deshalb gerade jetzt das Interesse weiter Kreise fesseln wird. Der Verfasser unterscheidet mit Recht zwischen Duell und Mensur, und wenn er auch kein Freund der letzteren ist, so verfällt er doch nicht dem Fehler jener Eiferer, die auch gegen die studentische Mensur mit den schärfsten Mitteln eingegriffen sehen möchten, ohne zu bedenken, welche Folgen dies haben würde und müßte. Um so entschiedener bekennt er sich als Gegner des Duells auf Leben und Tod und er begründet diese Gegnerschaft folgender maßen : „Ich bin eS auS einem doppelten Grunde, einem rein menschlichen und einem politisch-socialen. Fürs Erste scheint rS mir im höchsten Maße bedauerlich, wenn, wie das ost geschieht, ein junges, blühendes Leben, vielleicht die Freude, der Stolz, die Hoffnung einer ganzen Familie oder der Trost und die Stütze einer alten Mutter, zerstört, oder wenn ein Gatte und Vater von den Seinen hinweggeriffen und einem vorzeitigen Tode geweiht wird um eines übereilt gesprochenen Wortes oder einer unbedachten, aber nach dem standesgemäßen „Ehrbegriff" nicht anders als mit Blut zu sühnenden Hand lung willen. Fürs Zweite finde ich, daß das Duell, wie es in den höheren Ständen, vornehmlich dem OfficierS- und Adelsstände, förmlich recipirt und sanctionirl ist, die all gemeinen Rechtsbegriffe verwirrt und die doch für Alle giltig sein sollende Rechtsordnung durchbricht. Der Anhänger dieser Institution setzt sich nickt selten über die herkömmlichen Formen der geselligen Sitte hinweg, beleidigt einen Andern, und meint, dies dadurch gut zu machen, daß er ihm „Satis faktion" giebt, das heißt, auf ihn schießt und ihn auf sich schießen laßt. Viel schlimmer sind die Fälle, wo ein Ver- äckter der bürgerlichen Moral den Friesen und die Ehre eines Hauses zerstört und hinterher sich mit dieser nach all gemeinen Begriffen ehrlosen Handlung dadurch abzufinden glaubt, daß er — weil er vielleicht der bessere Schütze ist und als der Geforderte den ersten Schuß hat — den schwer verletzten Ehemann auch noch todtfchießt. Das bürgerliche Strafgesetz verbietet das Duell, allein der Ehrencodex des Standes, dem die Duellanten angehören, bat das Duell ge boten, und der Einzelne, der gegen diesen Ehrencodex fehlte, würde in der Achtung seiner StandeSgenossen sinken; der Officier würde seinen Dienst quittiren müssen. Noch unlängst sprach in der Untersuchung wegen eines vielbesprochenen Duells sogar ein Gericht in seiner Urtheilsbegründung offen auS, es sei dabei „von den Anschauungen ausgegangen, die in den Kreisen, denen die Duellanten angehörlen, bezüglich der Erledigung von Ehrenhändeln nun einmal herrschten". Heißt das nicht, den Ehrencodex über das Gesetz stellen? Und ist eS nicht rin höchst gefährliches PräcedrnS, wenn man den „Anschauungen" gewisser „Kreise" eine solche Berechtigung zuerkennt? Was will man dann dagegen sagen, wenn andere „Kreise", bespirlsweise die Socialdemokralie, beanspruchen, daß bei der Adurtheilung ihrer „Genossen" ebenfalls auf ihre „Anschauungen" Rücksicht genommen werde? Oder sollen dloS die vornehmeren Stände das Privilegium haben, ihre „Anschauungen über das Gesetz zu stellen?" Eine wirksame Beseitigung dieses bedenklichen Gegen satzes zwischen der bürgerlichen Rechtsordnung und der geselligen Sitte einerseits und einem sogenannten „Ehrbegriff", welcher gestatten soll, sich über Beides hinwegzusetzen, anderer seits kann nicht von dem Einzelnen, sondern nur von der Gesellschaft als einer Körperschaft und zunächst von den „Kreisen" auSgehrn, in welchen solche „Anschauungen" herrschen. Wenn die Gesellschaft jede Verletzung der ge selligen Sitte, vollend- jede ehrlose Handlung dadurch rügte, daß sie den Beleidiger oder Frevler daS ganze Gewicht ihrer sittlichen Mißbilligung oder Entrüstung fühlen ließe, so würden derartige Handlungen erst seltner werden und all mählich vielleicht verschwinden. Es war daher jedenfalls eine Thal von höchster Bedeutung, alS das englische OfficiercorpS — auf Anregung deS hochgesinnten Prinz-Gc- mahlS Albert und unter Lorantritt de» Generalfeldmarschalls Herzogs von Wellington — das Duell förmlich auS seinen Kreisen verbannte, ein Vorgang, welchem (wenn die Zeitungen recht berichteten) neuerdings da« belgische Officiercorps gefolgt ist. Auch der österreichische KrieaSminister von WelserS- beimb hat im Abgeordnetrnhause zu Wien sich öffentlich und rückhaltlos — unter wirderholiem Beifall dieser Versammlung — gegen daS Duell ausgesprochen. Er sagte: „Der Soldat bat eine andere hohe Aufgabe, als den persönlichen Zwei kampf; seine Kräfte sind zu etwa» Besserem bestimmt. (Beifall.) Das Duellwesrn hat in der Armee sehr abge- genommen, aber in den legislativen Versammlungen herrscht m dieser Beziehung eine wahre Krankheit. DaS Duell entstehe au« Ehrverletzungen, da es noch nicht gelungen ist, di« Ehr« so zu schützen, daß die Selbsthilfe zu entbehren wäre. (Zu- timmung.) Man gebe der verlrnten Ehr« die Gewähr, daß ie vor dem Gesetze und der Gesellschaft volle verechtigun inde (Beifall), und Alles wird einig fein, daß, wer dann noch den Zweikampf sucht, den Tod verdient; denn er ist dann rin Mord." Im deutschen Reichstag sind leider, wenn ich nicht irre, bei irgend einer Veranlassung mehrfache Stimmen für da« Duell laut geworden. Ich bedauere das. Die Franzosen haben wenigstens ein«»!! verständigen Mittelweg eingrschlagen. Ihre gewöhnlichen Duelle (meist politischer Natur — zwischen Parlamentariern od«r Publt- ciftea) werden fast immer mit dem Degen ausgefochtru und hab« daher höchst selten einen tödtUch« Ausgang; das Pistol bleibt für äußerste Fälle aufgespart. Das giebt dann reilich wohl bisweilen mehr Schaustellungen als ernste Gr- echte; allein der „Ehre" wird genug gethan, ohne daß Existenzen aufs Spiel gesetzt werden, die vielleicht für Staat oder Gesellschaft von besonderem Werthe sind. Zufällig lese ich soeben in Blum's Buch: „BiSmarck und eine Zeit", daß unser großer Staatsmann, als er noch im Beginne seiner weltgeschichtlichen Laufbahn war, wegen eines -arlamentariscken Streites ein Duell mit Herrn von Vincke )atte. Zum Glück erkannten beide Männer noch zur rechten Zeit, daß die Sache nicht dazu angelhan sei, sich die Hälse zu brechen, und schossen beiderseits in die Luft. Was wäre aus der deutschen Einheit geworden, wenn damals ibr Scköpfer wegen einiger scharfen Worte sein Leben eingebüßt Der Verfasser geht dann auf die studentische Mensur ein. „Auch in studentischen Kreisen ist über das Duell viel ! gestritten und verbandelt Worten. Schon im vorigen Jahr hundert hat der Philosoph Fichte in seinen Jenenser Vor lesungen gegen dasselbe geeifert. Die Burschenschaft machte es sich von ihrem ersten Auftreten an zur Aufgabe, dasselbe durch „Ehrengerichte" zu ersetzen. Sie ist dieser Aufgabe l ange treu geblieben — neuerdings jetoch hat sie darauf ver nichtet und ist selbst zu einer „schlagenden Corporation" ge worden. Dagegen ist (in Folge einer Vereinbarung unter den Verbindungen, wie ich köre) durch Einführung von aller hand Schutzvorrichtungen (die eS zu meiner Zeit noch nicht gab) daS studentische Duell wenigstens seines lebensgefähr lichen CbarakterS so ziemlich entkleivet worden. Die soge nannte „Mensur" soll nach wie vor eine Probe des Muthes und der Geschicklichkeit in Führung des Schläger- sein, aber ie soll nicht daS Leben oder die gesunden Gliedmaßen der Kämpfenden aufs Spiel sehen, wegen solcher Anlässe, wo entweder nur eine nicht zu schwere Beleidigung oder eigent lich gar keine vorliegt, wie bei den sogenannten Bestimmungs mensuren, bei denen es lediglick auf einen Wettstreit zweier Verbindungen in Bezug auf die Handhabung der Waffen hinauskommt. Sö ist die Mensur zu einem ziemlich harmlosen Waffen- piel geworden. Die Verwundungen, welche Vorkommen, be- ichränren sich in der Regel auf „Schmisse" im Gefickt, Es kann daher einem Jeden überlassen bleiben, ob ihm der Ruhm, mit vielen solchen Schmissen zu prangen (die freilich nicht sowohl anzeigen, wie oft er sich geschlagen, als wie oft er schleckt parirt hat), so viel werth ist, daß er dafür die atirischen Hiebe, welche die Witzblätter gegen diese Sitte der bepflasterten oder mit Narben bedeckten Gesichter richten, ruhig in den Kauf nehmen will. Gewisse Uebelstände sind und bleiben indeß immer noch mit den Mensuren (auch in dieser gefahrloseren Gestalt und abgesehen von den selteneren Fällen einer schärferen Forderung) verbunden. Einmal nimmt jede solche Mensur ein nicht unbeträchtliches Maß von Zeit, Aufmerksamkeit und Interesse nicht bloS der Duellanten selbst, sondern in der Regel der ganzen Verbindung in Anspruch und entzieht dasselbe den ernsteren Pflichten der daran Betheiligten. Sodann wird durch den fortgesetzten CultuS der Mensur auch in den studentischen Kreisen jene Legende von einem exclusiven und Allein vorangehenden Ehrbegriff lebendig erhalten, vermöge deren die Mitglieder der Verbindungen sich Manches gestatten zu dürfen glauben, sobald sie nur „Satisfaktion" dafür geben. Endlich aber gewöhnen die Anhänger dieser Sitte sich leickt an den Gedanken, als ob eine gewanvte Führung deS Schlägers und ein furchtloses „vor die Klinge Treten' die höchste Gewähr der Tüchtigkeit und des ManneSmutbrS sei, während doch im späteren Leben oft ganz andere Proben von Beiden, erfordert werden. Man hat sich wohl in dieser Hinsicht auf die 25 Duelle berufen, die Bismarck auf der Universität bestanden hat. Ich würde dieser Berufung Ge wicht beilegen, wenn mir nur nachgewiesen werden könnte, daß Jeder, der ebenso oft oder öfter auf der Mensur ge standen, dadurch da« Zeug zu einem BiSmarck erlangt bade. Fragst Du mich nun, was Du thun sollst, falls an Dich einmal die Nothwendigkeit heranträle, Dich über Annahme oder Ablehnung einer Forderung zu entscheiden, so kann ich Dir darauf mit einem einfachen IaI oder Nein! nicht ant worten. So lange in studentischen Kreisen die dem Duell günstige Meinung die Oberhand hat, ist es für den Einzelnen schwer, sich den Consequenzrn dieses Standeeckegrisfs zu ent ziehen, fast ebenso schwer, wie für den «iazelnen Officier. Man könnte leicht, was er au« Grundsatz gethan, für Feig heit halten. Mir schwebt vor der Seele rin höchst trauriger Fall. Ein sehr tüchtiger junger Munn hatte aus Grundjatz eia Duell abaelrhnt. Nachträglich aber glaubte er zu fühlen, daß diese« sein Verfahren der eben bezeichneten Mißdeutung unterliege und daß er in der Achtung seiner Commililoneu gesunken sei, und so erschoß er sich. Zunächst wirst Du sorgfältig Alles vermeiden müssen, was zn einem Conflicte führen könnte. Entsteht ein solcker dennoch, so wirst Du versuchen, ihn auf friedlichem Wege auszugleichtn, soweit die« möglich ist, ohne Deiner wirklichen Ebre etwas za vergeb«. Gelingt dies nicht, oder siebst Du, daß Dein Gegner es darauf anlegt, Dich in der Meinung Deiner Eommilitonen berabzusetzen, so wirst Du, glaube ich, Deinen Grundsätzen nicht zu nahe treten, wenn Du erklärst. Du seiest zwar principiell gegen daS Duell, wollest aber m diesem bestimmten Falle Dich schlagen. Hast Du Dich dabei wacker gehalten, vielleicht sogar Deinen Geaner „abgeführt", so wird man Dich ferner wohl eher in Ruhe lassen. Ja, Du könntest sogar, scheint mir, wenn sich wieder Jemand an Dir riebe, ohne daß Du Veranlassung dazu gegeben, unter Berufung darauf, daß Du dem Ehrencodex Genüge gethan, Dich auf Deinen Grundsatz zurückziehen. Gerade darum rathe ich Dir: ,,lerne ordentlich fechten!" Bist Du dafür bekannt, daß Du eine gute Klinge führst, so wir» man sich weniger leicht an Dir re,den. Du selbst aber wirst, davon bin ich überzeugt, auch als rin »och so fertiger Schläger doch kein Händrlsuchrr und Raufbold werden." Deutsches Reich. * Leipzig, 16. April. Unter dem 14. dieses Monats wird der „Frankfurter Zeitung" und den „Münchner Neuesten Nachrichten" von hier geschrieben, daß vom Reichsgericht gegen den Mühlenbesitzer und Ingenieur Encillon auS Urgeville die Anklage wegen Landcsverraths erhoben worden sei. Wie wir erfahren, ist diese Nachricht verfrüht. 6. II. Berlin, 16. April. Es unterliegt keinem Zweifel mebr, daß die Socialdemokralie die wirthschaftlichen Conjuncturen benutzen will, um am ersten Mai den Ver such zu erneuern, der bürgerlichen Welt den „Allerwelts- feiertag" aufzuzwingen. Der Beschluß der Mctallindustriellen und anderer großer wirthschaftlicher Verbände, dem Drängen der Socialdemokralie nicht nachzugeben und die trotz deS Verbotes Feiernden zu entlassen, hat auf die leitenden Kreist der Socialbemokratie allerdings einen bemerkbaren Eindruck gemacht. Aber das socialdemokratische Centralorgan tröstet sich mit der Mittheilung, „daß viele Arbeitgeber im Osten und Süden Berlins gegen die diesjährige Maifeier durch Arbeitsruhe nichts einzuwenden hätten", und knüpft daran die Bemerkung: „2m Interesse einer friedlichen Regelung der Frage ces ersten Mai wollen wir hoffen, daß diese Mittheilung sich bewahr heitet. Schon die Klugheit sollte den Unternehmern die Folgen großer socialer Kämpfe während der Dauer der Gewerbe-Ausstellung klarlegeu." Nun, die Gewerbe- Ausstellung ist fertig, und ob während der Dauer derselben sociale Kämpfe statlsindcn oder nickt, ist ziemlich gleichgiltig. Die Fremden werden nach Berlin kommen, auch wenn 3 bis 4000 Maler und 5000 Maurer streiken. Die Notiz, daß viele Arbeitgeber gegen die Feier deS 1. Mai durch Arbeitsruhe nichts einzuwenden hätten, begegnet übrigens berechtigten Zweifeln. Jedenfalls wird der weitaus größere Theil der Berliner Arbeitgeber sich von ihren Arbeitern die Feier des 1. Mai durch Arbeitsruhe nicht abtrotzen lassen; sie wissen zu gut, daß sie durch Nachgiebigkeit die Herrschaft in ihren Etablissements an die Social demokratie abtreten würden. Bekanntlich treten namentlich die Gewerkschaften für die Feier des 1. Mai durch Arbeitsrube ein; sie haben sich mit dem Auslande in Ver bindung gesetzt und wollen von allen Seiten ermunternde Antworten bekommen haben. So sollen die norditalienischen Arbeiter (Mailänder Arbeitskammer), die Textilarbeiter in Brünn, die Schriftsetzer in der Schweiz u. s. w. insgcsammt entschlossen sein, am 1. Mai zu feiern. Um so dringender ist zu wünschen, daß die zur Nachgiebigkeit geneigten deutschen Arbeitgeber zu energischer Haltung sich aufraffen. Nicht al- Arbeiterfreundlichkeit würde man ihre Nachgiebigkeit aus fassen, sondern als Schwäche, und die gewonnene Stärke erbarmungslos den Schwachmüthigen fühlbar machen. * Berlin, 16. April. Ueber die gestrige Thälizkeit der Commission für Arbeiterstalistik berichtet die „Post", daß sie sich auf Vit Lage der Herren- und Knaben- confection in Aschaffenburg bezog. Die Verhand lungen werten durch Vie Unklarheit über einzelne technische Fragen und daran sich knüpfende Mißverständnisse sehr in Vie Länge gezogen. So nahm z. B. eine Auseinandersetzung über die Bügelrisenyeizung zwei volle Stunden in An spruch. Nachdem die zur AuSkunftsertheilung geladenen Personen die systematischen Fragen beantwortet haben, steht es jedem Commission-mitgliede und Regierungs vertreter frei, seinerseits noch Fragen zu stellen. Die gestngrn Ermittelungen ergaben für Aschaffenburg wenig befriedigende Rcsultaie. Hausindustrie kennt man dort für die Herr«- und Knabenconfection gar Nicht; eS sind für sie fast ausschließlich Männer in Werkstätten beschäftigt. Die Arbeitszeit ist sehr lang und der Lohn wegen der großen Conturrenz der Unternehmer äußerst niedrig. Als Beispiel dieser Concurrenz wurde angeführt, daß es in Aschaffenburg 15jährige Zwischen m eister giebt, die Arbeiter beschäftigen. Die Untersuchungen für die Herren- und Knabenconfection beziehen sich auf Berlin, Stettin, Aschaffenburg, Stuttgart und Echterdingen bei Stuttgart, für die sogenannte Arbeiterccnfection auf Lübbecke, Herford und Gadderbaum bei Bielefeld, für Vie Tamen- cvnfeclion auf Berlin, Breslau und Erfurt. Die Sachver ständigen au- Stettin und Berlin wurden vorgestern verhört. Ueber dies« Verhandlungen berichtet der „Confect." u. A. Folgendes: Es wurde hauptsächlich über die Möglichkeit und Nützlichkeit der Errichtung von Betriebswerkstätten verhandelt. Die anwesenden Confrctionaire betonten die unter den heutigen Zuständen unerläßliche Nothwendigkeit der Hausindustrie. Die Betriebswerkstälten würben eine Vertheuerung zur Folge haben und die Concurrenz auf dem Weltmarkt schwer schädigen. Auch die Zwisckenmeister er klärten sich gegen die Errichtung von Betriedswerkstätten. Herr Timm, der Arbeiterführer, sprach sich für BelriedS- werkstälten an«. Es wurde dann die Frage der Unterstellung der Hausindustrie unter die Gewerde-Inspection besprochen. Auch die Regierungsvertreter gaben dir Schwierigkeiten der Conirole zu. * Berlin, 16. April. In dem bekannten Jesuiten kloster Exakten bei Venlo sind auch in diesen Osterferien wieder sogenannte geistliche Exrrcitien abgedaltrn worden. Solche Hebungen finden ja auch in andern Klöstern statt, mit Vorliebe freilich außerhalb der ReichSgrenzen, und können, wie man auch in nichtkatholischen Kreisen über sie urlheilrn mag, an sich nicht beanstandet werden; was aber den Exaetrnrr Oster-Exercitien eine besondere Bedeutung verleiht, das wird in einer der ,^köln. Ztg." zugehenden Mittheilung auSgrführt. Theilnehmrr sind nämlickSchüler ver obersten Elaffen nieder rheinischer und wrstfälisckerGhmnasien. Daß sie nicht von selbst über die Grenze sehen, ist klar. Man hört wohl, daß bi» ReligionSlrhrer an den Anstalten diejenigen jungen Leu», die sich der katholischen Theologie widmen wollen, etwa «in Jahr vor der Reifeprüfung aufsordern, sich diesen Exercilirn in Exaeten zu unterziehen. So haben im vorigen Jahre 88 Pri maner der verschirbensten Gymnasien drei Tage laug in Exarten geweilt; wie viele es in diesem Jahre gewesen sind, ist noch nicht bekannt geworden. Zu welckrm Zwecks ma» diese jungen Leut« den Jesuiten drei Tage lang in die Hände giebt, wird zwar nicht laut gesagt, aber denken läßt es sich: der jesuitische Geist, ohne den der UltramontaniSmuS ja nickt mehr leben kann, soll schon den bildsamen Gemütbern eingeprägt werden. Nun fragen wir aber, welches Reckt haben die Geist lichen, Schüler in diese Bahnen zu drängen, und wenn es wirklich wahr ist, waS man allerdings kaum glauben sollte, daß die Religionslcbrer, unmittelbckre oder (an nicht könig lichen Anstalten) doch mittelbare Staatsbeamte, an die an gehenden Theologen solche Aufforderung ergeben lassen, wie verträgt sich das mit ihren Pflichten dem Staate gegenüber, der von einer Thätiakeit der Jesuiten au« guten Gründen nichts wissen will? Es liegt im allgemeinen Interesse, daß die Versuche, welche den Jesuiten den beherrschenden Einfluß auf die katholische Iugenv, auch gegen die bestehenden Gesetze, wieder verschaffen wollen, mit aller Entschiedenheit zurück gewiesen werden, und unsere Behörden werden sich der Pflicht nicht entziehen können, dem Unfuge, denn ein solcher ist es unzweifelhaft, nach Kräften entgegenzutreten. D Berlin, 16. April. (Telegramm.) Ter „Neicks- anzriger" bezeichnet die Meldung, daß der Kaiser die Ge nehmigung zu der beabsichtigten Trauerfeier für den Cere- monienmeister von Schrader in der Potsdamer Hof- und Garnisonkirche versagt habe, als unzutreffend. Die Ge nehmigung versagte nicht der Kaiser, sondern der Commandanl von Potsdam selbstständig auf Grund der bestehenden Be stimmungen. L. Berlin, 16. April. Zu der Gründung einer neuen Abtheilun» Berlin-irharlottcnburs ver deutschen kolonial gescUschnst, der bereits 150 Mitglieder anzebören, schreibt die „Nat.-Ztg." u. A.: Der Unwille über das Verhalten des Herrn Or. Peters unv seiner Freunde hatte schon bald nach den bekannten Vorgängen bei der jüngsten Vorstands wahl der Abtheilung Berlin die Absicht der Begründung einer neuen Abtheilung hervorzurufen; wenn sie jetzt aus geführt worden, so sind ohne Zweifel die letzten Bedenken durch das herausfordernde Treiben einer kleinen Sckaar von Colonialpolitikern beseitigt worden, welche, seit langer Zeit eine persönliche Gefolgschaft deS Or. Peters, die Reichs tagsverhandlung über das Verhalten desselben am Kiliman dscharo und die Einleitung der Disciplinaruntersuchunz gegen ibn zum Anlaß der tendenziösesten Angriffe gegen die Colonial Verwaltung genommen; haben doch die Herren Arendt und Schröder-Poggelow in ihrem „Deutschen Wochenblatt" wegen jener Vorgänge tumultuarisch de« Rücktritt des Direktors Kayser verlangt — als ob die Beurtheilung der Colonialverwaltung und ihres Leiters nicht davon abzuhängen hätte, waS sachlich geleistet wird, sondern von dem Maße der :«rfönlichen Rücksichtnahme auf Herrn PeterS. ö. Berlin, 16. April. (Privattelegramm.) Das ReichsvcrfichcrunnSamt hat an die Vorstände ver ibm unter stellten InvaiibitätS- nnd Altersversicherungsanstalten ein Rundschreiben über die Bekämpfung der Lungen schwindsucht gerichtet. — Die Lorbeer» der „nationalen" Antisemiten, die in Osnabrück dem Welsen das Reickstagsmandat besorgen wollen, lassen den „Bund der Landwirtbe" nicht schlafen. Er bat nämlich folgende Parole ausgegeben: „Am 20. d. M. findet bekanntlich im 4. hannoverschen Wahl kreise zwischen dem natioaalliberalen bisherigen Abgeordneten Wamhoff und dem welfischcn Candidaten v. Schele die Stichwahl statt. Ta weder der Eine noch der Andere von den beiden Landidaten sich zu den Grundsätzen deS „Bundes der LaNdwirthe" bekannt bat, halten wir eS für unangebracht, uns kür oder gegen einen der beiden zur Stichwahl stehenden Herren zu erklären. Wir müssen eS vielmehr unseren Anhängern im Kreise überlassen, nach eigenem Befinden sich für den einen oder den anderen Candidaten zu entscheiden, oder, wenn eine solche Entscheidung ihnen unmöglich erscheinen sollt«, von der Wahl fern zu bleiben." In Anbetracht des Ergebnisse« der Hauptwahlen ist diese Aufforderung nichts Anderes als eine offene Unterstützung der Welfen. * Pose«, 15. April. Rittergutsbesitzer MikulSki aus Groß-Siekierki, der vom hiesigen Landgericht in der Duell sacke Groeger-Mitulski zn SOO Geldstrafe verurtbeill worden war, ist, dem „Pos. Tgbl." zufolge, durch Allerhöchste Ordre vom 4. vorigen Monat« begnadigt worden. * LottbuS, 15. April. In einer Versammlung von Streikenden erstattet« der Werkmeister Heidel Bericht über sein« Bermittrlungsversuche bei den Fabrikanten. Letztere wollten Anfangs in Anbetracht der hohen Löhne diese um 15 Proc reduciren, jetzt aber würden sie den alten Lohnsatz bestehen lassen. Nachdem mehrere Redner für und andere gegen die Aufnahme der Arbeit gesprochen, wurde die Versammlung geschlossen, ohne daß eS zu einem Beschlüsse gekommen wäre tt Saatfeld, 16. April. Von der Strafkammer des Land gerichtes zn Rudolstadt wurde der Redacteur des „Saatfelder VolksblattrS", Karl Wagemaun, wegen zweifacher Ma- jestätSbeleidigung, begangen durch den Artikel: „Die Kaiserrrde am ««Vantage", zu je zwei Monaten Gc sängniß vrrurtheilt. Die Strafe wurde, zusammengezogen mit bereit« rechtskräftigen, ebenfalls wegen Majestät« beleidigung gegen ihn ausgesprochenen drei Monaten, auf ftchs Monate festgesetzt. In einem Falle, in welchem auf Grund einer Notiz „Sedanfeier auf Befehl" ebenfalls An klage erhoben war, enischirv der Gerichtshof auf Freispreckung. * -«ritz, 15. April. Die Arbeit in den Glasschleife- reirn ist beule bedingungslos wieder ausgenommen worden. (F Z) * Aus der Pfalg, 1L. April. Zur Zeit steht in unserer Provinz der Speyerer Brauerftrrik und der social demokratisch» Boykott gegen di« SpryererBierbrauerrien auf d«r Tagesordnung. Hier kann man so recht wieder rin- mal den d«rh«tzenden Einfluß beobachten, den die Social demokratie auf dir Arbeiter ausiiH. Einige Speverer Bierbrauer waren mit ihrer Lage nicht zufrieden, flugs amen aus Mannbeim uab SudwiaSbafrn einig« Schlosser, Maurer, Tapezierer »c„ um di« Brau«r mit Gewalt in «ine» Streik hinemzuh«tz«a Es legten auch in der Tbat circa 50 Mann von etwa 250 die Arbeit nieder. Der Betrieb der Brauereien wird dadurch selbstverständlich nicht im
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