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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.07.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-07-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980701022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898070102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898070102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-07
- Tag1898-07-01
- Monat1898-07
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DK Morgen-Au-gabe erscheint um '/,? Uhr. di« Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Re-aciion und Lrpedition: IohanneSgaffc 8. DK Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend- 7 Uhr. Filialen: Otto klemm'» Sortim. (Alfred Hahn), Universitätssttaße 3 (Paulinum), Laut» Lösche, rkatharinenstr. 14, Part, und Königsplatz 7. BezugsPreis W der tzauptexpedition oder den tm Stadt« he-irk und den Vororten errichteten AuS- aabestrllen abgeholt: vierteljährlich ^ll 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau- b.SO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direkte tägliche Krruzbandjendung t»S Ausland: monatlich 7.L0. Abend-Ausgabe. KipMcr TagMM Anzeiger. Altttls blatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Nolizei-Äintes der Ltadt Leipzig. AnzeigemPreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter demRedaction-strich (-ge spalten) SO-4, vor den Familiennachrtchten (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Prri-- verzeichniß. Tabellarischer und gtffernsatz »ach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung Ä.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-AuSgab«: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Dolz in Leipzig. «U 328. Freitag den 1. Juli t8S8. 92. Jahrgang. Der spanisch-amerikanische Krieg. —e- Man wird gut thun, die Sensations-Nachricht des spanischen ConsulS in Kingston auf Jamaica, nach welcher der amerikanische Kreuzer „Brooklyn" vor Santiago von einem spanischen Geschoß getroffen worden und mit Co in- modore Schley und 24 Mann der Besatzung gesunken sei, in den spanischen Entenstall zu sperren. DaS Washingtoner Dementi, welches besagt, wenn ein solches Unglück geschehen sei, hätte Sampson es sofort amtlich melden muffen, wird wohl Recht behalten. Vor einiger Zeit meldeten amerikanische Telegramme bekanntlich: „San Juan auf Puerto Rico liegt in Trümmern." Auch an dieser Meldung war so viel wie nichts wahr. Beide Theile haben sich also in der Sensationsmache nichts vorzuwerfen, nur daß sie in Amerika noch flotter und dreister getrieben wird, während die spanische Regierung bis jetzt wenigstens ehrlich genug war, die Mißerfolge Spaniens zuzugestehen. Der große Schlag gegen Santiago läßt noch immer auf sich warten. Bis gestern schien, wenigstens nach spanischen Berichten, noch nicht die gesammte Belagerungsartillerie aus geschifft zu sein, und der Versuch, die zerstörte Eisenbahnlinie entlang von AguadoreS aus nach Siboney, also auf dem Küstenstrich am Fort Morro vorbei, näher an Santiago, resp. an den Hafen heranzukommen, ist mißglückt. Jetzt wird aus Juragua nach New L)ork gemeldet, daß man den Bau einer Eisenbahn von dort i'n der Richtung nach Santiago mit größter Beschleunigung betreibe. Das zeigt, daß auf andere Weise mit den Geschützen nicht vorwärts zu kommen ist, zumal es an Pferden und anderen Zugthieren fehlt, allein die Bahn muß unter dem Gewehrseuer der auf den be waldeten Höhen versteckten Spanier gebaut werden, wird also, wenn sie überhaupt fertig wird, nur unter den größten Opfern herzustellen sein. Das Hauptquartier Shafter's ist erst gestern an Land verlegt worden, woraus man ersehen kann, wie zögernd der selbe vorgebt. Die Stellungen der Spanier rund um San tiago gehen vom Castillo la Socapa über Mazamorra, nördlich über den Cobrefluß nach Caimanes, von dort östlich nach El Ganey und dann südlich nach San Juan und längs des Guamaflusses bis zum Castillo del Morro. Nur am Rio de Guama stehen den Spaniern amerikanische Truppen direct gegenüber. Im Norden und im Westen der spanischen Verteidigungslinie befinden sich In surgenten unter verschiedenen Führern, die aber nach den Dispositionen deS Generals Shafter vorgehen. Der „Standard" meldet aus Washington vom gestrigen Datum, General Pando sei mit den in Santiago schmerzlich erwarteten spanischen Unterstützungen in San Louiz an gekommen. Der Ort liegt 24 englische Meilen nördlich von Santiago. Das ist eine bedeutende Leistung, da der Weg von Manzanillo aus außerordentlich beschwerlich ist und verschiedene Flußläufe zu kreuzen sind. Ist nun die von San Louiz nach Santiago führende Sabanillabahn noch in Betrieb, so dürfte General Pando bereits bei Santiago ein getroffen sein und eS wäre Wohl möglich, daß das in Madrid verbreitete Gerücht von einer großen Schlacht bei Santiago sich bestätigte. Dieselbe soll für die Spanier erfolgreich gewesen sein. Nach einer heute in New Jork eingetroffenen Draht meldung aus Playa del Este, östlich von Santiago, vom 28. v. M. wird dort geglaubt, Garcia werde mit 3000 Mann nach dem Westen von Santiago gesendet, um sich dem Vormarsche des Generals Pando «ntgegenzuwerfen. Nach einer Drahtnachricht aus dem amerikanischen Lager vom 28. Juni werden 2000 Mann dem General Pando entgegen gesandt. Nach diesen Meldungen vermutben die Amerikaner den General Pando noch westlich von Santiago, während er, wie eben erwähnt, bereits gestern bei San Louiz ange kommen sein soll. Ihn westlich von Santiago aushalten zu wollen, hieße also offene Thüren cinrennen. Von den von Holguin, ebenfalls nördlich, aber in weiterer Entfernung von Santiago, aufgebrochenen spanischen Hilfs truppen hört man noch nichts, dagegen scheinen die 8000 Mann, welche in GuanlLnamo (östlich von Santiago) lagen, die Stabt aufgegeben zu haben und im Anmarsch zu sein. Da es jedenfalls in den nächsten Tagen zu einem ernsten Zusammenstoß zwischen den amerikanischen und spanischen Truppen kommen dürfte, ist ein Ueberblick Uber die Streit kräfte der beiden Gegner Wohl am Platz. Der „New Aorker Staatszeitung" zufolge bilden folgende Truppentbeile General Shafter's ErpeditionscorpS: 19 In fanterie-Regimenter mit 561 Officieren und 10 709 Mann, jedes Regiment also 500—560 Mann stark; acht Schwadronen Cavallerie (unberitten) mit 159 Officieren und 2875 Mann und 1 Schwadron Cavallerie (beritten) mit 9 Officieren und 280 Mann; 4 Bat terien leichter Artillerie mit 14 Officieren und 323 Mann und 2 Batterien schwerer Artillerie mit 4 Officieren und 132 Mann; 2 Pionier-Com pagnien mit 9 Officieren und 200 Mann; 1 Signal detachement mit 2 Officieren, 45 Mann und der Stab mit 15 Officieren; insgesammt also 773 Ossiciere und 14 564 Mann. — Diesen amerikanischen Streitkräften gegen über kommt zunächst die in der Nähe von Santiago ver sammelte spanischeTruppen macht in Betracht, welche, der „Nordd. Allg. Ztg." zufolge, aus vier Divisionen besteht. Die erste Division (Cuba), unter General Linares, zählt 13 Jn- fanteriebataillone, 4 Schwadronen, 1 Gebirgsbatterie, vier Festungsartillerie-Compagnien, 5 Jngenieurcompagnien und 1 Traincompagnie. Die zweite Division (Holguin), unter General Lugue, setzt sich aus 9 Jnfanteriebataillonen, zwei Schwadronen, ir/z Batterie, 1 Ingenieur- und 1 Train compagnie zusammen. Die dritte Division (Manzanillo), unter General Garcia Aldave, ist 8 Bataillone, 1 Schwadron, 1 Gebirgsbatterie, 1 Pionier- und 1 Traincompagnie stark. Die vierte Division (Puerto Principe), unter General March, besteht auö 6 Bataillonen, 5 Schwadronen, 1 Zug Gebirgs artillerie, 1 Compagnie Pioniere und 1 Traincompagnie. Die Gesammtstärke deSArmeecorpS beträgt somit: 36 Jnfanteriebataillone, 12 Escadrons, 4 Gebirgsbatterien, 4 Festungsartillerie-Compagnien, 6 Pionier-Compagnien, 2 Telegraphen - Compagnien, 4 Train-Compagnien. Dazu kommen die localen Guerillacorps, die Freiwilligen corps und die Miliztruppen deS Landes. Diese Streitkräfte sind verfügbar, um dem Angriff der Amerikaner und Insurgenten im Südosten der Inseln und bei Santiago entgenzutreten. Die Infanterie-Bataillone sollen die Kriegs stärke von 1000 Mann, die zweiten Bataillone die von 804 Mann haben, die Escadrons 150 Pferde stark sein; in Folge von Krankheiten rc. dürfte dieser Stand jedoch weit geringer sein. Die Stärke der unter General Pando'S Befehl stehenden Truppen, inclusive der Freiwilligen, wird neuerdings auf 26 000 Mann angegeben, von denen 8000 Mann im Norden Santiagos gegen die Insurgenten postirt sind, 10 000 Mann unter General Linares die Stadt Santiago nebst Theilen der Bai, z. B. an den Torpedo sperren, vertbeidigen sollen und 8000 Mann unter General Lugue die Straße Santiago - GuantLnamo besetzt haben. Diese Vertheilung der Streitkräfte wird natürlich mit dem Vorwärtsdringen des amerikanischen Landungscorps wesentliche Modificationen erfahren. Außerdem wird an der Trocha von Jucaro eine selbst ständige Division gebildet, bestehend auS dem 1. und 3. Bataillon des Infanterie-Regiments Alfonso Xlll., den Bataillonen von Tarif«, Albuera, Rens, Chiclana, Llerena, Arapiles, Garellano und Murcia; sowie dem Cavallerie» regiment Principe, 1 Pivniercompagnie, 4 Eisenbahn compagnien und 1 Traincompagnie. In Summa 11 Bataillone, 4 Escadrons, 1 Batterie, 5 Pioniercompagnien (incl. Eisenbahntruppen) und 1 Traincompagnie. Die Spanier sind mithin den Amerikanern bedeutend überlegen und eS leucbtet ein, warum General Shafter dringend um Verstärkungen bittet, ohne daß solche jedoch sofort in genügender Zahl zur Verfügung stehen. Wie aus Washington unter heutigem Datum nach New Aork gemeldet wird, haben gestern sechs Transportschiffe mit 5000 Soldaten Tampa verlassen, um zu General Shaster zu stoßen. Ueber die Kohlenaufnahme durch daS Geschwader Cämara'ö in Port Said am Suezcanal liegen folgende sich widersprechende Meldungen vor: * Kairo, 30. Juni. (Meldung deS „Neuter'schen BureauS".) Hier wird Folgendes veröffentlicht: Als die Spanier von ihren eigenen, von Spanien angekommenen Schissen Kohlen einzn- nehmen begannen, theilte die egyptische Negierung ihnen mit, sie könne ein solches Vorgehen nicht gestatten. Dasselbe müßte sofort eingestellt werden; andernfalls müsse das Geschwader Port Said verlassen. Nachdem die Spanier die Frist von 24 Stunden erheblich überschritten hatten, erklärten sie, die KriegS- schiffe hätten Reparaturen nöthig, und begannen behufs Aus besserung der Schiffe Kohlen und anderes Material auszuschiffen. * Port Said, 30. Juni. (Neuter'sches Bureau.) Die egyptische Regierung hat die Lieferung von Kohlen für das spanische Ge- schwader verboten, mit Ausnahme einer Quantität, welche es dem Geschwader ermöglicht, die spanischen Küsten wieder zu erreichen. Die spanischen Schiffe dürfen indessen Kohl en aus ihren eigenen Kohlenschisfen übernehmen. Diese Kohlenübernahme hat bereits begonnen, nachdem die „Isla de Luzon" mit einer Ladung Kohlen für das Geschwader hier eingetroffen ist. Tas Geschwader wird noch die Ankunft zweier anderer Kohlenschiffe abwarten, bevor es die Fahrt durch den Canal antritt. Die spanischen Torpedoboote werden bi- auf Weiteres hier bleiben. Hiernach ist nur so viel klar, daß das Geschwader Cämara's sich in einem sehr kläglichen Zustande befinden muß, denn die Torpedoboote bleiben zurück, weil sie nicht mebr seetüchtig sind. An amerikanischen Streitkräften befinden sich nunmehr 470 Ossiciere und 10 464 Mann auf dem Wege nack Manila. Ihnen wird Cämara nichts weniger als Furcht einflößen. Den Gedanken, nach Spanien zu segeln, haben die Amerikaner anscheinend noch nicht aufgegeben. Wie die „Times" aus Washington melden, rüstet das Marine departement in New Aork ein Schiff aus, das mit Vor- rätben auf Monate hinaus Watson's Geschwader begleiten soll. Dieses soll zuerst eine der Carrarischen Inseln nehmen, um einenjStützpunct zu haben, und dann die spanischen Hafenstädte angreifen und das in der Bildung begriffene dritte spanische Ersatzgeschwader zerstören. Möglicher weise handelt es sich nur um einen Schreckschuß, um Cümara zur Umkehr zu bewegen. Wegen der Beute, die man mit den Philippinen zu machen hofft, ist man sich in Washington noch nicht recht im Klaren. Man meldet uns: * Washington, 1. Juli. (Telegramm.) Senat. Senator Till man führte Ars: Im Hinblick auf die Erklärung die in der vor dem Ausbruche des Krieges vom Congresse angenommenen Resolution enthalten ist, wäre eine Lauernde Besitznahme Cubas, Puerto NicoS oder der Philippinen eine That der Untreue gegenüber der Welt. Schon der Gedanke hieran hat das Mißtrauen Europas erregt. In einem solchen Falle würden Deutschland und vielleicht auch andere Nationen einen Antheil an der Beute verlangen. Redner fügte erregt hinzu, er sei dafür, Deutschland und dem übrigen Europa zu verstehen zu geben, daß die Vereinigten Staaten eine Einmischung in ihre Politik oder eine Action nicht dulden würden. Senator Teller erklärte, wenn den europäischen Nationen zu verstehen gegeben werde, daß die Vereinigten Staaten keine Ein- Mischung dulden würden, dann werde auch keine Einmischung erfolgen. Senator Tillman scheint ein recht konfuser Kopf zu sein Erst nennt er die dauernde Beschlagnahme spanischen Besitzes eine Untreue gegen die Welt und dann regt er sich über die Möglichkeit auf, daß einige europäische Mächte sich einmischen und einer solchen Beschlagnahme entgegeutretcn könnten. Wie der Krieg von de» Amerikanern planlos begonnen wurde, so war mau sich auch über die etwaigen Folgen desselben nicht einig; das kann sich noch schwer rächen. Wir verzeichnen noch folgende Meldungen: * London, 1. Juli. (Telegramm.) Ter „Daily Telegraph" meldet aus Washington: Der amerikanische Consul in Port Said berichtet, er habe in aller Stille den ganzen Kohlenvorrath, 20 000 Tonnen, angekauft, während die Spanier sich um die Erlaubniß bemüht hätten, Kohlen in Port Said zu kaufen. * Madrid, 30. Juni. Heute fand unter dem Vorsitz der Königin-Regentin rin Ministerrath statt, welcher sich ausschließ lich mit dem Kriege beschäftigte. — Eine Depesche des Gouverneurs von Puerto Rico besagt, es sei sehr schwer, die Ladung des Postdampfers „Antonio Lopez" zu bergen, weil ein amerika nischer Kreuzer unaufhörlich auf das Schiff schieße, welche- noch immer feslsitze. * Puerto Nico, 1. Juli. (Telegramm.) Die Ladung des Dampfers „Antonio Lopez" ist geborgen. politische Tagesschau. * Leipzig, 1. Juli. Die Wahlnachklänge verhallen nur allmählich. Der nach jeder Wahl wiederkehrende nutzlose Zeitungsstreit über angeb liche Unge setzlich ke iten, sowie über die Gilt igkeit gewisser Wahlen ist natürlich auch diesmal nicht ausgeblieben. Wir verzeichnen lediglich die Angabe, daß in Walden burg statt des Socialdemokraten ein Freiconservativer gewählt worden sein soll. In dem zweiten Berliner Feuilleton. Lauernblut. 20j Roman in drei Büchern. Von Gerhard von Amyntor. (Dagobert von Gerhardt.) Nachdruck «trdoUn. „Die Herren kennen einander noch nicht", sagte der Pseudo- Marquis, der stets auf eine gewisse Würde hielt und auch die Geschäfte des Anarchismus mit der Haltung des Gentleman betreiben zu wollen schien, „darf ich Sie miteinander bekannt machen? Herr Fritz . . . Herr Peter . . . die Vornamen ge nügen einstweilen; die Herren sind Mitarbeiter an einer großen Sache. — Nun, Fritz", wandte er sich an den neuen Kämmling, „hast Du etwas ermittelt?" „Ja", versetzte dieser mit Heller, klangvoller Stimme, die auf eine gewisse Jugend des Sprechenden schließen ließ. „Ich bin heute Vormittag als Hausirer im Schloß gewesen und habe auch dem Baron in seinem Zimmer meine Bernsteinsachen vor weisen dürfen. Das Bild, hinter welchem sich das Thürchen zum Wandspinde befindet, hängt, wenn man vom Corridor her das Zimmer betritt, zur Rechten, genau in der Mitte der Wand; unterhalb des Bildes kann man noch einen Theil des Thürchens erkennen, das mit seinen Rändern das Tapetenmuster fein durchschneidet; vom Fenster aus gesehen, durch das wir wohl werden eindringen müssen, hängt es also links." „Wo schläft der Baron und seine Familie?" „Das Brank'sch« Ehepaar schläft im Erdgeschoß", versetzte Peter, „die zweite Stube neben dem Herrenzimmer." „Ganz recht", bestätigte der als Fritz Vorgestellte, „wir wollen einmal die Fenster zählen: in der Mitte der dreifensterige Gartensaal — das mittlere Fenster bildet zugleich die Garten- ihür — links daneben do» zweifensterige Herrenzimmer mit dem Geldschrank, das ich betreten habe, dann weiter links die zwei fensterige Bibliothek, in die ich hineinsehen konnte, und dann wahrscheinlich das Schlafzimmer; von der Thür des Garten saales ab gerechnet also ein, zwei, drei, vier, fünf, das sechste und siebente Fenster sind die Schlafzimmerfenster . . ." „Hinter denen aber nur da» Ehepaar schläft", nahm Peter wieder da» Wort; „die Tochter schläft über den Eltern in der Giebelstube . . ." „Und auf der anderen Seite des Hause»", fiel Fritz ein, „also nach dem Hofe hinaus, schlafen die Hausmägd« und ein alter Diener; die Jnspectoren und Wirthschaftsbeamten sind alle in den Gebäuden des Oekonomiehofes untergebracht. Daraufhin habe ich nun folgenden Plan entworfen: zwei von uns steigen vom Garten her bequem in das Herrenzimmer ein und suchen das Geld zu bekommen; währenddessen hält der Dritte Wacht vor den beiden Schlafstubenfenstern des Erdgeschosses. So lange sich dort nichts rührt, giebt es keine Gefahr; wird es aber in der Schlafstube hell und lebendig, dann muß der Baron abgehalten werden, nach seinem Zimmer zu gehen; ich denke, das Sicherste ist dann, wenn der, der die Wache hält, eine Fensterscheibe zertrümmert und laut in die Stube schreit: „Herr Baron! Herr Baron! kommen Sie schnell! der große Speicher brennt! Während der Erschreckte sich ankleiden und über den Corridor nach dem Hofe eilen wird, haben die beiden von uns, die eingestiegen sind, volle Muße, das Weite zu suchen." „Einverstanden", entschied nach kurzem Nachsinnen der Bra silier. „Peter und ich werden das Nest mit den goldenen Eiern ausnehmen, und Du, Fritz, wirst die Wache halten." Fritz nickte zum Zeichen seiner Zustimmung, dann sagte er bedenklich: „Bleibt nur die Frage wegen des großen Hundes, der frei umher patrouillirt." „Sie meinen den Neufundländer?" fiel Peter ein, „das ist Tyras, mein alter Freund; den übernehme ich, er wird mich sicher noch kennen . . ." „Aber uns gegenüber vielleicht laut werden", ergänzte Car- valho, indem er in die Brusttaschr griff und ein kleines Packetchen Hervorzug; „bitte, nehmen Sie dies, locken Sie den Hund an sich und reichen Sie es ihm, es wird ihn sofort stumm machen." Wieder wollte sich in Peter der Geist des Widerspruches regen; warum sollte der schöne, brave Hund getödtet werden, der wahrscheinlich weit besser war wie die meisten Menschen, die er kannte? Doch Carvalho mochte Recht haben; wer konnte wissen, ob der Hund nicht Lärm machen und daS Gelingen des Unternehmens stören würde? Peter steckte den vergifteten Bissen zu sich und alle Drei, die bisher stillstehend verhandelt hatten, setzten sich wieder in Bewegung. Das Gehölz dehnte sich bis zum See aus, zu dem der Fußpfad führte, dem die geräuschlos Dahinwandelnden folgten. Am See bog der Pfad rechts ab und lief parallel mit dem Ufer weiter, bis man an eine kleine Brücke gelangte, die über einen Graben gewölbt war, der in den See mündete. Dieser Graben bildete die Grenze des Schloßgarten». Auf der Brücke war ein hohes eiserne» Gitter, da» während der Nacht abgesperrt wurde. „Steigen wir über oder waten wir durch den Graben? er hat nur eine Hand hoch Wasser", fragte Peter leise. „Wir schließen der Bequemlichkeit halber auf", versetzte gut gelaunt der Brasilier. Er holte einen eisernen Ring, an dem zahlreiche Dietriche der verschiedensten Größen hingen, nebst einer kleinen Blend laterne aus seiner, wie es schien, unerschöpflichen Paletottasche, zündete die Laterne im Innern seines abgenommenen Hutes an und ließ einen nur schmalen Lichtstreifen auf das Schloß des Gitters fallen. „Das soll gleich besorgt sein", fuhr er fort; „da, Fritz, halte die Laterne! Blende sie wieder ab, ich bedarf des Lichtes nicht mehr." Nach kaum einer Minute hatte er das Schloß geöffnet. Peter erstaunte über die Geschicklichkeit Carvalho's, der, obgleich er fast nur die Linke gebrauchte, da ihm zwei Finger der Rechten fehlten, doch ebenso schnell und sicher arbeitete wie ein gelernter Schlosser mit zehn gesunden Fingern. Die drei Männer überschritten die Brücke und befanden sich im Garten des Giesdorfer Schlosses. Ein Geräusch, wie wenn ein Wild durch die Büsche bräche, kam näher; sofort standen die Drei still, und Peter flüsterte: „Das wird Tyras sein." „Gehen Sie ihm entgegen", raunte Carvalho, „sprechen Sie mit ihm, das wird ihn beruhigen!" „Tyras, mein alter guter Kerl! Was machst Du denn?" schmeichelte Peter dem Hunde, der ihn knurrend gestellt hatte. Tyras spitzte die Ohren und zog mit beweglichen Nüstern die Luft ein; Stimme und Witterung des Fremden kamen ihm bekannt vor; prüfend näherte er sich dem Eindringling, der freundlich begütigend mit der Zunge schnalzte, und beschnüffelte dessen Kleider. Sofort erkannte er seinen alten Freund aus der Zeit des Treibhausbaues; hocherfreut wedelte er mit der dicht behaarten Ruthe und rieb liebkosend und ganz feine, fast quietschende Begrüßungstöne austauschend, seinen mächtigen Kopf an Peter's Knien. „Na, siehst Du? Jetzt weißt Du, wer ich bin, mein altes kluges Thier!" „Vorwärts, vorwärts!" mahnte Carvalho, „geben Sie ihm den Bissen!" Peter empfand einen Stich im Herzen, aber er sah ein. er mußte gehorchen. Cr hielt dem Hunde die verrätherische Gabe hin; dieser verschluckte sie arglos und begann schon nach weniaen Secunden sich in Krämpfen zu winden. Peter hatte ein Gefühl, als ob er einen Menschen umgebracht hätte; er kam sich ehrlo» und erbärmlich vor. „Das arme Vieh! Sehen Sie doch nur!" jammerte er be reuend zu Carvalho, der, soweit es die Dunkelheit gestattete, gespannt dem Todeskampfe des Hundes zuschaute. „Nur keine Sentimentalitäten!" versetzte barsch der Brasilier, faßte ihn an den Schultern und drehte ihn eine halbe Wendung um seine Achse, so, daß er dem schnell und klaglos verendenden Hunde den Rücken zuwandte. „Nun ist der Eintritt frei; mag der Ausgang ebenso bequem sein! Unfer Werk ist ein heiliges; wir sind keine gemeinen Diebe; wir sind Soldaten, die auf Befehl ihres Generals eine Requisition in Feindes Land vor nehmen, denn jeder Besitzende und im Schooße des Staates Ge deihende ist unser Todfeind, dessen Gut wir zum Vortheil unserer heiligen Sache verwenden dürfen. Darum vorwärts mit gutem Muth und Gewissen!" Alle Drei drangen mit vorsichtig schleichenden Schritten weiter in den Garten ein. Vorläufig blieben sie noch längs des Sce- ufers; erst bei den zwei großen Linden, die in der Verlängerung der Querachse des Schlosses, genau der Gartensaalthür gegen über, ihre mächtigen Wipfel in den Wassern des Sees spiegelten, wollte Peter, der die Führung übernommen hatte, rechtsum machen und sich direct nach dem Schlosse wenden. Der Regen hatte wieder nachgelassen; der noch immer ent fesselte Sturm fchnaubte jetzt mit so weichem, mildem Odem, daß es sommerlich warm wurde. Plötzlich zuckte ein grünlich blendender Schein über den See hin und in der kurzen, magischen Erleuchtung erkannte Peter das am Ufer angekettete Boot, in dem, wie er wußte, das Töchterlein des Schloßbesitzers sich auf den Wellen zu schaukeln pflegte. „Wir werden doch kein Gewitter bekommen?" murmelte der als Fritz Vorgestellte und schaut« besorgt nach oben. „Das würde uns schlecht passen, es würde die Leute auf dem Hofe alarmiren." „Ach", versetzte Carvalho, „da» scheint nur ein harmloses Wetterleuchten, dem kein Donner folgt. Aber wo wollen Sie denn hin?" rief er dem plötzlich an» tiefere Ufer hinabeilenden Peter nach. Dieser winkte beschwichtigend mit der Hand zurück, als wollte er sagen: „Lassen Sie mich nur machen; da», was ich vorhabe, ist gut für uns Alle!" Am Ufer angelangt, bückte er sich und versuchte möglichst geräuschlos die Kette, durch die der Nachen am Lande festgehalten wurde, zu lösen. Es gelang; die Kette war nur mehrfach um einen Pfahl geschlungen, ohne durch «in besondere» Vorhängeschloß versichert zu sein. Dann stieg er ins Gefährt, überzeugte sich, daß zwei Riemen darin lagen, hing das Steuerruder ein, ergriff die beiden Riemen und rief seinen Genossen mit gedämpfter Stimme zu: „Ich bring« da» Boot an di« großen Linden; erwarten Sk mich dort."
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