02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.04.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960415026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896041502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896041502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-04
- Tag1896-04-15
- Monat1896-04
- Jahr1896
-
-
-
2854
-
2855
-
2856
-
2857
-
2858
-
2859
-
2860
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Dl» Morgew-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr. die Abend-AuSgabe Wochentags um b Uhr. Filmte«: vtt» «eimn » Dortim. («lsre» Hahnr, UniVersttätSstrahe I, Souls Lösche. Katlmrinenstr. 14, pari, und KönigSplatz 7. Nedartion,«- Lrpeditio»: 2oh«nne»,«ffe 8. DieExpMtion ist Wochentag- unanter kröche» ,»offne« »on früh 8 bi- Abend« 7 Uhr. BezrrgS'PreiS st» der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Au«, aabestroen,»,,h,lt: »tttteljahrl ich >»4.50, bei Pveimaltger «Sgttcher Zustellung in« Hm» ^l b^O. Durch dir Post bezogen für Deutschtand »nd Oesterreich: viertrliährltch >l 6.—. Direkte tägliche tkrruzdandiendung in« «n«land: monatlich >, 7 ». Abend-Ausgabe. Mpziger TaMalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Natljes und Polizei-Amtes der Stadt Leipzig. Mittwoch den 15. April 1896. Anzeigerr»PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 80 Pfg. Virclam en unter dein Redactiondstrich läge- spalten) LO^H, vor den Aamiliennachrichte» (6 gespalten) 40/^. Größere Schristen laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffrrniatz nach höherem Taris. -rtra-Veilagen sgesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrfürderung 60—, mit Postbesörderung >4 70.—. Ännakmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen nnd Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig SV. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 15. April. In seinem „Deutschen Wochenbl." fordert Herr I)r. Arendt, daß der Director der Colonialabtheilung deS Auswärtigen Amte-, vr. Kayser, wegen seiner in der vielbesprochenen PrterS-Debatte im Reichstage beobachteten Haltung von seinem Posten entfernt werde, und knüpft an diese Forderung die Drohung, „daß eine deutlichere Sprache folgen muffe, die in der Hoffnung vorerst noch vermieden worden ist, daß der jetzige Urlaub des vr. Kayser sich verlängert und allmählich in ähnlicher Weise in eine Dispositions stellung übergeht, wie das im vorigen Jahre bei vr. PeterS der Fall war. Es ist völlig unmöglich, daß vr. Kayser noch einmal den Colonialctat im Reichstag vertritt. Er würde kein Vertrauen niebr finden können." Da trotz dieser Drohung Herr vr. Kayser die Geschäfte seines Amtes bereits wieder übernommen hat, so wird man demnächst un Reichstage die angekündigte deutlichere Sprache wohl zu kören bekommen. Inzwischen glaubt die „Köln. Ztg." be rufen zu sein, nicht nur das Verlangen deS Herrn vr. Arendt als einen Eingriff in die Rechte der Krone zurückzuweisen, sondern auch Herrn vr. Kayser gegen den Vorwurf, er habe in jener Debatte sich nicht correct verhalten, nachdrücklich in Schutz nedmen zu müssen. Auch wir sind der Ansicht, daß die Forderung des „Deutschen Wochenbl." ungehörig sei, aber für ebenso verfehlt halten wir den Versuch deS rheinischen Blattes, Herrn vr. Kayser's Verhalten während jener Debatte als ein solches darzustellen, für das Herr vr. PeterS und seine Freunde dankbar zu sein Veranlassung dätten. Die „Köln. Ztg." sagt nämlich: „Die erste Untersuchung hatte manches für vr. Peters moralisch Belastende ergeben, war aber bei dem Widerspruch der Aus sagen zu dem Ergebniß gekommen, daß ein non liguet vor- liege. Diesem Ergebniß entsprechend hat die Regierung die Acten PeterS vorläufig geschlossen, wozu zweifelsohne der Wunsch mit- bestimmend war, einen großen Colonialscandal zu vermeiden und den Verdiensten, die vr. Peters sich um die Besitzergreifung der Colonir erworben hat, so weit wie möglich Rechnung zu tragen. Diesen Standpunkt hat auch der Director der Colonialabtheilung im Reichstag vertrete» und erklärt, weshalb man auf Grund der früher» Untersuchung auf eia diSciplinarrs Verfahren gegen Peers verzichtet hat. Als dann im Reichstage das Verhalten des Or. Peters nach verschieden»» Setten hin eine neue Beleuchtung er- dielt und auch neue Behauptungen gegen ihn vorgebracht wurden, hat der Director der Colonialabtheilung eine Stellung eingenommen, die ihm von der großen Mehrheit des Reichstags als eine übergroße Nachsicht gegen Peters ausgelegt wurde. In diesen Kreisen war man der Ansicht, vr. Kayser sei in der Bei» theidigung des vr. Peters zu weit gegangen, und wenn wir dahingestellt sein lassen, ob dieser Vorwurf berechtigt ist, so dätten doch jedenfalls die Freunde des vr. Peters dafür dankbar jein sollen." Allerdings unternahm Herr vr. Kayser eine Vertheidigung des Herrn vr. Peters, aber sie klang, wie auch der Abg. vr. Hammacher betonte, einem Fallenlassen überaus ähnlich; ja, sie gestaltete sich zu einer förmlichen Anklage dadurch, raß Herr vr. Kayser über alle „Afrikaner" ein derbes Urtheil fällte. So lange aber vie neue Unter suchung gegen vr. PeterS, die auch auf die frühere Untersuchung wird zurückgreifen müssen, nicht abgeschlossen ist, läßt sich ein sichere- Urtheil darüber, was Herrn vr. Kayser zu einer so unsicheren Haltung während jener Debatte bewog und ob diese Haltung eine zu nachsichtige gegen vr. Peters oder im Gegentdeil eine zu schroffe war, nicht gewinnen. Der RechffertigungSversuch der „Köln. Ztg." ist also ebenso verfrüht, wie der Angriff deS „Deutschen Wochenbl.", und kann gleich diesem nur dazu dienen, die öffentliche Meinung zu verwirren. Hoffentlich wird der Reichstag, wenn ein Gesinnungs genosse deS Herrn vr. Arendt die von diesem angedrohte Rede redet, dieser Anreizung zu einer Kayser-Debatte, die doch nur eine neue Auflage der Peters-Debatte sein könnte, widerstehen. Die ReichStagScommission, der die Justiznovelle zur Vor- beralbung überwiesen war, hat u. A. beschlossen, dem Plenum eine Resolution vorzuschlagen, welche sich sür die reichS- gesetzliche Einführung der „bedingten Bc»mrtheilung" aus spricht. Die Berathung der Resolution wird zweifellos Anlaß bieten, die im vorigen Jahre im Reichstag bei der zweiten Lesung des Justizetats, sowie im preußischen und im württem- bergischen Landtag stattgehabten Debatten über diese Frage von Neuem ausleben zu lassen. Man wird dem mit um so größerem Interesse entgegen sehen dürfen, als inzwischen nach dem Beispiel Preußens in der Mehrzahl der deutschen Einzel staaten die Frage durch die Einführung der — richtig auSge- drückt — bedingten Begnadigung auf eine ganz neue Basis gestellt worden ist. Durch den allerhöchsten Erlaß vom 23. October v. I. ist bekanntlich der preußische Justizminister ermächtigt worden, solchen erstmalig zu Freiheitsstrafen verurtbeilten Personen, hinsichtlich deren bei guter Führung eine Begnadigung in Aussicht genommen werden kann, vorläufig Aussetzung der Strafvollstreckung zu bewilligen. Auf dem Wege der Begnadigung soll dann in geeigneten Fällen nach dem Bericht des Ministers der Erlaß oder eine Milderung der Strafe eintreten. Von dieser Ermächtigung soll vornehmlich zu Gunsten solcher erstmalig verurtbeilten Personen Gebrauch gemacht werden, die zur Zeit der Thal das 18. Lebensjahr noch nickt vollendet hatten und gegen welche nicht auf eine längere als sechsmonatige Freiheits strafe erkannt ist. Die gleichen Grundsätze sind von den jenigen deutschen Einzelstaaten angenommen worden, welche Preußen auf dem eingeschlagenen Wege gefolgt sind. Zu den drei Systemen, welche sich bisher in Bezug auf die bedingte Verurtheilung unterscheiden ließen, ist damit ein viertes ge treten. Das jetzt in Deutschland zur Einführung gelangende System berührt sich am nächsten mit dem norwegischen, cheS die bedingte Verurtheilung auf . die Aussetzung der Strafvollstreckung beschränkt, wobei das Wohl verhalten während der Probezeit zur Folge hat, daß die Strafe als verbüßt gilt. Die Thalsache der Ver- urtheilung selbst und ihre etwaigen außerstrafrechtlichen Folgen bleiben im Gegensätze zu dem belgischen System bestehen. Während aber alle anderen Systeme auf einer gesetzlichen Grundlage aufgcbaut sind, giebt sich das deutsche lediglich als ein Ausfluß des landesherrlichen Begnadigungs rechtes. ES folgt darin der Anschauung, welche in dem Gut achten der Spitzen der preußischen Justizbehörden vom Jahre 18S0 niedergelegt ist, wonach eine Vermischung der beiden Gesichtspunkte derRecktsprechung und des Begnadigungs rechtes in den Befugnissen des Richters als nicht zweckentsprechend zu betrachten wäre. Dieser principielle Standpunkt wird von den Gegnern der im Ausland geltenden bedingten Verurtheilung durch praktische Bedenken, namentlich durch den — speciell aus der belgischen Praxis entnommenen — Einwand unterstützt, daß es mißlich sei, die Entscheidung der Frage, ob bedingt zu verurtheilen sei, oder nickt, dem Er messen des jeweiligen Gerichts zu überlassen. Es läßt sich nickt verkennen, daß, theoretisch genommen, die bedingte Begnadigung die Anwendung gleichmäßiger Grundsätze besser gewährleistet, ob das aber auch in der Praxis der Fall sein würde, ist eine andere Frage. Auch die Freunde der bedingten Be gnadigung befürchten, daß dieMinisterial-Jnstanz eines größeren Staates sehr bald unter der Fülle des eingehenden Materials förmlich werde erdrückt werden. Man erinnert an daS Bekenntniß, welches seiner Zeit der belgische Justizministcr aussprach, als er bei der Vorlage deS Gesetzentwurfs über die bedingte Verurtheilung in der belgischen Kammer be merkte: „Ich kann versichern, daß ich kein einziges Gnaden- aesuch aufmerksamer persönlicher Prüfung sür unwürdig halte. Ich konnte aber nicht sortsahren, im Dunkeln zu tasten unter dem Drucke all des unverdienten Unbeils, welches ich nickt verhinderte. Ich konnte mir nickt die Acten über alle Ver- urtheilungen vorlegen lassen und in denselben die nötkige Aufklärung suchen, um diejenigen, für welche daS Gesetz nicht unbeugsam genug sein kann, von denjenigen zu unterscheiden, für welche eine Gesängnißstrafe eine unnütze Onal und eine auch für die bürgerliche Gesellschaft verhäng- nißvolle Herabwürdigung bedeutet. Eine Verlegung der die Grundlage der Entscheidung — der Begnadigung — bildenden Begutachtung der einzelnen Fälle aus der Ministerialinstan; in die unteren Instanzen würde die Vorzüge des preußisch- deutschen Systems mehr oder weniger ausbeben. Auch den Einwand wird man nicht übergehen können, daß unsere Zeit läufte wenig dazu angethan seien, durch eine ausgedehntere Anwendung des Begnadigungsrechtes der Kritik der Rechts pflege ein noch breiteres Feld zu bieten, und daß die Ueberwachung, die mit der Feststellung der „guten Führung" der bedingt Begnadigten nothwendig verknüpft sein mnß, die Gefahr mit sich bringe, daß die Wohlthat zur Plage wird. Schließlich wird man auch den politischen Gesichts punkt nicht ganz unberücksichtigt lassen können, daß es im Grunde genommen ein Widersinn ist, im Zeichen des einheit lichen bürgerlichen Gesetzbuches einen überaus wichtigen Schritt zum organischen Ausbau der Strafrechtspflege, der von weit tragender Bedeutung in ethischer, socialer und finanzieller Hinsicht ist, der partikularen Regelung durch Entschließungen der LundeSfürsten zu überlassen. Es sind das alles nur einige Controverspuncte, die wir hervorheben wollten, um die Aus merksamkeit auf die Verhandlungen zu lenken, welche sich an die Resolution der Justizcommission des Reichstags knüpfen dürften. Der Wahlsieg des spanische« Ministeriums Ca- novaS del Castillo ist ein durchschlagender, und wird noch besonders durch die in Bilbao gelungene Ausmerzung des socialdemokratischen Bewerbers Iglesias charakterisirt. Die „Genossen" werden daher in der neuen Kammer durch völlige Abwesenheit glänzen, ein Ergebniß, auf welches die durch den kubanischen Aufstand bewirkte Neubelebung des natio nalen, patriotischen, monarchischen Geistes der Wählerschaft nicht ohne Einfluß geblieben ist. Die kubanische Politik der Regierung gewinnt in Folge deS konservativen Wahl sieges freiere Hand. Dieselbe verfolgt bekanntlich bas Ziel, jede Verschärfung der Gegensätze zwischen Spanien und den Vereinigten Staaten thunlichst zu verhindern, und alle Vor bereitungen zu treffen, damit im Herbste eine so gewaltige Truppenmacht nach Cuba geworfen werden kann, daß den Insurgenten und ihren amerikanischen Gönnern jede Neigung zur Fortsetzung eines aussichtslos gewordenen Kampfes be nommen werde. Ob die Entwickelung der Dinge dem leiten den spanischen Staatsmann zur Verwirklichung dieses Pro gramms Zeit und Spielraum läßt, ist freilich eine andere Frage, be, deren Beantwortung eine ganze Reihe im Vor hinein nicht controlirbarer Faktoren mitzusprechen haben. Bei ihren Versuchen, die jungtürkische Bewegung zu unterdrücken, hat die Pforte jetzt einen Bundesgenoffen an Frankreich gefunden, das alle Jungtürken ausgewiesen und das „Meschwert" („die Erörterung") verboten hat. Viel leicht geht die republikanische Regierung noch weiter und ent sernt auch alle Studirenden aus der Türkei, denn die Pforte bat die Zurückberufung sämmtlicher in europäischen Städten studirenden Türken, sowohl der mit Staatsstipendien be dachten, als der privat studirenden verfügt. Bon den letzteren werden sich Wohl eine Anzahl nicht fügen: sollen diese viel leickt zwangsweise abgeschoben werden? In Frankreich glauben wir an diese Möglichkeit, in anderen Staaten nicht, und die Schweiz wird wohl den Zuzug an ihre Unterrichts anstalten erhalten. Wenn nickt nach England, wird wohl auch nach der Schweiz sich der ausgewiesene Ahmed Riza Bey mit seiner Zeitung „Meschwert" begeben. Tort er scheint schon der „Croissant", den der Syrer Halil Ganein, ehemaliges Mitglied des türkischen Parlaments, berausgiebk. In Paris bleibt noch die arabische Zeitung „Kachl-ul-nikab" (der den Schleier Lüftende), herausgezeben von Emir Arslan, wenn dieser jetzt nicht auch schon das Lebens licht ausgeblasen sein sollte. Der Emir unterhielt übrigens stets enge Beziehungen zu den französischen Radikalen. In London besteht, wie die „Voss. Ztg." minheilt, seit vielen Jahren „El Huryet" (Die Freiheit), herausgegeben von dem reichen Egypter Mehmed Fahris, der früher in Konstantinopel den arabischen „El Dschewalb" redigirte. Außerdem noch in London der „Jstikhal" (Die Zukunft) von Ali Sckeskel Bey. Es ist also dafür gesorgt, daß auch fernerhin von Zeil zu Zeit ein Hauch moderner Ideen in das verrottete Türkenreick dringt, obwohl wir mit der „Boss. Ztg." durchaus nickt glauben, daß die jungtürkische Bewegung in absehbarer Zeil Erfolg haben könnte, darum war cs auch unklug von der Palastclique, Märtyrer zu schaffen. Der Verfolgten nimmt sich jeder Moslim an, weil ihm dies der Koran gebietet, und die cingeleitete Hetze wird den Erfolg haben, daß die Ziele der Resormparlei in weiteren Kreisen bekannt werden. Wir schrieben unmittelbar nach dem AuSbruch des Matabclcaufstaudc», daß England daraus voraussichtlich den willkommenen Anlaß nehmen werde, größere Truppenmassen in Südafrika zu concentriren, um mit Trannsvaal und dem niederländischen Element überhaupt endgiltige Abrechnung zu halten. Jetzt tritt diese Absicht in maßgebenden englischen Blättern ganz unverbüllt zu Tage. Die konservativ? „Morning-Post" zeigt fick heftig erregt über die von ihr be hauptelc ^.batsache, daß die Rücksicht auf die Empfindlichkeit des Präsidenten Krüger erforderlich gemacht habe, Sir H. Robinson's Angebot von Truppensendungen nach Matabcle land, wo das Leben englischer Unlerthanen in Gefahr ist, aufzuschieben, und verlangt nachdrücklich eine dauernde Vermehrung der englischen Truppen inSüdafrika. Zu welchem Zwecke, kann nicht zweifelhaft sein, da das Blatt in derselben Nummer nachdrücklich betont, die Südafrikanische Republik sei ein Tbeil des britischen Reichs, habe sich als solcher zu halten und sei als solcher auch von allen Anderen anzusehen. Kürzlich hat der Chef der britischen Armee, General Wolseley, in einer Denkschrift gesagt, daß er in gc wiffer Zeit volle 60 000 Mann in Südafrika zu concentriren im Stande sei. Für solche Parforcemittel sind außer etwa dem Premier Salisbury alle englischen Minister zu haben. Sehr erbost sind die englischen Blätter auf den 60jährigen Repräsentanten ter englischen Regierung in Südafrika, Sir Hercules Robinson. Der Mann ist ihnen zu ehrlich und man dringt auf seine Entfernung, weil er wiederholt versickert Hai, daß die in Südafrika vorhandenen Streitkräfte ausreickten, weil dem kurzsichtigen und alt gewordenen Beamten also ganz und gar entgeht, daß England in Südafrika »allen Eventualitäten gegenüber" gerüstet sein muß. Die „Morning Post" schließ: Gottbegnadet. 24) Nomon von Konrad Telmann. Nachdruck verboten. Thea hatte schweigend zugehvrt, ihren Kopf gegen die Schulter ihrer Mutter gelehnt, die Lider halb geschlossen. Die Hände hielt sie im Schooß gefaltet. Ihre Züge waren allmählich wieder strenger und geschloffener geworden, ein ruhiger Ernst lag auf ihrem Gesicht und jede Regung von Schwäche schien daraus geschwunden. Zielbewußt blickten ihre Augen vor sich hinaus. „Ich habe Alle« bedacht, Mutter", sagte sie endlich. „Und ich habe gerade so empfunden wie Du. Du hast recht in Allem. Nur wär' es eben doch Egoi-mu», wenn ich meine Freiheit mir Zurücknahme und gerade an mein Kind dächt' ich nicht. Denn es ist immerhin meines Kindes Vater, um den es sich handel«. Deshalb — so schmählich er an mir gehandelt haben mag und so viel Gründe ich haben mag, ihn zu verachten — muß ich darauf bedacht sein, ihn vor dem Untergang zu bewahren. Und ich habe dir Ueberzeugung, er würde jeden letzten moralischen Halt verlieren, wenn er sich völlig frei nnd aller Rücksichten entbunden wüßte. So besteht wenigstens noch die Möglich keit, daß er sich an dem Gefühl der Verpflichtung, seinem Kinde einen reinen Namen zu erhalten, früher oder später aufrichtet, daß dies ihn vor allem Schlimmsten bewahrt. „Laß mir die Hoffnung", fuhr sie fort, al» sie Frau Marcella s trübe- Kopfschütteln gewahrte. „Ick werde ihm seine Freiheit in der ersten Stund« zurllckaeben, wo er sie fordert, ohne zu zaudern, aber ich will sie ihm nicht auf dringen, nicht vor di« FUßr wrrfen. Er könnte mir einst einen Borwurf daran» machen, und wa» sollt' ich ihm ant worten, wenn er mir entgegenschleudert«, er hätte gerettet werden können, wenn ich ,hn nicht preiSgegeben, und er sei nur au» Trotz und weil ich ihn ohnehin aufgegrben, tiefer und tiefer gesunken? Wie würd' ich vor meinem Kinde dann bestehen können? Line so schwache Natur wie die Harry'» bedarf der Anlehnung oder sie ist verloren. Deshalb laß mich gewähren! ES ist Alle» bedacht, Mutter." „Und — da» Eine vielleicht doch nickt, Tbea. Wie, wenn Pein eigene» Herz einmal für einen Anderen sprechen sollte und Du wüßtest Dich immer noch an einen Unwürdigen gebunden?" Thea war aufgefahren. „Mutter!" „Nun!" Frau Marcella kielt den flammenden Blick, den ihre Tochter ihr zuwarf, ruhig aus. „Du wärest in Deinem Recht, mein Kind. Du bist um Deine Jugend schnöde be trogen worden. Was haben diese Jahre Dir gebracht, was aus Dir gemacht! Wenn ich an das sorglos lachende Kind zurückdenke, das mit mir am Strand von Heringsdorf wanderte, und nun — heute . . . Ich bin nicht schuldlos daran, daß Du diese Ehe schlossest, Tkea. Ich habe mich in dem Manne betrogen, der um Dich warb. Laßt mir jetzt den Trost, daß Du nicht für immer mit allem Erdenglück abgeschlossen hast, daß es noch eine Zukunft für Dich giebt!" Ein wehmüthigeS Lächeln überglitt Thea's Lippen. Dann ward ihr Antlitz Heller und sie wies mit den Augen auf die Thür, hinter der die kleine Lydia jetzt erwachend ihre zwitschernde Stimme hören ließ. „Ja, gewiß, Mutter", sagte sie mit innigem Ton, „eS giebt eine Zukunft für mich — sei ganz ruhig!" 12. „Sind dieZeitungen noch nicht gekommen,lieberParsenow?" fragte Tbea. „Immer noch nicht, gnädige Frau. Ich möchte nur wissen, was die gnädige Frau in den Zeitungen suchen will. ES sind, Gott sei Dank, ja recht ruhige Zeiten jetzt, und in diesen sommerlichen Tagen passirt überhaupt nichts Un gewöhnliches. Sie nennen das ja die Sauregurkenzeit. Erntenachrichten können auch noch nicht drin sein, da muß man noch ein paar Wochen mit warten. Na, also : waS sucht die gnädige Frau eigentlich in den Blättern? Die sind jetzt ganz polizeiwidrig langweilig, sagt unser Herr Pastor. Und der ist nicht verwöhnt." Thea lächelte etwa« zerstreut. Parsenow, der allmählich zu einer Vertrauensstellung bei ihr aufgerückt war, seit sie die Leitung der Wirtschaft unter Zuziehung jüngerer Hilfs kräfte selbstständig übernommen hatte, durfte sich schon etwas bei ihr erlauben. Seinen sachkundigen Rath holte sie immer noch in allen Dingen ein und soweit eS sein halb gelähmter Züstand irgend gestattete, sah er überall im Hau» und auf dem Felde nach dem Rechten. Seine Augen waren noch immer wachsam nnd ließen sich nicht leicht etwa» entgehen. Daß er auf Lenstbn blieb bis au sein Lebensende, verstand sich von selbst. Auch wenn er völlig arbeitsunfähig wurde, erkielt er hier sein Gnadenbrov unk er wurke keineswegs wie ein Untergebener behandelt. Er war immer noch Thea's beste Stütze und sie wußte, was sie an ihm batte. In manchen Stücken war er freilich nicht mit ihr zufrieden und machte ihr auch kein Heb! daraus. Sie lebte ihm viel zu einsam und abgeschlossen und „gönnte sich zu wenig". Das war nichts für ihre frische Jugend. Arbeiten war ja gut und sie verstand es wie keine zweite, ja, der Alte war stolz auf solch eine Herrin, die er zugleich seine Schülerin nennen konnte, und die es den besten Landwirthen im Kreise gleich- tbat, aber ein bischen was anderes als Arbeiten und immer wieder Arbeiten, vom Morgen bis zum Abend, im Sommer und im Winter, hätte denn doch auch dabei abfallen sollen. Wenn man zwei- oder dreiundzwanzig Jahre alt war — älter konnte „die Frau", wie er sie meist nannte, ja wobl kaum sein, obgleich man sie bei ihrem ernsten, rubigen Wesen für älter hätte halten können —, reichte daS nicht aus. Und dann als einzige Zerstreuung dies zwecklose Zeitungslesen! Wenn dir Zeitung kam — und immer schon eine Stunde, bevor der Bote mit der Posttasche da sein konnte, fragte Thea danach, als ob sie sie gar nicht erwarten könnte —, unterbrach sie sich in jeder Beschäftigung, um sie zu durch fliegen; selbst mit dem Kinde auf dem Schooße batte sie dann für nichts Andere» mebr Auge und Obr. Man muß doch auf dem Laufenden bleiben, pflegte sie wie entschuldigend zu sagen. Auch jetzt murmelte sie so etwas. Dann fragte fie: „Ist sonst etwa» vorgefallen, Parsenow?" Sie war erst eben vom Felde heimgekommen. „Der Herr Landrath war schon wieder da", sagte der Alte gedehnt. „WaS wollte er denn?" „Was er immer will: gnädige Frau besuchen. Da« ist ja doch am Ende auch so seine Schuldigkeit, wenn man neu in den Kreis kommt, finde ich." „Und was haben Sie ihm gesagt, Parsenow?" „Daß gnädige Frau nicht da wären — daS »yar ja die Wahrheit —, und daß gnädige Frau überhaupt keine Besuche annahmen, das war ja so ziemlich auch die Wahrheit." „Blo- so ziemlich?" „Na, Herrn Han» Wietzlow auf Modrow muß man ja doch wohl auSnehmen", sagte Parsenow mit einer gewissen Verbissenheit. „Da» ist mein Onkel, Parsenow, wie Sie wissen." „Weiß ich, ja. Aber eben darum — Na kur, und gut: der Herr vandratb bitten die gnädige Frau, mit ibm einmal eine Ausnahme zu macken. Er wäre ein alter Freund ker gnädigen Frau und wolle im Uebrigen keineswegs lästig fallen. So hat er gesagt. Und wenn ich was sagen darf, gnädige Frau: mir gefällt er. Ein seiner, junger Herr, ganz anders als der vorige. Von Schneidigkeit und Licutenanterei keine Idee. Aber vornehm und ernst. Der meints ehrlich mir seinem Posten. Mir gefällt er weit besser als Herr . . . . Er verschluckte den Namen und strich sich brummend seinen grauen Vollbart. „Ein alter Freund?" wiederholte Tbea, dir im Uebrigen kaum zugebört hatte. „Ich wüßte dock nicht . . . Ick werd ibn vor Jabren in den Berliner Gesellschaften getroffen haben. Und dann nennt man sich „Freund". Wie heißt er übrigens?" „Landrath von Asten." Thea war unwillkürlich aufgesprungen, ibre Wangen batten sich lebhaft geröthet. Dann lächelte sie kalb verlegen und fetzte sich wieder. „Asten! Ah so — ja, ich erinnere nuck. Es sind freilich Jahre her. Und ich hatte gar nichts davon gehört, daß er hierher verschlagen sei. Auch Onkel Hans bat mir kein Wort davon erzählt." „Wird ja wohl seine Gründe gehabt haben", knurrte Parsenow. „Uebrigens ist er ja auch erst an die vierzehn Tage in Altstädt." „Und war doch schon mehrmals hier? DaS ist denn in der That liebenswürdig von ibm. Und das nächste Mal werd ich ihn wobl annekmen müssen." „Denk ick auch. Denn WaS Herrn Wietzlow auf Modrow recht ist . . ." „Da kommt die Posttasche!" unterbrach Tbea ihn in frober Erregung. „Bringen Sie sie hier herein, Wilbelm!" Und sie lief aus der Veranda, wo sie mit Parsenow heute, wie zumeist um diese Dämmerstunde, saß, dem Burschen entgegen, welcher die Postsachen auS der Stadt geholt batte. In der nächsten Minute hatte sie dieselben aus der Tasche hrrvorgerissen. Erft ein Brief von Asta. — WaS der enthielt, wußte sie so ungefähr: immer mehr oder minder verbrämt die Aufforderung, sie für einige Wochen nach Lensibn ein zuladen, Wochen, auS denen vermutblich Monate geworden wären. Diese Briefe kamen immer nur zur sommerlichen Jahreszeit, denn im Winter reizte der Landaufenthalt Asta nicht, und sie hatte dann andere Einladungen. Auf letztere überhaupt war sie angewiesen, seit sie durch den nnvermutbeten Bankerott eine» berühmten Bankbanse» ihr kleine» Vermögen vollständig verloren batte. Sie gekörte seither zu jene, Schaar von allrinstehenren, meist adeligen Damen, die aus Kosten von Der«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Keine Volltexte in der Vorschau-Ansicht.
- Einzelseitenansicht
- Ansicht nach links drehen Ansicht nach rechts drehen Drehung zurücksetzen
- Ansicht vergrößern Ansicht verkleinern Vollansicht