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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.04.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960422023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896042202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896042202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-04
- Tag1896-04-22
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Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Srtra-Vellage« (gefalzt), nur mit der Morgen«Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluk für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag- 10 Uhr. Marge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Mittwoch den 22. April 1896. Sv. Jahrgang. Amtlicher Theil. Realgymnasium. Der Geburtstag Tr. Majestät he« Köllig« wird Donner-tag, den 23. April früh */s11 Uhr in unserer Aula festlich begangen werden. Zur Theilnahme an dieser Feier beehre ich mich nn Namen des Lebrer-Collrgium- «raebenst einzuladen. Leipzig, den 21. April 1896. vr. vvttolior, Rector. Politische Tagesschau. * Leipzig, 22. April. Die Tnelldebatte im Reichstage bat gestern zu einem Er- gebniß geführt, das zu den größten Seltenheiten überhaupt, besonders aber im jetzigen Reichstage gehört: zur ein stimmigen Annahme einer Resolution. Bon nationalliheraler Seite eingebracht und von den Konservativen unterstützt, ersucht sie die verbündeten Negierungen, „mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln dem mit dem Strafgesetzbuch im Widerspruch befindlichen Duellunwesen entgegenzutreten." jedenfalls hatte man in der vorgestrigen Debatte den Eindruck bekommen, daß eine einfache Interpellation nicht viel bedeute, vielleicht glaubte man auch dem Reichskanzler die „ernsten Erwägungen", die er in Aussicht gestellt hatte, etwas erleichtern zu sollen, und so wählte man von den beantragten Resolutionen die allgemeinste, specielle Wünsche vermeidende, auf welche eben deshalb die meisten Stimmen sich vereinigen konnten. Eine vom Centrum beantragte, die auch die studentische Mensur auS der Welt schaffen möchte, hätte jedenfalls einstimmige Annahme nicht gefunden, und so wurde sie zu Gunsten der National liberalen zurückgezogen, die alles zusammenfaßt, was die sämmtlichen Parteien gemeinsam wünschen. Die speciellen Wünsche wurden in der Debatte ausgesprochen und be gründet; den verbündeten Regierungen fehlt es also nicht an vielseitiger Anregung über die zu wählenden Mittel. Besonders anregend und klärend waren die Ausführungen des Abg. v. Bennigsen, der über die studentische Mensur ganz in demselben Sinne sich änßerte, wie der Verfasser des erst kürzlich wieder von uns cilirten Buches eines verehrten akademischen Lehrers: „Briefe eines VaterS an seinen Sohn nach kessen Abgang auf die Universität". Das eigentliche Duell, welches in dem immer möglichen und kürzlich in Potsdam eingetretenen Falle, daß der Beleidigte getödtet würde, picht eine Spur von Sühne, von Wiederherstellung der verletzten Ehre erkennen lasse, verurtheilte er unbedingt. Seine Noth- wendigkeit sei auch, wie das Beispiel der Römer und der Deutschen der Vorzeit, die die Duellsitte erst von Yen Franzosen überkommen, darthue, keineswegs in dem natür lichen Recht und Drang der Wahrung der persönlichen Würde begründet. Unter den Mitteln, die er zur Be kämpfung des UebelS vorschlug, bezeichnete er, ganz so, wie wir dies bereits gethan haben, als das nöthigste und wirksamste eine Reform der Ehrengerichte. Gänzlich verschwinden wird nach seiner Ansicht, die auf reiche Erfah rung sich gründet, das Duell erst dann, wenn die Kreise, in denen das Duell am meisten stattsindet, einer anderen Auf fassung des Ehrbegriffes sich zugänglich gemacht haben, und hiermit bezeichnete er die Grenze, bei der die Wirksamkeit gesetz licher Mittel aufhört und das gute Beispiel und die höchsten Autoritäten in Staat, Kirche und Gesellschaft eintreten müssen, um inneren Wandel zu schaffen. In dieser Auffassung begegneten sich erfreulicher Weise auch die meisten Redner der bürger lichen Parteien mit dem Führer der Nationalliberalen. Es ist daher zu hoffen, daß diese dringliche Mahnung an jene Autoritäten nicht verloren geht. Nur wenn sie beachtet wird, können die gesetzlichen Mittel, zu deren Ergreifung die ver bündeten Regierungen infolge der einstimmig ausgesprochenen Forderung des Reichstages sich entschließen werden, jene Er gänzung finden, ohne die sie lediglich zur Bestrafung von Ge setzesübertretern, nicht aber zur vollen Beseitigung von Uebertretungen durch Zweikampf führen können. Die am Montag im Reichstagswahlkreise Osnadriick- Berscnbrück-Jburg vollzogene Stichwahl hat den bisherigen Abgeordneten Wam Hofs im Reichstagsmandat bestätigt. Das öde Schimpfen der klerikalen Presse hat schon seit vier zehn Tagen diesen Ausgang erwarten lassen. Die Blamage der Klerikalen ist denn auch kräftig genug gerathen. Mit einem wüsten Lärm, als habe Wamhoff nur infolge nie da gewesener Wahlfälschungen seit 1893 seinen Sitz im Reichstag eingenommen,warderWahlkampferöffnet worden. Die national liberale Mehrheit von 1893 war ja freilich nicht groß, sie betrug 13 420 gegen 13 250, immerhin war sie so groß, daß in Dissen, dem Schauplatz der angeblichen Wahlfälschungen, immerhin 30 oder 40 Stimmen auf der anderen Seite stehen konnten und Wamhoff doch noch gewählt war. Dafür ist jetzt die Mehrheit um so größer; für Wamhoff waren bis gestern Mittag bereits 13 848, für den Welfen erst 12 461 Stimmen gezählt. Jedenfalls hat Wamhoff eine ansehnliche Mehrheit, und zur Erneuerung des Schreiens über Wahl beeinflussung und Wahlfälschung ist auch nicht der Schein eines Vorwandes gegeben. Die Klerikalen hatten zuletzt versucht, einen anderen Trost in ihrem vorhergesehenen Leide sich zurechtzulegen; sie wollten von Stimmenbettelei der Nationalliberalen bei den Social demokraten gehört haben. Demgegenüber kann man sich auf die Socialdemokraten selbst berufen, übrigens auch auf die Wählerschaft im ganzen Kreise. Denn die Agitation für Wamhoff ist in allen Stücken am Hellen Tages licht betrieben worden pnd zwar in vornehmster Sach lichkeit, wenn auch mit rühmenswerthem Eifer. Hierauf ist es vor Allem zurückzuführen, daß die Wahlbetheiligung in den Reihen der nationalen Wählerschaft sich verstärkt hat. Es waren von 30 589 Wahlberechtigten bei der Hauptwahl 3726 nicht zur Urne gekommen, von denen jetzt zur Stichwahl ein namhafter Theil mitgestimmt hat. So dann sind von den 1962 Wählern der Mittelstandspartei sicherlich zwei Drittel für Wamhoff eingetreten. Von den 3227 Wählern, die im ersten Wahlgang für den Social demokraten gestimmt hatten, ist wohl ein Drittel jetzt den Welfen zugelaufen, um ihre revolutionären Ziele wenigstens mittelbar zu fördern. Ein anderer Theil wird zu Hause geblieben sein, wie es die Parteileitung empfohlen hatte. Wieder eine andere Gruppe, die sich weder um die Parteileitung kümmert, noch viel weniger revolutionäre Ziele verfolgt, sondern nach Bebel nur eben „mitläuft", hat in der Stichwahl zwischen dem welfischen „Ritter" als Ueberlieferer der Politik des Verfassungsbruchs auf der einen und einem arbeitsamen Landwirth als dem Träger der nationalen und liberalen Ideen auf der anderen Seite zu Gunsten des Letzteren entschieden. So erklärt sick aufs Einfachste der Zuwachs von 3000 Stimmen für Wamhoff, während dem Welfen, bis die letzten Ziffern vorliegen, rund 1100 Stimmen noch zugewachsen sein dürsten. Die politische Bedeutung der Wahl haben wir vorgestern schon erörtert. Fügen wir dem nur noch die hohe Befrie digung darüber hinzu, daß die Demagogen mit allem Be mühen, den großen und entscheidenden Gegensatz zwischen klerikal-welfisch und national und liberal zu verwirren, um ihrerseits im Trüben zu fischen, eine ungewöhnliche Nieder lage erlitten haben. Fast sechs Monate hat das radicale französische Ministerium Bourgeois die Geschäfte der Republik ge leitet, für ein französisches Cabinet lange genug, um in der Ver senkung zu verschwinden. Wie gemeldet, hat der Senat gestern mit einer Mehrheit von 81 Stimmen dem Ministerium zum vierten Male ein Mißtrauensvotum ertheilt. Es handelte sich um die Bewilligung der Mada gaskar- Credite, und radicalerseits hatte man gehofft, der Senat würde entweder nur einige Streichungen vornehmen oder die Credite im Ganzen, wenn auch mit einem Tadelsvotum gegen das Ministerium, bewilligen. Im ersteren Falle würde die Regierung wenigstens Zeit ge wonnen, im letzteren sie den Tadel "'höchst leicht blütig hingenommen haben. Daß der Senat den Muth haben werde, die Credite rund zu verweigern, hatte Niemand im radikalen Lager angenommen, denn für so thöricht hielt man die „elenden Greise", die „Hanswürste" und „alten Knöpfe" doch nicht, daß sie den Sturm verletzte» Patriotismus' gegen sich heraufbeschwören würden, der dem Senat das Leben kosten könnte. Aber diesmal hatte selbst ein Bourgeois sich in seinem Urtheil geirrt. Der Senat fühlte offenbar das Bedürfniß, die Blamagen, welche er sich im Kampf gegen das radicale Cabinet zugezogen, um jeden Preis wieder auszuwetzen, weil andernfalls thatsächlich seine von radi kaler Seite mit aller Macht bedrohte Existenz in Frage gestellt war. Die Entscheidung mußte endlich gefällt werden. ob verfassungsmäßig das Ministerium dem Senat, oder verfassungswidrig der Senat dem Ministerium verant wortlich sei, und man muß sagen, daß die Mehrbeit des Senats es verstanden bat, durch die Fassung des Beschlusses: „Der Senat vertagt die Berathung der Credit- vorlage, bis er ein verfassungsmäßiges Ministerium vor sich hat, welches das Vertrauen beider Kammern besitzt, dem Ministerium eine böse Alternative gestellt hat." Formell ist diese Haltung durchaus nicht anzusechten, denn thatsächlich ist es verfassungswidrig, mindestens dem Geist der Verfassung entgegen, daß das Ministerium trotz dreier Mißtrauensvoten der einen der gleichberechtigten parlamen tarischen Körperschaften im Amte geblieben ist. Zudem verweigert der Senat die Credite für Madagaskar nicht, sondern schiebt die Bewilligung nur auf und macht sie abhängig von dem verfassungsmäßigen Verhalten der Regierung, dreht also sehr geschickt den Spieß um, indem er das Ministerium auffordert, den unberechtigten Selbsterhaltungstrieb seinem Patriotismus zu opfern. Darum war es auch taktisch klug, daß Demvle mit den Worten: „Keiner von uns will Credite verweigern, deren die Soldaten Frankreichs bedürfen, die in fernen Besitzungen die Ehre und die Fahne Frankreichs ver- theidigen; der Senat preist in ihnen die theuersten Kinder des Vaterlandes und ist zu allen Opfern bereit, um ihnen Leid oder Gefahr zu ersparen", das patriotische Empfinden der Kammer so nachdrücklich betonte. Die große Frage ist nun: Was soll geschehen? Bis zum 30. April sind die letztverwilligten Credite für Madagaskar aufgebrauckt; bis dahin muß also die Entscheidung fallen. Wird Bourgeois diesmal wirklich sich besiegt geben? Daß die Position des Cabinets unhaltbar ist, siebt der Vielgewandte jetzt zweifel los ein, aber darüber scheint man im Schooße des Ministe riums noch nicht einig zu sein, ob man den Streit nicht bis zum Bersassungsconflict treiben soll- Die Mehrheit im Cabinet bürste dafür sein, denn sonst hätte Bourgeois mit seinen Leuten gleich gestern demissionirt, statt erst die Kammer zusammenzuberufen. Wir erhalten darüber folgende Meldungen: * PsriS, 21. April. Einer Note der „Agence Havas" zufolge glaubt da-Ministerium, die Geschäfte nicht länger führen zu können, ist aber der Ansicht, Laß es, da die Kammer nicht tagt, seine Entlassung nicht nehmen kann. Tas Ministerium beschloß daher, die Kammer einzuberufen und ihr die Gründe Les Beschlusses bekannt zu geben. Bourgeois erstattete dem Präsi denten Bericht, welcher davon Kenntniß nahm, und begab sich darauf zu Brisson, der die Kammer für Donnerstag, den 23. d., einberief, wovon die Deputirten im Drahtwege benachrichtigt wurden. * Paris, 21. April, 11 Uhr 50 Min. Nachts. Tie Minister waren um 11 Uhr noch versammelt; eine Entscheidung ist noch nicht getroffen worden. Wie verlautet, wird die Regierung Brisson aussordern, die Kammer einzuberufen, damit dieselbe entweder ein Vertrauens-Votum ausspreche, welches der Regierung erlaube, im Amte zu verbleiben, oder aber die Anweisung zur Bildung Gottbegnadet. 30) Roman von Konrad Telmann. Nachdruck «erboten. Seine Stimme, die rauh pnd heiser klang, verlor sich in einem undeutlichen Gemurmel. Er hatte immer noch nicht die Augen zu ihr aufgehoben. Wie ein gevehmüthigter Bettler stand er vor ihr. Sie aber betrachtete ihn unausgesetzt. Obgleich sie ihn auf den ersten Blick erkannt hatte, welch eine Veränderung war mit ihm vorgegangen! Seine weichen, schlaffen Züge erschienen ernst und streng; eS war» als ob tas Schicksal sie mit hartem Hammer vmgeschmiedet hätte, Und die Traurigkeit, Pie in seinen Augen lag, war keine an genommene, wellschmerzliche Pose mehr, die Falten in den Schläfen und um die Mundwinkel waren nicht erheuchelt. Dies von heißer Sonne gebräunte, hager und länglich ge wordene Gesicht rebele Kummer, Kampf und Elend. Trotz der gebeugten Haltung des Mannes lag etwas von ruhiger Festigkeit in seinem Wesen, in seine Demuth mischte sich etwas von Würde. In Thea fand während der Dauer weniger Secunden ein Wechsel der mannigfachsten Empfindungen statt. Wie ein Wirbel jagte cS in ihr um: Mitleid, heißes Mitleid, Jubel, Entsetzen, Angst, Zorn, eine harte, zornige Empörung, Alle- jäh und wild. Und dann behielt der Groll, der seit so Langem sich in ihrer Seele aufgestaut batte, die Oberhand über alles Andere, und es war ein scharfer, kalter, verächtlicher Klang in ihren Worten, als sie nach einem Schweigen, daS nur eine Minute gewährt haben mochte und in dem sie dock eine Welt erlebt zu haben wähnte, zu ihm sagte: „DaS letzte Mal? Ich mpß gestehen, Paß eS mir schon am ersten zu viel scheint. WaS soll das Kind davon denken, wenn Du Dich heimlich zu ihm schleichst, während ich fern bin, und mit meinen Dienst boten gemeinsame Sache machst? Ueberhaupt: wozu da- Alles? Was willst Du von dem Kinde? Es mir abspenstig machen? Es in verwirrende, unklare Verhältnisse bringen ? Oder ist das Alles bloS ein Zeitvertreib? Ein gelegentliches Amüsement, da der Zufall, der lä »ins so bedeutende Rolle im Menschenleben zu spielen pflegt, nun einmal pn« an dem gleichen Orte zusammengeführt hat? Dann war etwa- zu viel dabei gewagt " Ihre Worte fielen wie Schsjig? auf ihn nieder, und er zuckte getroffen unssr jsdem einzelnen zusammen. „Du hast recht", sagte er gedemljtbigt, während sein Kopf noch tiefer kerabsank. „Es hätte nicht sein dürfen. Nur daß — die Versitthung Poch gqr zu groß war. Ich hätte einen Wink des Himmel- Harm sehen könne«. Denn Du wirst mir glauben, daß ich Dich hier am allerwenigsten vermuthen durfte, da Du ja so am sfforpen hängst. Ich — bitte Dich nochmals um Verzeihung, und wenn Du willst, werde ich morgen Nizza verlassen, um jeher neuen Verführung sicher auS dem Wege zu gehen." Sie zuckte hochmüthig die Achseln. „Ich habe nicht über Dich zu bestimmen. Und nach dem Buchstaben de« Gesetzes hast Du wahrscheinlich sogar noch so etwas wie ein Recht an dem Kinde. Nur, daß Du wohl selber nicht Willen sein wirst, es geltend zu mache», — im Interesse des KindeS." „Ein Recht? Ich?" Er blickte zum ersten Mal ver wundert auf, zum ersten Mal trafen ihre Augen secunden- lang die seinigen. Dann setzte er matt hinzu: „Welches Recht könnte ich noch haben?" Ein trauriges Lächeln spielte um seinen Mund. „Da- Recht de- VaterS!" sagte sie mit bitterem Spott. Er aber zuckte diesmal nicht auf, sondern sah nur mit wachsendem Erstaunen empor. „Das bin ich doch wohl nicht mehr." „Vor dem Gesetz — wahrscheinlich/' „Du — Du hast Dich nicht freigemacht?" Er zitterte, ein solches Gefühl der Schwäche überkam ihn plötzlich, daß er mit den Händen in der Luft nach einem Halt suchte und gestürzt wäre, hätte er ihn nicht gefunden. Nun stand er, die Finger um eine Sessellehne krallend, mit vornübergebeugtem Oberkörper da. Es schien ihn über wältigt zu haben. Sie verstand gar nicht recht, was er hatte. „Mick frei gemacht?" wiederholte sie. „Von Dir? Das würdest Du doch wissen. Wir batten es ja so verabredet." „Also nicht? Nicht?" Es kam wie ein Schrei zwischen seinen Lippen hervor, er begriff sichtlich immer noch nicht, er faßte sich an die Stirn, auf der die Hellen Tropfen perlten. „Aber ich war ja verschollen, Du hättest eS mir ja gar nicht mittheilen können. Ich batte Niemandem meinen Aufenthalt mehr bekannt gegeben. Und man sagte mir, es werde Dir rin leichtes sein, wenn der öffentliche Aufruf erfolglos bleibe — gegen mich, als Verschollenen." Seine Worte verwirrten sich, er konnte nicht weiter sprechen, er trocknete sich die Stirn, sogar die Augen. „Ich habe keinen Aufruf erlassen", sagte Thea, noch immer kalt. Ein tiefer Athemzug rang sich aus seiner Brust. „Also nicht frei! Das — das batte ich nicht vermuthrt. Ick glaubt« sicher ... Ich weiß nicht, warum ^u . . . Nicht frei!" Er konnte eS offenbar immer noch nicht fassen. „Hast Du Dich dafür gehalten?" fragte sie und stellte sich, al- hatte eine bittere Enttäuschung auS seinen Worten geklungen, während ihr doch da« wehmüthige, fast rührende rlufjauchzen darin nicht entgangen war. Aber sie wollte eS nicht hören. „Du weißt ja, raß e- Dich n«r ein einzige- Wort kostet, so bist TuS." „Ich?" Es lag jetzt eine leise Anklage in dem Top seiner Frage. „Wozu?" „Ich dachte, Du wärest damals Verpflichtungen ein gegangen," kam e« hastig über ihre Lippen. „Damals?" Er schüttelte langsam den Kopf. „Nein- Ich wäre damals viel zu stolz und eitel gewesen, um mich an eine Frau zu fesseln, Vie mich früher verrathen upp ver schmäht hatte. Diese unwürdige Liebelei war in erster Linie eine Befriedigung meiner Eitelkeit, ich wollte trinmphiren dürfen, wo ich vorher eine Niederlage erlitten batte. Und dann ... Aber ich will nicht anklagen, am allerwenigsten eine Todte und diese Todts, die mich mehr geliebt hat, als für sie und mich gut war." „Du weißt, daß Deine Mutter. . .?" fragte sie rasch. Er nickte. „Laß die Tobten ruhn!" sagte er abwehrend und düster. Es trat eine Weile Schweigen ein. Keiner schien die rechten Worte zu finden, und doch hatte jeder noch eine Welt zu fragen und zu sprechen. Harry machte endlich Miene zu gehen, und sie hielt ihn nicht. Es erbitterte sie, daß er fliehen wollte. „Ich will Dich nun von mir befreien", sagte er. „Und ohne Deinen Willen werde ich das Kind nicht Wiedersehen, ich verspreche es Dir. Auch bin ick, wie gesagt, jeden Tag bereit, ganz zu verschwinden, wenn meine Anwesenheit hier Dir lästig fällt." Er stockte einen Augen blick, wie um ein Wort von ihr zu erwarten, setzte dann aber, als sie stumm blieb, leise und zögernder hinzu: „Solltest Du mirs gönnen, das Kind noch einmal wieder zusehen — es wäre sehr großmüthig —, so könntest Du es mit der Bonne eines Tages in den Gasthof schicken. Ich — ich würde sicherlich diesen Edelsinn nicht mißbrauchen, ich ver spreche es Dir." Auch jetzt schwieg Thea noch. „Meines Bleibens wird, selbst wenn Du mich hier dulden willst, nicht lange mehr sein", fügte er bittend hintennach. Nun erst schien wiedxr Leben in sie zu kommen. „Du gehst fort?" „Die Aprzte sagen mir, daß Don Luis Tessino nur noch kurze Zeit zu leben hat", erwiderte er gedrückt. „Sein Leide» ist unheilbar, und er gebt rasch seiner Auflösung entgegen. Er weiß es auch selbst und möchte hier sterben." „Und dann — gehst Du nach Brasilien zurück?" „So ist meine Absicht." „Für — immer?" „Ich wäre nicht nach Europa gekommen, wenn es nicht einen letzten Rettungsversuch für meinen Wohlthäter gegolten hätte, der mich nicht entbehren wollte. Thea athmete ein paar Mal rasch. Dann sagte sie: „Ton Teffino spricht mit großer Anerkennung von Dir." „Ich wäre ein Elender, wenn ich ihm nicht seine Wohl- thate» zu vergelten suchte, wie ich vermag. Er hat mich aus dem Stapbe aufgelesen und zu Dem gemacht, was ich bin- Oh»e ihn wäre ich untergegangen. Als er mich fand, war ich esn kranker, Pein Tode verfallener und den Tod herbei- sehyender Bettler auf fremder Erpe — ohne Hilfe, ohne Rettungsaussichten, ohne Kraft. Ich habe durch ihn gelernt, z» arbeiten und daS Leben zu ertragen. Was ick vorher nach meinem jähen Sturze versucht hatte, um mich^an der Ober fläche zu halten, schlug fehl. Ich bin von Stufe zu Stufe hinabgealitteu. Es war ein kurzer Rausch und die Strafe berb. Ich war mehr als einmal willens, meiner verfehlten Existenz rin Ende zu machen, aber ich sagte Dir, daß da- keine Sühne sei. Und ich wollte sühnen, was ich gethan. Wenn Arbeit das vermag, ich bin vor keiner zurückgescheut — das Zeugniß wenigstens darf ich mir geben. Und dann ist es mir gut geworden, besser, als ich verdient und als ich er wartet batte. Aber ich bin durch eine harte Schule gegangen." Er strich sich mit der Hand ein paar Mal über die Stirn bin. „Verzeih, ich wollte von mir nicht reden. Nur daß Du das Kind jetzt vor mir vielleicht nicht mehr zu beschützen brauchst. Ick würde Dir sehr dankbar sein, wenn ich es einmal wenigstens noch Wiedersehen könnte, ehe ich gehe." „Ich werde eS Dir schicken." „Ich danke Dir. Leb wobl." Er neigte leicht sein Haupt, als er ging. Sie batte sein Lebewohl erwidert, ohne ihm die Hand zu reichen. Wie zwei Fremde schieden sie. Auch dem Kinde halte er kein Wort Les Abschieds mehr gesagt. Als Thea allein war, rang es sich wie ein Aufschrei aus ihrer Brust hervor. Qual und Web, Enttäuschung und Pein wühlten sich darin zum Ausbruch. Das also war das Wieder sehen gewesen — nach all den Jahren, das! Und doch hätte sie nur jubeln und jauchze» sollen, daß er noch lebte, der Todtgeglaubte, und daß er so lebte — wenn auch nicht ihr. Sie hatte also recht behalten Allen gegenüber, die ihn zu den Tobten geworfen hatten. Und was bedeutete diesem Einen gegenüber alle- Uebrige? Ein krampfartiges Schluchzen durchsckütterte ihren Körper. Ihre gewaltsam bewahrte Ruhe verließ sie, sie warf sick aufs Sopba nieder u»d verbarg saut aufweinend ihren Kops in Pen Kissen. 16. Es war etwas wie schweifende Unrast über Tbea gekommen. Ihre bisherige Klarheit, die selbstsichere, fiste Ruhe ihres Wesens waren von ihr gewichen. Der Gedanke, mit Harry am gleichen Ort zu weilen, ohne ihn zu sehen, ohne daß nur der geringste Zusammenhang zwischen ihnen bestanden hätte, verließ sie keinen Augenblick mehr und übte eine seltsam aufregende Macht über sie auS. Sie fvar mit sich selber uneinS geworden. Ihre grollende Empörung darüber, daß Harry keinen Annäderungsversuch mehr machte, überhaupt nicht sie, sondern iyimer nur das Kjnd hatte sehen wollen, Wechselte mit der Ueberzeugung, daß es an ibr sei, einen ersten Schritt ihm entgegen zu thun, ha er selbst Len Muth dazu nicht haben konnte, gcdemütigt wie er war, und dock fühlte sie, daß sie es nicht über sich bringe» werde. Wer sagte ihr denn auch, daß sie nicht eine neue Enttäuschung erlebt baben würde? Er bedurfte ihrer Verzeihung ja wobl nickt mehr, er hatte selbst gesagt, daß die barten Prüfungen des Leben-, durch die er gegangen, ihn entsühnt hätten. Und jetzt wap cs ihr» ja gut geworden. Wessen hätte er noch bedurft? Nicht einmal ibr von seinem Leben Kenntniß zu geben, hatte er je der Mühe für Werth gehalten, sie hatte immerhin glauben mögen, daß er todt sei. Er wollte todk sein für sie. Sie hatte gar kei» Recht, seinen Willen zu durchkreuzen.
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