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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.07.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-07-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980706010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898070601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898070601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-07
- Tag1898-07-06
- Monat1898-07
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Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag- um 5 Uhr. Ne-aclion und Expedition: Johannes,»sse 8. Dir Expedition ist Wochentag» ununterbrochea geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: Ltt» Klemm'» Eorti«. (Alfred H«hnX Universitätsstraße 3 (Paulinum), LvniS Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7, Bezugd-Prel^ t» der Hauptexpedition oder den im GtaR» bezirk und den Vororten errichteten An»» «bestellen abgeholt: vierteljährlich ^4.50, vei zweimaliger täglicher Zustellung in» Säusel! 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestSbrlich ^i . Direel« tägliche Nreuzbandirndun, in» Au»land: monatlich ü« 7.50. Morgen-AusgaVe. MpMr TiWblalt Anzeiger. ÄMtsbkall des Köittglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Aathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Mittwoch den 6. Juli 1898. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem RrdactionSstrlch l4ge» spalten) 50-^, vor den Familiennachrichtea (kgespalten) 40-^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichaiß. Tabellarischer und Ztffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuiig 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Iinnahmetchluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 92. Jahrgang. Staat, Seamtenthum und Sociatdernokratie. LS Nachdem der Erlaß des Staaissecretairs von Podbielski über die Postbeamten und die Socialdemokratie mannigfach be sprochen worden war, meldete bekanntlich ein in Hamburg er scheinendes Bhitt, daß von höchster Stelle aus ein entsprechender Erlaß an die gesammte Beamtenschaft ergehen werde. Die „Freisinnige Zeitung" weiß dazu nichts Anderes zu sagen, als daß ein solcher Erlaß nicht in Einklang mit den Entscheidungen des preußischen Oberverwaltungsgerichtes über die Wahlfreiheit der Beamten zu bringen sein würde. Die „Freis. Ztg." verwechselt bei dieser Auslastung offen bar Wahlfreiheit mit Agitationsfreiheit. Die erstere könnte nur durch eine Verfassungsänderung beseitigt oder eingeschränkt werden, nicht aber durch einen kaiserlichen Erlaß. Ein solcher kann keine Controke der Beamten bei ihrer geheimen Stimmabgabe einführen, sondern lediglich auf das offene Eintreten von Beamten für die Umsturz partei sich beziehen, das von der Reichsverfastung keineswegs garantirt ist und nicht garantirt sein kann, weil eine solche Garantie im schroffsten Gegensätze zu dem Wesen des Beamten- thums stehen würde. Was macht denn den Beamten aus? Es wäre doch eine sehr subalterne Auffassung, eine Auffassung, die man sicherlich nicht einmal als fortgeschrittener Liberaler haben darf, wenn man an nehmen wollte, die Pflicht des Beamten wäre damit er schöpft, daß er seine bestimmte Anzahl von Stunden in seinem Bureau thätig ist, und wenn man allenfalls außerdem noch verlangte, daß der Beamte nicht stiehlt oder keinen Ver trauensbruch begeht. In einer Rede des Fürsten Bismarck vom 14. März 1885 sind in Bezug auf die nationale Frage und die nationale Pflichterfüllung die herrlichen Worte enthalten: „Für mich, meine Herren, ist cs eine Frage, die an jedem Tage und in jeder Stunde mir oft mit hundert Beziehungen entgegen tritt, die mir den Schlaf, die Ruhe am Tage raubt und mich dazu treibt, hier in meinem hohen Alter an die Beantwortung von Reden das Bischen Athem zu sehen, das mir noch übrig bleibt. Das ist eben die Liebe zu meiner Nation, die Liebe zu meinem Vaterlande." Es soll nun gewiß nicht von einem Gerichtsschreiber oder einem Postassistenten verlangt werden, daß er des Abends in seinem Stübchen darüber nachdenke, wie wohl das deutsche Vaterland zu retten sei; es würde dabei auch recht wenig herauskommen. Wohl aber kann von ihm verlangt werden, daß er auch außerhalb seiner dienstlichen Pflichterfüllung sich als Beamter fühle und daß er danach nicht nur seine Lebens weise, sondern auch seine Denkweise einrichte. Das Empfinden, daß er im Dienste des Staates, d. h. im Dienste der Allgemeinheit steht, soll ihn auch in seinen Mußestunden nicht verlassen. Es ist nur angemessen, wenn dieses Empfinden ihm ein gewisses Selbstbewusstsein verleiht, aber es versteht sich auch, daß dies Empfinden auch alle seine ausserdienstlichen Handlungen durch weht. Deshalb verlangt Jeder, und nicht in letzter Reihe gerade der Radicalismus, dass der Beamte in seinem ausserdienstlichen Leben makellos sei. Vor allen Dingen aber muss doch wohl mit seiner Stellung als Diener der Allgemeinheit eine Handlung in Einklang zu bringen sein, bei der er zu seinem Theile auf die Gestaltung der Geschicke deS Staates einen Einfluß ausllbt. Es ist daher schon etwas Widersinniges, wenn ein Beamter, dessen ganze Lebensthätigkeit darin bestehen soll, dem Staate zu dienen und ihn zu stützen, von seinem Wahlrecht insgeheim in dem Sinne Gebrauch macht, daß er den Staat untergraben, die Fundamente des staatlichen Lebens und der bestehenden Ge sellschaft erschüttern hilft. Vollends ist es widersinnig, wenn er auch Andere zu verführen sucht, das Gleiche zu thun. Gewiß soll dem Beamten nicht benommen sein, eine politische Anschauung zu haben, aber eine solche Anschauung, die seinem Berufe direct zuwider läuft, darf er nicht haben. Jeder wird wohl zugeben, daß ein G e i st l i ch e r, der aufhört, an ein göttliches Wesen zu glauben, seine Stellung als Geistlicher niederlegen muß. Thut er es nicht, ruft er auf der Kanzel einen Gott an, an den er nicht glaubt, so wird man ihn mit Recht einen Heuchler nennen. Ganz dasselbe ist mit einem Beamten der Fall, der etwa zu socialdemokratischen Anschauungen gelangt und sie offen bethätigt. Es ist nicht ehrlos, zu einer solchen Welt auffassung zu kommen, aber es ist ehrlos, dann nicht einsehen zu wollen, daß es nicht möglich ist, auf der einen Seite sein Leben dem Dienste des bestehenden Staates zu widmen und von ihm lebenslängliche Versorgung zu fordern, auf der anderen dahin zu arbeiten, diesen Staat zu zerstören. Kommt ein Beamter zu dem Conflicte zwischen seinem Berufe und seiner politischen Lebensanschauung, so mag man ihn von ganzem Herzen bedauern, aber das entbindet ihn nicht der Pflicht, die Consequenzen aus diesem Conflicte zu ziehen, d. h. aus dem Staatsdienste auszutreten. Thut er es nicht, so ist er ein Heuchler, ein Ehrloser. Wer aber ehrlos ist, kann nicht im Dienste des Staates thätig sein. Denn wer als Beamter angeftellt ist, soll durch seine Ehrenhaftigkeit allen anderen Staatsbürgern als gutes Beispiel voranleuchten. Nicht also nur deshalb, weil er seinem Dienste zuwider handelt, sondern, weil er der für den Beamten erforderlichen Ehrenhaftigkeit ermangelt und kein Vertrauen verdient, kann ein Beamter von socialdemokratischer An- schauungs- und Handlungsweise im Staatsdienste nicht geduldet werden. Verlässt er den Staatsdienst nicht freiwillig, so muß er daraus entfernt werden, und zwar der Ehrlosigkeit seiner Handlungsweise entsprechend, unter den schärfsten Formen, die für die Entlassung eines Staatsbeamten möglich sind. Man mag einen Erlaß, der den Beamten schärfste Strafe für den Fall androht, daß sie der Socialdemokratie mehr oder minder öffentliche Handlangerdienste thun, für überflüssig halten, weil er etwas decretirt, was selbstverständlich ist. Man mag ferner eine Entwickelung bedauern, die dahin geführt hat, dass an einen derartigen Erlaß gedacht werden muß. Aber man wird unter keinen Umständen der Ansicht beipflichten dürfen, daß ein solcher Erlaß unvereinbar sein würde mit der den Beamten zustehenden Wahlfreiheit. Wenn die Verfassung nicht ausdrücklich vorsieht, dass ein Beamter nicht die Freiheit haben dürfe, für eine der Zerstörung des bestehenden Staates sich wid menden Partei zu wirken, so fehlt es an dieser Bestimmung aus demselben Grunde, aus dem die Solonische Gesetzgebung im alten Athen keine Bestimmung Uber den Vatermord traf. Der weise Gesetzgeber wollte doch wahrscheinlich nicht den Vatermord straf frei wissen, sondern er vermeinte, dieses furchtbare, dem gesunden Sinne unfaßbare Verbrechen könne nicht begangen werden. So ist es mit der Wahlfreiheit des Beamten in der Verfassung. Der Gesetzgeber konnte nicht vorher sehen, daß die Wider sinnigkeit eintreten könnte, daß ein Diener des Staates die ihm verfassungsmäßig verliehene Macht offen und ungescheut wider den Staat anwenden könnte. Geschieht aber das Ungeheuerliche, so darf dem Staate nicht das Recht verschränkt werden, sich seines Feindes zu entledigen. Die keichstagswM im 15. sächsischen Wahlkreise. -s- Die „Kreuzzeitung" übernimmt in ihrer Nr. 304 vom 2. d. M. dem Organe des sächsischen con- servativen Landesvereins, dem „Vaterland", die Mel dung, daß der für Frankenberg-Mittweida gewählte Abg. Uhlemann „gemäß seinem vor der Wahl abgelegten politischen Glaubensbekenntnisse, der nationalliberalen Fraction nicht beitreten werde, es sei denn, daß die Wähler in ihrer Majorität einmal einen solchen Wunsch hegten. Damit sei diese Frage entschieden, denn daß die conservative Mehr heit der Wählerschaft im 15. Reichstagswahlkreise den Wunsch aussprechen sollte, daß ibr Abgeordneter der nationalliberalen Fraction beitrete, sei doch Wohl ausgeschlossen". Das „Vater land", das im Mai und Juni bis zum Stichwahltage in seinen bezüglichen Wahlmeldungen Herrn Uhlemann stets als »ationalliberal bezeichnet hat, geht von doppelt unrichtigen Voraussetzungen aus, die eines Einspruches bedürfen, nicht weil daS sächsische Parteiorgan, sondern weil die „Kreuz zeitung" in leicht erkennbarer Absicht dieselben weiteren Kreisen zugänglich gemacht hat. Zunächst dürfte eine „conser vative Mehrheit der Wählerschaft im 15. ReichStagswahl- kreise" den vorstehenden, ironisch gemeinten Wunsch auS- zusprechen kaum in Versuchung kommen, weil eS eine solche Mehrheit gar nicht giebt. Tie souveraine Behauptung des „Vaterlands" ist noch kein Beweis, den in unzweideutigster, wenn auch dem „Vaterland" unerwünschter Weise die politische Geschichte des Wahlkreises selbst liefert. Diese ergirbt fol- gendes, ebenso einfaches wie klares Bild: 1871. I. Wahlgang: N.-L. 4509, Soc. 3224, Rp. 2049, zerspl. 24. Stichwahl: Or. Biedermann (N.-L.) 59lO, Soc. 4017. 1874. Vahlteick (Soc.) 7180, N.-L. 6745, zerspl. 17. 1877. vr. Gensel (N.-L.) 9031, Soc. 7328, F. 234, zerspl. 14. 1878. I. Wahlgang: Soc. 6018, N.-L. 4384, C. 4093, zerspl. 1>. Stichwahl: Vahlteich (Soc.) 8711, vr. Gensel 7591. 1881. I. Wahlgang: C. 5057, Soc. 4283, F. 2998, zerspl. 81. Stichwahl: v. Vellmar (Soc.) 7603, C. 7330. 1884. Penziq (N.-L.) 7441, Soc. 7001, zerspl. 18. 1887. Schneider (N.-L.) 15 789, Soc. 7631. zerspl. 8. 1890. N.-L. 1182l, F. 578, Schmidt (Soc.) 12665, zerspl. 10. 1893. Ulrich (Reform.) 12 532, Schmidt (Soc.) 12 817, zerspl. 18. 1898. Uhlemann (N.-L.) 12 888, Pinkau (Soc.) 11 898, zerspl. 10, ungiltig 190. Die Zistern sprechen eine überzeugende Sprache. Nachdem der Kreis 1874 wegen Unterschätzung der erstmalig stärker auftretenden Socialdemokratie an diese ver loren gegangen, wird er 1877 durch den national liberalen vr. Gensel znrückerobert. 1878 tritt zum ersten Male eine conservative Candidatur auf und der Kreis geht wiederum an die Socialdemokraten verloren, während man vereint (vergl. obige Stimmenzahl) den nationalliberalen I)r. Gensel sofort durchgebracht haben würde. Das Ver lassen der bisherigen Wege 1881, nämlich die Aufstellung eines Conservativen und die Nichtaufstellung eines National liberalen, zeitigt 2998 freisinnige Stimmen und als Er folg wiederum den Sieg des Socialdemokraten v. Vollmar. Dieser unterliegt l884 gegen den nationallibcralen Penzig, während 1887 der nationalliberale Schneider den Kreis mit Erfolg vertheidigt und hält. In der Depression des Jahres 1890 siegt der Socialdemokrat; der Versuch 1893, mit dem Antisemiten Ulrich-Cbemnitz den Kreis wieder zu erobern, schlägt fehl und erst einem gemäßigten Candidaten, dem nationalliberalen Rentner und Friedensrichter Uhlemann, gelingt cs, obwohl er durch Krankheit gehindert ist, den Wahlkampf zu führen, den Socialdemokraten zu schlagen, weil man in der Wahl deS Candidaten sehr richtig an die alten Traditionen des Kreises anknüpfte. Wenn trotzdem das „Vaterland" eine „conservative Mehr heit" im Wahlkreise für sich in Anspruch nimmt, so wird eS dafür viele Gläubige nicht finden. Weiler aber wiederholen wir, was von uns bereits unterm 28. Juni mitgetheilt war, daß Herr Uhlemann in jener Vertrauensmänner-Versammlung im December v. I. in Cbemnitz, in welcher ihm die Candidatur angetragen wurde, offen erklärte, er stehe auf dem rechten Flügel der nationalliberalen Partei. Hiermit, sowie mit den weiteren Entschließungen des Herrn Uhlemann wird sich das „Vaterland" abfinden müssen, dessen Vorstoß besser unterblieben wäre. Wenn dasselbe Blatt übrigens an anderer Stelle seiner Nr. 26 hervorhcbt, daß die conservative Partei die National liberalen überall in selbstloser Weise unterstützt habe, so ist das dankbar empfunden und anerkannt worden. Es ist dagegen wohl nur ein Versehen des „Vaterland", wenn cs kein Wort davon zu sagen weiß, daß den Conservativen die gleiche selbstlose Unterstützung der nationalliberalen Partei zu Theil geworden ist, ohne welche die conservativen Erfolge doch wohl weniger günstig gewesen wären. Wir hätten lebhaft gewünscht, daß die Art der Berichterstattung und Polemik im „Vaterland" uns nicht Veranlassung zu vor stehenden Ausführungen gegeben hätte; sie waren in der Abwehr notbwendig, um nicht unrichtige Auffassungen Platz greifen zu lassen. Deutsches Reich. 1f Berlin, 5. Juli. Die socialdemokratische Presse ergeht sich in Klagen darüber, daß verschiedene Ver besserungen in der Unfallversicherung, welche in den seinerzeit an den Reichstag gebrachten Novellen enthüllen waren, noch nicht Gesetz geworden sind. Neuerdings ist dies wieder mit der Ausdehnung der Versicherung auf häusliche und andere Dienste der Fall. Die socialdcmokratische Presse schiebt die Schuld daran auf den „Widerstand der Industriellen" und die „Schwächlichkeit der Regierung". Wie immer stellt diese Presse auch hier die Thatsachen auf den Kopf. Weder die Industriellen noch die Regierungen haben dasScheitern derUnfall- versicherungsnovellen, in denen sich diese und andere, den Ar beitern nützliche Neuerungen befanden, verschuldet, sondern die Socialdemokratie und die mit ihr in der Frage zu sammenhaltenden anderen Parteien des Reichstages. Die Re gierungen haben in der Tagung von 1896/97 dem Reichstage die Novellen, die eine langdauernde und schwierige Vorarbeit nöthig gemacht hatten, doch nicht zum Spaß unterbreitet, sondern weil sie deren baldige Inkraftsetzung wünschten. Die Social demokratie hat die letztere verhindert dadurch, daß sie ganz unsinnige, den Charakter der jetzigen Unfallversicherung völlig verändernde Forderungen, wie die der Aushebung oder Ver kürzung der Carenzzeit, stellte. Wenn die Arbeiter also ver schiedener Annehmlichkeiten, wie beispielsweise — außer der Versicherung der häuslichen Dienste — des Nentenbezuges auch innerhalb der ersten dreizehn Wochen nach erfolgter Heilung, nicht theilhaftig sind, so haben sie sich dafür lediglich bei den Herren Socialdemokraten und den zu ihnen haltenden Reichstags parteien zu bedanken. Das werden auch die schönsten Künsteleien der socialdemokratischen Presse nicht aus der Welt schaffen können. /S Berlin, 5. Juli. Der Vorstand des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands wird der Haupt versammlung folgenden Antrag vorlcgen: „Die Jahres versammlung wolle zustimmen, daß der Vorstand bei dem Bundesratb und dem Reichstag dahin vorstellig wird, nach stehende Bestimmung der Gewerbeordnung an geeigneter Stelle hinzuzusügen: „Erzeugnisse des Gartenbaues aller Art, als Blumen, Pflanzen, Gemüse, Obst, Bäume, Sträucher, Sämereien und Blumenzwiebeln dürfen im AuctionS- wege nur in einem Umkreise von 15 km von ihrem Productionsorte vertrieben werden." In der Be- gründnngdesAntrages wird ausgefübrt, daß die vorzwei Jahren beschlossene Aenderung der Gewerbeordnung durch eine No velle, welche das Feilbieten von Bäumen, Sträuchern rc. im Umherzieben verbietet, die Erwartungen der Gärtner nickt habe. Auktionen ausländischer Pflanzen rc. würden unter Umgehung deS Gesetzes nach wie vor abgeballen. Die Ab sicht der Gesetzgeber, minderwerthige, nicht mehr gesunde Waare von dem Vertriebe auszuschlicßen, werde nicht er reicht. Mit denselben Wirkungen schädigten große Pro- Der Kampf um den 90. Grad. Die skandinavischen Polarex-cdttioncn im Jahre 18S8. Von vr. Hart Hildebrandt. Nachdruck verboten. Stockholm, Anfang Juli. Dem rastlosen Wettstreit um die Erschließung der hohen Arktis scheint nach langen Decennien fruchtlosen Zuwartens end lich die Aussicht auf siegreichen Erfolg zu winken. Wissenschaft liche Speculation und sportlicher Wagemuth haben sich ver bündet, um durch Unternehmungen großen Stiles den kühnen Traum dreier Jahrhunderte zu verwirklichen. Niemals, so lange das Problem des 90. Grades die gelehrte Welt beschäftigt, hat sich ein gleich großer Kreis von Forschern zusammengefunden, um auf einheitlicher Grundlage, wenn auch mit verschiedenen Mitteln, zu dem gemeinsam erstrebten Ziele zu gelangen. Nicht weniger als vier große und verschiedene Hilfsexpeditionen schicken sich in diesem Augenblicke an, den rastlosen Kampf um die arktische Sphinx mit neuem Muthe, neuen Kräften und neuen Erfahrungen aufzunehmen. Es läßt sich nicht leugnen, daß durch die reichen Ergebnisse der Nansen'schen und Sverdrup'schen Fahrten sowie die ohne Beispiel dastehende That Andree 's ein frischer, zuversichtlicher Zug in die praktische Polarforschung gebracht worden ist. Langsam und zielbewußt schiebt sich der Kreis der geographischen Forschungspioniere nach dem Norden vor. Sind auch nach dem Riesenerfolge des Jahre» 1895 noch im Ganzen mehr denn 400 Kilometer Wegstrecke in dem Dunkel der ewigen Polarnacht verhüllt geblieben, so wird auch hier die Zeit nicht mehr fern sein, wo der letzte Schleier der hohen Arktis fallen muß. Zwei der vorerwähnten Expeditionen haben ihre Vor bereitungen bereits soweit abgeschlossen, daß sie dieser Tage den einleitenden Theil ihrer Ausgabe in Angriff nehmen konnten. Wissenschaftlich am bedeutsamsten kennzeichnet sich das Pro gramm der sogenannten Gradmessungs-Expedition des Univer- sitätslectors Jaederin in Upsala, deren Instandsetzung von schwedischen und russischen Behörden gemeinsam garantirt worden ist. Der leitende Gedanke dieses Unternehmens gipfelt im Wesentlichen darin, durch Meridian-Gradmessungen die äußere Form des nördlichen Polgebietes, vor Allem das Ver- hältniß der Abflachung der Erdkugel festzustellen. Die hiermit in Verbindung stehenden geodätischen Fachfragen beschäftigen die geographische Forschung seit mehr denn 150 Jahren. Schon im Jahre 1736 unternahm nämlich der Schwede Anders Celsius eine ähnliche Meridianmessung, und zwar in der Höhe des nördlichen Polarkreises. Das Ergebniß jener Unter suchung bestand darin, daß allerdings die sphäroidische Form der Erdkugel nachgewiesen werden konnte, doch reichte das gewonnene Material nicht aus, um über die Abflachung der Erdoberfläche an den Polaxen nähere Anhaltspuncte zu gewinnen. Seitdem ist durch die unermüdliche Entdeckungsarbeit der schwedischen Forscher Chydenius, Torell und Freiherr v. Norden- skjöld das Triangelnetz bis weit in die Regionen des Eis meeres vorgeschoben worden, so daß die jetzt abgehende Jae- derin'sche Gradmessungs-Expedition relativ leichte Arbeit haben wird, um die umfangreiche Aufgabe erschöpfend zu lösen. Die schwedische Regierung hat zur Durchführung des groß artig angelegten Planes den Betrag von 150000 Kronen zur Verfügung gestellt; außerdem wurde dem Commandanten der Expedition die Befugniß ertheilt, das zum Marineverbande ge hörend« Minenschiff „Ran" für die Eismeerfahrt zu ver wenden. Der „Ran" ist zu diesem Behufe einer durchgreifenden Baurevision unterzogen und mit allen erforderlichen Hilfs instrumenten ausgerüstet worden. Die Begleitmannschaft er gänzt sich außer dem Führer Lector Jaederin aus zwei wissen schaftlichen Beiräthen, nämlich vr. Carlheim-Gyllen- skjöld und Amanuensis Zeipel, ferner dem Chef des Fahr zeuges, Capitain Palma, sowie einer ganzen Reihe von er fahrenen Eismeerjägern, Küstenlotsen und Hochseefischern, letztere vorwiegend von norwegischer Nationalität. Als Ver treter der russischen Regierungsbehörden nimmt ein höherer Generalstabsofficier, Oberstlieutenant Schoultz aus Peters burg, an der wissenschaftlichen Expedition Theil. Obwohl, wie erwähnt, der „Ran" im Augenblick als actives Fahrzeug der schwedischen Kriegsflotte angehört, hat König Oskar verfügt, daß während der Dauer der Expedition nicht die unionelle Orlogsflagge, sondern nur die Farben des königlichen „Svenska KexelsüUsknp" geführt werden, um keinerlei Zweifel über den rein wissenschaftlichen Charakter des Unter nehmens aufkommen zu lassen. Da nämlich als Hauptziel der Jaederin'schen Expedition die Insel Spitzbergen genannt ist, so war auf russischer Seite allen Ernstes die Befürchtung laut ge worden, die skandinavische Union wolle die geodätischen Messungen dortselbst nur als Vorwand benutzen, um auf Spitz bergen die schwedisch-norwegische Flagge zu hissen. Mit Rück sicht hierauf erschien es keineswegs unangebracht, daß die schwe dische Regierung, der in Wirklichkeit alle anderen Absichten näher liegen als ein, Occupation des entlegenen und unbewohnbaren Polararchipels, sich beeilte, jedem zweideutigen Schein durch eine ehrliche Maßregel vorzubeugen. Die Arbeiten der Jaederin'schen Expedition sind im Ganzen für dieses Jahr nur als eine Re- cognoscirungsfahrt größeren Stiles gedacht. Die eigentlichen Gradmessungen werden erst nach voraufgegangener Sondirung des Observationsgebietes im Sommer nächsten Jahres vor sich gehen; die Gesammtdauer der Fahrt dürfte drei Jahre betragen. Aufgaben von mehr praktischer Bedeutung hat sich die zweite schwedische Polarexpedition gestellt, welche in den letzten Tagen des Mai d. I. von Gothenburg aus in See ging. Diese Expedition, welche unter der Leitung des bekannten ark tischen Forschers Professor N a t h o r st aus Stockholm steht, hat für ihre Zwecke einen eigenen norwegischen Walfänger, den „Antarktik" von Arendal, gechartert und gedenkt namentlich die geographischen, biologischen und physikalischen Verhältnisse in der Umgebung des großen Polararchipels von Franz-Joselfsland zu studiren. Als Specialauftrag ist den Zoologen der Expe dition der Auftrag geworden, eine möglichst vollständige Samm lung der hocharktisckxn Thierwelt zusammenzubringen, die nach Rückkehr der Polarfahrer dem berühmten Biologischen Museum in Stockholm überliefert weiden soll. Man hegt die Hoffnung, daß ein großer Theil dieser werthvollen Ausbeute auf der selten betretenen Insel „König-Karls-Land" gewonnen werden kann. Die Nathorst'sche Expedition hat sich zunächst nach der nord schottischen Küste gewandt, um von dort aus, östlich an der Farör-Gruppe vorbei, seine Observationen bis nach Spitzbergen fortzusetzen. Im Fahrwasser von Spitzbergen angelangt, wird man nordöstlichen Curs nehmen und die einzelnen Theile des Archipels vor dem Spitzbergen?! Archipel näher untersuchen. Aehnliche Ziele verfolgt auch die unter Ausrüstung befind liche Eismeer-Expedition des Dänen A m d r u p. Dieser hat sich die Nordküste Grönlands zwischen Angmagsalik und Cap Brewstor als Ausgangsgebiet für seine Untersuchungen gewählt. Geographisch ist jener Theil des neuen Kontinents vollständig unbekannt; die Beschaffenheit der dortigen Meeresverhältnisse, Küstentrift und Golfbewegung bedarf der Aufklärung; es liegt sogar die begründete Vermuthung vor, daß man in jenen welt verlorenen Breiten auf menschliche Ansiedelungen durch noma- disirende Eskimos stoßen wird. Die Fauna ist verhältnißmäßig reichhaltig und bietet den bedürfnißlosen Bewohnern der Eis region jedenfalls überreichliche Nahrung. Lieutenant Amdrup, der von einem ganzen Stab wissenschaftlicher Specialisten be gleitet sein wird, glaubt, daß die Expedition einen Zeitaufwand von mindestens 4—5 Jahren beanspruchen wird. Die vierte nordische Expedition, die Ende Juni die Reise nach dem Eismeer antrat — die von Sverdrup, dem Be gleiter Fridhjof Nansen's, befehligte — ist vielleicht die bisher bekannteste unter den diesjährigen Polarfahrten. Auch sie hat sich als nächstes Ziel das nördliche Grönland erkoren. Eine un mittelbare Erschließung des 90. Grades liegt zwar nach Angabe des Capitains Sverdrup nicht im Rahmen des Expeditions programmes, indessen dürfte diese Behauptung doch wohl aum xcrano nolis zu nehmen sein. Meister Sverdrup ist ein zu erfahrener Polarkenner, um nicht zu wissen, daß ein ehemaliger Mißerfolg nicht leicht gut zu machen ist, und daß cs immerhin wohlgethan erscheint, erst in aller Ruhe das Terrain zu recog- nosciren, um sodann das größere Ziel einer directen Polfahrt von den gänzlich unbekannten Grenzdistricten Nord-Grönlands aus ins Äuge zu fassen. Da gleichzeitig der Amerikaner Pcary mit einem verwandten Plane vorgehen wird, so ist es nicht ohne Interesse, gerade diese kongruenten Bemühungen um die Ein deckung des Nordpole» mit Aufmerksamkeit zu verfolgen, nach dem die von der asiatischen Küste ausgehenden Versuche auf eine Erschließung der höchsten arktischen Breiten bisher völlig versagt haben.
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