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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.07.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-07-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980707012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898070701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898070701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-07
- Tag1898-07-07
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Größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Taris. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe. ohne Postbesörderung ^l 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen stad stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 338. Donnerstag den 7. Juli 1898. 82. Jahrgang. Ferienreisen für arme Linder. Beim Herannahen der großen Schulferien tritt Wohl an jeden Vater die Frage heran: Was fängst Du mit Deinen Kindern in den Ferien an'? Wer tief genug in den Beutel kommen kann, für den ist ja die Beantwortung dieser Frage sehr einfach: er nimmt seine Kinder mit in seine eigene Sommerfrische, ins Gebirge oder an die See, damit sie ein mal aus dem ewigen Einerlei herauSkommen, neue Menschen und Gegenden sehen, neue Eindrücke sammeln und damit sich die von der Hast des Schul- und GroßstadtlebenS doch mehr oder weniger aufgeregten Nerven wieder beruhigen. WaS tbut aber der Arme, bei dem eS nicht einmal so weit reichen will, daß er sich selbst einen kleinen Urlaub gönnen kann, geschweige denn, daß er daran denken könnte, seinen Kindern einmal eine kleine Verändernng zu verschaffen? Und dabei sitzt die Liebe zu seinen Kindern beim Armen unter Um ständen tiefer als beim Reichen, auch ist er sich in den aller meisten Fällen darüber völlig klar, daß seine Kinder unter ungünstigeren Verhältnissen in der Großstadt leben müssen, als die Kinder der Reichen, oft in ungesunden Wohnungen, bei unzu reichender Kost, ohne Gelegenheit, sich im Freien genügend her- umzutummeln, und daß sie die Wohlthat einer Ferienerholung uöthiger bätten, als die Kinder seines wohlhabenden Brod- Herrn. Wie die Sachen jetzt in vielen Städten liegen, muß er es fast als einen Vorzug ansehen, wenn er ein schwäch liches oder kränkliches Kind hat. Denn für diese wird ge sorgt durch Feriencolonien, die in eine gesund gelegene Gegend fern von der Großstadt entsandt und in denen die Kinder einer systematischen Körperpflege unterworfen werden, und wer das Glück hat, sein kränkliches Kind in eine solche Ferien- colonie ausgenommen zu sehen, der kann fast mit Sicherheit darauf rechnen, daß es gekräftigt an Leib und Seele daraus zurückkommt. Den gesunden Kindern aus den unteren Ständen blüht nichts Derartiges. Sie müssen meist während der Ferien hübsch zu Hause bleiben, denn auch die Kosten für Spaziergänge, wie einzelne Lehrer sie in größeren Städten während dieser Zeit mit Kindern zu unternehmen pflegen, und wobei die Kinder am Abend stets wieder nach Hause zurückkehren, sind die Eltern oft nicht im Stande, auf zubringen. Und doch wird jeder Unbefangene die Folgerung ziehen müssen: wenn schon für schwächliche Kinder so gut gesorgt wird, die doch im Allgemeinen weniger Anwartschaft darauf haben, daß sie dereinst den Stürmen des Lebenö gewachsen sein werden, so müßte doch eigentlich noch mehr gethan werden für solche Kinder, die mit einer besseren Gesundheit auSgestattet sind und auch mehr Aussicht haben, sich dereinst durch da^ Leben durchzukämpfen und bei denen also, wenn man die Sache rein statistisch betrachtet, die Wahrscheinlich teil größer wäre, daß sie die für ihre Zukunft gemachten Auf wendungen später einmal der Gesellschaft durch nützliche Dienste würden vergelten können, als bei schwächlichen. Man käme dann also zu dem Schlüsse, daß auch für gesunde Kinder aus den ärmeren Ständen eine entsprechende Fürsorge während der Ferien einzutreten hätte. Nur wäre eS woh kaum das Richtige, wenn man sie in bestimmten Ferien quartieren casernirte und sie von da aus täglich Ausflüge machen ließe, am Abend aber immer wieder in dasselbe Quartier zurückführte, wie dies bei den Feriencolonisten geschieht. Bei diesen thut man es, weil der Hauptzweck des Aufenthaltes in der Feriencolonie, die Stärkung der schwächlichen Gesundheit, in Frage gestellt werden würde, wenn man täglich mit dem Standquartier wechseln wollte. Da gegen für gesunde Kinder soll der Curzweck gar nicht als Hauptaufgabe gestellt werden: er fällt vielmehr gewisser maßen als ein Nebenprodukt von selbst mit ab. Ihnen darf man die naive Zuversicht zu ihrer Leistungsfähigkeit gar nicht so verkümmern, wie eS geschehen würde,-wenn man sie behandelte wie kränkliche oder schwächliche Feriencolonisten. Sie sollen vielmehr in der Regel — die gleichwohl nicht ohne Ausnahme zu sein braucht — jeden Tag mit dem Standquartier wechseln, weil sich erst bei dieser völligen Losgelöstbeit von einer bestimmten Heimstätte das volle Herrengefühl deö Gesunden einstellt, der auf nichts vertraut, als, wie Dell, „auf Gott und die gelenke Kraft", für sie wäre also daS Richtige nicht der Aufenthalt in einer seßhaften Colonie, sondern die unendlich viel reizvollere freizügige Wanderschaft, allerdings erzieherisch geregelt und überwacht. DaS wäre zugleich für den kleinen Wanderer die rechte Mischung zwischen Erholung und Arbeit; denn dem gesunden Kinde darf man auch in den Ferien eine angemessene Arbeit zumuthen, und es hieße solche Wanderschaft schlecht aus- nutzen, wenn man sie bloS als Erholung betrachten wollte. Sie will eben so sehr unter dem Gesichtspunkte betrachtet sein, daß auf ihr ein Kind viele werthvolle Kenntnisse sammeln kann und, wenn eS mit guten Gefährten zusammen reist, auch Gelegenheit findet, im Verkehr mit ihnen und mit den freniben Leuten, mit denen eS die Reise in Berührung bringt, den eigenen Charakter herauSzuarbeiten, der eigenen Art froh zu werden und doch auch wieder die Grundlage für eine gerechte Würdigung der fremden Art zu gewinnen. Sowohl für diese Vermehrung der Kenntnisse, wie für die Bildung des Charakter» schafft jede solche Reise Verhältnisse, wie sie günstiger gar nicht gedacht werden können. Werden nun gar solche Reisen innerhalb des heimathlichen Lande« unternommen, so wird auf diese Weise noch ein weiterer Zweck erreicht, den jeder Vaterlandsfreund nur auf das Lebhafteste wird begrüßen müssen: es ist das eine Vertiefung der Heimathliebe, die als gesunde und natürliche, durchaus realistische Grundlage für die Liebe zu unserem großen und herrlichen deutschen Vaterlande, gewissermaßen als Vorhof zum Allerheiligsten eines jeden deutschen Menschen, gar nicht hoch genug geschätzt werben kann. Die Liebe zum deutsche» Vaterlande nimmt, da ihr naturgemäß vielfach die sinnliche Grundlage fehlen muß, im deutschen Gemüthe gar leicht jenen verschwommenen, schwärmerisch-sentimentalen Zug an, der Deutschland bei unseren angelsächsischen Vettern den ironisch angehauchten Namen des katlwrlauä eingetragen hat. Es gicbt kein besseres Gegengewicht gegen diese verschwommene Schwärmerei, als wenn wir in unseren Kindern eine leiden schaftliche Liebe zur Scholle der engeren Heimath wecken, wobei unsere Zuneigung stets von ganz konkreten Einzel eindrücken bestimmt wird, die wir selbst erlebt und uns unter Umständen mit rechtschaffener Anstrengung erarbeitet haben. Solche und ähnliche Erwägungen sind eS gewesen, die eine Anzahl angesehener Männer und Frauen unserer Stadt bestimmt haben, zu einem Ausschüsse zusammenrutreten, der die nöthigen Mittel für Verwirklichung solcher Reisen herbei schassen will. Als Theilnehmer solcher Reisen sind also in Aussicht genommen gesunde Kinder aus solchen Familien der unteren Stände, die ihren Kindern Wohl gern eine Ferien reise gönnen würden, aber nicht im Stande sind, ihnen die Mittel zu einer solchen zu gewähren, für die es vielmehr vielleicht schon ein großes Opfer ist, wenn sie die Kinder für die Reise mit der erforderlichen Kleidung und all den kleinen Nöthigkeiten auszurüsten haben, die ein gerechter Reisender eben doch braucht. Die Kinder sollen den beiden letzten Schuljahren der Bezirksschulen entnommen werden, und zwar den acht Bezirksschulen in der inneren Stadt, weil man von der Annahme ausgeht, daß sie im Allgemeinen am meisten den Verkehr mit der freien Natur entbehren müssen. Wenn es irgend angeht, soll die Tbeilnahme nicht bloS auf Knaben beschränkt sein, sondern es soll — zunächst nur versnchswcise — auch eine Reise für Mädchen eingerichtet werden. Die Reisen selbst sollen im Wesentlichen Fußreisen sein (bis auf Hin- und Rückfahrt), sollen das Erzgebirge zum Ziele haben, je etwa 10 Tage umfassen, und es sollen ferner je 10—12 Kinder unter Obhut eines reiseersahrenen LebrerS (bez. einer Lehrerin) tehen, die sich einer Hilfskraft (die Lehrer einen Seminaristen) ^u ihrer Unterstützung mitzunehmen hätten. DaS Nacht quartier soll im Allgemeinen täglich wechseln, jedoch ohne daß daraus ein unbedingtes Muß wird; giebt eö einmal an einem Orte besonders viel zu sehen, so soll an dem betreffenden Orte auch länger geblieben werden dürfen. Der Lehrer wäre elbstverständlich für die — vom großen Publicum nicht selten unterschätzte — Mühe und Verantwortung der Reiseführung angemessen zu entschädigen, der Seminarist sollte wenigstens reie Reise haben. Es ist ein Bogen in Umlauf gesetzt, auf dem gütige Zeich nung von Mitteln zu bewirken ist. Nach dem Betrage der verfüglichen Mittel wird eS sich richten, welche Ausdehnung dem gemeinnützigen Unternehmen wird gegeben werden können. Der Ausschuß würde sich freuen, wenn eine rege Betheiligung an der Zeichnung ihn in den Stand setzen würde, recht vielen armen Kindern die Wohlthat einer solchen verständig ge leiteten Frrienreise zukommen zu lassen. Und somit sei das junge Unternehmen wohlwollender Beachtung herzlich empfohlen! Die Berichte der preußischen Gewerbe-Aufßchtsbeamten für das Zahr 1897, die soeben der Oeffentlichkeit übergeben werden, enthalten an sich schon socialpolitisch und volkswirth- schaftlich außerordentlich werthvolles Material. Dieses Mal kommt hinzu, das sie außerdem auch nocb die ausführlichen Antworten bringen aus drei wichtige Fragen, welche den Auf sichtsbeamten vom Reichskanzler vorgelegt worden sind und die Festsetzung eines sanitären MaximalarbeitStageS betreffen. Diese Fragen beziehen sich auf tz 120 o Absatz 3 der Ge werbeordnung, wonach durch Beschluß deS Bundesrathes für solche Gewerbe, in denen durch übermäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wird, Dauer und Beginn der zulässigen täg lichen Arbeitszeit und der zu gewährenden Pausen vorgeschrieben und die zur Durchführung dieser Vor- sckristen erforderlichen Anordnungen erlassen werden können. Bisher sind Bestimmungen solcher Art bereits getroffen für Walz- und Hammerwerke, Drahtziehereien mit Wasserbetrieb, Glashütten, Cichorienfabriken, Steinkohlen-, Zink-, Bleierz- Bergwerken nnd Cokereien, Rohzuckerfabriken und Zucker raffinerien, Hechelräume, Phosphorzündholzsabriken, Blei farbe-, Cigarren- und Gummiwaarenfabriken, Ziegeleien, Spinnereien, Bäckereien und Conditoreien, Buchdruckereien und Schriftgießereien und für Confection und Wäschcfabriken. Theilweise ist in diesen Betrieben eine wöchentliche Arbeits zeit festgesetzt, theils die Ruhezeit zwischen den Arbeits schichten festgesetzt. Die Fragen, die der Reichskanzler gestellt hat, lauten: 1) In welchen Gewerben sind Wahrnehmungen gemacht worden, die den Erlaß weiterer Vorschriften auf Grund des 8 120e Abs. 3 der Gewerbeordnung — Einführung eines sanitären Maximal arbeitstages — erwünscht erscheinen lassen? — 2) Worin bestehen diese Wahrnehmungen? — 3) In welcher Zeit wären Arbeitszeit und Pausen in den betreffenden Gewerben zu regeln? Die einzelnen Berichte haben darauf, zum Theil sehr ein gehend, geantwortet. Das Ergebniß ist, daß für folgende fünfzig Betriebsarten ein Maxim alarbeitsta g in Anregung gebracht wird: Accumulatorensabriken, Anilinsabriken, Bleinitritsabriken, Blei« hütteuarbeit, Bleiweiß- und Bleizuckersabriken, Brenner in Ziegeleien, Ceinentfabriken, Chemische Fabriken, Chlorgassabriken, Cigarrcn- sabriken, Tecatur- und Appreturanstalten, Farbenfabriken, Feilen fabriken, Flachsspinnerei, Gasanstalten, Glasbläser, Gummifabriken, Hasenhaarschneidereien, Heizer und Maschinisten, Holzschraubcu- sabriken, Jutespinnerei, Carbonisiren, Korkmullerei, Lackirer, Löche reien, Lumpensortiranstalten, Maschinenfabriken, Meiinigesabriten, Metallschleiserei, Methylfabriken, Mtlitaireffectensabriken, Müllerei, Naphtolfabriken, Ofenfabriken, Oelmühlen, Phosphorzündholzsabriken, Salpetersäurefabriken, Schleifereien, Schncidergewerbe, SchodLy- fabriken, Schuhmachergewerbe, Schweselsäurefabriken, Sulsofabriken, Tobaksabriken Textilindustrie, Thomasjchlackenmühlen, Verzinnungs-, Verzinkungs-, Vernickelungsanstalten, Ziegeleien, Zink- und Gelb gießereien und Zündholzfabriken. Die directe Einführung einer täglichen achtstündigen Arbeitszeit wird beantragt für folgende 21 Betriebsarten: Blechlöthereien, Bleiweißfabriken, chemische Fabriken, gesundheits chädliche Betriebe, Explosivstoff - Fabriken, Feilenfabriken, Gas anstalten, Gefrierhallen, Glasbläser, Kachelbrenner, Malzdarren, Melasseentzuckerungs-Anstalten, Metallschleifereien, Nitritarbeit, Por zellanbrenner, Relortenarbeiter, Roburitsabriken, Säuresabriken, nasse Thonstiche, Verzinnungs-, Verzinkungs», Vernickelungsanstalten, Ziegelbrenner, Zuckerrassinerien. Ein sechs st ündiger Maximalarbeitstag wird vor geschlagen für: Accumulatorensabriken, Aescherarbeit, Bleifarben- und Vleizucker- fabriken, Bleinitritsabriken, Mennigefabriken, Nitrobenzolfabrikatiou, Ofenfabriken, Phosphorzündholzsabriken. Eine fünfstündige Arbeitszeit schließlich wird beantragt für Gummifabriken; eine zwei- bezw. 1^/, stündige Arbeitszeit für Gummifabriken, welche mit Schwefelkohlenstoff arbeiten. Hierbei ist allerdings zunächst zu beachten, daß die Vor schläge, welche die Festsetzung der Arbeitszeit auf acht und weniger Stunden in Anregung bringen, fast durchweg nur in einem Bericht, dem für den Regierungsbezirk Potsdam, gemacht werden, der vorstehende Fragen besonders eingehend unter Anführung reichlichen TabellenbeiwerkeS behandelt, Ferner ist zu berücksichtigen, daß über sehr viele der ge nannten Betriebe sich nur einzelne Gewerbebeamten äußern, was besagen will, daß bei der vorgeschlagenen Einführung einer Maximalarbeitszelt sehr unterschieden werden muß, je nach der Art und Einrichtung des Betriebes. Gerade, was diesen letzteren Punct anlangt, so ist die Gefahr für die Gesundheit der betreffenden Arbeiter außerordentlich ver ringert, fast auf Null reducirt, wo ihnen geräumige, lustige, mit sorgfältiger Ventilation und Staubabführung versehene ArbeitSräume zur Verfügung stehen und eine gewissenhafte Aufsicht dafür sorgt, daß auch seitens der Arbeiter selbst alle die Maßnahmen beobachtet werden, die im Interesse ihrer Gesundheit getroffen sind. Zn Folge dessen weichen auch die bezüglichen Wahr nehmungen, die in einzelnen Bezirken gemacht werden, sehr von einander ab, und mehr noch die Rathschläge, die über die Festsetzung der Pausen in den betreffenden Betrieben ge macht werden. Die Ansichten der Gewerbcaufsichtsbeamten über diese Fragen gehen sehr auseinander: so beginnt der bezügliche Abschnitt deS Berichts für Ostpreußen. Zm Bezirk Potsdam sagen alle Berichterstatter, „daß die localen Ver hältnisse und Einrichtung der Fabriken, die sanitäre Handhabung der Betriebe, der Lebensalter der Arbeiter, günstige Löhne, gute Ernährung, gesunde Wohnung wichtigere Rollen bei Beurtheilung deS Gesundheitszustandes der Arbeiter spielen, als übermäßig lange Dauer der Arbeitszeit." Sehr wichtig ist auch daS Ergebniß der Rückfragen bei Kranken- casscnarzten, welche dahm geben, daß es vorläufig nicht möglich ist, die unmittelbaren Gesundheitsschädigungen, welche durch Eigenarten der Gewerbebetriebe verursacht werden, von denjenigen Krankheiten zu sondern, welche zu den Be- rufSthätigkeiten nur in mittlerer Beziehung stehen. Auch fehlt es vorläufig an einheitlichen, seitens der Kranken- cassenärzte innezuhaltenden KrankheitSbezeichnungen für Ge- werbekrankbeiten. Auf der anderen Seite enthalten aber die Berichte auch eine Fülle von Einzelheiten, welche je nach Fenellstsn» Londoner Bilder. Stratzcnlcbcn. Es ist noch früh am Tage. Die Omnibusse bringen hoch beladen die in der City beschäftigten Männer und Frauen nach der Stadt. Wer das Glück gehabt hat, einen Sitz auf dem Deck des Omnibus zu erwischen, freut sich der frischen Luft, die ihn vorläufig noch umweht. Im Omnibus selbst sitzt es sich auf den engen harten Bänken schlecht genug, und man kann es den jungen Damen nicht verdenken, wenn sie ihren Platz auf dem Deck nehmen, wenn sie auch den Tabakqualm aus den kurzen Pfeifen aus erster Hand erhalten. Zeitungsjungen rufen ihre Blätter aus, halten sie, auf lange Stangen gesteckt, dem Omnibus entgegen, geschwind greift der Passagier zu und wirft dem Jungen ein Pcnnystllck zu, von denen man immer in der Westen- oder Billettasche eine ganze Anzahl hat. Diese großen Kupfermünzen sind zwar etwas schwer, aber nicht unbequem. Man richtet sich eben danach die Taschen ein, wie man ja in Oesterreich wegen des Papiergeldes mehr die Brieftasche als das Portemonnaie nöthig hat. Die Läden werden emporgezogen, Geschäftswagen, große mächtige Kasten auf ganz niedrigen Rädern, rollen durch die Straßen, das Geschäftsleben beginnt. Draußen im Osten der City fühlt man den Pulsschlag des Welthandels und bald umfängt uns das wilde Getriebe von Oommorcisl-iroüä. Wir biegen in eine Seitenstraße ein, große alte schwarze Häuser umgeben uns und noch ein paar Schritte weiter, dann sind wir auf dem Judenmarkt. Hier wird Alles gehandelt. Ein fürchterliches Gedränge herrscht. Die nichts weniger als adretten Judenfrauen stehen an den Ständen und feilschen um Fische, Obst und Gemüse. Fliegende Händler drängen sich mit ihren Kästen durch die staunende Menge. Lautes Geschwätz überall, viele deutsche und polnische Laute darunter. Wir sind froh, wenn wir aus diesem mächtigen quirlenden Ge triebe, das uns fast den Athem benimmt, herauskommen und wenden uns zurück, den London Docks zu, um wieder das Centrum der City zu gewinnen. Unaufhörlich pusten die Lo komotiven der Stadtbahnen, um Aldgatestation und Fenchurch- station zu gewinnen. Hier stehen wir inmitten des Colonial- waarenhandels und Mark-Lane und Mincina-Lane lassen das Herz jedes jungen Kaufmannes, der in Rosinen, Kaffee oder Zucker macht, höher schlagen. Hier ist auch das Theeviertel. Ganze Straßen beschäftigen sich fast nur mit dem Theehandel und ein Stück weiter gegen Osten, dem Tower gegenüber, liegt die „Münze", ein altes schwarzes Gebäude mit einem großen Thor. In den Anlagen um den Tower drücken sich müßige Männer und junge Burschen herum und dazwischen blitzen und leuchten die rothen Uniformen einiger Dragoner. Es sind ausgesucht schöne, große, stattliche Männer, diese Soldaten. Das kleine Käppi flott auf dem Kopfe, das Sturmband kurz um den flott gedrehten Schnurrbart schließend, die Reitgerte in der Hand, stehen sie da, lassen ihre scharfen Augen unter den müßigen Leuten umherschweifen, und wenn sie Einen ausfindig gemacht haben, der ihnen zu passen scheint, dann lasten sie sich mit ihm in ein Gespräch ein, ein Gespräch, das nicht selten für den Arbeitslosen von weittragender Bedeutung ist. Es sind Werber, die für die Armee Ihrer Majestät Recruten suchen. Nun gehen wir durch die Lower-Thames-Street, am großen Zollhaus vorüber und besehen uns die mächtigen Placate an den schwarzen Häuserfronten, die in drastischer Darstellung Scenen aus irgend einem Drama enthalten, Dramen, die, je geheimnißvoller und, man kann sagen, blutrünstiger, sind, desto mehr Zuschauer heranlocken. Weiter wandern wird nach Westen, durch die Cannon-Street, an deren Ausgangspunct ein großes, mächtiges, schwarzes Gebäude mit einer mächtigen Kuppel uns anzieht. Es ist die Paulskirche, deren große Formen die umstehenden Häuser zu erdrücken scheinen, die aber selbst durch die beengende Umgebung nicht in ihrer ganzen Großartigkeit zur Geltung kommt. Paternoster-Row zieht uns für einige Augenblicke an. Es ist die Buchhändlerstraße. Das ganze englische Druckgewerbe scheint sich hier ein Stelldichein zu geben, und wer ein Bücherwurm ist, der kann hier bald das Geld, was er für eine Reise in die schottischen Berge aufgehoben, los werden. Nun sind wir in Ludgate-Hill und Fleet-Street, und hier scheint in der That der Verkehr seinen Höhepunkt zu er reichen. Fleet-Street ist ein paar Meter breiter als die sonst engen Straßen der City, aber daS merkt man nicht, unaufhörlich wälzen sich die Menschenwogen, rechts und links, nnd vor der Menge der Omnibusse und Cabs kann man kaum den gegenüber liegenden Bürgersteig sehen. Man kann sich auch nicht lange aufhalten, und dieses fluthende Leben bringt es wohl mit sich, daß man in London verhältnißmäßig wenig auf die Aus stattung der Schaufenster giebt, nur in Oxford-Street, Regent- Street, Quadrant und einigen anderen Straßen finden wir Liebe und Kunst auf die Schaufenster verwendet. Was uns auf den ersten Blick als ein Mangel erscheint, das ist das Fehlen der Pferde- und elektrischen Bahnen, die sich meist auf die breiteren Straßen außerhalb der City beschränken, aber bei der Enge und Winkligkeit der Straßen würden diese Bahnen kaum durchgeführt werden können. Die großen, breiten Straßenzüge und regelmäßig an gelegten Straßen von Westend-City stechen ungemein von den Gassen der City ab. In den letzteren findet man noch recht viel Unsauberkeit; da ist die alte historische Straße Drurylane, wie viel Papier liegt hier herum, Schmutzhaufen in Menge, die alten, lange Zeit nicht reparirten Läden sind nicht die saubersten. Die Stände der Gemüsehändler, Fleischer, Kohlenhändler schieben sich bis auf die Straßen heraus, auch das junge Volk, das sich da tummelt, könnte mehr Seife und öfters den Kamm ge brauchen, aber freilich, viel wird es nicht helfen, denn ein Windsturm wirbelt Staub und Schmutz wieder auf und legt diese beiden auf Gesichter und Hände und auf die ausgestellten Maaren. Hier sieht man oft genug den glänzenden Schein, der das Elend verhüllt, ein großer mächtiger Hut mit Federn und ein Kleid, das unten zerrissen und ausgefranst ist. Das weibliche Geschlecht ist, wenn es nicht den gebildeten Classen angehört, von einer großen Oberflächlichkeit und denkt weniger an den morgigen Tag als an den heutigen. Es liebt auch einen Trunk, weniger gut als v i e l, und man sieht manchmal wankende weibliche Gestalten. Wenn auch in anderen Weltstädten, wie Paris und Berlin, eine gleich« Charakteristik wohl nicht falsch wäre, so drängt sich Einem die Beobachtung hier mehr auf, weil die Wohnungsverhältnisse in London anders liegen und auch die Bars zu öfteren Studien Veranlassung geben. An diesen Bars, den Londoner Kneipen, drängt sich am Schänktisch Alt und Jung, Mann und Weib und trinkt, wenn nicht die Hitze zu groß ist, Branntwein und sogar Portwein in Menge, auch das schwere englisch« Wer wird viel begehrt, im Sommer in dessen nimmt man vorzugsweise ein kräftiges bitteres Bier, zum dritten Theil mit Sodawasser vermischt. Man muß sich erst an dieses lauwarme Gemisch gewöhnen, das zuerst widerlich schmeckt, das aber doch bei glühender Hitze und überhaupt bei dem Klima Londons recht gut bekommt. Am Abend findet man, vorzüglich in den großen Verkehrs straßen des Ostens, fliegende Händler mit Muscheln und einem sülzenartigen Gemengsel, die vielfach großen Zuspruch haben. Dann kann man auch das Volksleben der niederen Classen leicht studiren, denn ein Theil desselben spielt sich auf der Straße ab. Die Polizei kümmert sich wenig um die privaten Vergnügungen des Einzelnen, und wo etwas Platz ist, vielleicht in einer Seitenstraße, pflanzt sich eine große fahrbare Drehorgel auf, und nach ihren Klängen dreht sich nicht nur eine fröhliche Kinder schaar, sondern auch hier und da ein Paar, das die Kinderschuhe ausgezogen hat. Musik liebt der Londoner überhaupt sehr, und es war wohl bedacht, als der „Verein der Londoner Presse" für die vielen Arbeiter, die ihre Mittagsstunde halten, in den Parkanlagen an der Themse in der Nähe des „Temple" Mittags Musik ein richtete. Die Preßband ist recht gut geschult und das eng gedrängte Publicum dankbar. Auch hier finden wir deutsche Musik in jeder Weise bevorzugt. Wagner und Eilenberg, Mendelssohn und Fahrbach wechseln mit Strauß ab. Hin und wieder finden sich Auber, Rossini und Verdi und die englischen Nationalcomponisten Balfe und Sullivan. Am Nachmittage, gegen 5—6 Uhr, erreicht der Verkehr seinen Höhepunct. Die in der City Beschäftigten strömen und fahren nach Hause, wenn sie nicht vorziehen, eine Musikhalle oder ein Theater zu besuchen. Sogar auf London-Bridge wird es etwas ruhiger. Der Fremde wendet sich nach den Hauptstraßen der Westend-City, nach den großen Varißt^theatern, und der Deutsche besonders nach Piccadally oder Leicester-Square, denn hier be finden sich in der Glaßhouse-Street ein Pschorrbräu und in Coventry-Street das Spatenbräu. Hier in dieser Gegend ent wickelt sich auch das sogenannte Nachtleben, wie es sich in der Berliner Friedrichstraße abspielt. Mil seinem milden Lichte bescheint der Mond das internationale Treiben, die Laternen werfen ihr Licht auf die prächtigen Toiletten der wandelnden Damen und Shakespeare scheint auf seinem Standbilde am Leicester-Square in olpmpischer Ruht sein Lustspiel zu dichten: „Wie es Euch gefällt!"
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