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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.07.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980722015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898072201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898072201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-07
- Tag1898-07-22
- Monat1898-07
- Jahr1898
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Wie Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-AuSgabe Wochentags um 5 Uhr. Nedaclion und Lrpedition: Johannes,affe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh S bis Abend» 7 Uhr. Filialen: ttto Klemm's Sortim. (Alfred Hahn), UniversitätSstraße 3 (Paulinus), LouiS Lösche. Katharinenstr. 14. Part, und KönigSplah 7. VezrrgS'Prel? Ai der tzauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich^4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins HauS 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandsendung inS Ausland: monatlich 7.50. Morgen-Ausgabe. KipMer TaMalt Anzeiger. Amtsblatt des Aönigkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nattzes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. AnzeigeN'PretS die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 ge spalten) 50 xj, vor den Familiennachrichtea (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- ve^eichniß. Tabellarischer und Zisfernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgrn-Ausgabe, ohne Postbeförderung -Zl 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Iinnahmeschlüß für Anzeigen: .Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Margen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein« . halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polj tu Leipzig Montag den 22. August 1898. 92. Jahrgang. 423. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. ZwanaStnnung für das Sattlcrhandwerk betr. Bon der Sattler-Innung für Leipzig ist beantragt worden, anzuordnen, daß innerhalb des Bezirkes der Stadtgeineinde Leipzig sämmtliche Gewerbtreibende, welche das Sattlerhaudwerk ausüben, der neu zu errichtenden Sattler-Zwangsinnung angehörcu müssen. Von der Königlichen Kreishauptmannjchast mit der kommissarischen Vorbereitung deren Entschließung beauftragt, mache ich hierdurch bekannt, daß die Aeußerungen für oder gegen die Errichtung dieser Zwangsinnung schriftlich oder mündlich in der Zeit vom 24. bis 30. August 1898 bei mir abzugeben sind. Die Abgabe der mündlichen Erklärungen kann während des an gegebenen Zeitraumes, werktäglich von 10 bis 12 Uhr Vor mittags und 3 bis 5 Uhr Nachmittags in den Diensträumen Les Gewerbepolizeiamtes, Brühl 80, I. Obergeschoß, Zimmer Nr. 7, erfolgen. Ich fordere hierdurch alle Handwerker, welche im Bezirke der Stadtgemeinde Leipzig das Saltlerhandwerk als Hauptberuf be- treiben, zur Abgabe ihrer Aeußerung mit dem Bemerken aus, daß nur solche Erklärungen, welche erkennen lassen, ob der Erklärende der Errichtung der Zwangsinnung zustimmt oder nicht, gültig sind, und daß nach Ablauf des obigen Zeitpunktes eingehende Aeußerungen unberücksichtigt bleiben. Leipzig, den 19. August 1898. Ter Kommissar. VI. 10710. Or. Schmid. Donack. Darlehnsgesuch. Die Schulgemeinde Groitzsch beabsicht zum Ankäufe eines Schul bauplatzes, zur Abstoßung eines älteren Darlehns und zum Neubau eines Schulgebäudes ein größeres, in 40 bis 50 Jahren rückzahl- bares Darlehn auszunehmen, von welchem ein Theilbetrag von 17 000 ./( (Bauplatzkaufgelder u. s. w.) bereits am 1. October 1898 benöthigt wird, während die in ihrer Höhe noch nicht genau bestimmten Schulbaugelder im Lause des Jahres 1899 erhoben werden sollen. Darlehnsangcbote werden vom unterzeichneten Schulausschusse baldigst erbeten. Groitzsch, am 12. August 1898. Ter SchnlanSschusr. Bürgermeister Rüliug, Vorsitzender. Städtebilder aus Sachsen. Wurzen. (Fortsetzung.) Das schrecklichste Elend brachte der dreißigjährige Krieg über Wurzen. Anfänglich kam die Stadt glimpflich weg. Erst im Jahre 1631 kamen die Kaiserlichen und haben, wie cs in einer alten Chronik heißt, dem Bürgermeister Sebastian Keyselitz auf 300 Gulden Bier ausgesoffen. Die unsäglichsten Qualen und Marter aber brachte das Jahr 1637 über die arme Stadt Wurzen. Gleich zu Anfang des Jahres kamen die Schweden und erpreßten von der Bürgerschaft eine Summe von 12 000 Rthlr. Bis zum 7. April hausten sie in Wurzen und verübten Greuelthaten, wie sie die Geschichte kaum schrecklicher kennt. Die furchtbarsten Qualen hatten die Bewohner auszu stehen, es ward weder Kind noch Greis verschont, insonderheit hatten Frauen, Jungfrauen und Mädchen unter der entmenschten Rotte unsägliches Elend zu erleiden. Die Woche vor Ostern war eine Marter- und Kreuzwoche im wahrsten Sinne des Wortes. Bevor die Schweden die Stadt verließen, zündeten sie dieselbe an verschiedenen Enden an und trieben die geängsteten Bewohner in die flammenden Gebäude. Einer Riesenfackel gleich beleuchtete die brennende Stadt den Abzug der Schweden. Aus dem Flammenmeer heraus ragte der Thurm der Wenzes- lauskirche und die beiden Domthürme. Die Chronik berichtet, daß nur vier Häuser in der Stadt verschont blieben, vor der Stadt blieben noch etliche kleine Häuser stehen, sonst war Alles ein rauchender Trümmerhaufen. Wurzen, das vor dem Brande 5500 Einwohner zählte, hatte nach demselben noch 500, 1500 Einwohner waren entflohen, 3500 hatten also bei diesem Greuel ihr Leben und Hab und Gut lassen müssen. Nachdem sich die zerstörte Stadt bis 1643 einigermaßen wieder erholt hatte, traf sie durch die Torstenson'schen Schaaren in diesem Jahre abermals eine schreckliche Plünderung. Die Braupfannen, die 1637 verschont geblieben waren, mußten herhalten, auch wurden alle noch vorhandenen Scripturen ge raubt; auch das Jahr 1644 brachte Bedrückungen und Plün derungen aller Art. Unterm 26. Juni berichtet der Rath an den Kurfürsten über das Schicksal der Stadt. Unterzeichnet ist dieser Bericht: „Der Rath und durch 24 Plünderungen zu Grund verderbete Inwohner daselbst." Weitere Heimsuchungen brachte das Jahr 1645. Stadt und Amt Wurzen mußten täglich 500 Pfund Brod, ein Faß Bier, 50 Pfund Fleisch und zehn Scheffel Hafer nach Meißen schaffen. Am 21. Juni mußten für die durchmarschirende kurfürstliche Armee 4000 Pfund Brod, acht Faß Bier, vier Rinder, 80 Scheffel Hafer und ein guter Trunk Wein für die Generalität nebst anderen Bictualien geliefert werden. Der heiß ersehnte Friede brachte endlich der verarmten und an allen Orten ge ängstigten Stadt Ruhe. Nicht minder schwere Bedrückungen und Lasten brachte auch der N o r d i s ch e K r i e g im Jahre 1706 über Wurzen. Täglich mußte die Stadt 375 Pfund Fleisch, 500 Pfund Brod, 750 Kannen Bier, 125 Kannen Erbsen und Grütze, 150 Bund Heu, 18 Scheffel Hafer, 31 Scheffel Heckerling liefern. Diese Lieferung währte vom 26. September 1706 bis 22. August 1707; die aufgewandten Kosten für diese lange Lieferung bezifferten sich auf 20 000 Reichsthaler. Die Schweden waren sonst an genehme Leute und es hielten ihre Obersten auf strenge Zucht, so daß die Einwohner nicht weiter groß belästigt wurden. Heber die Lasten des Siebenjährigen Krieges liegen Zahlen nicht vor, dahingegen brachten die Kriege zu Anfang unseres Jahrhunderts abermals schwere Bedrückungen und Einquartirung mit sich. Die Zahl der regelmäßigen Ein- quartirungen — die unregelmäßigen oder unangemeldeten nicht mitgerechnet — betrugen vom April 1813 bis Ende Februar 1814 667 Generale, 22 716 Officiere und 332 224 Unterofficierc und Gemeine. Die Einführung der Reformation geschah im Jahre 1539. Am 12- September 1539 ward LI- Johann Hof mann, der vorher Pfarrer in Thammenhain gewesen war, als erster lutherischer Prediger in der St. Wenzeslaikirchc durch Kurfürst Jyhann Friedrich einqeführt und zwar für die Stadt Wurzen. Im Stift Wurzen fand die Reformation erst 1542 Eingang. Nach den geschilderten Verwüstungen und Bedrückungen, die die Stadt Wurzen im Laufe der Jahrhunderte trafen, hätte man wohl annehmen können, daß die Stadt nach und nach dem gänz lichen Verfalle hätte anheim fallen müssen, dem ist aber nicht so gewesen. Aus den Trümmern der Verwüstung erhob sich immer und immer wieder eine neue, besser ausgebaute Stadt, deren Bewohner mit bewunderungswürdiger Thatkraft die alten Beziehungen zum In- und Auslande wieder herstellten, worin sie durch die weit- und umsichtige Stadtverwaltung und durch die landesväterliche Fürsorge unterstützt wurden. Zum Auf blühen der Stadt trug deren günstige geographische Lage wesent lich bei; denn eine der wichtigsten Handelsstraßen Sachsens, ja ganz Deutschlands, führt durch Wurzen und hier über die Mulde. Zu diesem günstigen Umstande gesellte sich auch noch der, daß in Wurzen die Industrie von Alters her einen festcnSitz hatte. Als ältesten Industriezweig kann man die Bierbrauerei bezeichnen. Von dem Wurzener Biere berichtet Schöttgen in seiner „Historie der kursächsischen und Stifts-Stadt Wurtzcn" Folgendes: „Dieses Bier nun wird weit und breit verführet, und von hohen und niedrigen Personen gern getrunken, hat auch der Stadt einen ziemlichen Namen gegeben, wie man denn in vielen Reisebeschreibungen, und anderen geographischen Büchern von derselben anderes nichts, als das gute Bier gemeldet findet. Es ist auch in der That nicht allein ein wohlschmeckendes, sondern auch ein ge sundes Bier. Von dem ersten giebt wohl die benachbarte Stadt Leipzig, die man in diesem Stücke als eine sorgfältige Mutter der Stadt Wurtzen ansehen kann, ein unverwerfliches Zeugniß, als woselbst es von vielen Leuten, sonderlich aber auch von denen Musen-Söhnen mit großem Appetit getrunken wird. Und da man sonst einem Biere, daran man nur die geringsten Tadel weiß, gleich einen Namen anzuheften pflegt, so hat doch dieses dergleichen noch niemals bekommen. Was die Güte desselben anbetrifft, so zeugen die, so es recht wohl kennen, daß es der menschlichen Gesundheit gar gute Dienste thun soll. Sonderlich ist es gar etwas gutes wider den Stein, indem diejenigen, die es trinken, nicht leicht über dergleichen Beschwerungen klagen werden, in denen aber, die ihn allbereits haben, führet es sowohl den Grieß als die Steine glücklich ab." Um 1547 kam die Bier steuer auf. In diesem Jahre wurden in Wurzen 600 Ge bräude Bier gebraut und hierzu 24 000 Scheffel Gerste ver wendet. Es gab damals zehn Brauhäuser in Wurzen. Dieser Zweig der Wurzener Industrie hat sich bis auf den heutigen Tag blühend erhalten. Die Lage Wurzens an der wasserreichen Mulde ließ natur gemäß hier schon vor Jahrhunderten die Mühlen industrie sich entwickeln. Die sogenannte Stadtmühle ward von Bischof Johann von Weißbach erbaut, die andere von dem Bischof Johannes von Sahlhausen. Beide Mühlen gehörten ehemals den Meißnischen Bischöfen, 1568 pachtete der Rath beide Mühlen mit fünfzehn Gängen auf zwölf Jahre. Gegen wärtig bestehen in Wurzen zwei große Mühlenunternehmungen unter den Namen „Wurzener Kunstmühlenwerke und Biskuit fabriken" und „Wurzener Dampfmühlen-Actiengesellschaft, vor mals Gust. Schönert". Das erstere Unternehmen ging 1886 aus dem Besitze der Firma F. Krietsch in den Besitz einer Aktiengesellschaft über, dos Aktienkapital betrug 2 250 000 c/^, das zweite Unternehmen ward am 1. September 1887 mit einem Aktienkapital von einer Million Mark in ein Actienunternchmen umgewandelt. Beide Anlagen sind so großartig, daß sie täglich 6000 Centner Getreide vermahlen können. Durch die Biskuit fabrikation (F. Krietsch) ist der Name der Stadt Wurzen in der gesammten civilisirten Welt rühmlichst bekannt geworden. In neuerer Zeit hat sich auch die Metallindustrie in Wurzen in hervorragender Weise eingebürgert. Eine der be deutendsten Fabriken in dieser Branche ist die Eisen gießerei und Maschinenfabrik von G. A. Schütz. Dieses Unternehmen befaßt sich hauptsächlich mit der Herstellung von „Kompressoren". Diese Kompressoren finden Verwendung beim Verdichten von Kohlensäure, Sauerstoff, Wasserstoff, Luft u. s. w. und werden in Bergwerken zum Betriebe von Gesteins bohrmaschinen, zur Ventilation, in der chemischen Industrie zu verschiedenen Zwecken, in den Kohlensäurefabriken zum Flüssig machen der Kohlensäure verwendet. Die Erzeugnisse dieser Fabrik sind auf dem ganzen Erdenrund anzutreffen. Es werden Kompressoren hergestellt, die einen Werth von 40 000 '->2 und ein Gewicht von 900 Centnern haben. Einen gleich guten Ruf hat sich auch die Maschinenfabrik von Richard Klinkhardt zu erringen gewußt; an Umfang ist sie der von G. A. Schütz gleich, sie befaßt sich hauptsächlich mit der Her stellung von landwirthschaftlichen Maschinen, mit ihr ist Kesselschmiede«! und Eisengießerei verbunden. Ferner hat die „SächsischeBronzewaarenfabrit"in Wurzen ihren Sih. Dieselbe stellt hauptsächlich Beleuchtungskörper für Gas und elektrisches Licht her; neuerdings hat sie auch die Herstellung von Beleuchtungskörpern für das Acetylengas in den Bereich ihrer Thätigkeit gezogen. Durch die Gediegenheit ihrer Fabri kate, durch die Eleganz derselben hat sich genannte Fabrik einen Weltruf erworben und die Prachtgcbäude in aller Herren Länder erstrahlen im Glanze der Produkte, die in der „Sächsischen Bronzewaarenfabrik" erzeugt wurden. Außer diesen Fabriken giebt es auch noch solche für landwirthschaftliche Maschinen, für Drahtseile und Elevatorbecher. Auch der Bau von Bedarfs und Luxuswagen hat in Wurzen Einführung gefunden. Neben der Metallindustrie strebt auch die Papier industrie rüstig aufwärts. Im Jahre 1840 entstand in Wurzen eine Tapetenfabrik, sie ist die drittgrößte und älteste unter den deutschen Tapetenfabriken und steht in Bezug auf Leistungsfähigkeit, Eleganz und Preiswürdigkeit ihrer Pro ducte sicherlich an der Spitze dieser Industrie. In ihr werden Tapeten fabrizirt, von denen die Rolle — 0,5 Meter breit und 8 Meter lang— bis zu 17 kostet. Seit dem Jahre 1880 hat die Papierindustrie in Wurzen einen ganz bedeutenden Aufschwung genommen; denn in diesem Jahre ward die F a brikation von Cartonnagen in erweitertem Maßstabe Feuilleton. Moderner Heiratsschwindel. Allerhand Indiskretionen. Von vr. Paul Rochs / Nachdruck verboten. Das Bürgerliche Gesetzbuch, das am 1. Januar 1900 in Kraft tritt, droht einer geschäftlichen Einrichtung gefährlich zu werden, die von dem Einen als socialer Krebsschaden, von dem Anderen als nothwendiges Uebel angesehen wird, nämlich den vielen, zu meist üppig florirenden Heiraths-Vermittelungsbureaux. Das Bürgerliche Gesetzbuch bestimmt in 8 656 ausdrücklich, daß „durch das Versprechen eines Lohnes für den Nachweis der Gelegenheit zur Eingehung einer Ehe, oder für die Vermittelung des Zu standekommens einer Ehe eine Verbindlichkeit nicht begründet wird." Das heißt also aus dem Juristischen ins Allgemein verständliche übertragen, daß künftighin der Heirathsvermittler die ihm versprochene Provision nicht einklagen darf, und daß er das Nachsehen hat, wenn der glückliche Bräutigam oder die glück liche Braut ihm schnöde den Lohn dafür verweigern, daß er sie so schön zusammengebracht hat. Es ist keine Frage, daß dadurch die ganze, gegenwärtig be stehende Praxis der Heirathsvermittelung ins Wanken gebracht wird, und den Heirathsbureaux wird nichts Anderes übrig blei ben, als sich vom Jahre 1900 ab, andere „Geschäftsusancen" zu zulegen, durch die sie der Bestimmung des Bürgerlichen Gesetz buches ein Schnippchen schlagen. Die Absicht des Gesetzes ist es wohl gewesen, die gewerbsmäßige Heirathsvermittelung ganz aus der Welt zu schaffen, Weik sic unmoralisch ist. Aber gelingen wird ihr dies leider wohl kaum, weil die Zahl derer, die nicht alle werden, namentlich unter den Heirathslustigen eine recht bedeutende ist. Und die Speculation auf die Dummheit der Menge hat sich ja stets recht gut rentirt. Es ist ein weiter Weg von jenen ersten, staatlicher Aufsicht unter stehenden Heirathsbureaux, die in Frankreich bald nach der Re volution gegründet wurden, um junge Bürger und Bürgerinnen „pour I«? bvn motik" mit einander bekannt zu machen, bis zu den heutigen, großen, internationalen Vermittclungsinstituten, die aus der Ehe ein Geschäft machen. Viele dieser Institute be treiben den Schwindel e-n sros, und wenn man unter den vielen Heirathsgesuchen der Zeitungen eines findet, in welchem eine eben so viel Schönheit als Millionen besitzende junge Amerika nerin — es sind merkwürdiger Weise fast immer Amerikanerin nen — einem vermögenslosen Manne Herz und Hand därbietet, so kann man fast immer sicher sein, daß ein Schwindelbüreau die betreffende Annonce hat einrücken lassen. Ein solches Schwindelbüreau ist z. B. die von London aus ihr Unwesen treibende „Freundin an allen Orten". D'esc „Freundin" ist eine ebenso verschmitzte, wie gefährliche Dame, der sogar die Ehre zutheil wurde, vom deutschen „Reichsanzeiger" al» eint höchst zweifelhafte Person denuncirt zu werden. Wir können uns deshalb um so» unbedenklicher das Vergnügen ge statten, das Geschäftsgebaren dieses unter so vertrauenerwecken dem Namen auftretenden Instituts näher zu beleuchten. In einer der großen Zeitungen erscheint in möglichst auf fälliger Schrift folgendes Inserat: „Junge, hübsche Amerikanerin, 22 Jahre, Halbwaise, die sich zur Zeit in Europa aufhält, mit einem disponiblen Ver mögen von 400 000 <^, wünscht sich zu verheirathen. Näheres durch Mss. Berger, 17 Lichfield Grove, London." Wer auf dem Heirathsmarkt einigermaßen Bescheid weiß, merkt sofort, daß er es hier mit einer Schwindelannonce zu thun hat. Aber die Zahl der „Wissenden" ist gering im Verhältniß zu der Zahl derer, welche in dem Wahne leben, daß es einer Amerikanerin trotz ihrer Jugend, Schönheit und ihrer disponiblen 400 000 absolut unmöglich ist, einen Mann zu finden, und daß sie sich deshalb der hilfreichen Vermittelung von Miß Berger in London bedienen muß. Dutzende von Briefen gehen in Folge dessen nach London ab, in denen die Heirathslustigen in mehr oder weniger glühenden Worten der schönen Amerikanerin Herz und Hand anbieten. In athemloser Spannung wartet man die ersten acht Tage, denkt in der zweiten Woche schon recht resignirt an die verloren gegangenen 400 000 und hat die ganze Heirathsaffaire fast vergessen, als man in der dritten Woche ein duftiges Briefchen aus London erhält mit folgendem Inhalt: Sehr geehrter Herr! Ihren Brief vom 12. ds. habe ich meiner Auftraggeberin übersandt. Da von den vielen eingegangenen Offerten die Ihrige einen besonders Vertrauen erweckenden Eindruck machte, hat die betreffende junge Dame Ihnen auch sofort geschrieben. Um so mehr wundert es mich, daß Sie es nicht der Mühe für Werth gefunden haben, der Dame zu antworten, und sich eine Sache entgehen ließen, die für Sie so überaus günstig lag. Ich ersuche Sie aber ebenso höflich als dringend um Rück sendung der dem Briefe beigegebenen Photographie. x Hochachtungsvoll Frau M. Berger, Bonkdirectorswittwe. Der Heirathslustige merkt natürlich nicht, daß es sich hier um einen GeschäftStric der Frau „Bankdirector" handelt, er ant wortet postwendend, daß er keinen Brief erhalten habe, und auch in Folge dessen keine Photographie zurücksenden könne, und ver sichert mit dem Ausdrucke des lebhaftesten Bedauerns über die ihm einstmals so nahen und jetzt so fernen 400 000 die Frau pp. Berger seiner größten Hochachtung. Umgehend erhält er ein zweites Schreiben aus London, in welchem Frau Berger eben falls lebhaft bedauert, daß „gerade dieser Brief" verloren gehen mußte. Leider sei in der Sache nichts mehr zu machen, aber sie habe ein anderes „noch günstigeres Offert" zur Verfügung und bittet um Antwort, ob sie ihm nähere Mitthrilungen darüber zu kommen lassen solle. Dieser zweite Brief der Frau verwittweten Bankdirector ist diesmal nicht zart und duftig, sondern auf dünnem Geschäfts papier geschrieben und mit einem gedruckten Zettel beklebt, der folgendermaßen lautet: ' „Ich beantworte jede an mich gerichtete Frage und erledige jeden Auftrag so gut als möglich. Jedoch kann Niemand meine Thätigkeit umsonst verlangen, und Zeit ist Geld. Jede Stunde Zeit hat für mich den Werth von 5 bis 20 ckk, und Sie können durch entsprechende Honorarbeilagen selbst be stimmen, wie viel Zeit und Mühe ich auf Ihre Angelegenheit verwenden soll. Das Mindesthonorar für jeden Brief beträgt 3 ess. Unhonorirte Briefe bleiben unbeant wortet." Der Vermerk, daß unhonorirte Briefe unbeantwortet bleiben, ist besonders fett gedruckt und prangt als warnendes Menetekel in auffälliger rother Schrift noch besonders auf jedem Brief bogen. Diese nachdrückliche Betonung des Grundsatzes, daß tinav mone.v ist, macht unseren Hcirathscandidaten zwar für einen Augenblick stutzig, aber die Aussicht auf eine glänzende Partie läßt sein Bedenken bald schwinden; er schreibt einen dritten Brief an die Frau Bankdirector, nicht ohne demselben dreißig Zehnpfennigmarken beizulegen — „Briefmarken aller Länder werden bereitwillig in Zahlung genommen" — und bittet um nähere Mittheilungen bezüglich des anderen „noch günstigeren Offerts". Es entspinnt sich nun ein regelrechter Briefwechsel zwischen der „Freundin an allen Orten" und dem Hcirathscandidaten, der nach einem halben Dutzend Briefen — immer L 3 — endlich in den Besitz des „Materials" des Institutes kommt und die Bedingungen kennen lernt, unter denen „gearbeitet" wird. Nachdem zuerst in einem gedruckten Formular des Langen und Breiten die Nützlichkeit der Heirathsbureaux im Allgemeinen und der „Freundin an allen Orten" geschildert wird, nicht ohne daß «in Seitcnhieb ausgctheilt wird auf die zahlreichen Schwindclinstitute, welche reelle Geschäfte, wie das der Bank director Berger, nur discreditiren, werden die Geschäftsprincipien unseres Institutes klargelegt. Die „Freundin an allen Orten" hat, wie es da heißt, mehr als 40 000 (!) Korrespondenten in allen Weltgegenden, welche dem Institut über geeignete Heiraths- partien Mittheilung machen. Darunter befinden sich 12 000 Damen aus den „besten Gesellschaftskreisen", welche dem Institut die „Sachen in der den Umständen entsprechenden Form durch führen helfen". Um den Anschein größtmöglicher Diskretion zu erwecken, ist die Einrichtung getroffen, daß keine Namen bei der Kor respondenz genannt werden. Jede mit dem Institute in Ver bindung stehende Person erhält vielmehr ein Korrespondenz Zeichen, so daß für das Institut Fräulein Soundso nur noch Fräulein und Herr Soundso Herr VUr ist. Je nack der Größe ihres Vermögens sind die Damen in „Sphären" ein getheilt. Vermögen bis zu 20 000 rangiren in Sphäre L, von 20 000—40 000 in Sphäre 8, von 100 000 —300 000 in Sphäre V, von 1—2 Millionen in Sphäre I', und so fort bis zur Sphäre II, in welche alle heirathslustigen Damen kommen, die über 4 Millionen Vermögen besitzen. Hat man nun Lust, in eine dieser Sphären hineinzu- heirathen, so genügt es natürlich nicht mehr, diesen Wunsch auf einem mit dreißig Zehnpfennigmarken versehenen Bogen Ausdruck zu geben. Will man mit dem Institut in „feste Geschäfts verbindung" treten, so muß man schon einen tieferen Griff in den Beutel thun. Bevor die „Freundin an allen Orten" ihre menschenfreundliche Thätigkeit weiter ausübt, ist nämlich die Erlegung des sogen. „Correspondenzhonorars" nöthig, das laut Prospect zur Bestreitung der „Spesen, Reisekosten, Repräscn tation und sonstiger zur Sache gehöriger Hilfsmittel" dient. Je nach der Sphäre, in der man seine Zukünftige sucht, ist die Höhe des Correspondenzhonorars natürlich verschieden. Es beträgt für Sphäre nur 20 -kk, für Sphäre v bereits 100 und für die 4-Millionen-Sphäre 1000 c/k. Zu diesem Kor respondenzhonorar kommt dann noch das sogen. „Abschluß honorar", und dieses wird bei Beträgen bis zu 50 000 ckk mit 5 Proc., bis zu 1 Million mit 4 und über 1 Million mit 3 Proc. berechnet. Man sieht, die „Fruendin an allen Orten" ist nicht gerade billig, und es müßte ein gutes Geschäft sein, wenn jährlich auch nur einige Millionenheirathen zu Stande gebracht würden. Wenn! . . . Gerade ein Blick in die Damenliste genügt für den nicht vollständig mit Blindheit Geschlagenen, um zu erkennen, daß er es hier mit einem groß angelegten Schwindel zu thun hat. Damen in der Sphäre I) — also mit einem Vermögen von 100 000—300 000 — bilden die Ausnahme in dieser Liste, dagegen sind die Millionairinnen so stark vertreten, daß allein die eine dem Schreiber dieses vorliegende Liste deren 183 auf weist. Ich greife ein paar „Chiffren" aus der Damenliste heraus. Da heißt es z. B.: Vlxi. Mitteldeutschland. 19 Jahre. Katholisch. Tochter eines Schiffsrheders aus Holland. Mitgift Sphäre L, Erbe 0. Bei paffenden Bewerbern Vermittelung durch die Mutter. Jtn. Bayern. Hochadelig. 25 Jahre. Waise. Liebt das Landleben ohne größeren Gesellschaftskreis. Sphäre 6, eventuelles Erbe 6—II. ^i<j. Deutsch - Amerikanerin. Alleinstehend. 23 Jahre. Sphäre L—I' baar. Betreffende befindet sich auf der Reise nach Deutschland und der Schweiz, und könnte die Sache durch Hilfe der die Dame begleitenden Chaperonne leicht erledigt werden. Es ist unglaublich, wie viel Schönheit, Jugend, Anmutb und Reichthum in dieser Domenliste vergeblich nach einem Monn schmachtet, und wenn auch ein besonderes Maß von Vertrauens seligkeit dazu gehört, um den verlockenden Versicherungen der „Freundin an allen Orten" Glauben zu schenken, so scheint die Schaar der Leichtgläubigen doch immerhin noch groß genug zu sein, um das Geschäft rentabel zu machen. Und nach dem Muster dieses Londoner Schwindelinstituteü wird auch sonst in der Heirathsbranche vielfach gearbeitet, wenn gleich die strengeren Gesetze in Deutschland es zur Unmöglichkeit machen, daß bei uns ein derartiger Schwindel r>n ero« getrieben werden kann. Vorschuß und immer wieder Vorschuß, das ist das Recept, nach dem sie Alle arbeiten, das ist die laute Mahnung, die uns aus jedem Prospect eines Heirathsbureaus in großen Buchstaben entgegentritt. Und so verschieden die Geschäftspraris im Einzelnen auch sein mag, im Punkte des Vorschusses sind sie sich alle gleich. ' ' '
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