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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.07.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980722025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898072202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898072202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-07
- Tag1898-07-22
- Monat1898-07
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Nicht nur die Reklame, die für diese all jährliche Veranstaltung deS KlerikaliSmuS auS Anlaß ihres fünfzigjährigen Jubiläums gemacht wird, geht von den Unter nehmern auS, auch daS „Geschichtliche über die Katholiken tage" weist auf sie zurück. Die Behauptung, daß die Aus stellung deS heiligen Rockes zu Trier im Jahre 1844 eine „großartige Offenbarung des katholischen Lebens" gewesen, sowie die, daß die Forderungen der Würzburger Bischofsversammlung vom Jahre 1848 nur deshalb auf Widerstand gestoßen wären, weil die Regierung von schablonenhaftem BureaukratiSmuS er füllt gewesen sei, sind natürlich im klerikalen Garten gewachsen. Von der Würzburger Versammlung ist in Wahrheit die Constituirung deS politischen UltramontaniSmnS in Deutschland auSgegangen und die Erfüllung der dort erhobenen Forde rungen wäre mit einer Unterwerfung der Staaten unter die Kirche gleichbedeutend gewesen. Durch die Bildung des (Zentrums ist ein Bau erweitert worden, der in Würzburg errichtet worden war. Auch die „Bemerkung", daß den CrefelderVerhand- lungen mit großem Interesse entgegengesehen werden könne, ist selbstverständlich als von „Gänsefüßchen" flankirt zu denken. Interessant wird höchstens sein, was nicht zur Sprache kommt. So z. B. das Schicksal der katholischen Uni versität Freiburg in der Schweiz, die nach der Verdrängung deutscher Gelehrten durch Lehrer von der Sorte der Apostel deS Teufels Bitru thatsächlich zu Grunde gerichtet ist. Die Theilnehmer der vorjährigen Katholiken versammlung in Landshut waren in Hellen Haufen zu dem Sitze dieser Universität gepilgert. Anlaß, der Anstalt zu ge denken, wäre also gegeben. Dennoch wird es nicht geschehen. Hat doch sogar die „Görreögesellschaft zur Pflege der Wissenschaft im katholischen Deutschland", die also „die nächste dazu" gewesen wäre, auf ihrer diesjährigen General versammlung die gänzliche Vernichtung der Wissenschaftlichkeit an der katholischen Hochschule nicht mit einem Worte erwähnt. Auch die Görres-Versammlung war im vorigen Jahre in Freiburg, sie hat sogar ihre Generalversamm lung dort abgebalten und war dahin mit dem Rufe gegangen: Auf nach Freiburg zur Stärkung katholischer Wissenschaft! Die Wissenschaft dort ist zusammengebrochen, und man schwieg, und in Crefeld wird man erst recht schweigen und, obwohl der „Katholikentag" gewohnheitsmäßig auf die auswärtige Politik übergreift, auch ein anderes, wirklich interessantes Thema, nämlich die Ursachen deS Auf standes auf den Philippinen wie überhaupt deS Niederganges Spaniens, nicht berühren. WaS aber auf dem Programm steht, rechtfertigt die Spannung nicht, in die der inspirirte Vorbericht die Welt hätte versetzen mögen. Die angekündigte Reform des Urheberrechts scheint mit aller Vorsicht und nach Anhörung aller Betheiligten ins Leben treten zu sollen. Darauf läßt wenigstens die That- sache schließen, daß der erste Entwurf schon mehrere Monate vor der Einleitung einer parlamentarischen Action den Vertrauensmännern der Negierung zuzegangen ist. Man wird also die Hoffnung anSsprechen dürfen, daß eS sich nicht um eine bloße redaktionelle Aenderung mit Berück sichtigung einzelner Punkte, in denen das Gesetz von 1870 durch spätere internationale Abmachungen überholt ist, drehen wird, sondern die Regierung wird weitergehendrn Wünschen nicht abgeneigt sein. Nun besteht in der deutschen Literatenwelt, soweit sie sich überhaupt mit diesen ihr eigentlich recht naheliegenden Fragen beschäftigt — leider zählen nicht allzuviel Größen der Literatur hierher — seit längerer Zeit eine Strömung, die wohl Beachtung verdient. Einsichtsvoll« Schriftsteller haben auch auf Con greffen bereits Gelegenheit genommen, dies Thema zu behandeln. Unser geltendes Urheberrecht schützt nämlich nur den deutschen Autor vor unbefugtem Nachdruck; Autoren fremder Nationen sind nur insofern geschützt, als mit den betreffenden Staaten Abmachungen (Lileraturverträge) existiren. Literarische Werke aus Staaten, mit denen solche Verträge nicht existiren (z. B. Rußland, Schweden, Dänemark, Türkei». Griechenland, Niederlande, Brasilien u. dergl. m.) können bei uns ohne Weiteres übersetzt und nachgedruckt werden, und umgekehrt. Der Wunsch der literarischen Kreise, soweit diese überhaupt in Betracht komrpen, würde nun dahin gehen, durch daS neue Gesetz einfach alle Geisteswerke vor Uebersetzung, Nachdruck, Dramatisirung, Aufführung u. s. w. zu schützen, möge der Verfasser leben, in welchem Lande er wolle. Der Vorschlag sieht auf den ersten Blick so aus, als ob er rein auf idealen Gesichtspunkten beruhe. Der russische Schriftsteller würde in Deutschland geschützt, der deutsche in Rußland vogelfrei sein. Indessen liegt dem Vorschläge doch ein gesunder Realismus zu Grunde. Wenn wir den ausländischen Autor vor Ausbeutung schützen, so zwingen wir den deutschen Verleger, der ein ausländisches GeisteSwerk verlegen will, sich mit dem Autor abzusinden. Er muß den Autor und auch den Uebersetzer bezahlen, und dadurch wird das aus ländische Product, z. B. der ausländische Roman, der jetzt in unseren Zeitschriften u. s. w. eine große Rolle spielt, vertbcuert. ES werden dann nur noch solche Werke deS Auslandes übersetzt werden, die es werth sind, daß etwas an sie gewendet wird. Der deutsche Autor wird befreit von derSchmutzconcurrenz schlechter Uebersetzungen von auswärtigen Mittelmäßigkeiten, die ja doch im Grunde wieder blos schlechte Nachahmungen unserer eigenen oder französischer Literatur sind. Die deutsche Geistes arbeit steigt dadurch an Werth, an materiellem wie an ideellem, denn der von der Schundconcurrenz befreite deutsche Autor wird sich von entnervender Vielschreiberei fern halten können. Der Beweis für die Richtigkeit dieser Ansicht ist bereits geliefert. Frankreich hat ein solches Gesetz seit 1852, und die französische Literatur und der französischen Schriftsteller stehen geachtet da. Mögen dann immerhin ein paar Preßpiraten in Rußland oder Holland oder sonstwo die fremde Literatur auSbeuten; sie thun eS auf Kosten der Ent wickelung ihrer eigenen Literatur, und das kann unseren Schriftstellern auch nur förderlich sein. UebrigenS ist auch von Vertretern unserer Regierung anzunehmen, daß sie solchen Erwägungen nicht unzugänglich sein wird; so hat z. B. Ge heimer Rath Reichardt vom Auswärtigen Amt bei einer internationalen Verhandlung einmal den Ausspruch gethan: „Nur da« Volk Hal eine Literatur, daS einen kräftigen Urheber schutz hat." Die Verzögerung, welche in der Erledigung des Con- cessionsgesucheS der Hanseatischen Eotontsations-Ge- scüschafl zu Hamburg wegen Organisation eines Siedelungs- Unternehmens in der südbrasttianischen Provinz St. Catharina eingetreten ist, hat in der Presse vielfach zu Mißdeutungen und zu Angriffen geführt, welche sich gegen das Auswärtige Amt oderg gegen den BundeSrath richten. Man glaubte eine gewisse Saumseligkeit dieser Behörden constatiren zu müssen, da da« in Frage stehende ConcessionS- gesuch bereits vom AuSwanderungSbeirath vor mehreren Wochen befürwortet worden ist. In den deutschen Kreisen Südbrasiliens hat sogar kürzlich die Nachricht circulirt, das Gesuch sei abgelehnt worden, und die darob entstandene Aufregung hat zu einer Eingabe an den Kaiser zu Gunsten der erwähnten Gesellschaft geführt. Diese Erregung war ebenso unbegründet, wie es die jetzigen Angriffe gegen die maßgebenden Stellen im Reiche in dieser Angelegenheit sind. Man wird eS der Reichsregierung vernünftiger Weise nicht Übelnehmen können, daß sie auf Grund der Erfahrungen, welche die Deutschen in Südbrasilien in den letzten Iabren vielfach machen mußten, Bedenken trägt, ohne bestimmte Kanteten ein Unternehmen zu concessioniren, das ans eine starke deutsche Auswanderung nach Südbrasilien bastrt ist. Der Reichsregierung erschien e», wie der „Nationalliberalen Corresponvenz" versichert wird, als unerläßlich, zuvörderst Alles zu thun, WaS die Situation der deutschen Auswanderer klarstellen und sichern könnte. In erster Reihe kam dabei vie bessere und straffere Vertretung der deutschen Interessen, bezw. der Interessen der dortigen Deutschen in Betracht. Dieses Ziel wird durch die Vermehrung der Bern fsconsu late und die eventuelle Errichtung eines deutschen General konsulats in Südbrasilien erreicht werden. Bevor dies« Organisation durckgesübrt war, hätte man die Zulassung eines AuSwanderungkunternchmenS mit dem Ziele: Süd brasilien aus jeden Fall und namentlich unter dem Ein druck der neuesten Vergewaltigungen Deutscher in Süd brasilien als einen übereilten Schritt angesehen. Außer dieser Neuorganisation des ConsulatswesenS in Südbrasilien hat die Neichsregierung aber auch Schritte getban, um die Ver hältnisse zu sondiren, welche für Vie Zukunft der deutschen Colonisten in Südbrasilien warten. Die jüngste Anwesenheit des Präsidenten von Brasilien in Berlin dürfte in dieser Richtung außerordentlich nutzbringend verwerthrt worden sein. Das Gedeihen eine- in nationalem Sinne geleiteten Auswanderungsunternehmens nach Südbrasilien läßt sich von der Bejahung der Frage nach der Sicherung des Deutsch- tbums dortselbst heute nicht mehr trennen. Von einer Aenderung in der Stellung der Neichsregierung zu der Aus wanderungsfrage, die in den Motiven deS Auswanderungs gesetzes z« Gunsten der Auswanderung nach Brasilien genommen war, kann keine Rede sein. DaS dürften bereit- die nächsten Wochen lehren. Die Mittbeilungen des Hauptmanns O. Dannenhauer im „Berl. Localanz." über die Art und Weise, wie der Specialberichterstatter des „Berl. Tagebl." Eugen Wolff in China als „Extraabgesandter Deutschlands" sich ein richterliches Amt angemaßt und eine Anzahl deS Mordes verdächtiger Gefangener widerrechtlich befreit haben soll, erregen überall daS größte Aufsehen, zumal da dieselben in dem von uns wiedergegebenen Bericht des Missionar-Ste«i zum größten Theil (von der Gefangenen-Befreiung meldet der Bericht nichts) volle Bestätigung finden. DaS „Berl. Tagebl." ist darob in nicht geringer Verlegenheit und sucht die An gelegenheit als gar nicht der Rede werth hinzustellen. DaS Blatt nennt jene angebliche Gerichtssitzung einen „an sich harmlosen Vorgang, der ungebührlich aufgebauscht zu fein scheine" und beruft sich dabei lediglich auf Herrn Eugen Wolff selbst, der in Nr. 396 deS „Berl. Tagebl." vom 7. d. MtS. wörtlich berichtet habe: „In Henchousu und Tsiatngchon hielt ich mit allen Mandarinen Rücksprache über die Missionarmorde.... Ich habe alle wegen der Missionarmorde zum Tode verurthrilten und ferner dir noch in Untersuchungshaft iu Setten im Kerker sitzenden Verbrecher mir vorführeu lassen und sie in Gegenwart de« k. Freinadenetz ousgesragt." Im Anschluß hieran bemerkt daS „Berliner Tageblatt": „Bon der Abhaltung einer „Gerichtssitzung" und der Freilassung der Mörder durch Eugen Wolff, wozu daS Localblatt den Vorgang verzerrt hat, ist hier keine Rede. Für unsere Leser wird aber selbst verständlich diese directe Schilderung Eugen Wolff,s, der sich übrigens zur Zeit aus einer Erholungsreise befindet, glaubwürdiger sein, als die aus dritter Hand stammende Näubergeschichte des Localblattes." Wie gesagt, sind noch andere glaubwürdige Zeugen für diese „Räubergeschichte" vorhanden, die übereinstimmend mit Hauptmann Dannenhauer melden, daß Herr Eugen Wolff sich als Abgesandter und Vertreter des deutschen Gesandten in China auSgegeben, daß er in Tjasian, auf dem Wege von Peking nach Tjujü zu Gericht über die Verfolger des Pater Dewes gesessen, daß er in Tjüjü dem Mandarin gesagt hat, er solle nach dem Procesie gegen die Mörder der deutschen Missionare fragen und den Mandarin ersuchen, die eigent lichen Mörder einzufangen, daß er sich während des Verhörs als Vorsitzender gerirte (er litt nicht, daß der Mandarin einem Bediensteten etwas iuS Ohr flüsterte) und daß er sich ein vom Mandarinen unterschriebenes Protokoll über die Gerichtssitzung geben ließ. Eugen Wolff giebt ja in seinem Bericht vom 7. d. M. selbst zu, daß er die Verbrecher, wozu er als Privatperson gar kein Recht batte, sich vorführen ließ und sie ausfragte. Kommt nicht noch eine dritte auf klärende und Wolff entlastende Darstellung, so steht die Schuld die „Specialgesaudten" außer Frage. Es würde, wie der „Schwab. Mercur" bemerkt, in Betracht kommen tz 4, Ziffer 3 unseres Strafgesetzbuchs, wonach „nach den Straf gesetzen des deutschen Reichs verfolgt werden darf ein Deutscher, der im Ausland eine Handlung begangen hat, die nach den Gesetzen deS deutschen Reiches als Verbreche» oder Vergehen anzusehen und durch die Gesetze deS Ortes, an welchem sie begangen wurde, mit Strafe bedroht ist". Wolff's Hand jung wird sich im Sinne unsere- Strafgesetzbuchs zunächst dar stellen als unbefugte AuSübuug eines öffentjichen Amts bezw. unbefugte Vornahme einer öffentlichen Amts handlung, also al- ein Vergehen, da- nach tz 132 des deutschen Strafgesetzbuch- mit Gefängniß bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bi- zu 300 bestraft wird. Die weitere Voraus- setzunH des tz 4, daß da- fragliche Vergehen auch an dem ausländischen Orte der Thal mit Strafe bedroht sein muß, würde unzweifelhaft in dem vorliegenden Falle eingreifen, denn eS kann ohne Weitere- als Thatsache an genommen werden, daß eine für die StrasauSübung aller Orten so unentbehrliche Verbotsvorschrist, wie die hier in Frage kommende, besteht. (Die chinesische Botschaft in Berlin aiebt die Auskunft, daß nach chinesischem Recht „wer einen Titel sich anmaßt oder unbefugt ein Amt auSübt, mit Prügel strafe oder Gefängniß bestraft wird". D. Red.) Wie immer die Entscheidung ausfallen möge, so viel kann heute schon gesagt werden, daß bei Ahndung eines solchen Auftreten- auch die Wahrung der hier in gröblicher Weise verletzten Interessen des Reiches al- gewichtiges Moment ia Berücksichtigung kommen muß. Um den Fall in strafrechtlicher Hinsicht erschöpfend zu behandeln, möge übrigen-(nach dem „Schw. M/^) noch erwähnt werden, daß in (idealer) Concurrenz mit der unbefugten Ausübung eines öffent- Forrilletsn. In der Brandung des Lebens. 14s Roman aus dem amerikanischen Westen. Von Theodor Eicke. Nachdruck verbot«». „Ganz recht!" sagte Brant bei sich. Die Antworten bestätig ten seine Annahme so sehr, daß er seine Vorsicht vergaß und dem Mädchen mit seinen weiteren Fragen Vie Antwort gleich in den Mund legte. „Nun nehmen Sie mal alle Ihre Gedanken zusammen, Mary, und erinnern Sie sich an sein Gesicht. Er war ein junger Mensch, nicht wahr? — mit glattem Gesicht und ziemlich mager, mit dicken Augenbrauen, einer geraden Nase und einem Munde, der sich an den Ecken etwas nach unten zieht." „So ist es — ganz genau! Gerade als wenn Sie ihn photo- graphirt hätten, Mr. Brant!" Brant fragte nicht weiter; er steckte einen Dollar in des Mädchens Hand und legte einen Finger auf die Lippen: „Nun sagen Sie aber keinem Anderen etwas davon, Mary. Je eher die Geschichte vergessen ist, desto besser. Ich glaube, ich weiß, wer es war; und wenn ich recht habe, dann war es nur ein dummer Jungenstreich. Also nichts geschwatzt, Mary!" „Da können Sie ganz ruhig sein, Mr. Brant. Von mir soll einer was rauskriegen." Brant dankte ihr und ging zu seinem Zimmer hinauf, wo Mrs. Seeley und Antoine berathschlagten, was man für Schritte thun sollte. „Was meinen Sie, Mr. Brant?" sagte die würdige Dame. „Ich bat eben Mr. Antoine, die Polizei zu benachrichtigen, aber er meinte, wir müßten erst wissen, was gestohlen tst. Wollen Sie mal nachsehen?" Während Brant nachsah und feststellte, daß ihm nur der Re volver und die Flasche Brandy fehlten — wobei er jedoch ver gaß, den Inhalt des Wandschrankes einer Prüfung zu unter ziehen — dachte er darüber nach, wie er die Benachrichtigung der Polizei verhindern konnte. „Es fehlt gar nichts — nicht- von irgend welcher Bedeu tung", sagte er endlich. „Wäre ich an Ihrer Stelle, Mr«. Seeley, so würde ich die Polizei ganz aus dem Spiele lassen. Hätten wir etwas WerthvolleS verloren, dann wäre eS etwas andere»; ober so würden wir nur in die Zeitungen kommen und da würde da» HauS schädigen. Denken Sie nicht auch so?" Mrs. Seeley war zuerst gar nicht einverstanden. Sie konnte sich nicht darein finden, daß in ihrem Hause eingebrochen wor den war, ohne daß sie dabei den Trost hatte, die nachlässige Polizei etwas aufgeklärt zu haben. Doch als Antoine sich den Worten Brant's anschloß, gab sie nach. Ms Brant und Antoine zusammen in die Stadt gingen, stellte Antoine nur ein« einzige Frage, die auf die Angelegenheit Bezug hatte. „Sagen Sie mir doch eins, George", meinte er, „haben Sie Mrs. Seeley den wirklichen Grund angegeben, wes halb Sie die Sache todtschweigen wollen?" „Nein", antwortete Brant, und da er freiwillig sich nicht weiter äußerte, ging Antoine zu etwas Anderem über. „Ich nehme an", sagte er, „daß Sie heute die Suche nach Will Langford fortsetzen wollen." „Allerdings, falls er sich noch nicht zu Hause eingestellt hat. Ich bat Dorothy, mir heute Morgen «inen Brief zu schicken; ist er noch nicht da, so werde ich suchen, bis ich ihn finde." „Schön. Theilen Sie mir doch mit, was sie schreibt, und ich will Alles thun, Jhn«n zu helfen." Dorothy's Brief kam gerade zu Mittag. Er war verzögert worden, schrieb sie, durch die Schwierigkeit, einen Boten zu fin den. Ihr Bruder sei noch nicht zurückgekehrt, und die Lage zu Hause sei sehr traurig. Ihre Mutter sei krank vor Angst, und ihr Vater wolle die Sache durchaus der Polizei übergeben. MrS. Hobart wisse von nichts. Ob Mr. Brant ihr nicht «in paar Zeilen schreiben wolle? Gewiß wollte er dies und that es auch sofort. „Ich war leider nicht im Stande", schrieb er, „in voriger Nacht Ihren Bruder zu finden; aber ich habe den besten Grund, an zunehmen, daß er lebt und wohlauf ist. Ich darf sogar sagen, daß ich mit Jemand gesprochen habe, der ihn noch heute Morgen um neun Uhr gesehen hat. Von dieser Persönlichkeit bekam ich auch einen Wink in Betreff seines Aufenthalts, aber infolge der eigenartigen Natur der Angelegenheit kann sie erst heute Abend weiter verfolgt werden. Ich wiederhole nur, seien Sie guten Muth», und vor allen Dingen halten Sie Ihren Vater mit allen Mitteln davon ab, daß er dir Polizei in Anspruch nimmt." Der Brief wurde durch einen besonderen Boten befördert, und dann verbrachte Brant den Rest des Tages in harter Arbeit über seinem Zeichenbrett. Da die Arbeit zufällig ziemlich mecha nischer Natur war, konnte er dabei seinen Gedanken nachhängen und den Plan für den Abend machen. DaS Verschwinden Will Langford's glaubte er sich jetzt leicht erklären zu können. Har bins hatte ohne Zweifel sein Wort gebrochen und war nach Denver zurllckgrkehrt. Er hatte es fertig gebracht, den jungen Langford wieder in seine Hände bekommen, und hatte mit Hilfe des Alkohols einen Einbrecher aus ihm gemacht. Eins nur war ihm dabei auffällig. Er hatte die leere Brandyflasche neben dem Bette gefunden, und es erschien ihm unglaublich, daß ein so junger Mensch so viel Alkohol in einer Nacht zu sich genommen hatte. So frappirend diese Thatsache auch war, Brant ließ sich dadurch doch nicht von seiner Ansicht abbringen. William Langford war es, der in sein Zimmer ein gebrochen war, und James Harding hatte ihn dazu verführt. Wenn er also den Spieler fand, so war auch die Suche nach dem jungen Manne damit zu Ende. Mit diesen Voraussetzungen nahm er am Abende methodisch und nach einem bestimmten Plane seine Suche wieder auf. Er zog Antoine in sein Vertrauen, jedoch nur so weit, daß er ihm mittheilte, Will würde wahrscheinlich in der Gesellschaft eines Mannes gefunden werden, dessen nähere Beschreibung er ihm gab; die Rolle des Bureauchefs in dem Feldzugsplane bestand darin, die Hotels und Logirhäuser abzusuchen. Brant selbst ging zuerst zu Draco. Als Deverney ihm ver sicherte, daß Harding sich seit der Nacht seiner Verbannung nicht wieder habe sehen lassen, überlegte er sich die Sache und kam zu dem Schlüsse, daß der Mann, falls er nicht verkleidet ging, wahr scheinlich dadurch dem jungen Langford gegenüber den Schein von Respektabilität aufrecht erhielt, daß er mit ihm weniger ge meine Lasterhöhlen aufsuchte. Auf Grund dieser Annahme be gann er die Suche in den mehr exklusiveren Spielhäusern und „Clubs", wobei er vorsichtige Erkundigungen bei den Pförtnern und den Bankhaltern einzog und sein Ansehen in der Zunft oft al» Paß benutzte, der ihm Thüren aufschloß, die ihm sonst streng verschlossen gewesen wären. Es war schon nahe an Mitternacht, als Brant im „Osirian Club" anlangte, einem wahren Palast« d«r Gotin des Zufalls, der zwei Stockwerke des Gebäudes einnahm und glänzend und kostbar ausgestatt«t war. Der Pförtner war Brant bekannt und theilte ihm auf seine Frage mit, daß zw«i Herren, die seiner Beschreibung entsprachen, schon früh am Abende gekommen seien; wie er glaubt«, waren sie noch in dem oberen Stockwerk in einem Separatraum. Brant folgte seinen Weisungen und gelangte in ein großes, reich ausgestattetes Gemach mit hohem Täselwerk von polirtem Mahagoni, von dessen Decke und Wänden elektrisch« Lampen ein glänzendes Licht spendeten. Der saalartige Mittelrau-r, um den im Kreise eine Reihe deckenloser Nischen sich befand, diente gewissermaßen als Vestibül für di«se Separaträume. Brant schritt geräuschlos über den dicken Teppich zu der Nische, deren Nummer ihm der Diener auf dem Lorridor bezeichnet hatte. Die Thür war geschlossen, aber da die Wände des Spielzimmers mit der Höhe der Holztäfelung abschnitten, konnte man doch hören, was drinnen vorging. Brant vernahm das Klirren von elfenbeinernen Spielmarken und das Klappern von Karten auf dem Tische, als er die Hand auf die Thürklinke legte. In diesem Augenblicke hörte das Geräusch auf, und ein von einer jugend lichen Stimme ausgestoßener Fluch unterbrach die Stille. Brant stand lauschend da. „Ich werde nicht zahlen — und damit ist's gut!" ließ sich dieselbe Stimme vernehmen. „Bei Gott, ich bin frech genug, Mr. Harding, und ich hasse ihn ebenso wie Sie, aber ein ge meiner Dieb bin ich doch noch nicht!" „Hilft nichts, Willi«, Sie müssen zahlen — Ehrenschulden, wissen Sie", sagte der Andere. „Sie haben Ihr Versprechen ein gesetzt und verloren, klar und ehrlich. Wird ja auch 'ne Kleinig keit für Sie sein — so gut, wie Sie ihn kennen." „Sie verstehen mich nicht, oder vielmehr Sie wollen mich nicht verstehen. Ich kann so etwas nicht thun, so frech wie ich bin, und nur «in verdammter Schleicher, wie Sie, würde mich dazu verführen wollen. Und dann, bei Gott, glaube ich auch noch, Sie haben falsch gespielt. Zeigen Sie doch mal die Karten." „Sieh' mal Einer an, wollen Sie mir so kommen! Sie sind ein nettes, unschuldiges Lamm! Ich will Ihnen aber mal was sagsn — Sie sind jetzt zu weit gegangen, um noch zurück zu können, und, beim Teufel, Sie wissen zu viel! Sie werden jetzt thun, wo» Sie versprachen, ehe dieses Spiel begann, oder ich verrathe die Geschichte der letzten Nacht — die Hände auf den Tisch, sage ich!" Brant vermuthete richtig, daß der junge Herr versucht hatte, den Revolver zu ziehen, und hielt «» für die höchste Zeit, ein zuschreiten. AIS die Thür sich unter dem Drucke seiner Hand öffnete, prägte sich da» Bild des kleinen Jnnenraums mit photo graphischer Treue seinem Gedächtnisse ein. Die Wände von polirtem Mahagoni, der quadratische Spiel tisch in der Mitte, durch eine einzelne runde Kupprllampe, die an der Wand befestigt war, erleuchtet; an der Hinteren Seite des Tisches der ProseffionSspieler, der ihn mit einer Mischung von Wuth und Schrecken in seinem bleichen Gesichte anstarrte, und Harding gegenüber William Langford mit zornglühendem Ant litz, die Hände auf dem Tisch« und mit den Fingern nervös zuckend. Alle» da» sah Brant und erinnerte sich dessen später mit klarster Unterscheidung der Einzelheiten; aber von Dem, wa» folgte, war das Bild verworren und unvollständig. Er hatte plötzlich eine dunkle Vorahnung einer unmittelbaren Gefahr; den flüchtigen Eindruck eine» doppelten Reflex,» auf
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