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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.07.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-07-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980725011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898072501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898072501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-07
- Tag1898-07-25
- Monat1898-07
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Proportionslehre und Zeichnen nach graphischen Vorlage», bez. Zeichnen noch Gyps» ornamenten: Prof, lsolkorl, Prof. Llobu und Lehrer ItlepriU. Zeichnen nach ÄYP», anatomischen Präparaten, Naturabgüssen und Antiken: Prof. Vivlriel» und Pros. Vlutorytelo. Aquarellmolen, Farbenlehre und landschaftliches Staffagezeichnen: Pros. Louräet. Zeichnen und Malen nach Stillleben und Entwerfen für Buchornamentik sowie von Diplomen und Plakaten: Prof. Uvnvxxer. Typographisches Zeichnen: Pros. lloneeKs»'. Zeichnen und Malen nach dem lebenden Modell und nach der Natur, Lompositionsiibungen und Ausführung selbstständiger Illustrationen unter Anwendung der für die mechanischen NeproduktwnS» Methoden erforderlichen Technik: Dir. I>r. -lieper, Prof. Dekorationsmalen: Maler 17lutlier. Pithographiren: Lehrer 8vboltei-. Holzschneiden: Pros, irvrtholtl. Kupfer» und Stahlstechen, Radiren: Pros. 8vikvrt. Glas» und Porzellanmalcn: Prof. Uunel- dorxvr. Photomechanische Bervielsältigungs» und Druckverfahren: Pros. Oe. ^urluock. Mythologie und Archäologie: Prof. vr. StuSviorlr». Kunstgeschichte und Geschichte der graphischen Künste: Dr. Turrvstlzl. Anatomie' des Menschen: L)r. L»vse. Pflanzen» und Thierkunde: vr. 2Urv. Anineldungen Vom 25. bis mit -0. Ault, uqchm. van 4—5 Uhr erbeten. Regulativ» kostenfrei. Leipzig, iin Juli 1898. Id»a- Vtrvlttwrr I>r. vuäv, lileper. verbundenen I angelegt, von dem Schlosse hat man eine prachtvolle Aussicht auf die reizende Landschaft rings umher. Wandert man der Elbe wieder zu, so findet man bei Lohmen noch ansehnliche Ruinen, ebenso bei Rathen und Wehlen. Man sieht, daß der bedeutende Verkehr, der sich vor Jahrhunderten an und auf der Elbe entwickelte, auch die Herren veranlaßte, sich dorten feste Burgen und Schlösser zu erbauen, über deren Bestimmung man nicht im Unklaren zu sein braucht. Hart über der Stadt Pirna erhebt sich der S o n n e n st e i n, Sächsische Lurgen und Schlösser. Nachdruck r erholen. IV. Wer den alten Vesten und Schlössern Hohnstein und Stolpen einen Besuch abstatten will, wählt den an land schaftlichen Schönheiten überaus reichen Weg durch das Polenz- thal. Welch' wechselnd schöne Bilder bieten sich auf dieser Wanderung dem rüstigen Wanderer! Auf schroffem Felsen erhebt sich das zum Theil verfallene, von schauerlichen Ab gründen umgebene Schloß Hohnstein. Der Anblick des Schlosses mit seiner wildromantischen Um gebung ist in der That überraschend; ringsum dunkle Waldes gipfel, steile Abgründe und inmitten dieser Landschaft ein Zeuge aus grauer Vorzeit mit einer interessanten Vergangenheit. Die ältesten Besitzer dieser Felsenveste waren die Herren Birken von du Duba, schon im zwölften Jahrhunderte werden diese in einer Urkunde erwähnt. Diese hielten es meist mit den Böhmen und waren den sächsischen Fürsten nicht freundlich gesinnt, 1541 kam Hohnstein an Sachsen. Es diente vielfach als Staats- gefängniß und war als solches so gefürchtet, daß man von ihm sagte: „Wer da kommt nach dem Hohnstein, der kommt selten wieder heim." Die Verbrecher bedrohte man damit, daß man ihnen ankllndete, „man werde sie nach dem Hohnstein führen und dort in finsteren, unterirdischen Kerkern durch Gestank, Unflath und giftiges Gewürm elend umkommcn lassen". Ein berühmter Gefangener war der Baron Klettenberg, der vorgab, Gold machen zu können. Seit 1770 ist kein Gefangener mehr auf dem Hohnstein verwahrt worden. Einer der letzten war ein FlciscAr mit Namen Hahn, an ihm ward auch auf dem Hohn stein die letzte Tortur vollzogen. Hahn ward beschuldigt, einen Jüngling wie ein Kalb niedergestochen zu haben, um ihn seines Geldes zu berauben. Seine Frau und Tochter zeugten wider ihn und betheuerten, er habe sie gezwungen, ihm bei dieser schrecklichen Mordthat zu helfen. Auf Grund dieses Zeug nisses ward die Tortur über ihn verhängt, er ertrug dieselbe standhaft, aber zu einem Geständnisse war er nicht zu bewegen. Wegen der schweren Belastungsmomente ließ man ihn nicht frei, sondern brachte ihn nach Dresden zum Festungsbau. Beim Bau der Kreuzkirche zerschmetterte ihm ein mächtiger Grundstein beide' Beine, nun gestand er seine Unthat ein. Mancher Ge fangene machte den Versuch, aus diesem Gefängnisse zu ent kommen. Man zeigt ein zwanzig Ellen langes Seil, das ein Gefangener mühsam aus seinem Bettstroh knüpfte, um sich daran in die Tiefe zu lassen. Das Seil war zu kurz, er wagte einen Sprung in die Tiefe, wobei er beide Beine brach. Unterhalb des Schlosses war von Anfang des 17. bis Mitte des 18. Jahr hunderts ein Bärenzwinger, in dem man die Bären züchtete, die zu den Bärenhetzen zu Dresden und Sedlitz gebraucht wurden. Da dies« aber wiederholt aus dem Zwinger aus brachen, so wurden 1756 die letzten Bären erschossen, damit ferneres Unheil verhütet werde. Unter ihnen oefand sich auch ein zahmer Bär, den August der Starke als ganz junges Thier mit aus Polen gebracht hatte. Er wuchs in seiner Umgebung und hing mit großer Treue an ihm. Eine» Morgens war der König mit dem Bären allein im Zimmer und nahm sein Früh stück ein. Er hänselte den Bären, indem er ihm eine Mund semmel vor den Rachen hielt, wollte aber der Bär zuschnappen, so zog sie der Köniß schnell weg. Hierdurch ward der Bär zur höchsten Wuth gereizt und fiel über den wehrlosen König her, der sich so lange mit einem Tische vertheidigen mußte, bis es ihm gelang, «inen Hirschsänger zu erlangen, mit dem er dem Bären einen solchen Hieb über den Kops versetzte, daß er zurllcktaumelte. Der Bär ward wieder geheilt und kam als Staatsgefangener nach Hohnstein. Ehemals ward Hohnstein von den sächsischen Fürsten öfters ausgesucht, um dem Lachsstechen im Polenzbache obzuliegen. Wandert man in dem romantischen Thale weiter nach Norden zu, so erblickt man auf dem schönsten Basaltbergk Sachsens das alte, hochinteressante Schloß Stolpen. Von dem ersten Erbauer des Schlosses ist keine sichere Kunde auf die Gegenwart gekommen, wahrscheinlich brachte Bischof Bruno II. von Meißen 1227 die Veste käuflich an sein Stift. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts blieb sie im Besitz der Bischöfe. Unter ihrer Regierung ward sie stark befestigt, sie j bestand aus drei durch Zugbrücken mit einander Höfen 1559 kam sie an das kurfürstliche Haus, auch die Kur fürsten thaten Vieles, um Stolpen zu einem sicheren Hort für das Städtchen Stolpen umzugestalten. Im ersten Hofe befand sich der feste Donathsthurm, der Marstall, der Kornboden und die Marterkammer; außerdem der Brunnen. Derselbe ward unter der Regierung des Kurfürsten Christian II. durch den Hof baurath Bernstein 1608 angefangen zu bauen. Es war dies Unternehmen ein mühseliges Stück Arbeit. Der harte Basalt ließ sich nur schwer brechen, er mußte erst durch Feuer erweicht und dann gesprengt werden. Nach einjähriger Arbeit war man vier Meter tief eingedrungen, erst nach 22jähriger Arbeit fand man das gewünschte Wasser. Der Brunnen ist 85 Meter tief und gewährt einen überaus prächtigen Blick in die Tiefe des Basaltfelsens. Ein in den Brunnen hinabgeworfener Stein verursachte ein donnerartiges Gepolter, durch allzuofte Wieder- holung ward nach und nach der Brunnen bis zur Hälfte mit (Geröll angefüllt. Während des Siebenjährigen Krieges ward der Brunnen ganz ausgefüllt, erst 1803 wurde er wieder aus gegraben und viele Waffen wurden in dem Schutt gefunden. Die meisten davon sind im Sternsaal des Coselthurmes aufbewahrt und werden dem Besucher gezeigt. Der zweite Hof enthielt die Hauptwache, einen sehr festen Thurm, die alte Schöfferei ge nannt, und den St. Johannisthurm. Derselbe hat auch die bekannte Gräfin Cosel — daher auch Coselthurm — einige Be rühmtheit erlangt. In einem Anfalle von Eifersucht wollte sie den König August den Starken erschießen; diesen Versuch mußte sic auf Stolpen büßen; 1716 ward sie hierher gebracht, seitdem haben sächsische Fürsten nicht mehr auf dem Schlosse Hof ge halten. Der Nachfolger August's bot ihr die Freiheit an, sie konnte sich aber nicht entschließen, ihren Aufenthalt zu wechseln. 45 Jahre hat sie hier oben zugebracht. Innerhalb des dritten wohlverwahrten Hofes standen die herrschaftlichen Gebäude, die den späteren Festungscommandanten als Wohnung dienten. Die Gebäude im dritten Hofe waren der Seigerthurm, das De- stillirhaus, der Siebenspitzthurm und die höchst sehenswerthe Schloßcapelle. Aus der Zahl der Gebäude ersieht man, von welchem Umfange vordem das Stolpener Schloß gewesen sein muß. Unterhalb des Schlosses lag vordem ein Städtchen Joch- grim; im Hussitenkriege ward es in Asche gelegt. Zur größeren Sicherheit bauten sich die Einwohner des Städtchens ganz nahe dem Schlosse an, es entstand die heutige Stadt Stolpen. Stadt und Schloß gingen 1470 in Flammen auf, erst 1490, unter Bischof Johann VI. von Saalhauscn, ward der Wiederaufbau vollendet. Besonders schwer litt Stolpen während des Dreißig jährigen Krieges. Am 1. August 1632 erschienen die Kroaten und verwüsteten Stadt und Schloß; 1639 folgten die Schweden, die die Verwüstung fortsehten und das zerstörten, was die Kroaten unversehrt gelassen hatten. Auch der Siebenjährige Krieg brachte für das Stolpener Schloß manches Ungemach. Den 3. September 1756 erschienen preußisch« Husaren und besetzten das Schloß. Es wird erzählt, daß der preußische Oberst Warnery den 74jährigen Commandanten von Liebenau, als er den Degen überreichen wollte, durch einen Pistolenschuß in den Unterleib so schwer verwundet habe, daß er bald darauf der schweren Verwundung erlag. Zeitgenossen aber, wie Pastor Gercken, erwähnen nichts von diesem Vorkommniß. Die Preußen zerstörten das Schloß bis auf drei Thiirme und verschütteten den Brunnen. Bis 1813 blieb es Ruine, Napoleon ließ die wichtigsten TheUe wieder aufführen, als aber die Russen nahten, ließ er den Neubau zusammenschießen. Nun verfiel Schloß Stolpen mehr und mehr, erst 1859 ward wieder bessernde Hand er war in den frühesten Zeiten einer der wichtigsten Puncte zur Vertheidigung des Elbpaffes und zur Erhebung des uralten Elbzolles. Heinrich der Erlauchte erlangte es 1249 als Mit gift, bald darauf ward Pirna samnft dem Königstein wieder böhmisch. Vom König Wenzel kam 1380 die Pflege Pirna an die Herren von Colditz und 1393 an die Markgrafen von Meißen als Pfand, das nie wieder eingelöst ward. 1487 ward die Burg durch ein Gewitter zerstört, 1573 vom Kurfürsten Vater August neu erbaut und der Sonnenstein genannt. Die Burg widerstand den Hussiten, im Dreißigjährigen Kriege aber erlag sie den An griffen Banner's, der 1639 den Sonnenstein stürmte und in Pirna so schrecklich wüthete, daß das „Pirnaische Elend" zum Sprichwort wurde. Im Siebenjährigen Kriege eroberten die Preußen den Sonnenstein, schleiften seine Außenwerke, Napoleon ließ ihn von Neuem befestigen. Seit 1811 befindet sich auf dem Sonnenstein eine musterhaft eingerichtete Heilanstalt für Geistes- und Gemiithskranke. Vom Sonncnstein blickt man hinab in ein gesegnetes Stück Erde, in die furchtbare Elbaue, dlp von dem Silberbande der mächtigen Elbe durchzogen wird. Wenn hier uralte Bäume, verfallendes Gemäuer, verwitterte Kreuze, die an der Heerstraße stehen, erzählen könnten! Eine Chronik, voll von Kriegsgeschrei, heftiger Fehde, Treue und Un treue, würde entstehen. Den Wanderstab stromabwärts setzend, gelangt man bald an die Stelle, wo die Müglitz einmündet; wenn man dieses liebliche Thal aufwärts wandert, kommt man bald zu dem freundlichen Dohna, in dessen Nähe sich Burg Dohna erhebt. «. »Die alte Ritterveste Hebt kühn im goldnen Glan^ Des Thurms bemooste Reste Aus finstrer Ulmen Kranz." M a t t h i s s o ». Einer Sage nach soll Alohs von Urpach der Erbauer sein. Durch Carl den Großen soll er aus der Normandie nach Deutsch land berufen worden sein, Ludwig der Fromme belehnte ihn mit vielen Gütern längs der böhmischen Grenze entlang. Die Böhmen waren unruhige Nachbarn, die Alohs von Urpach vielfach in seinem Besitz störten. Um den Einfällen Einhalt zu thun, errichtete er auf dem steilen vorspringenden Felsen Burg Dohna, die von zwei Seiten von der Müglitz umflossen wird, wodurch sie von Natur eine der festesten Grenzburgen ward. So die Sage; bestimmt weiß man, daß Dohna 1107 zu Böhmen gehörte. Kaiser Heinrich V. setzte 1113 den Burggrafen Erkenbrecht darauf. Später war Dohna wieder böhmisch und ward als Staatsgefängniß benutzt. In der Folgezeit sind die Burg grafen bald böhmische, bald meißnische, bald bischöfliche Lehns herren. Sie walteten aber nicht im Sinne ihres Erbauers, der Burg Dohna als eine Schutzburg gegen Räuber erbaut hatte. Sie selbst trieben das Raubhandwerk im Großen, wozu sie die günstige Lage der Burg an den großen Heerstraßen und die Festigkeit der Burg selbst mit verleitete. Dadurch gelangten sie Fenilletsir. Ltihblind. Novcllette von Alfred Friedmann (Berlin). Nachdruck verboten. Wir saßen in dem Schanklocal, oben auf dem Passe der Men- dola; die Knechte und Mägde der großen Hotelanlagen des Pene- gal und des Mendelhofes drehten sich im Kreise zum Tanze, zwei armselige Tirolerinnen spielten auf schlechten Harfen ein tönige Walzertacte. Rings Tabaksqualm, Virginiarauch. Es war ein schöner und doch schwerer Tag gewesen, und nun kam ein dumpfes Gewitter aus dem unteren Etschtbal herauf, hing sich an den Monte Corno und drohte sich gerade über unserer Plattform zu entladen. Es war ein bischen viel für uns Touristen geworden, Mor gens früh kletterten wir anderthalb Stunden den großen Penegal hinauf, zwischen Haselnußstauden, Brombeeren, Waldschluchten und Nadelwäldern. Wunderbunte Schmetterlinge erzählten das Kelchgeheimniß der Glockenblume, die im Waldesinnern blaut, dem süßlockcnden Honigklee; die Königskerzen leuchteten golden aus dem Hellen Ueberfluß der Natur am heißen Mittag, und wenn wir müde waren und uns die Tücher vor die glühenden Stirnen hielten — beneideten wir die zahllosen geflügelten Heu schrecken! Mit ihren unvcrhältnißmäßig großen Hebelarmen und Fittichen zugleich hätten sie uns so leicht bergan tragen kön nen; nach einem Schock ihrer Sprünge wären wir bei der Er frischungshütte oben gewesen — aber die Heuschrecke als Reit- thier — das war doch zu tin cko siöcls! Und welche Fernsicht endlich! Ein ungeheures, grüne» Thal, das glitzernde Bozen und Gries links in der Ecke, Bergleh nen, Schlösser, Bergrücken, Seen und Dörfer, Flecken und Städtchen, Alles wie für die Geoqraphiestunde aus Pappe ge arbeitet, so klein wie Nürnberger Spielzeug. Der Kälterer See hat die Form eines Hundrkopfes; Wolken und Bergschaden gaben ihm Auge, Farbe, Leben. Andere, die Montigaler, ganz in Wäkdern vergraben, lugten wie ein halb vom Lide beschattetes, blaues Mädchenauge herauf; Nebelfetzen zogen wie abschied wehende Tücher von Halde zu Halde. Rechts, ganz im Winkel des Val dinono, grüßten Cleß, Ron- zone, Maloseo, Sarnonie, Fonds und das retzenbe Cavareno herauf. Da waren wir gestern gewesen, durch Wald und Thal, immer an einem Wasserlauf entlang, einen hohen, gefährlicher Grat hinauf mit der herrlichsten Aussicht, über die Spitzen der Tannenwälder. Dann über Stoppelfelder, drin nur noch da» liebliche Blümchen Gauchheil wie ein rothrr Blutttropfen blühte und glühte — wohl entsprossen aus der Wunde, die die Sense einem brütenden Lerchen- oder Wachtelweibchen im Neste ge schlagen. Dann waren wir auf der Terrasse des Albergo della Corona in Cavareno angelangt und hatten mit den vier bild schönen Töchtern des Wirthes Zanni die Sprache gesprochen, in der das „Si" lieblicher klingt, als jede Bejahung in einer anderen. Unter rothem Oleander, carmoisincner Kresse, lila Winden trank sich leicht der gute Special-Wein. Nun mischte sich eine Ziehharmonika und eine Mandoline in das Geweine der Walzerharfrn, und während noch Peitschenknall und Posthornklang aus der Ferne zu grüßen schien, fuhr schon ein später Reisewagen mit schwer zu erkennenden Insassen im Donnergeroll und Zackenblitz vor dem Posthause an. Diener liefen, Inspektor, Director zogen die Mütze, den Hut, zwei Koffer wurden abgeladen; ja, die bestellten Zimmer waren frei, und nun half eine schlanke Frauengestalt einem noch jugendlichen Manne aus dem Gefährt. Der Mann war — blind. Die Art, wie das selbst von nächtigem Dunkel umgebene Frauenbild dem Gefährten behilflich war, aus dem Wagen zu gelangen, rührte mich tief. Die Walzertacte aber ließen sich nicht beirren, und der Donner grollte, näher und näher. Jetzt mußten von der Höhe des Penegal aus alle GebirgSriesen sekundenlang hell erleuchtet sein vom westlichen Ortler bis zum östlichen Rosengarten und der Cima di Roca darüber, von der nördlichen Sonklarspitze, dem Plattinger drunter, bis zur südlichen Cima di Ceda — bis dahin, wo Verona und der Gardasee liegen! Einer vom Tische, ein Prager, beklagte sich über das Läuten der Kühe, deren Glockengebimmel ihn um vier Uhr Morgens aus dem Schlafe störe, und als er sich heute Nachmittag gegen fünf etwas auf den Divan ausgestreckt, um die eingebühte Nacht ruhe zwischen Pause und Nachtmahl ein „bifserl" einzuholcn, da habe gerade der Sennbud mit Peitschengeknall, Gejodl und Glockengeläut die verd Kühe, — aus der Milch mach« er sich „eh" nichts — zurllckeScortirt. „Wenn aber a Kuh verlor'n geht und abi stürzt", meinte ein Roßknecht in Joppe und Tirolerhut am Nachbartisch, „so iS nur d' fehlende Kuhglocke dran schuld." „Ja, so ein Leitfaden, ein Leitmotiv ist manchmal zu etwas nütz'!" meinte der Arzt, Herr Tapcllort, und bat uns, zusammen zu rücken. Sine Geschichte Capellort'S galt stet» als willkommen. Sr kannte deren viele, er legte nicht nur körperliche, auch geistiae Sehnen, Venen und Nerven seiner Patienten bloß, und Alle hatten Vertrauen zu ihm und ließen ihn in ihre Psyche sehen, wissend oder ahnend, daß sich Manches an der Seele curiren lasse, was am Körper schmerzt. „Sehen Sie. meine verehrten Herren", begann Capellort und strich sich den Bollbart, au» dem im Halbdunkel nur die Glckth der Cigarre und da» geistvolle Augenpaar de» Erzähler» her- vorleuchtete, „es mag gerade ein Jahr her sein, da stieg oben im Hotel Penegal eine Dame ab. . . Wunderschön, wirklich wun derschön, der Ausdruck war gerade gut genuh für sie. Schlank und biegsam, milchig und rosig; und dabei dunkles Haar wie eine drunten in Cavareno, und ein paar Riesenaugen, stahlgrau, lichtblau, sie machte das, wie sie wollte, oder ihr Äuge wechselte, vom Azur bis zum Grün, vielleicht je nach ihrer Seelenstim- mung. Es hieß, sie sei Amerikanerin, Waise, die größte Mine der Welt gehöre ihr zu. Sie sei — reich, na, sagen wir, wun derschön reich, der Ausdruck war gerade gut genug für ihre Ver mögensverhältnisse. Dabei that sie nicht dergleichen; das heißt: sie trat einfach auf, obwohl ihre Toiletten das Aeußerste von Chic waren; sie saß den Tag Uber im Walde mit einem Buche, oder nähte große, rothe Löwen mit enormen Schwänzen und Ädler- flügeln zwischen Arabesken in eine Stramindecke, also sagen wir — sie stickte, was sie für 20 Kronen hätte kaufen, wodurch sie crne arme, verschämte Officierstochter hätte glücklich machen kön nen. — Alles, Jung und Alt war verliebt in sie, natürlich, mit Recht. Und ich glaube, ich auch. Sie hatte sich einmal erkältet, ich ward gerufen und blieb von der Liebenswürdigkeit des feinen, überseeischen, fast hätte ich gesagt: überirdischen, Wesens be zaubert." „Zum Glück sind Sie verheirathet!" — unterbrach Jemand. „Gewiß, — zu meinem Glück, denn mein Weibchen, das jetzt an die Fünfzig ist, hat mich stets beglückt, und ich wüßte auch mit überirdischen Wesen jetzt gar nichts mehr anzufangen. Na, den Hof machten wir ihr Alle, und einige Wagehälse, Nesthäk chen, Junggesellen, Lebeleute mochten ihr auch wohl einen oder den anderen Antrag gemacht haben. Sie lächelte zu derlei aber, etwa wie eine Sirene, ein Meerweib, eine Melusine, oder sonst so waS. Nun war da oben ein junger Inspektor, hübsch, gesund, stark, außerordentlich begabt. Der drechselte Gedichte, sprach alle Sprachen, — hatte leider keine Vergangenheit, das heißt, keine Ahnen, keine Gegenwart und bei dem großen Ueberfluß an Talenten auch keine Zukunft. Das hinderte ihn aber nicht, sich unsterblich in die schöne Fremde zu verlieben, mit der er alle Tage vom Essen, von der Gesundheit und solch' müßigen Din gen reden mußte. Oft kam er zu mir und weinte mir sein Herz aus. Ich hätte gar nicht geglaubt, daß man in unseren Tagen noch so lieben könne! Es war rein mittelalterlich, romantisch. Ich aber redet« ihm die Schrullen und Grillen aus, so gut ich konnte. Amerikanerinnen kommen wegen Fürstentiteln nach dem Continent — „Frau Inspektor" — daß ich nicht hell auf lachte! Die Fremde war mittlerweile schon zwei hi» drei Wochen oben und ganz eingewöhnt. Jeden Tag unternahm sie Spa ziergänge, allein oder mit ihrer Zofe, und kam oft spät im Mondlicht heim, wo ihr dann nachservirt werden mußte. Na, um es kurz zu machen — eines Nachmittags war sie am Walvesrand sitzend gesehen worden, mit rother Wolle stickend. Dann hatte sie noch ein Buch im Hotel geholt und irgend einen Bergweg eingeschlagen. Und Abends war soch ein Gewitter heraufgezogen, wie heute .... Ich habe es nie so blitzen sehen, nach dem schwülsten Sommertag. Eines Blitzes erinnere ich mich — er zerriß den Himmel von oben bis ins tiefste Thal und man sah keine Zacken — sondern laute getrennte, einzeln: Perlen in dem Dunkel ... Es war aber zehn, elf, zwölf Uhr geworden und die Fremde nicht wiedergekommen. Knechte, Haus diener, Gäste suchten sie mit Schirmen, Bergstöcken, Blendlater nen, Niemand fand sie. Endlich — gegen ein Uhr erschien die Wunderschöne den Inspektor geleitend, nicht von ihm geführt! Sie hatte sich verirrt, war im Walde irgendwo ausge glitten und hatte zusammengekauert in einem Moosgrund unter alten Stämmen gesessen, den Morgen erwartend. — Der In spector hatte bei einem Hellen Blitzstrahl einen rothen Faden gesehen, und dem von ihr verlorenen, sich aufrollenden Wöllknaul folgend, ihre Spur gefunden — rufend, schreiend. Ein furcht bar r Blitzschlag war aber gerade vor ihm niedergefahren, als er den Arm rettend nach ihr ausstrecken wollte — und davon war «r plötzlich und — leider unheilbar erblindet .... Was die beiden jungen Leute in jener Nacht zusammen ge sprochen, erlebt, empfunden, das malen Sie sich ostfälligst selbst aus, meine Herren! Mit der größten Selbstverleugnung brachte die Halbtodt« den armen, unglücklichen Mann tastend, naß, erfroren herab. Sein Elend rührte sie tief, und die Hand, die sie ihm in jener Schauer nacht gereicht, ließ sie nicht wieder von ihm. — Was soll ich sagen? Sie führte ihn heim — und jedes Jahr besuchen sie zu sammen den Ort, der sie Beide am selben Tage glücklich und elend gemacht hat. Das schöne Paar, das Sie vorhin ankommen sahen, das war die Fremde und ihr blinder Gatte — blihblind — unheilbar! Aber der Herzog Theodor in Bayern hat gesagt, er gäbe noch nicht alle Hoffnung auf!" Wieder fuhr ein fürchterlicher Blitzstrahl herunter und bald grollte der Donner hinterdrein. „Eins. . . zwei. . . sieben . . ." zählte Doctor Capellort. „Schon sieben Meilen von uns weg ist das Gewitter. So wäre da- auch überstanden! Gute Nacht beisammen!" Er stand auf und ging grüßend davon. Die Walzertacte wimmerten und die Burschen tanzten und jodelten. Einer aber sang: Da» Faß bat an Boden. Und das Faß hat an Spund, Aber die Liab' und die Untreu Hab'» öfter» kan' Grunds
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