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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.07.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980727022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898072702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898072702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-07
- Tag1898-07-27
- Monat1898-07
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107.— SS.SO 102 80 V95O 80 A0 59,60 81,50 83 — 89,25 99,40 182,50 07,10 87.80 31, 102.— 182,50 162,— 133,25 207.75 314.75 88,— 149,90 131,00 131,— 181.70 228.50 187.50 170,25 191,— 195,— 204,75 78,00 134.75 109 — 321.90 340,— 256,— 151,— 304,25 313,— 156.50 181.50 10895 213,85 95 — 172,25 228.60 106,50 100,— 201.70 18875 178.75 191.90 110.60 122 25 81,— 3810 rn/linkr. -rdotso.I 8iisi 3600 4900 5925 5 3150 0 13875 2615 5 3810 4250 0 3000 15 5000 11600 13750 13900 8375 >0 7190 '5 3925 >0 575 »0 3540 .5 1050 !b 3375 1675 2400 2825 >0 14750 >0 9675 5825 )0 21800 )0 4360 -0 405 10 3375 2000 15 355 90 25700 175 2650 3800 400 13500 925 40 3290 50. 4600 5375 icNisNellt- ixen tisir - Lux«, rk 925 6., . 2250 8., , 1300 8., k 8100 6., 7«rsiiuxts 1550 V., Lilltrsclit sr 6ro»»s 8Ium«n- 0 8, 6rak , 13900 8.. 8., .luliu» , Löiiixiil 13800 8., , 2470 8., « Rossii- tiarlottell- assr k'ritr «: Leisu- 8oo<1oi-s- Hsrcvoi» . 8225 18500 8. colslk»- Llllläa üsroliosii- 1on»t»iirilr 101'i. O-, Lvslil slm-ttütts Msmitroll ScUverin leien« uo<1 1., fisissr 02 6., äo. O, Lotli- 8ck»lk«r , H» ssen or 101 O, 100'!, S. 1V. ' r.Oevic". >oa«wpser <257- äer n". t»ur in kiorkolk, 24. 3uU: „OMo»' nioii: »w vsrvlod, »so" von spsr»or»" ,«o»trio" Vaxrlso" 8 l-uoäs«, s^" o»ck ov yools, lod V«1U>. BczugS-PreiS kn der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten «rrichtelen AuS» fabcsiellen ab geh oll: vierteljährlich.^4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus ./e 5.50. Durch die Post bezogen für Tcutjchland und Lcslerreich: vierieljührlich 6.—. Tirccle tägliche Kreuzbandjeuduog ins Ausland: monatlich ^ll 7.Ü0. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Filialen: Ltto Klemm's Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinuw), LoniS Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und Königsplatz 7. Nedaction und Expedition: JohlMncSgafse 8. Die Spedition ist Wochentags ununterbrochen grössnet vou srüh 8 bis Abends 7 Uhr. Abend-Ausgabe. MpMer TaMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen.PretS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Neclamen unter dem Redactionsstrich (4ge- spalten) 50^, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Zisfernsatz nach höherem Tarif. Extra-Veilngen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, obne Poslbesörderung 60.—, mit Postbrsörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Mvrge «»Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck oud Verlag von E. Polz in Leipzig. 378. Mittwoch den 27. Juli 1898. 92. Jahrgang. Der spamsch-amerikanische Krieg. Die heutigen Nachrichten sind eitel voller FriedenSauS- sichten. Ja der Friede soll schon nachgesucht sein, wenn man den englischen Meldungen trauen darf. Nach dem „Reuter'scken Bureau" hat Spanien unmittelbar an den Präsidenten Mac Kinley daS formelle Gesuch um Eröffnung von Friedensverhandlungen durch die Bermittelung dcS französischen Botschafters in Washington gerichtet. Eine amtliche Auslassung der amerikanischen Negierung besagt hierzu: Der französische Botschafter Cambon hat im Namen der spanischen Regierung und auf Ansuchen deS Ministers des Aenßeren dem Präsidenten am Dienstag Nach mittag im Weißen Hause eine Botschaft der spanischen Regierung überreicht, die das Ende des Krieges und die Feststellung der Friedensbedingungen bespricht. Nachdem sich ter Botschafter entfernt batte, pflogen der Secretair deö Kriegs- bcpartrmentS und der Secretair deS Marinedepartements eine lange Besprechung mit dem Präsidenten MacKinley. Die Mit theilung Spaniens war in allgemeinen Ausdrücken gehalten. Sie macht keine bestimmten Vorschläge bezüglich CubaS oder der Philippinen und beschränkt sich darauf, den Wunsch nach Eröffnung der Friedensunterhandlungen auszudrücken. Der Präsident Mac Kinley hat sich die Antwort Vor behalten und erklärt, er werde die Angelegenheit dem Cabinete unterbreiten, dann werde er dem Botschafter eine neue Unterredung gewähren, nm ihm mitzutbeilen, ob die Vereinigten Staaten zur Eröffnung von Friedensverhand lungen bereit seien. Es steht noch nicht fest, in Weicker Weise die Unter handlungen geführt werden sollen, falls die Vereinigten Staaten den Vorschlag Spaniens annehmen. Man hält es für wahrscheinlich, daß der amerikanische und der spanische Gesandte in Paris mit der Führung der Verhandlungen von dem Puncte an betraut werden, bis zu dem Präsident Mac Kinley und der französische Botschafter gelangt sind. Folgende Depeschen sind zu registriren: * Madrid, 26. Juli. Sagasta erklärte, die Amerikaner seien in Puerto Nico an nicht vertheidigten Stellen gelandet. Der Presse ist diesbezüglich keinerlei osficielle Nachricht zugegangen. * Madrid, 27. Juli. Bei der Landung der Amerikaner in Guanica auf Puerto Rico betrug der Verlust auf spanischer Seite einen Osficier und drei Mann. * Washington, 26. Juli. Die Regierung hat heute folgende aus Guanica vom gestrigen Tage Nachmittags 2 Uhr datirte Depesche erhalten: Die Expedition des Generals Mil es, die Donnerstag von Guantanamo obgegangen war, ist heute hier nach einem Scharmützel zwischen spanischen Truppen und der aus 30 Mann bestehenden Besatzung einer Schaluppe des HilfSkanonen- booteS „Gloucester" gelandet. In dem Scharmützel sind auf spanischer Seite 4 Mann, auf amerikanischer Niemand gefallen. Die amerikanische Streitmacht wird schnell vorrücken, um sich der nach Ponce führenden Eisenbahn zu bemächtigen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. Juli. Unter der Uebersckrift „Fürst Bismarck ernstlich erkrankt" veröffentlicht der „Berliner Local-Anzeiger" Folgendes: „AuS Friedrichsruh kommen traurige Nachrichten, welche das Herz jedes deutschen Patrioten mit tiefem Bangen er ¬ füllen müssen. Fürst Bismarck ist schwer krank an das Bett gefesselt. Die Schwellung der Beine, die ihn seit Monaten im Rollstuhl meist festhielt, nimmt plötzlich an Ausdehnung zu und greift auf den übrigen Körper über. Unlust zur Nahrungsaufnahme und schlaflose Nächte sind die weiteren bedenk lichen Anzeichen eines ernsten Krankheitsprocesses. Wir wollen von Herzen hoffen, daß es auch diesmal, wie schon so oft, der viclbewährten ärztlichen Kunst des Gehcimraths Schweninger, der seit mehreren Tagen am Krankenlager des greisen Staatsmannes weilt, gelingen möchte, das Leben des größten Sohnes unseres deutschen Vaterlandes zu unser Aller Freude weiterhin zu verlängern. Wir wünschen gern, daß die nächsten Nachrichten besser lauten und uns einen Hoffnungs strahl hierfür darbieten mögen." Diese Auslassung gründet das Blatt auf die folgenden beiden Privatdepeschen aus FriedrichSruh vom gestrigen Abend um 9>/r und 11>/r Uhr: „Die Grafen Herbert und Wilhelm Bismarck mit ihren Gemahlinnen sind hier eingetroffen. Das Befinden des Fürsten Bismarck ist schlecht; er hat seit drei Tagen das Bett nicht mehr verlassen und verbringt stets schlaflose Nächte. Essen, Trinken und Rauchen sagen ihm nicht mehr zu. Geh. Rath Schweninger weilt seit einigen Tagen hier." „Der Zustand des Fürsten Bismarck hat sich verschliminert; der Körper schwillt an." Sofort nachdem uns heute früh der Telegraph Kunde von diesen Meldungen gebracht hatte, wendeten wir uns tele graphisch an unfern Hamburger Berichterstatter, der directe Verbindung mit Friedrichsruh unterhält, mit der Bitte um schleunigste Auskunft über das Befinden des Fürsten und harrten mit Bangen der Antwort. Daß sie bis zum Schluffe der Redaktion unserer Abendnummer ausgeblieben ist, steigert unsere Sorge; sie wird auch nicht ver mindert dadurch, daß bas Wolff'sche Tel.-Bureau das folgende Telegramm verbreitet: „Nach Meldungen verschiedener Blätter scheint das Befinden des Fürsten Bismarck wieder weniger befriedigend zu sein. Der Fürst ist bettlägerig. Außer Professor Schweninger befinden sich gegenwärtig die Grafen Herbert und Wilhelm Bismarck mit ihren Gemahlinnen in Friedrichsruh". Zwar gründet sich diese Meldung augenscheinlich fast aus schließlich auf die oben mitgetheilten Meldungen des „Berl. Local-Anz."; aber daraus, daß ihnen das Telegraphen- Bureau Glaubwürdigkeit beimißt, muß leider geschloffen werden, daß die direkten Erkundigungen deö Bureaus dieses nicht in die Lage versetzt haben, jene Meldungen als falsch oder doch als übertrieben zu bezeichnen. So müssen wir denn diese Blätter mit schwerem Herzen in die Well gehen lassen, wenn wir auch die Hoffnung noch nicht völlig aufgeben, durch eine noch während des Druckes einlaufente direcle Nachricht unsere bangenden Leser wenigstens einigermaßen beruhigen zu können. Daß die Differenz zwischen dem Kaiser und dem Graf-Regenten von Lippe im Auslande mit Schaden freude commentirt wird, versteht sich von selbst. Befremden aber muß es erregen, wenn ein Blatt wie die Wiener „Neue Freie Presse", die über Personen und Ver hältnisse im deutschen Reiche einigermaßen unterrichtet sein könnte, cS für ihres Amtes hält, durch frivole Witzelei und gewissenlose Uebertreibung den deutschen ParticulariSmuS gegen Kaiser und Reich aufzuhetzen. Das genannte Blatt bemerkt nämlich u. A.: „Die kleinen Fürsten thäten besser, die Illusion ihrer Souveränität sich nicht selbst zu zerstöre», wenn sie die Mediatisirung in der gegenwärtigen, verbältnißmäßig milden Form noch weiter genießen wollen . . . llebrigens macht Wilhelm II. ganz den Eindruck, als wäre er der Mann, die Kleinstaaterei zu erdrücken, wenn sie sich irgend wie merkbar hervorwagte. Man hat es von ihm selbst: er verbittet sich diesen Ton." Das Münchener CentrumSblatt, der „Bayrische Courier", druckt die vorstehenden Sätze ab und fügt hinzu: „Wenn damit das Schwarze getroffen sein sollte, und es ist nicht unwahrscheinlich, dann freilich wirst die Detmolder Grußaffaire eine Frage in die Entwickelung Deutschlands, deren Beantwortung die Zukunft des Reiches vorbedeutet. Ter Kaiser ist Kaiser, giebt nicht »ach und denkt sich die Stellung der Bundes fürsten doch als je nach ihrem Ländcrgebiete näher oder weiter hinter dem Kaiser. Es wird wohl so heranskommen, aber Oeffentlichkeit und Bundesrath werden doch diese Frage noch längere Zeit mindestens behandeln müssen." So wird dem Kaiser wegen eines beklagenSwerthen Schrittes, der das Selbstgefühl eines deutschen Regenten verletzt bat, unterstellt, er bedrohe die Existenz seiner fürst lichen BunoeSgenosscn. Gegenüber solchen Verdächtigungen erinnern wir an feierliche Kundgebungen, welche das Verhältniß Kaiser Wilhelm's II. zu den Bnndesfürsten be treffen. Beim Regierungswechsel im Jahre 1888 gab Fürst Bismarck am 2l. Äuui im Bundesrathe eine Erklärung ab, in der es heißt: „Seine Majestät rechnet bei der Erfüllung der ihm durch die Neichsverfassiing gestellten Ausgaben mit Zuversicht auf die stets bewährte bundesfreundliche Gesinnung und bereitwillige Mit wirkung der verbündeten Fürsten und freien Städte. Als die oberste dieser Ausgaoen betrachtet der Kaiser die Aufrecht erhaltung der Reichsvcrsassung und Schutz des Reichsgebiets wie eines jeden innerhalb desselben geltenden Rechts. Dieser verfassungsmäßige Schutz deckt die vertragsmäßigen Rechte der einzelnen Bundesstaaten mit der gleichen Wirkung wie der Gesammtheit, und Se. Maj. der Kaiser erblickt in der gewissenhaften Handhabung derselben eine Vertragspflicht Preußens und eine der Ehrenpflichten, die dem Kaiser obliegen. DaS bundesfeste Vertrauen der deutschen Fürsten und freien Städte zu einander und ihre im Bundesrath bethätigte Einigkeit haben das Reich gefestigt und stark und die gemeinsamen Bestrebungen aller Bundesglieder für die Wohlfahrt Deutschlands fruchtbar gemacht. Se. Majestät der Kaiser wird dieses Vertrauen und diese Einigkeit unter den verbündeten Regierungen mit der gleichen Sorgfalt zu pflegen bemüht sein, wie dies Seinen in Gott ruhenden Vorgängern gelungen ist." Wenige Tage später, am 25. Juni, sagte der Kaiser, umgeben von den meisten deutschen Fürsten, in der Thron rede zur Eröffnung des Reichstages: „Die wichtigsten Aufgaben des deutschen Kaisers liegen auf dem Gebiete der militairischen und politischen Sicherstellung des Reiches nach außen, und im Innern in der Ueberwachung der Ausführung der Reichsgesetze. DaS oberste dieser Gesetze bildet die Reichs- Verfassung; sie zu wahren und zu schirmen in allen Rechte», d e sie den beiden gesetzgebenden Körpern der Nation und jedem Deu!- scheu, aber auch in denen, welche sie dem Kaiser und jedem d.r Verbündeten Staaten und deren Landesherrn verbürgt, gehört zu den vornehmsten Rechten und Pflichten des Kaisers." Im Einklänge mit den vorstehenden Erklärungen auS der ersten Zeit seiner Regierung steht eine Kundgebung aus dem vorigen Jahre. In dem Trinkspruch, den der Kaiser anläß lich des 100. Geburtstages Kaiser Wilhelm's I. beim Fest mahle im Weißen Saale ansbrachte, sagte er: „Für uns, Ihr hohen Fürsten und Verwandten, soll das An denken an Ihn ein erneuter Ansporn sein, für unsere Völker zu leben und zu arbeiten, wie Er, zum gemeinsamen Ziel der fort- schreitenden Cultur und zur Aufrechterhaltung des Friedens. Wir aber, in dem wir uns von Neuem zu innigem Bunde fester Freundschaft und Waffenbrüderschaft versprechen, wollen unsere Gläser erheben und mit dem Ruf aus dos Wohl dcS deutschen Vaterlandes und des deutschen Volkes ihm und unseren Fürsten unseren Gruß entbieten: Das deutsche Volk, sein Vaterland und seine Fürsten Hurrah! Hnrrah! Hurrah!" An diesen Kaiserworten zu drehen und zu deuteln, ge stattet auch der Detmolder Zwischenfall nicht. Die üblen reichSpvlitischen Folgen, die dieser haben kann, werden sicher lich vom Kaiser, der schon mehr als einmal ein rasches Wort vergessen zu machen verstanden hat, abgcwendck werten, zur Beschämung Derer, die sich jetzt uachzuweisen bemühen, das kaiserliche Telegramm sei vollständig am Platz: gewesen. So wird gesagt, ter Graf-Regent habe sich ta- taturch, taß das ans seine Veranlassung entstantene lippische LanteSgcsetz, das die Nachfolge in der Regcnlschaft unter Außerachtlassung der vom Fürsten zu Schaumburg bean spruchten Rechte regele, in scharfen Widerspruch gegen den Bundesrath gesetzt, der am 3. Februar d. I. beschlossen habe, an die lippische Regierung daS Ersuchen zu richten, dem be treffenden Gesetzentwürfe vor der Beschlußfassung des Buntes raths über einen Antrag Schaumburg-Lippe keinen Fortgang zu geben. Der Kaiser habe dadurch verstimmt sein müssen und habe das Gesuch des Graf - Regenten schon deshalb nicht bewilligen können, weil in den gewünschten Ehrenbezeigungen für die Kinder deS Regenten eine indirecte Anerkennung ihrer Ebenhürdigkeit gelegen haben würde. Daß diese Ansicht unrichtig ist, ergiebt sich schon daraus, daß auch in den diesen Kindern früher erwiesenen Ehrenbezeigungen eine An erkennung ihrer Ebenbürtigkeit nicht gelegen hat. Außerdem ist eine Differenz zwischen einer Bundesregierung und dem Bundesrathe keine Differenz zwischen einem Bnndesfürsten oder Regenten und dem Kaiser. Für diesen handelte es fick lediglich um die Gewährung oder Versagung einer eine mili- tairische Form betreffenden Bitte und um die Form der eventuellen Versagung. Und weil die gewählte Form den Graf-Regente» veranlaßt hat, an die übrigen Bundesfürsten sich zu wenden, so liegt für den Kaiser jedenfalls Veranlassung vor, auch seinerseits diese Form nochmals zu prüfen und sie eventuell vergessen zu machen. Und hat auf ihn die lippische Differenz mit dem Bundesrathe Einfluß gehabt, so wäre es, wie wir schon an gedeutet haben, am besten, wenn der Kaiser als König vou Preußen auf schleunige Schlichtung jener Differenz drängte. Eine klassische Probe socialvcmokratischcr Principietttrcuc liefert der „Vorwärts". Am Sonntag ergötzte er seine Fenilleton. Vergeltung. Ij Erzählung von Wilkie Collins. Nachdruck verboten. 1. Capitel. Kein Lüftchen regte sich. Der Meeresspiegel breitete sich glatt und unbewegt aus. Vom Vordersteven bis zum Hinter- steven regte sich nichts auf der Dacht, deren weißes Segel, von den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne überglänzt, lose niederhing. Nur ein lebendes Wesen befand sich auf dem Ver deck, der Steuermann, der, den Arm um das nutzlose Steuer geschlungen, friedlich schlummerte. Mit jeder Minute nahm das Licht zu und mit ihm die Hitze, und noch immer schlummerte der Steuermann, die schweren Segel regten sich noch immer nicht und das Wasser umgab schlafend das Fahrzeug. Der ganze Sonnenball war über der Meereslinie sichtbar, als der erste Laut das Schweigen des neuen Morgens durchbrach. Aus weiter Ferne ertönte über den weißschimmernden Ocean der Schrei eines Seevogcls und erweckte den Schläfer am Steuer. „Noch kein Lüftchen", rief er gähnend. „Wie steht es mit dem Wind?" fragte eine blecherne Stimme von der Treppe herauf. Der Besitzer der Dacht erschien auf dem Verdeck. Es war Roland Evers von der großen Levantefirma Pizzituti, Evers L Branca, achtunddreißig Jahre alt, ein untersetzter, breit schulteriger Mann mit sonnengebräuntem Gesicht, grauen Augen und schwieligen Händen, die deutlich verriethen, daß es eine Zeit gegeben hatte, in der er sich seinen Lebensunterhalt schwer erarbeiten mußte. Im Ganzen genommen schien er ein Mensch, dem man leicht Achtung schenken konnte, den zu lieben aber Jedem schwer werden mußte, mit dem man eher geschäftlich als gesellschaftlich verkehren mochte. „Gestern Windstille", brummte Roland Evers, „und heute wieder Windstille. Bei nächster Gelegenheit werde ich das Schiff mit Dampfmaschinen versehen lassen. Ich hasse solche Zustände." „Ach, denken Sie doch an den beständigen Kohlenrauch und das höllische Schaukeln und lassen Sie Ihren schönen Schooner wie er ist. Wir sind hier auf einem Ferienausflug, gönnen Sie auch Wind und Meer eine kurze Ferienrast", sagte ein schlanker, hochgewachsener junger Mann, der, seine Kleider unter dem Arm, rin Badrlaken in der Hand, im Nachthemd, so wie er das Bett verlassen hatte, sich Evers auf dem Verdeck zu gesellt hatte. „Sie sind an Bord meines Schiffes als Arzt für Fräulein v. Koslyn ausgenommen worden, weil der Baron es wünschte, ich selbst bedarf Ihres Rathes nicht, Herr Doctor", erwiderte Evers mit einem Blick, der dem jungen Mann sagen sollte: Dieser Schooner wird nicht mehr lange Raum für Sie haben. vr. Fritz Bambert hatte seine guten Gründe, das beleidigende Benehmen des Schiffsherrn nicht bemerken zu wollen. „Das Leben hier ist mir so neu", lachte er, „und ich fühle mich so wohl auf diesem herrlichen Fahrzeug, als gehörte es mir. Es ist zum Beispiel entzückend leicht, sich hier zu waschen. Am Lande bedarf es dazu so mancher Vorbereitungen, man muß erst Krüge, Schüsseln und Wannen haben und schwebt beständig in Gefahr, etwas zu zerbrechen oder etwas zu verderben. Hier braucht man nur aus dem Bett zu springen, sich auf das Ver deck zu begeben und es so zu machen." Er wendete sich um und erkletterte den Bug. Im nächsten Augenblick hatte er sein Nachthemd abgeworfen und plätscherte vergnügt in dem erfrischenden Salzwasser. Evers' Augen folgten dem jungen Arzt, der schwimmend die Dacht umkreiste, der einzige sich bewegende Gegenstand, der zu erblicken war, mit widerwilliger Aufmerksamkeit. Der Schiffs herr, langsam im Denken und Begreifen, beschäftigte sich mit dem Lösen eines Räthsels, das ihm von höchster Wichtigkeit war. „Fritz Bambert ist fünfzehn Jahre jünger als ich, ist Valeska v. Koslyn's Vetter. Umstände, die ihm bedeutende Vortheile sichern. Ist es ihm gelungen, des Mädchens Phan tasie zu beschäftigen?" Diese Frage in seinem Geiste hin und her wendend und erwägend, setzte sich Evers in einen Winkel. Er war noch immer an der Arbeit, die Lösung des Räthsels zu suchen, als Bambert in seine Cabine zurückkehrte und seine Toilette beendigte. Auch hatte er die Lösung noch immer nicht gefunden, als der Koch eine Stunde später meldete, das Frühstück sei aufgetragen. Es war eine Gesellschaft von fünf Personen, die sich um den Frühstückstisch versammelte: Baron Josef v. Koslyn, der Erbe eines von seinem Vater und seinem Großvater im Handel erworbenen hübschen Vermögens; schon zum zweiten Male zum Bürgermeister einer Provinzialstadt erwählt, hatte er einst in seiner amtlichen Würde die Ehre gehabt, dem Prinzen von Wales bei der Grundsteinlegung zu einem Krankenhause eine silberne Kelle zu überreichen, und war aus dieser Veranlassung geadelt worden, ein silberhaariger alter Herr, gutmüthig, aber nicht durch besondere Geistesgaben ausgezeichnet; seine unverheirathete Schwester, Lavinig Koslyn. des BaMs einziges Kind^ Valeska von Koslyn, im Aeußeren und im Temperament ihrer längst verstorbenen Mutter ähnlich; Roland Evers, der Schiffseigner, und Di-. Fritz Bambert. Valeska v. Koslyn hatte die dunkle Gesichtsfarbe ihrer Mut ter, ihr prächtiges, schwarzes Haar und ihre schönen schwärme rischen braunen Augen geerbt. Mit fünfzehn Jahren war sie körperlich entwickelt, wie es bei Engländerinnen gewöhnlich nicht vor dem zwanzigsten Jahre der Fall ist. Sie war hochgewachsen und schlank. Die träge Anmuth ihrer Bewegungen verliehen ihrem Wesen etwas Schmachtendes. Ihre vorzeitige körperliche Entwickelung war nicht von einer entsprechenden Entwickelung des Charakters begleitet. Sie bewegte sich wie eine Göttin und lachte wie ein Kind. Mit des Vaters sanftem Gemüth verband sich in ihr die wandelbare Natur der Mutter, deren Familie dem Süden entstammte. In Folge des allzu raschen Emporschießens hatte sich im Frühahr eine Mattigkeit bei ihr eingestellt, die den Hausarzt bestimmte, Herrn v. Koslyn eine Seereise für die Sommermonate anzuempfehlen. Roland Evers stellte dem Baron seine Dacht zur Verfügung. Außer ihrem Vater und ihrer Tante nahm auch ihr Vetter Du. Fritz Bambert an der Valeska verordneten Seefahrt Theil. Ihm war die ärztliche Be handlung des jungen Mädchens an Bord übertragen worden. Nach zwei glücklichen Monaten des Ilmhersegelns an der engli schen Küste war von Valeska's Krankheit nur die Unfähigkeit zu rückgeblieben, sich mit ernsten Dingen zu beschäftigen. Ihr kind licher Frohsinn bildete einen entzückenden Gegensatz zu der Reife ihrer äußeren Erscheinung. „Kein Windhauch regt sich", bemerkte Roland Evers. „Das Wetter grollt uns. Wir sind in den letzten achtundvierzig Stun den kaum von der Stelle gekommen. Sie werden mich nie wieder auf einer Fahrt in meiner Dacht begleiten wollen, Valeska, und Sie sehnen sich gewiß schon danach, ans Land zu kommen." Evers war offenbar bemüht, sich dem jungen Mädchen an genehm zu machen, und ebenso unverkennbar blieben seine Be mühungen ohne Erfolg. Valeska antwortete höflich, sah aber auf ihre Theetafle, stakt den Schiffsherrn anzublicken. „Du kannst Dir jetzt recht gut einbilden, am Lande zu sein", sagte Bambert. „Das Schiff steht so fest und unbewegt wie ein Haus, und der Tisch, an dem wir frühstücken, schaukelt so wenig hin und her, wie der Tisch in Eurem Speisezimmer." Auch er hatte seine Worte an Valeska gerichtet, aber ohne den ängstlichen Wunsch zu verrathen, ihr zu gefallen. Dennoch war es ihm gelungen, ihre Aufmerksamkeit von der Theetasse ab zulenken, und der von ihm angeregte Gedanke erweckte augen blicklich einen ähnlichen in Valeska's Keist, „Es wird mir so ganz merkwürdig vorkommen, wenn ich wieder an Land sein werde", entgegnete sie. „O, wie werde ich das ewig wechselnde, unbeständige Meer vermissen, und wie seh: bedauere ich, kein Seemann zu sein!" Roland Evers' buschige Brauen zogen sich schmerzlich zu sammen. Es kränkte ihn in tiefster Seele, Valeska so liebens würdig mit dem nur geduldeten Gast plaudern zu hören, wäh rend sie für ihn, den Besitzer der Dacht, nicht ein Wort übrig hatte. „Wenn diese Windstille anhält", wendete er sich an den Ba ron, „fürchte ich, bis Ende der Woche außer Stande zu sein, Sie zu dem Hafen zurückzubringen, von dem wir abgesegelt sind." „Es kommt nicht darauf an, wann es geschieht, mein lieber Roland", erwiderte der alte Herr ergebungsvoll. „Wir haben durchaus keine Eile." „Wir haben keine Eile, Joseph", sagte Lavinia, die mit demselben liebenswürdigen Lächeln und derselben sanften Stimme sprach, wie ihr Bruder, „aber wir sehnen uns dennoch danach, wieder zu Hause zu sein." Während dieser Unterbrechung der älteren Herrschaften nah men die Mittheilungen, die die beiden jungen Leute einander zu machen hatten, in aller Stille einen befriedigenden Verlauf. Va leska's zierlich beschuhter Fuß tastete sich vorsichtig unter dem Tisch Zoll für Zoll über den Teppich, bis er Fritz Bambert's Stiefel berührte. Fritz, der schweigend sein Frühstück verzehrte, blickte sofort von seinem Teller auf, und nach einer zweiten Be rührung von der Fußspitze des jungen Mädchens schnell wieder nieder. Erst als Valeska sich überzeugt hatte, daß sie nicht be obachtet werde, nahm sie ihr Messer auf. Unter dem mit voll endeter Meisterschaft erheuchelten Vorwand, zerstreut mit diesem Messer zu spielen, wie Jemand, der tief in Gedanken verloren ist, begann sie ein Stückchen Schinken, das am Rande ihres Tellers zurückgeblieben war, in sechs schmale Stückchen zu zerschneiden. Bambert sah erwartungsvoll von der Seite auf die in verschiedene Gruppen geordneten Schinkenstreifen, um aus der zwischen ihm und seiner Nachbarin verabredeten Zeichensprache zu erfahren, was seine Cousine ihm zu eröffnen habe. Die Unterredung der anderen Personen am Friistückstische dauerte fort. „Weißt Du, Fritz, daß Du mich heute Morgen furchtbar er schrecktest?" wendete sich Lavinia Plötzlich an ihren Neffen. „Ich schlief bei offenem Fenster und wurde durch ein geräuschvolles Plätschern im Wasser aus den angenehmsten Träumen erweckt. In meiner Angst rief ich nach der Aufwärterin, weil ich glaubte, es wäre Jemand ins Wasser gefallen."
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