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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.07.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-07-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980729020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898072902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898072902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-07
- Tag1898-07-29
- Monat1898-07
- Jahr1898
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Das ist ein Hin und Her, ein Vertuschen und Verzetteln, ein Melden und Dementiren, daß eS eine wahre Lust ist, sich auS diesem Labyrinth herauszufinden. Dabei kommen Ableugnungen von Nach richten, die man gar nickt kennt, und das Dementi geht der Falschmeldung voran. So wird heute versichert, daß die Mittheilungen über die Vorschläge des StaatSsecretairS wegen der FricdenSbedingungen ungenaue seien und dann werden entrüstet die Sagasta zugeschriebenen Vorwürfe, die amerikanische Regierung handele mala üäo, zurück gewiesen. Diese Vorwürfe, die man erst aus der Rechtfertigung kennen lernt, seien böswillige Erfindungen, um die Friedens verhandlungen zu stören. Es seien vor dem vergangenen DienStag, als der französische Botschafter Cambon ins Weiße Haus kam, keinerlei Schritte zur Einleitung von Friedens verbandlungen gethan worden. Man könne also in keiner Weise den Vereinigten Staaten den Vorwurf der wrrlu tiäes machen, weil sie die Operationen auf Puerto Rico fort setz en. Uebrigens drücken die militairischen Behörden ihre Verwunderung darüber aus, daß man, selbst wenn Verhandlungen im Gange seien, glauben könnte, sie würden den kriegerischen Operationen ein Ziel setzen können. Eine solche Annahme widerspreche nicht nur den militairischen Vorschriften, sondern auch dem Völkerrecht. Damit haben die Amerikaner Recht. So lange nicht ein Präliminarvertrag fest geschlossen ist, kann sich eine krieg führende Macht nicht die Chancen der Fortsetzung des Kampfes entgehen lassen. So bleiben denn auch die Amerikaner auf Puerto Rico in den alten Stellungen und mehrere amerika nische Schiffe kreuzen um die Insel. Zn Madrid scheint man sich immer mehr mit den amerikanischen Friedensbedingungen zu befreunden. In Anbetracht dessen, daß keine Kriegsentschädigung gefordert und die Souverainclät Spaniens auf den Philippinen ge wahrt wird, hält die Mehrheit der Madrider Blätter sie für- annehmbar. Die Zeitungen erheben nur Einspruch gegen das Ansinnen der Vereinigten Staaten, vorläufig die Feind seligkeiten sortzusetzen, was ihnen nicht viel nützen wird. Ein weiteres Dementi einer noch in weitesten Kreisen unbekannten Thatsache besagt, daß die Meldung, daß eine Tochter des Generals Shaster aus Madrid ansgewiesen sei, erfunden ist. Fräulein Shafter sei in Madrid gar nicht mehr anwesend. Die Person, mit welcher sich die Blätter beschäftigten, sei eine entfernte Verwandte des Admirals Schley und gehöre der Gesellschaft der Anhänger des Weit-FriedenS an. Ihrer Thätigkeit werde keiner!« Bedeutung beigemessen, und die Nachricht, sie sei auSgewiesen worden, sei unrichtig. Wir halten es für sehr wichtig, daß man diesen Politikern im Wciberrock keine Bedeutung beimißt. Der Einfluß der Frauen muß zwar in Amerika mit anderem Maße gemessen werden als bei uns, allein entscheidend ist er nicht. Daß cs jetzt eine ganze Menge männliche und weibliche Per sonen giebt, die sich in die Politik einmischen, ist natürlich. Die Sucht, Lorbeeren zu ernten, ist epidemisch und der Nepotismus, der sich mit dem entferntesten Verwandten brüstet, wenn dieser nur irgend eine Bedeutung hat, ersetzt das Adelswesen der alten Welt. Die Menschen sind überall gleich, die Eitelkeit ist oft genug die Triebfeder ihrer Hand lungsweise. Bei Nationen ist das ebenso der Fall. Die nach folgende Depesche giebt darüber die beste Auskunft. * St. Paul, 29. Juli. Der Präsident des Senats« auSschusses für die auswärtigen Angelegenheiten, Dawis, hielt hier eine Rede, in der er sagte: Die Vereinigten Staaten müßten ein wirksames Element der Lage in Asien werden oder zu ihre» Ufern zurückkehren und sich zur eigenen Ler- theioigung gegen dieselben Angriffe richten, die China zu seinem gegenwärtigen Zustande heruntergebracht hätten. ES sei jetzt offenbar, daß die Vereinigten Staaten eine große Flotten- und Militairmacht sein werde. Gewisse Ver- treter der öffentlichen Meinung Europas, die vor Kurzem herab lassend von einer Einmischung in den gegenwärtigen Streit ge- sprachen hätten, hätten die stolze Höhe ihrer Ausdrücke bereits gemildert. Bezüglich der gebesserten Beziehungen zu England sagt Dawis, der Wechsel in der Gesinnung sei jetzt deutlich wirk sam, und die 125 Millionen englisch Redender, die in allen Theilen der Welt die parlamentarische Regierungssorm mit dem nothwendigen Zubehöre der persönlichen Freiheit durchgesührt hätten, seien unter dem Drucke der großen MenschheitSentwickelung in freundschaftlicher Annäherung aneinander begriffen. * Madrid, 28. Juli. Admiral Camara hat dem Marine minister telegraphisch gemeldet, daß er mit seinem Geschwader in Cadiz vor Anker gegangen sei. Politische Tagesschau. * Leipzig, 29. Juli. Das Organ deS Fürsten Bismarck, die „Hamb. Nachr.", veröffentlichen an der Spitze ihres gestrigen Abendblattes das Folgende: „Die „Deutsche Zeitung" findet eS bedauerlich, daß in einem Theile der deutschen Presse bei jeder Gelegenheit ganz unver bürgte, beunruhigende Gerüchte über das Befinden des Fürsten Bismarck veröffentlicht werden, und führt den Verbreitern derselben die Verantwortung zu Gemüthe, welche sie in einer das deutsche Volk so tief berührenden An gelegenheit durch ihr Verhalten auf sich laden. Wir können dem Berliner Blatte nur beipflichten und richten an die unS befreundeten Blätter die Bitte, sich drr Wiedergabe solcher Berichte schon deshalb zu enthalten, weil der Fürst sehr viele Zeitungen liest und es ihn begreiflicher Weise nicht angenehm berührt, wenn er sieht, daß auch bei sonst verständigen und wohlwollenden Preß organen die Sensationslust die Rücksicht auf ihn über wiegt. Wir können versichern, daß jede wirklich wichtige Nachricht, die sich auf daS Befinden des Fürsten bezieht, der Oefsentlichkeit sofort übergeben werden wird. Wenn eine dem entsprechende Mittheilung von berufener Seite nicht vorliegt, so ist immer onzunehmen, daß alarmirende Nach- richten, die anderswo auftauchen, unbegründet sind. Wir sollten auch meinen, die Blätter wären den gewissenlosen Verbreitern falscher Nachrichten über den Gesundheitszustand deS Fürsten schon oft genug zum Opfer gefallen, um durch Sckaden klug geworden zu sein, und die „Deutsche TageS-Ztg." ist völlig im Recht, wenn sie bemerkt, angesichts einer derartigen Preßthätigkeit könne man es der Familie deS Fürsten Bismarck nicht verdenken, wenn sie sich gegen die umherhorchenden Journalisten so luftdicht wie möglich abschließe. — Das Befinden des Fürsten giebt den Aerzten zur Zeit noch zu thun, aber es liegt, wie wir schon gestern sagten, keinerlei Grund zur Beunruhigung vor. Die Schmerzen sind zwar noch vorhanden, aber die beiden letzten Nächte waren relativ gut und der Appetit beginnt sich zu heben, auch die Pfeife schmeckt wieder. Der Fürst ist bei gutem Humor. Als sich gestern eine größere Anzahl fremder Turner vor dem Thore eingrfunden hatte und dies dem Fürsten berichtet wurde, äußerte er scherzhaft: „Sehen kann ich sie ja nicht, aber da es Turner sind, sagen Sie Ihnen doch, daß ich schon seit acht Tagen Kopf stehe!" Die in den letzten Zeilen citirte „scherzhafte" Aeußerung des Fürsten und die Mittheilung der „Hamb. Nachr.", daß der Appetit des greisen Helden sich „zu heben beginne" und „die Pfeife wieder schmecke" beweisen, daß in den letzten acht Tagen nicht jede dem deutschen Volke wichtige Nachricht über daS Befinden des Fürsten „sofort der Oefsentlichkeit übergeben worden" ist. Ferner geht aus den zuerst im „Bert. Loc.-Anz." erschienenen Alarm nachrichten hervor, daß eS in der weiteren Umgebung des Fürsten Personen giebt, die mit Blättern, welche vorAllem der Sensationslust der Masse dienen, in Verbindung stehen und sich nicht scheuen, diese mit mindestens stark aufgebauschten und beunruhigenden Meldungen über das Befinden ihres Brodherrn zu bedienen. Daß solche Meldungen von der übrigen Presse nicht mit Stillschweigen übergangen werden können, ist ebenso selbstverständlich, wie ihre Pflicht, vor die rechte Schmiede zu gehen und die directe Umgebung des Fürsten um Auskunft zu ersuchen. Soll in Zukunst eine solche Belästigung vermieden und dem Fürsten selbst die Lectüre von Falschmeldungen erspart werden, so wird also nichts Anderes übrig bleiben, als daß in der That „jede wirklich wichtige Nachricht, die sich auf daS Be finden des Fürsten bezieht, der Oefsentlichkeit sofort über geben" und außerdem daS Schloß so luftdicht wie möglich nach außen abgeschlossen und dadurch den mit SrnsalionS- blättern m Verbindung stehenden FriedrichSruher „Gewährs männern" daS Handwerk gelegt wird. Wenn eS noch eines Beweises bedurft hätte, wie durchaus gerechtfertigt daS von der preußischen Staatsregierung er lassene Verbot gegen die Betheiligung von Ausländern an dem in Posen projectirt gewesenen nattoualpolttischcn Aerztc- congrcsse war, so wäre dieser Beweis durch die Art und Weise, wie das Verbot in der polnischen Hetzpresse diesseits und weit mehr noch jenseits der Grenze commentirt wird, in vollem Umfange erbracht. Der „Dziennik PoznanSki" bedauert das Posener Verbot „nur" (?) deshalb, „weil dadurch die kulturelle Arbeit von einer Seite unter brochen worden ist, der es, um das Volk vom Politisiren ab zulenken, daran gelegen sein müßte, sie zu fördern." DaS Blatt will eben, in striktem Widerspruche mit den Thatsachen, nicht zugeben, daß der ins Wasser gefallene großpolnische Aerzteeongrcß nach Absicht der hinter den Coulisien agirenden Regisseure in erster Linie nicht wissenschaftlichen Zwecken, sondern gerade dem „Politisiren" dienstbar gemacht werden sollte; es schlägt sich also mit seiner eigenen Waffe, ganz abgesehen davon, daß der „Dziennik Poznanski" selber eingesteht, der slawischen Frage sei ein internatio naler Charakter nicht abzusprechen. Die „Gazeta TorunSka" ihrerseits forderte unumwunden zur Mißachtung deS behördlichen Verbotes auf, indem sie ihrer Ansicht dahin Ausdruck gab, der Congreß hätte in Posen zur fest gesetzten Zeit und unter der verpönten Theilnahme der auc ländischen Polen stattfinden sollen, „die Polizei hätte Nie mand ausgewiesen, denn sie hätte die Deutschen vor der Welt nicht compromittiren können durch Verfolgungen ruhiger Gelehrter." Die jenseits der Grenze erscheinende „Now.r Reform»" will aus Anlaß deS Verbots die österreichische Regierung gar zur diplomatischen Intervention zwingen, und der Krakauer „CraS" fordert wuthentbrannt die österreichische Regierung zu Repressalien auf. Selbst ein Krakauer ärztliches Fachblatt, der „Przeglond LekorSki" (Aer.u- liche Revue) spricht von ver Posener Negierung alö einer „drakonischen" und registrirt „von allen Seilen Aeußerungen der Entrüstung und der Verachtung für di: pseudocivilisirte Nation der Teutonen"; in der That ein würdiger Ton für ein sich als „Fachblatt" gerirendcs Organ, der sich in nichts von der Ausdrucksweise der socialdemokratischen „Gazeta Robotnicza" unterscheidet, welche die „Wissenschaft" in Posen „von der polizeilichen Pickel haube erstickt worden" sein läßt. Um der objectiven Wisscu- schast willen hat sich das Polenthum als solches niemals aufgeregt und würde eS auch jetzt nicht thun. Daß di: großpolnische Hetzpropaganda ihren Fanatismus auf einmal so fessellos gegen die Polenpolitik der preußischen Regierung wülhen läßt, erklärt sich einzig aus dem Unwillen und Aerger darüber, eine vor langer Hand mit großer Finesse eingefädelle Speculation vereitelt zu sehen. Man kann den Herrschaften diesen Aerger ja allenfalls nachfühlen, aber sicher ist es nickt die Aufgabe der preußischen Staats- und deutschen Cultur- mission lm Osten, um den Beifall derjenigen agitatorischen Elemente zu buhlen, deren großpolnische ZukunftSpläne erst dann Gestalt gewinnen könnten, wenn der pr«ißische Staat und daS deutsche VolkSthum in Trümmern am Boden lägen. Obwohl „fortwährende Besserung" in dem Befinden des kugltschcu Thronfolgers täglich gemeldet wird, ist doch die Befürchtung groß, eS werde dem Prinzen eiue andauernde Lahmheit deS Beines verbleiben, an welchem er schon vorher seit Jahren durch eine Krampfader litt. Ausgefallen ist, daß die Königin Victoria mit den Prinzessinen Victoria von Schleswig-Holstein und Victoria Eugenie, wie auch den Prinzen Leopold und Moritz von Battenberg, vor einigen Tagen nach der Insel Wigbt übersiedelte, ohne ihren Sohn besucht zu haben. Man weiß, daß daS Verhältniß zwischen Mutter und Sohn seit vielen Jahren nicht das beste gewesen ist. Der Anfang der Störung geht neck aus die letzten Lebensjahre des Prinzen Albert zurück, zwischen dem und seinem Sohne auch nicht die erfreulichsten Be Ziehungen obwalteten. Man erzählte seinerzeit von einem heftigen Anftrilte, der in Oxford stattfand, als der junge Prinz dort studirte — ein Austritt, der dem Prinz-Gemahl außerordentlich zugesetzt haben soll. Bald nach dem Tode deS Prinzen Albert wurde dann ein Versuch gemacht, die in tiefster Wittwentrauer verharrende Königin zurAbdankuug zuzwinge n.Zum allgemeinen Erstaunen brachten die „Times" eines TageS einen dahin abzielendenLeitartikel. Anscheinend war TiSraeli für den Plan gewonnen; denn bei einem Gastmahl von Pächtern seiner Grafschaft ließ er sich zu der fast uw glaublichen Aeußerung hinreißen: „Die Königin ist körperlich und geistig der Fähigkeit beraubt (pkzsieallv anck meutall)- illeaxaeitatoä), der Regierung weiter Vorzustehen." Man begreift, welchen Eindruck dies auf daS Staatsoberhaupt machen mußte und in welche Ungnade der conservative Führer dadurch verfiel. Er hat in Frirslletsn. Vergeltung. gj Erzählung von Wilkie Collins. Nachdruck verbalen. „Wessen sollte er schuldig sein?" „Er war zugegen, als der Matrose über Bord geworfen wurde, dessen bin ich gewiß, und ich möchte beinahe behaupten, daß er selbst der Uebelthäter war." „O, Fritz, wie kannst Du nur so etwas denken!" rief Valeska, entsetzt zurückfahrend. „Das ist zu schlecht. Du magst getrost Roland nicht leiden können, ihn als Deinen Feind betrachten, aber ihm etwas so Grauenvolles nachsagen, ist nicht großmüthig von Dir, sieht Dir gar nicht ähnlich!" „Wenn Du ihn beobachtest hättest, wie ich, wärest Du auf dieselbe Vermuthung gekommen. Ich werde sowohl in des Onkels Interesse, wie in unserem eigenen, Erkundigungen über die Sache einziehen. Mein Bruder kennt einen Polizeicommissar, von dem er gewiß Näheres erfahren wird. Daß Evers nicht immer Kaufmann war und sich dem Handel nach der Levante widmete, weiß ick bereits." „Schäme Dich, Fritz, schäme Dich!" In diesem Augenblick wurden wieder Fußtritte auf dem Verdeck vernehmbar. Valeska flog an die Thür, die nach der Cajüte führte. Bambert hielt sie zurück, als sie die Hand auf die Klinke legte. Die Fußtritte verhallten auf dem Hinterdeck. Er schlang seine Arme um Valeska, die es geschehen ließ. „Bringe mich nicht zur Verzweiflung", rief er. „Das ist die letzte Gelegenheit für mich. Ich verlange nicht von Dir, daß Du mir sofort versprichst, mich zu heirathen, ich bitte Dich nur, Dir meinen Vorschlag zu überlegen." Die Fußtritte näherten sich wieder, aber dieses Mal achteten weder Bambert noch Valeska auf das Geräusch. Valeska's längere Abwesenheit hatte angefangen, ihre Tante zu befremden und in Evers ein unbehagliches Gefühl des Mißtrauens erweckt. Miß- muthig kam er vom Hinterdeck zurück. Zerstreut warf er im Borübergehen einen Blick in die große Cajüte. „Laß mich fort", bat Valeska beklommen. „Sage Ja!" erwiderte Bambert, sie so fest haltend, als wollte er sie nie wieder freigeben. In diesem Augenblick rief Lavinia mit ihrer schrillen Stimme vom Verdeck nach Valeska. ES gab für die Arme jetzt nur ein Mittel, von Bambert loSzukommen. „Ich will es mir überlegen", versprach sie ihm, und Bambert küßte sie und ließ sie gehen. Kaum hatte die Thür sich hinter ihr geschlossen, als oben am Fenster das finstere Gesicht Evers' erschien und in die Vor rathskammer niederblickte. „Was haben Sie denn da unten zu suchen, Bambert?" rief er in grobem Ton. Bambert nahm eine Streichholzschachtel von einem Seiten brett. „Ich hole mir Feuer für meine Cigarre", entgegnete er schlag fertig. „Ohne meine ausdrückliche Erlaubniß gestatte ich Niemand, unterhalb des Verdeckes über die Cajüte hinauszugehen. Der Steward hat sich einen groben Verstoß gegen die Schiffsregeln zu Schulden kommen lassen und wird sofort seines Dienstes ent hoben werden." „Den Mann trifft kein Vorwurf." „Das zu beurtheilen, ist meine Sache." Bambert war im Begriff zu antworten, und ein Wortwechsel zwischen den beiden Männern schien unvermeidlich, als ein Schiffslieutenant auf dem Verdeck sich Evers näherte und seine Aufmerksamkeit auf eine Frage lenkte, mit der auf dem Meere niemals zu spaßen ist, die Frage des Windes und der Fluth. Die Uacht befand sich im Bristolcanal, am Eingang der Bidefordbucht. Der Wind, der stärker zu werden anfing, änderte gleichzeitig seine Richtung. Die Fluth dauerte höchstens noch drei Stunden. „Der Wind dreht sich, Herr Evers", meldete der Lieutenant. „Ich fürchte, wir kommen mit dieser Fluth nicht mehr aus der Bucht." „In Bideford liegen Briese für mich", entgegnete Evers ärger lich. „Wir haben durch die Windstille zwei Tage verloren; ich muß ans Land schicken, um die Briefe von der Post zu holen, ob wir nun die Fluth versäumen oder nicht." In der Nähe des Hafens von Bideford wurde ein Boot ab geschickt, um die Briefe von der Post zu holen, während die Uacht still liegen mußte. In kürzester Zeit befanden sich die Briefe in Evers' Händen. Das Boot wurde aufgewundrn und eingehakt, die Yacht sollte wieder in See gehen, als Evers die Schiffsmannschaft durch den Befehl: „Halt!" in Erstaunen setzte. Er hatte alle Briefe bis auf einen ungelesen in die Tasche gesteckt; das eine Schreiben aber, das er gelesen, hielt er fest in der geschloffenen Hand. Aus seinen Augen blitzte unbezähmbare Wuth, tiefste Bestürzung sprach au» jedem Zuge seines bleichen Gesichtes. „Das Boot herunter!" donnerte er. „Ich muß noch heute Abend nach London." Baron v. Koslyn näherte sich ihm mit offenem Munde. „Hier ist keine Zeit zum Fragen und zum Antworten", herrschte Evers den alten Herrn an, „ich muß ohne Verzug zu rückkehren." Im nächsten Augenblick saß er im Boot. „Benutzen Sie die Fluth, wenn Sie können", rief er dem Steuermannc zu, „wo nicht, setzen Sie meine Gäste bei Mine- head, oder wo Sie sonst wollen, ans Land." Dann winkte er dem Baron, sich über die Schiffswand herabzubeugen. Der Baron beeilte sich, den Wunsch des Freundes zu er füllen. „Vergessen Sie nicht, was ich Ihnen von Bambert sagte", flüsterte er. Sein Blick galt Valeska. „Beunruhigen Sie sich nicht, ich werde Sie sehr bald in London Wiedersehen, Vally", rief er, bemüht, so sanft zu sprechen, wie es ihm nur irgend möglich war. 3. Capitel. Die mit der Levante in Handelsverbindung stehende Firma Pizzituti, Evers L Bianca befand sich in Geldverlegenheit. Der Brief, den Evers an Bord seiner Uacht erhalten hatte, kam von Branca, dem dritten der Geschäftstheilhaber. „Wir werden unvermuthet von einer schweren Krisis über rascht", schrieb Branca. „Bis auf unsere Geschäfte mit den kleinen auswärtigen Firmen ist für uns Alles in Ordnung. Für diese haben wir Wechsel in Höhe von vierzigtausend Pfund zu begleichen, und wie ich fürchte, ist auf Deckung nicht zu rechnen. Näheres erfahren Sie durch einen zweiten Brief, der unter Ihrer Adresse postlagernd in Ilfracombe auf Sie wartet. Aufregung und Sorge haben mich so mitgenommen, daß ich ge zwungen bin, das Bett zu hüten. Kommen Sie sofort zurück." Noch an demselben Abend war Evers in seinem Bureau damit beschäftigt, mit Hilfe seines ersten Buchhalters den Stand der Geschäfte zu untersuchen. Die Firma handelte mit den verschiedenartigsten Artikeln, von den Baumwollenwaaren Man chesters bis zu Smyrnaer Feigen. Sie hatte Zweiggeschäfte in Alexandria und Odessa und Correspondenten überall längs den Küsten des Mittelländischen Meeres wie in den Hafen städten des Orients. Diese Correspondenten waren die in Branca's Brief als kleine auswärtige Firmen bezeichneten Leute, welche die ernste finanzielle Krisis in dem Geschäfte deS großen Hauses in Austin Friars hervorgerufen und Evers veranlaßt hatten, in solcher Eile nach London zuriickzukehren. Jeder dieser kleinen Firmen hatte daS Haus gestattet, Wechsel im Be trage von fünftausend bis sechstausend Pfund auf Pizzituti, Evers L Branca zu ziehen, ohne irgend eine andere Bürgschaft als die mündliche Uebereinkunft, daß der Betrag der Wechsel vor dem Verfalltage eingehen solle. Der Wettbewerb anderer Häuser hatte die Firma verleitet, sich di.esem ungesunden, ge wagten System anzuschlicßen. Die orientalischen Kaufleute lehnten es entschieden ab, mit einem Hause Geschäfte zu machen, das ihnen jenes Vorrecht nicht zugestand. In dem gegen wärtigen Falle hatten die auswärtigen Händler ihre Wechsel auf das englische Haus in an und für sich nicht großen, aber in ihrem Gesammtbetrage sehr erheblichen Summen längst zur Deckung anderweitiger Verpflichtungen verwendet und es der Londoner Firma überlassen, die Papiere am Verfalltage ein zulösen. Einige hatten sich damit begnügt, Versprechungen zu machen und um Entschuldigung zu bitten, andere Wechsel auf Firmen eingeschickt, die bereits ihren Bankerott erklärt hatten oder im Begriff waren, es zu thun. Nachdem Branca seine eigenen Baarmittel erschöpft, hatte er zur Deckung für die dringendsten Forderungen den Credit der Firma soweit in An spruch genommen, als es möglich war, ohne den wahren Sach verhalt zu verrathen. Trotzdem blieben noch bis Weihnachten Wechsel im Betrage von vierzigtausend Pfund einzulösen, ohne daß die Firma einen Heller in Händen gehabt hätte, diesen un geheuren Verbindlichkeiten gerecht zu werden. Zu diesem Ergebniß war Evers gelangt, nachdem er die Nacht durchgearbeitet hatte und die aufgehende Sonne schon durch die Fenster seines Privatbureaus auf ihn niederschien. Die ganze Gewalt des Schlages hatte fast ihn allein ge troffen. Der Antheil Pizzituti's und Branca's an dem Ge schäft war kaum der Rede Werth. Ihm gehörte das Capital und er hatte den Verlust zu tragen. Er müße das Geld aufireiben, oder er war zu Grunde gerichtet. Wo sollte er aber das Geld hernehmen? Bei seiner Stellung in der City brauchte er nur zu dem bekannten Lombardgeschäftsbause Bulgit zu gehen, das jährlich viele Millionen umsetzte, und sich die erforderliche Summe aus zahlen zu lassen. Vierzigtausend Pfund war für Bulgit eine Kleinigkeit. Und wenn er das Geld aufgetrieden hatte, wie sollte er es in seiner jetzigen Lage wieder bezahlen? Seine Gedanken wendeten sich seiner Heirath mit Valeska zu. „Merkwürdig!" dachte er, sich seiner Unterredung mit dem Baron an Bord der Uacht erinnernd. „Koslyn erklärte mir, er werde seiner Tochter bei ihrer Verheirathung sein halbes Ver mögen geben, also genau vierzigtausend Pfund!" Er ging einige Male im Zimmer auf und ab. Nein, es war unmöglich,
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